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Eddie trommelte wie wild geworden mit den Fingern auf dem Lenkrad herum, wippte mit dem Knien zum Takt der Musik und grรถlte die Songs mit, als hinge sein Leben daran.
Meine Lippen hatten schon einen leichten Abdruck meiner Schneidezรคhne abbekommen, weil ich so fest draufbiss.

Es war ja gar nicht mal so, dass er die schlimmste Musik รผberhaupt hรถrte.
Aber es war eben nicht meine Musik.
Es war mir zu laut, zu stรผrmisch, zu sehr geschrien. Ich wollte doch nicht angeschrien werden, wenn ich Musik hรถrte?
Eigentlich war das Aufdrehen der Musik auch nur ein verzweifelter Versuch meine Gedanken zu stoppen.

Eddie hatte eine unsichtbare Grenze รผberschritten.
Er hatte mich gekรผsst.
Gut, er wollte mich vor dem schmierigen Lappen befreien.
Das war auch wirklich heldenhaft von ihm.
Aber hรคtte er das nicht irgendwie anders regeln kรถnnen?
Wir waren seit รผber zehn Jahren beste Freunde. Seitdem ich mit fรผnf in den Trailerpark nebenan gezogen war und ihm vor die FรผรŸe gekotzt hatte.

Das war nicht meine Schuld! Nicht vรถllig.
Mom hatte mir zum ersten Mal Schokominzeis gekauft und ich โ€“ mit meinen fรผnf Jahren โ€“ kannte die magische Grenze nicht, an der man lieber aufhรถrte zu essen, bevor man sich รผbergab.
Mir war schlecht.
Schon nach einem Drittel der Packung.
Aber es war Schokominzeis!

ยป๐„๐‘๐ƒ๐„ ๐€๐ ๐€๐‹๐˜๐๐„๐€๐‘!ยซ, rief er รผber die lauten Klรคnge des Basses hinweg.
Ich sah zu ihm auf und kniff verwirrt meine Augenbrauen zusammen.
Wie lange hatte er schon mit mir geredet?
ยปIch bin jetzt bereit mich der Nervigkeit deiner Freundin zu stellen.ยซ, brummte er und betรคtigte die Handbremse.
Ich sah nach drauรŸen und erkannte, dass wir bei Judy angekommen waren.

ยปDu weiรŸt, dass ich in einer imaginรคren Liste alles aufschreibe, was du jemals Bรถses รผber sie gesagt hast? Damit ich es irgendwann mal gegen dich verwenden kann?ยซ, drohte ich ihm grinsend.
Er schlug die Hรคnde auf das Lenkrad und lehnte seinen Kopf an die Lehne des Sitzes.
ยปDu mit deinen Listen.ยซ, beschwerte er sich, konnte das Schmunzeln auf seinen Lippen aber nicht unterdrรผcken.
ยปWenn du wรผsstest, was fรผr Listen ich noch fรผhre.ยซ, lachte ich leise und stieg aus.

Eddie setzte sich wieder auf und folgte mit seinem Blick meinen Schritten um die Vorderseite des Autos herum.
Dabei fragte er immer wieder nach einem Beispiel fรผr weitere Listen.
Ich lehnte mich in sein geรถffnetes Fenster und stรผtzte mich mit meinen Ellbogen ab.
ยปDu wirst es selbst an meinem Sterbebett niemals erfahren.", entgegnete ich und lachte wieder.
Eddie rollte mit den Augen und begann damit das Fenster hochzukurbeln, woraufhin ich aufquiekte und sofort ein paar Schritte nach hinten machte.
Jetzt war er derjenige der lachte.
Mich auslachte, so ein Idiot.

Ich zeigte ihm den Mittelfinger und rannte auf Judy's Haus zu.
Ihre paranoide Helikoptermutter sah ich schon aus der Entfernung hinter der Gardine hervorgucken.
Mit zusammengepressten Lippen, damit ich nicht darรผber lachte, winkte ich ihr zu.
Obwohl sie mir mit einem erhobenen Zeigefinger symbolisierte zu warten, drรผckte ich auf die Klingel.
Der schreckliche piepsige Ton stahl sich schmerzlich in meine Ohren
Wann wรผrden sie das Teil endlich reparieren?

ยปAayliah. Judy ist...sie macht gerade Hausaufgaben.ยซ, versuchte sie mich aufzuhalten.
Ich hob misstrauisch eine Augenbraue an.
ยปMrs Geller, in aller Ehren. Es sind Ferien. Selbst Judy macht jetzt keine Hausaufgaben.ยซ
Die fรผr ihr Alter viel zu alt wirkende Frau schรผrzte ihre Lippen und warf einen abschรคtzenden Blick zu Eddie's Van.
ยปIch mag es nicht, wenn ihr dem Banausen herumlungert. Er ist gefรคhrlich.ยซ, setzte sie zu ihrer immer gleichen Laier an.
Ich nickte bedรคchtig, fasste mir an die Brust und beugte mich flรผsternd zu ihr hinab.
ยปIch weiรŸ. Ich bin seine Gefangene. Bitte rufen Sie die Polizei. Er zwingt mich dazu, mit ihm SpaรŸ zu haben.ยซ

Inmitten meiner Worte waren ihre Augen so groรŸ geworden, dass ich befรผrchtete, sie wรผrden ihr hinausfallen.
Mit Beendigung meiner Geschichte verdrehte sie die Augen, ging einen Schritt zurรผck und deutete mit ihrem ausgestreckten Arm an, dass ich hoch in Judys Zimmer konnte.
Grinsend nahm ich zwei Stufen auf einmal und als ich nach oben sah, erblickte ich Judy, die mit verschrรคnkten Armen am Gelรคnder lehnte.
ยปIrgendwann verpasst du meiner Mom einen Herzinfarkt.ยซ, kicherte sie.

Ich warf mich in ihre Arme und sog den Duft nach Pfirsichshampoo ein, der ihre honigblonden Locken umgab.
ยปDeine Mom ist robust. Sie hat zwรถlf Prรคsidenten รผberlebt. Mindestens.ยซ
ยปAllow!", rief sie aufgebracht und stieรŸ mich lachend von sich.
ยปSo alt ist meine Mom nun wirklich nicht. Du bist fies.ยซ
In einer demรผtigen Verbeugung bat ich um Verzeihung.
Judy kannte es zwar nicht anders von mir, aber ich wollte auch nicht zu weit gehen.

ยปDu..du...ยซ, hรคnderingend suchte sie nach einem Konter und sah mich gespielt bรถse an.
ยปDu bist arm!ยซ, gluckste sie. Ich stimmte ein und hielt mir bald den Bauch vor Lachen.
ยปDu bist sooo bรถse.ยซ, neckte ich sie und hakte mich bei ihr unter.
ยปEddie und ich haben vor Pizza von Tonys zu holen. Und du bist Ehrengast.ยซ
Sobald ich Eddie's Namen erwรคhnte, rollte sie mit den Augen.
Unerklรคrlicherweise konnte sie ihn genauso wenig leiden wie es andersrum der Fall war.

ยปHey, da fรคllt mir ein: Wie war euer erster Arbeitstag? Er hat bestimmt nur faul rumgesessen.ยซ, schlussfolgerte sie.
Obwohl ich mich die gesamte Fahrt รผber geweigert hatte, darรผber nachzudenken, liefen die Szenen unseres Kusses jetzt wie ein Film vor mir ab.
Sein starker Griff um meine Taille, die andere Hand an meinen Nacken, das kรผhle Metall seiner Ringe.
Und seine Lippen.
Die weicher waren, als ich jemals vermutet hรคtte.
Nicht, dass ich jemals darรผber nachgedacht hatte, wie sie sich anfรผhlen mochten.

Ja, den Beginn unserer Schicht hatte Eddie so gut wie nichts gemacht, auรŸer die groรŸe Auswahl an Musik zu bewundern.
Aber was darauf folgte, war jetzt nicht gerade das, was man als faul bezeichnen konnte.
ยปAly? Hast du Mist gebaut? Du wirst ganz rot.ยซ, fragte mich Judy und sah mich besorgt an.
Ich rieb mir peinlich berรผhrt รผber die gerรถteten Wangen und schรผttelte verneinend den Kopf.
ยปNein, es war gut. Ich meine..ja. Er hat faul rumgesessen. Deshalb bekommt er ein Glas weniger vom Apfelwein.ยซ, breit lรคchelnd knuffte ich ihr in die Seite.
ยปUnd jetzt los, ich verhungere.ยซ

ยปApfelwein?ยซ, fragte Judy als wir aus dem Haus traten, der besorgte Blick ihrer Mutter brannte sich in unsere Rรผcken.
ยปJap, die andere Option war Eierpunsch. Aber das habe ich Eddie schnell wieder ausgetrieben. Stell dir mal vor, du musst kotzen. Das ist doch absolut pervers mit Eierpunsch.ยซ
ยปDie Frage ist eher, warum einer von uns kotzen sollte.ยซ, stellte Judy in Frage.

Eddie, der an seinem Auto gelehnt stand und eine weitere Zigarette qualmte, salutierte vor uns und setzte zur Gegenwehr an.
ยปErstens: Eierpunsch ist tausendmal leckerer als Apfelwein. Zweitens ist die Weihnachtszeit angebrochen. Eierpunsch ist nicht nur verfรผgbarer, sondern auch gรผnstiger. Drittens wird einer von euch kotzen, weil ich euch unter den Tisch trinke. Wie immer.ยซ
Judy rollte mit den Augen und verabschiedete sich schon einmal auf den Rรผcksitz.
Sie war jetzt schon zu Tode genervt von Eddie.
Das wรผrde ein super Abend werden.

Ich warf Eddie einen vielsagenden Blick zu.
Und formte mit den Lippen meinen nรคchsten Satz, in der Hoffnung sie wรผrde nichts davon mitbekommen
ยปReiรŸ dich zusammen.ยซ
Eddie weitete vor Entsetzen seine Augen, zeigte mit beiden Daumen auf sich und beschwerte sich tonlos: ยปIch?ยซ
Ich nickte ihm zur Antwort zu.
Ja du. Wenn du schon weiรŸt, wie schnell Judy auf die Palme zu bringen ist, nutz das nicht auch noch aus.

Wobei ich ehrlicherweise รผberhaupt nicht verstand, wieso.
Es war auch nicht immer so gewesen.
Erst in der letzten Zeit hatte sich schleichend gezeigt, was ich immer vermutet hatte: Die beiden konnten sich nicht ausstehen.
Sie waren sehr verschieden, aber da waren Eddie und ich ja auch.

ยปRauch auf. Ich will los. Ich verhungere. Wortwรถrtlich. Du hast mir die letzten Kekse weggefressen.ยซ, meckerte ich schmunzelnd.
ยปDu magst die mit der weiรŸen Creme doch eh nicht!ยซ, verteidigte er sich.
Ich hielt meine Hรคnde seitlich als wรผrde ich eine Waage mimen wollen.
ยปWeiรŸe Creme.ยซ, ich hielt meine Hand auf Brusthรถhe.
ยปNicht verhungern wollen.ยซ, meine andere schnellte bis รผber meinen Kopf.
Ich wรผrde die ekelhafte nach kรผnstlicher Vanille schmeckende Creme immer dem Verhungern vorziehen.

ยปDu bist wie ein Eichhรถrnchen. Deine Wangen sind immer ganz aufgeblรคht, so schnell wirfst du dir alles in den Mund. Ab morgen nimmst du dir selbst was mit. Oder ich muss aufstehen und dir eine Lunchbox machen.ยซ, kicherte ich.
Eddie legte seinen Kopf zur Seite und sah mich mit einem sanften Lรคcheln an.
ยปDas wรผrdest du, Mommy?ยซ
Ich verdrehte wahrscheinlich zum tausendsten Mal heute meine Augen und schob ihn beiseite, damit ich die Beifahrertรผr รถffnen konnte.
ยปLos jetzt!ยซ, flehte ich und wartete mit Judy darauf, dass er aufrauchte und einstieg.

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