𝟕: 𝐄𝐆𝐆𝐍𝐎𝐆
𝟕: 𝐄𝐆𝐆𝐍𝐎𝐆
»𝐀𝐋𝐋𝐄𝐒 𝐄𝐑𝐋𝐄𝐃𝐈𝐆𝐓, 𝐋𝐀𝐃𝐈𝐄𝐒.«, rief Eddie und stieg wieder ein.
Er reichte mir die obligatorische braune Papiertüte und kämmte sich das durcheinandergeratene Haar.
Es war wirklich kalt geworden und der Nordwestwind härter als noch Tage zuvor.
Vielleicht würde es endlich mal schneien.
Ich hoffte so sehr darauf.
In Schottland hatte ich es geliebt, den Schnee beim Fallen zu bewundern und Schneeengel zu machen.
Mit dem Daumen zeigte ich ihm, dass er das gut gemacht hatte und fragte mich innerlich wie es sein konnte, dass er jedes Mal damit durchkam.
Das Ausweisfoto war wirklich nicht mit Eddie zu vergleichen.
»Jude, was sagst du? Einen ersten Schluck?«, fragte ich lachend und öffnete die Papiertüte.
Als ich auf die pastellgelbe Flüssigkeit sah, runzelte ich die Stirn. »Aunt Clare's Famous Eggnog.«
»Eddie!«, brüllte ich unzufrieden. »Ernsthaft?«
Besagter Freak zuckte grinsend mit den Schultern und warf einen flüchtigen Blick auf mein erbostes Gesicht.
»Ihr seid mir so auf die Nerven gegangen mit eurem immerwährenden Hass gegen den göttlichen Eierpunsch von Tante Clare, dass ich nicht anders konnte.«, mit seinen Worten warf er Judy einen vielsagenden Blick aus dem Rückspiegel zu.
Ihm war es egal, dass ich mich auch gegen Eierpunsch gewährt hatte, aber als Judy sich mir anschloss brannte wohl eine seiner wenigen Synapsen durch.
»Wir haben vorgestern Eierpunsch getrunken, du Esel. Ich hasse ihn nicht. Aber Peperonipizza mit diesem sahnigen Gesöff?«, ich schüttelte angewidert den Kopf.
Trotzdem öffnete ich den Schraubverschluss und nahm einen großzügigen Schluck.
»Mir wird schon schlecht bei dem Geruch von salziger Pizza und süßem Sahnelikör.«, beschwerte sich nun auch Judy.
Eddie zog seinen Kopf ein wenig ein, damit sie ihn nicht durch den Spiegel sah und äffte sie nach.
Obwohl Judy meine beste Freundin war, musste ich leise lachen.
Ich verkaufte es den beiden aber als Ungläubigkeit darüber, dass sich Eddie über unsere Wünsche hinweggesetzt hatte.
Ich nahm noch einen Schluck und genoss das wohlige Gefühl von brennendem Alkohol in meiner Kehle.
Der Alkoholgehalt war so niedrig, dass es eher einem Prickeln glich.
Aber ich mochte einfach das Gefühl, das es in mir auslöste.
Mich wohlig warm fühlen ließ.
»Gib mal her.«, brummte Judy und streckte ihren Arm aus.
Ich reichte ihr die Flasche und durchwühlte die braune Papiertüte.
»Guter Junge.«, lobe ich grinsend und öffnete die kleine Packung mit Erdnussbutter M&M's.
Eddie brachte sie mir jedes Mal mit.
Ich steckte mir einige der ovalen Kugeln in den Mund und wartete darauf, dass er sich zu mir hinüberbeugte. Dann warf ich ihm die Grünen in den Mund.
Eddie und ich würden noch zu Lebzeiten keine Einigung darüber finden, aber ich fand, dass die Grünen anders schmeckten. Und ich mochte sie nicht.
Also fungierte er als Müllschlucker und aß sie für mich.
»Verschüttest du nur einen Tropfen, schrubbst du den Van mit einer Zahnbürste.«, blaffte er Judy entgegen.
»Selbst wenn ich kleckern würde, würde man das gar nicht erkennen, so versifft ist er.«, konterte sie wütend.
»Oh wow. Miss Ich-komme-aus-gutem-Hause wird aufmüpfig. Du kannst gerne zu Fuß gehen!«, knurrte Eddie und trat fester auf das Gas.
Ich legte ihn beruhigend eine Hand auf den Oberschenkel, als ich seinen irritierten Seitenblick sah, nahm ich sie allerdings sofort wieder runter.
Stattdessen setzte ich einen verständnislosen und ärgerlichen Gesichtsausdruck auf.
„Was ist nur los mit euch zwei Streithähnen? Das war noch nie so schlimm.«
Seufzend drehte ich mich zu Judy nach hinten um und sah sie fragenden Blickes an.
Hier und da hatte es immer Reibereien gegeben, aber so kurz vor der Explosion hatten sie nie gestanden.
Judy zuckte gleichgültig mit den Schultern, nahm einen weiteren Schluck des Eierpunsches und gab mir schließlich die Flasche zurück.
Ich murmelte ein leises -Dankeschön- und setzte die Flasche zwischen meine Lippen an.
»Trinkt mir nicht alles weg.«, beschwerte sich Eddie grinsend.
Er hatte sich also allmählich beruhigt.
Dass er so eine Zicke sein konnte, war mir auch neu. Vielleicht zerrte die kurze Nacht und der lange Tag an seinen Nerven.
»Zu mir oder zu dir?«, fragte Eddie nach einer Weile und wackelte aufreizend mit den Augenbrauen.
Er brachte solche Witze ständig, uns war vor dem anderen nichts peinlich oder unangenehm.
Aber heute jagten mir seine Worte einen leichten Schauer über den Rücken.
Weil ich eine kleine Ewigkeit nicht antwortete, schnipste er mir gegen den Oberarm, woraufhin ich meinen verschleierten Blick endlich wieder auf ihn richtete.
»Mom und Dad sind weg, wie immer. Wayne schläft bestimmt vor, damit er die Nachtschicht übersteht. Also zu mir?«, fragte ich eher als, dass ich es festlegte.
Eddie nickte zustimmend und lenkte den Wagen in Richtung des Trailerparks.
Judy, die die restliche Fahrt nur aus dem Fenster gestarrt hatte, murmelte leise, dass das die beste Idee des Tages war.
Eddie quittierte dies mit einem erneuten Augenrollen.
Nachdenklich kaute ich mir auf der Lippe herum. Eigentlich gab es nur zwei Möglichkeiten, wie der Abend zu keiner Vollkatastrophe werden konnte: Wir betranken und sehr zeitnah oder ich überredete Eddie, Zurück in die Zukunft zu schauen.
Wenn ich ein Michael J. Fox Enthusiast war, dann war Judy ein waschechtes Groupie.
Sie hatte einmal sechs Stunden lang vor einem Hotel in Indianapolis gewartet, weil er Zeitungsberichten zufolge dort campierte, während er einen Beitrag filmte.
Judy hatte sich verkühlt, war danach zwei Wochen krank, gefolgt von zwei Monaten Hausarrest, weil sie ohne Erlaubnis mit einer Bekannten abgereist war. Das war die bisher längste Zeit, in der wir einander nicht sehen konnten.
Aber weil ich keine große Lust hatte Eddie's abfällige Kommentare zu hören, die es mit Sicherheit geben würde, entschloss ich mich für Option Zwei.
𝐍𝐀𝐂𝐇𝐃𝐄𝐌 𝐄𝐃𝐃𝐈𝐄 𝐃𝐄𝐍 𝐖𝐀𝐆𝐄𝐍 𝐆𝐄𝐏𝐀𝐑𝐊𝐓 𝐇𝐀𝐓𝐓𝐄 und dabei verdächtig nah an einem Brombeerbusch Halt machte, wodurch Judy von den Dornen gepiekt wurde, gingen wir in meinen Trailer.
Im Gegensatz zu Eddie's und Waynes spartanischer Einrichtung war es hier wirklich gemütlich.
Mom und Dad holten alles raus, was ging.
Und somit befanden wir uns ein einer Mischung aus einem schottischen Pub und einer indischen Gebetsstätte. Mit dem Einfluss sehr klischeehafter amerikanischer Souvenirs.
Bei dem Gedanken daran, wie Dad freudestrahlend mit einer Wanduhr, die das Hollywoodzeichen zierte, nach Hause gekommen war, musste ich ganz automatisch lächeln.
Ich trottete den beiden in mein Zimmer hinterher und seufzte leise auf, als ich den Berg an Kleidung sah. Stimmt ja. Eddie's Umstylingsversuch, der, wenn ich jetzt darüber nachdachte, dazu geführte hatte, dass ich sexuell belästigt worden war.
Als hätte er dasselbe gedacht, drehte er sich zu mir um und lächelte entschuldigend, bevor er zum Klamottenhaufen ging und die Sachen nach und nach in meinen Schrank warf.
Ich hätte gerne gesagt, dass das jetzt auch nicht viel brachte, weil ich sie lieber gefaltet und sortiert hätte, aber ich war dankbar für seine Hilfsbereitschaft. Also lies ich es.
»Wie wäre es mit einem Trinkspiel?«, fragte ich und legte die Pizzakartons auf meinem Bett ab.
Hoffentlich würde das Fett nicht durchsiffen.
Während ich auf eine Antwort wartete, ging ich zurück in die Küche und holte zwei Teller, auf denen ich ein paar Stücke Pizza für Mom und Dad verteilte.
»Flaschendrehen?«, schlug Judy vor und fischte eine leere Flasche Apfelwein unter meinem Schreibtisch hervor.
Eddie stöhnte gequält auf und schüttelte ablehnend den Kopf, bevor er eine blaukarierte Bluse musterte und sie geradewegs in den Mülleimer warf.
»Entschuldigung?!«, rief ich entgeistert und angelte sie aus dem Papierkorb.
»Was soll das?«
»Al, wirklich. Das sieht aus als würdest du auf einer Farm leben und zu Countrymusik tanzen.«, erklärte er grinsend.
»Da muss ich dem Idioten leider zustimmen.«, stellte sich Judy auf seine Seite.
Ich seufzte frustriert und gab nach.
Zielgenau warf die Bluse zurück in den Mülleimer.
Ich hatte sie eh seit Jahren nicht mehr getragen. Vielleicht würde sie gar nicht mehr über meine gewachsenen Brüste passen.
»Ich hab eine Idee.«, sagte Judy und lächelte begeistert.
Eddie und ich sahen sie erwartungsvoll an und bissen beherzt in ein Pizzastück.
»Ich stelle drei Vermutungen über mich auf und ihr müsst raten, welche beiden falsch sind und welche richtig. Und dabei wechseln wir uns immer ab.«
Ich schürzte bedenklich die Lippen.
Eddie und ich erzählen und eigentlich alles, genauso Judy und ich.
Ich wusste nicht, ob es überhaupt etwas gab, dass wir einander noch nicht anvertraut hatten.
Also stimmte ich zu.
Dann konnte es gar nicht so peinlich für mich werden. Oder?
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