„Eddie!"
Mirijam fuhr hoch. Fast erwartete sie, ihre Brüder zu sehen, aber sie lag auf einem Sofa in einem Zelt und in diesem Zelt schliefen Susan und Lucy. Mirijam stand auf. Sie atmete tief durch. Sie hatte von ihrem letzten Tag in Narnia geträumt. Sie versuchte das Bett zumindest ein wenig ordentlich zu machen. An diesem letzten Tag in Narnia hatte sie von diesem zweiten Leben geträumt. Dann ging sie aus dem Zelt und atmete die kühle Morgenluft ein. Je länger sie darüber nachdachte, desto seltsamer wurde es. Die Sonne war noch nicht aufgegangen. Weil sie keine Lust hatte, mit jemandem zu reden, machte sie sich auf den Weg zu der Wiese, auf der sie mit Agrios fliegen geübt hatte. Sie hatte an ihrem letzten Tag in Narnia von ihrem zweiten Leben hier geträumt! Das war doch seltsam, ganz ehrlich!
Sie kam bei der kleinen Anhöhe an, auf der sie versucht hätte, zu landen. Schnell verwandelte sie sich in einen Vogel und stob in die Luft. Es war ein befreiendes Gefühl, allerdings hatte sie vor, das Landen zu üben. Als sie ein paar Mal versucht hatte, auf der Anhöhe zu landen, und dabei ziemlich oft herumgepurzelt war, entschloss sie sich, erstmal auf einem Ast zu landen. Beim Ersten Mal klappte das ganz gut, allerdings streifte sie mit ihrem Flügel den Baumstamm, was ganz schön wehtat. Als sie es dann ein zweites Mal probierte, war ihr Griff wohl nicht fest genug, weil sie auf dem Ast herunterrutschte, sodass sie aussah, wie eine silberne Wanderfalkenfledermaus. Sie kicherte.
Dann probierte sie für eine Weile auf stinknormalem Boden zu landen, was ja eigentlich gar nicht so schwer sein dürfte, allerdings schaffte sie es nie, Gleichgewicht zu finden, und fiel um. Manchmal schlug sie auch ein oder zwei Purzelbäume. Langsam ging die Sonne hinter dem Östlichen Meer auf. Nach einer missglückten Landung watschelte Mirijam auf die kleine Anhöhe und betrachtete das Schauspiel. Das Wasser schimmerte in verschiedenen Farben. Sie seufzte leise. Sie hatte zwar schon oft den Sonnenaufgang gesehen, aber niemals hatte sie sich so allein gefühlt. Ihre Brüder waren nicht da und die Pevensies verstanden sie nicht. Obwohl, nein, Mirijam hatte mit den Pevensies noch nie wirklich darüber geredet. Also konnten die sie ja gar nicht verstehen. Wäre sie ein Mensch gewesen, hätte sie gelächelt. Sie würde einem der Pevensies heute alles erzählen. Einem von ihnen.
Früher am vorherigen Tag im Lager der Hexe war Edmund an einen Baum gefesselt. Der Zwerg schritt auf ihn zu. „Ist unserem kleinen Prinzen nicht bequem genug?", verspottete er ihn. „Vielleicht sollte ich ihm sein Bett aufschütteln! Eine besondere Behandlung für unseren besonderen Goldjungen! Ist es nicht das was du wolltest?" Der Zwerg kam seinem Gesicht immer näher, bis Edmund schließlich so weit zurückgewichen war, wie er konnte. Leise lachend zog sich der Zwerg wieder zurück. Edmund saß ziemlich lange an diesem Baum. Er hoffte, dass Mirijam und seine Geschwister in Sicherheit waren. Er wusste, dass die Hexe ihre Wölfe losgeschickt hatte, unteranderem diesen Maugrim. Aber er hatte keine Ahnung, ob die Wölfe sie gefunden hatten oder nicht. Auf einmal, es war schon dunkel, hörte er Schreie. „Holt euch den Jungen!", schrie eine Stimme. Viele seltsame Lebewesen waren in das Lager gestürmt. Ein Zentaur und ein paar Faune. Zwei Faune stürmten auf ihn zu, die anderen kämpften gegen Zwerge und andere Kreaturen der Hexe. Die zwei Faune machten ihn von dem Baum los und stellten ihn auf die Füße. Edmund zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass das Aslans Leute waren, sie sahen alle gütig und entschlossen aus, deshalb ging er wiederstandslos mit ihnen mit.
Als die Hexe kam, um nach dem Grund des Tumults zu sehen, sah sie zuerst viele Tote. Zielstrebig lief sie auf den Baum zu, an dem Edmund angekettet war. Doch an dem Baum saß Edmund nicht mehr. Stattdessen saß der Zwerg geknebelt an dem Baum. In seiner Mütze steckte ein Messer. Mit kalter Miene zog die Hexe das Messer heraus und zerschnitt die Fesseln. Dann wandte sie sich ab. „Ihr tötet mich doch nicht?", fragte der Zwerg unsicher. Die Hexe drehte sich rasch zu ihm um. „Noch nicht", antwortete sie. Mit diesen Worten drehte sie sich um und sagte:„Wir haben viel zu tun."
Peter trat aus seinem Zelt. Die Sonne stand am Himmel, keine einzige Wolke war zu sehen. Er sah Oreius, den Zentauren, den Aslan gestern weggeschickt hatte, um Edmund zu suchen. Peter sah ihn abwartend an. Hatte er Edmund retten können? Er wartete darauf, dass er irgendetwas sagte, doch Oreius drehte nur seinen Kopf zu dem Hügel, auf dem Aslan gestern mit ihm geredet hatte. Peter schaute auch dorthin. Dort stand Aslan. Und vor ihm stand Edmund. Peter war sehr erleichtert, auch wenn er es nicht zeigte. Er nickte Oreius dankend zu. Hinter ihm kamen Susan und Lucy angelaufen. „Hast du Mirijam gesehen?", fragte Susan. Peter drehte sich zu ihnen um. „Nein, wieso?", sagte er abgelenkt. „Naja, sie ist nicht mehr im Zelt", antwortete Susan. Lucy schaute sich um. Dann sah sie Edmund. „Edmund!", schrie sie und wollte zu ihrem Bruder stürmen, doch Peter hielt sie zurück. Wenn Edmund mit Aslan sprach, dann durfte keiner sie unterbrechen. Lucy und Susan schienen das nicht ganz zu verstehen, denn beide schauten ihren Bruder verwirrt an.
Aslan und Edmund schauten zu ihnen. Aslan schien Edmund etwas zu sagen, welcher nickte. Dann machten sich die beiden auf den Weg nach unten, zu den anderen drei. Als sie vor ihnen ankamen, schaute Edmund betreten auf den Boden. Er traute sich nicht, ihnen ins Gesicht zu sehen. „Was geschehen ist, ist geschehen", sagte Aslan. „Es ist nicht nötig, mit Edmund über die Vergangenheit zu reden." Kaum hatte der Löwe seinen Satz beendet, drehte er sich um und ging davon. Dann blieb es still. „Hallo", sagte Edmund schließlich zögernd. Ein breites Lächeln schlich sich auf die Gesichter der Mädchen und Lucy stürmte auf ihn zu und schlang ihre Arme um ihn. Auch Edmund musste lächeln. Lucy hatte ihm vergeben!
Als Lucy sich von ihm löste, kam schon Susan auf ihn zu und drückte ihn so fest,als hätte sie ihn Jahre nicht mehr gesehen. Als auch Susan ihn wieder losließ, fragte sie:„Geht es dir gut?" „Ich bin ganz schön erschöpft", antwortete Edmund ehrlich. „Dann geh erstmal schlafen", sagte Peter. In seinem Gesicht war keine Emotion zu sehen, und das verunsicherte Edmund. Er drehte sich um, um zum Zelt zu gehen. „Und Edmund!", sagte Peter. Edmund drehte sich um. „Nicht wieder abhauen!", sagte Peter schmunzelnd. Edmund schmunzelte zurück.
Eine halbe Stunde später trat Edmund, der sich umgezogen hatte, vorsichtig aus dem Zelt. Wo waren seine Geschwister hin? Er machte sich auf die Suche nach ihnen
Edmund ging weiter, ziemlich am Rand des Lagers. Dann hörte er eine Stimme von oben. „Eddie?"
Er sah sich um. Von wo war diese Stimme gekommen? Dann landete vor ihm ein silberner Vogel. Allerdings verlor er das Gleichgewicht und puzelte auf den Boden. Edmund kannte nur ein Person, die ihn je Eddie genannt hatte. „Mirijam?", fragte er vorsichtig. Der Vogel richtete sich wieder auf und auf einmal stand Mirijam vor ihm. Sie grinste ihn fröhlich an. „Hallo Eddie!", sagte sie leise. „Du warst gerade ein Vogel", sagte Edmund verwirrt. „Jaah", antwortete Mirijam peinlich berührt und sah sich um. „Kannst du....kannst du ein Geheimniss bewahren?", fragte sie dann leise. „Klar", antwortete Edmund.
„Können wir vielleicht irgendwo hin, wo uns keiner belauschen kann?", fragte Mirijam vorsichtig. Edmund nickte. Zusammen liefen sie zu dem Zelt der Jungen zurück. Edmund trat ein. Mirijam betrat nach ihm das Zelt. In dem Zelt waren auch zwei Truhen, allerdings keine Sofas. In dem Zelt hingen Hängematten. „Das ist ja fies!", beschwerte sich Mirijam. „Ich wollte schon immer Mal in einer Hängematte schlafen!"
Edmund sah sie verwirrt an. „In unserem Zelt gibt es Sofas!", erklärte Mirijam. Edmund lachte auf. Dann setzte er sich in die eine Hängematte. Mirijam setzte sich auf eine der Kisten. „Also, dann erzähl. Was ist mit diesem Geheimnis?", sagte Edmund. „Ich glaube, ich sollte dir das ganz von Anfang an erzählen", sagte Mirijam. Sie seufzte. „Okay. Also, du weißt, ich bin in Narnia schon einmal aufgewachsen, zum Professor gekommen und dort drei gewesen. Richtig?" „Richtig", bestätigte Edmund. „Gut, also. In meinem ersten Leben in Narnia war ich eine Prinzessin. Meine Eltern waren die ersten Könige von Narnia. Ich hatte zwei ältere Brüder. Kurz, nachdem ich geboren wurde, kam Aslan und sagte, dass ich ein besonderes Schicksal haben würde und so weiter", erzählte Mirijam. „Ich glaube, der Begriff Silbervogel sagt dir nichts?"
„Nein", sagte Edmund. „Gut, also, als Silbervogel kann ich mich unteranderem in einen Vogel verwandeln, super, ja, und ich habe noch andere seltsame Fähigkeiten, von denen keiner weiß. Diese Tasche hier kann mir dabei helfen, zu zaubern, das ist ziemlich nützlich, wenn man unter einem vereisten Wasserfall steht, der schmilzt und schnell irgendwo anders hin muss", sagte sie lächelnd. „Außerdem fungiere ich als sogenannte Botschafterin Aslans, was komplett übertrieben ist. Und naja, mein Leben hängt gewissermaßen von Narnia ab. Wenn Narnia zerstört wird, sterbe ich. Wenn es Narnia aber gut geht, bin ich hier sozusagen unsterblich. Das ist alles, was ich über mich selbst weiß. Deine Geschwister wissen nichts davon, und ich bitte dich, ihnen nicht davon zu erzählen!"
Edmund nickte. „Das heißt, du bis eine narnianische Prinzessin, ein Silbervogel und Botschafterin Aslans und hast versteckte Zauberkräfte?", fasste er zusammen. Mirijam nickte. „Ja, so ungefähr."
Dann schwiegen sie ein paar Sekunden.
„Was habt ihr alles so erlebt?", fragte Edmund schließlich. „Wie viel hast du gehört?", fragte Mirijam. „Bis zu der Sache mit dem steinernen Tisch", sagte Edmund. „Okay. Danach hat Herr Bieber von einer Prophezeiung erzählt. Wenn Adams Fleisch und Adams Blut in Cair Paravel auf den Thronen ruht ist das Übel vorbei und das Volk sich freuen tut. In Cair Paravel gibt es vier Throne. Und ihr... Naja, ihr seid die vier Könige", sagte Mirijam. Edmund starrte sie überrascht an. „Wir vier? Aber wie soll das gehen?", fragte er. „Ihr werdet gekrönt?", fragte Mirijam sarkastisch lächelnd. Edmund lachte auf. „Ja natürlich, aber wer kam auf die Idee, dass wir das sind?" „Na ja, die erste war wohl die Hexe. Deswegen hat sie dich ja verzaubert, weil sie die anderen auch haben wollte. Dann wäre sie vielleicht nämlich nicht gestorben, weißt du?" „Die Hexe ist tot?", fragte Edmund verwirrt. „Nein, aber ich bin fest davon überzeugt, dass sie sterben wird. Erstens wird das in eurer Prophezeiung gesagt und zweitens gibt es noch eine andere, über Aslans Rückkehr, die ja stattgefunden hat, in der es so heißt:
Unrecht wird vergehen, wenn wir Aslan sehen. Wenn sein Gebrüll erschallt, flieht aller Kummer bald. Wenn er seine Zähne entblößt, sind wir vom Winter erlößt. Und leuchtet seine Mähne weit, bricht wieder an die Frühlingszeit.
Dieses Unrecht ist sozusagen die Herrschaft der Hexe. Also muss sie besiegt werden!"
Mirijam grinste ihn an. Edmund lachte. „Sag Mal, wie spät ist es eigentlich?", fragte Mirijam auf einmal. „Keine Ahnung?", sagte Edmund verwirrt. „Warum?"
„Weil wir das Frühstück verpassen! Komm, ich hoffe nur, Frühstück gibt es da, wo es Abendessen gibt!"
Sie zog Edmund von der Hängematte hoch und rannte mit ihm aus dem Zelt. Als erstes rannten sie zu der Stelle, an der sie Abend gegessen hatten, aber da war keiner. Suchend schaute sie sich um. „Da!", sagte Edmund auf einmal. Auf einem Hügel, vor einem der letzten Zelte am Rand, saßen Lucy und Susan vor einer kleinen Platte, die auf dem Boden stand. Peter lehnte an einer Felswand, die sich dahinter erstreckte. „Wer als erstes da ist!", sagte Mirijam grinsend und rannte los.
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