𝟐𝟖: 𝐒𝐎𝐌𝐄 𝐌𝐎𝐃𝐈𝐅𝐈𝐂𝐀𝐓𝐈𝐎𝐍

»𝐈𝐂𝐇 𝐊𝐀𝐍𝐍 𝐄𝐒 𝐍𝐈𝐂𝐇𝐓 𝐅𝐀𝐒𝐒𝐄𝐍, 𝐃𝐀𝐒𝐒 𝐃𝐔 𝐒𝐄𝐈𝐍 𝐀𝐔𝐓𝐎 𝐆𝐄𝐊𝐋𝐀𝐔𝐓 𝐇𝐀𝐒𝐓.«, atmete ich aufgeregt aus.
Ich war immer noch dabei mich anzuschnallen, aber Maya's ruppige Fahrweise erschwerten mir mein Vorhaben.
Schmunzelnd betrachtete ich ihre Finger, die beinahe weiß hervortraten, so sehr umklammerte sie das Lenkrad.
Auf ihren Lippen lag ein selbstgefälliges Grinsen, als sie mir antwortete.
»Er klaut es auch. Tagtäglich. Von seinem Onkel.«
»Er leiht es sich.«, konterte Ich lachend. »Ein kleiner, aber feiner Unterschied.«
»Ich hab es mir auch ausgeliehen. Ungefragt.«, entgegnete sie mir und brach ebenfalls in schallendes Gelächter aus.

Prustend richtete ich meinen Blick nach hinten auf den immer kleiner werdenden Trailerpark.
Ich konnte es nicht fassen, dass sie tatsächlich so mutig und frech gewesen war, das Auto der Munson zweckzuentfremden.
»Aly?«, fragte sie nach einigen Kilometern und wirkte dabei gar nicht mehr so befreit wie zuvor.
Am liebsten hätte ich mir die Ohren zugehalten wie ein bockiges Kind, denn ich wusste was jetzt kommen würde.
Sie würde mir irgendwas über Eddie erzählen, obwohl ich doch alles in meiner Macht Stehende tat um nicht zu oft an ihn zu denken.
Aus diesem Grund antwortete ich ihr nicht. Stattdessen faltete ich keine Hände als würde ich beten wollen und legte sie auf meinen Oberschenkeln ab.

»Er vermisst dich echt richtig übel und, das hast du aber nicht von mir, bestimmt hat er Schiss er hätte Mundgeruch oder sowas. Die Anzahl an Pfefferminzbonbons, die er daheim hat, ist echt nicht normal.«, kommentierte sie und schnaubte auf.
»Die hat er, weil er das Gefühl lustig findet, wenn er Coke trinkt und dabei die kühlen Dinger lutscht. Er mag das Kribbeln.«, erklärte ich ihr und konnte es nicht verhindern, dass ich bei dem Gedanken lächelte.
Außerdem fand ich es auch auf eine gewisse Art und Weise unfassbar süß, dass er sich darum sorgte.
Warum war er eigentlich so blind für das Offensichtliche?
Irgendwann, nicht sofort, aber irgendwann musste ihm doch der Gedanke gekommen sein, dass ich nicht gerade begeistert darüber war, dass Judy und er miteinander das Bett beziehungsweise das Auto geteilt hatten.

Den Rest der Fahrt verbrachten wir schweigend.
Maya versuchte zwar immer mal wieder von Eddie zu sprechen, aber ich richtete meinen Blick so penetrant nach draußen, dass sie es schließlich aufgab und einfach nur weiterfuhr.
Ich fand es immer wieder aufs Neue erstaunlich, wie sensationell gut ihr Orientierungssinn war.
Sie war das Jahr über höchstens ein bis zweimal hier und trotzdem wusste sie ganz genau wohin sie musste, um zur Starcourt Mall zu kommen.
Das Parken war dann eine mittelschwere Katastrophe, in der wir zwischen Lachen und Heulen hin und her wechselten.
Maya war richtig schlecht im Anweisungen befolgen und ich noch schlimmer darin ihr erklären, wie sie zu fahren hatte.
Im Laufe unserer peinlichen Versuche in die Parklücke zu kommen, wurde uns mehrfach angeboten das Parken übernommen zu bekommen.
Aber Maya's Stolz lehnte das kategorisch an.

Ich konnte mir aber auch gut vorstellen, dass es ziemlich schwer war in dem Kasten von Auto zu parken.
Bisher hatte ich mir keinen Führerschein leisten können und es war nicht so mein Ding, ohne Fahrerlaubnis zu fahren.
Also hatte es Eddie nach einer Vielzahl an Überredungsversuchen aufgegeben, es mir beibringen zu wollen.
»So.«, stöhnte sie und quetschte sich durch die enge Lücke zwischen dem Van und einem anderen parkenden Auto.
Dann fuhr sie sich durch das durcheinander geratene Haar und tat so als wäre nichts gewesen.
Als hätten wir nicht die letzten fünfzehn Minuten damit verbracht zu parken und zu beten, dass wir kein anderes Auto beschädigten.
Am Van der Munsons wäre ein weiterer Kratzer nahezu gar nicht aufgefallen.

»Jetzt suchen wir dir ein verboten heißes Kleid.«, rief Maya begeistert und klatschte freudig mit den Händen.
Ich hob etwas skeptisch eine Augenbraue an und wartete auf eine restliche Erklärung.
Denn die würde es geben.
Dafür kannte ich Maya einfach zu gut.
Sie zuckte gleichgültig mit den Schultern, als wären ihre folgenden Worte total unbedeutend und lapidar.
»Du musst Eddie den Kopf verdrehen und dabei Judy übertrumpfen. Das liegt doch auf der Hand. Dein Territorium abstecken.«, sagte sie überzeugt und stieß mir grinsend in die Seite.
Ich rieb mir mit einem undeutlichen Lächeln über die Stelle und überlegte, wie kräftig der blaue Fleck werden würde, den ich sicherlich davon tragen würde.
Ich bekam immer blaue Flecken. Viel zu schnell und durch die kleinste Berührung.

Eddie machte sich immer einen Spaß daraus und piekste mit in den Oberarm bis ich es nicht mehr aushielt.
Und das war immer relativ schnell der Fall.
»Mein Territorium. Alles klar.«, lachte ich höhnisch auf. Dann seufzte ich und ergab mich meinem Schicksal.
»Warum eigentlich nicht. Nicht das Abstecken. Sondern das Aufbrezeln.«, stellte ich schnell klar und verdrehte bei Maya's vielsagendem Blick die Augen.
Vielleicht war es sogar eine gute Idee mich aufzuhübschen.
Wenn mein Inneres schon nicht glänzte, konnte ich wenigstens äußerlich so wirken, als hätte ich mein Leben im Griff.
Und wenn das im Umkehrschluss Eddie gefiel, wäre das das Sahnehäubchen.

Wäre es das denn?
Immerhin war ich diejenige, die nach dem Kuss verschwunden war.
Warum sollte ich ihn beeindrucken wollen, wenn das Hauptproblem doch das war, was zwischen Judy und ihm vorgefallen war?
»Aly. Hör auf dir dein Hirn zu zermartern. Es wird sich schon alles klären.«, versuchte Mays mich zu beschwichtigen.
Aber da ich nicht wusste wie sich etwas klären sollte, das nur in meinem Herzen schmerzte, blieb ich stumm.

Die Starcourt Mall wähnte sich in ihrem immergleichen Neonfarben, die allesamt in meinen Augen brannten.
Das war die totale Reizüberflutung.
Wie mochte das für die vielen kleinen Kinder sein, die durch die Gegend liefen? Und wie viel schlimmer für deren Eltern?
Mein Blick fiel auf ein kleines Mädchen, das mit einer riesigen Eiswaffel bewaffnet durch die Gänge lief.
Neben ihr lief ein Junge her, der seine Hände schützend unter das Eis hielt, damit er es notfalls auffangen konnte.
Dieser Anblick entlockte mir ein sanftes Lächeln, weil es mich so sehr an Eddie und mich erinnerte.
»Um auf das verboten heiße Kleid zurückzukommen.«, riss mich Maya aus meinen Erinnerungen und zog aufgeregt an meinem Ärmel.

»Ich finde du solltest mal was anderes tragen als diese ewig gedeckten Farben und die viel zu häufig karierten Geschmacksverirrungen.«, kicherte sie und stupste mir gegen die Nase.
Bei Maya konnte ich zumindest sichergehen, dass sie nicht wirklich fand, dass ich schrecklich aussah, sondern mir einfach nur behilflich sein wollte etwas aus mir zu machen.
»Und mit gedeckten Farben meinst du nicht das Pechschwarz, dass du fast ausschließlich trägst?«, neckte ich sie und zupfte spielerisch an ihrer dunklen Lederjacke.
»Ich ignoriere das gekonnt und sage: Aprikot. Das wäre ne Hammerfarbe für dich. Das würde richtig gut aussehen zu deinem Teint. Man ich stelle es mir vor.«, seufzte Maya verträumt und vollführte mit ihrer Hand Wellenartige Bewegungen.

»Du spinnst doch.«, lachte ich leise und war im Begriff weiterzugehen, als ich eine säuselnde Stille vernahm.
»Alybear! Maya!«
Ich erstarrte in meiner Bewegung und drehte mich zögerlich um.
Judy hatte mich noch nie so gekannt.
Der Spitzname war unausgesprochen reserviert. Für eine einzige Person. Für Eddie.
Ich war mir ziemlich sicher, dass es an meiner unterschwelligen Wut über ihr gedankenloses Tête-à-Tête lag, aber mit den zwei schlichten Worten, die sie uns entgegenrief, hatte sie mich schon in Rage gebracht.
Das lies ich mir allerdings nicht anmerken.
Auf meinen Lippen lag ein sanftes Lächeln.
Dafür krallte ich meine Fingernägel in meine Handinnenflächen.

»Hey.«, sagte Maya ausdruckslos und hakte sich bei mir unter, um Judy begreiflich zu machen, dass wir eigentlich drauf und dran waren zu gehen.
Judy war allerdings mehr als blind für solche subtilen Hinweise, weshalb sie sich freudestrahlend auf meiner anderen Seite einhakte.
»Na ihr Hübschen? Sucht ihr auch etwas für die Show? Wie wäre es mit einem Jeansrock, Al? Damit dich wieder jemand betatscht. Aber diesmal bitte eines der heißen Models, die da sein werden. Wo ich von heiß spreche, wo ist unser sexy Höllenfanatiker?«, fragte sie und schaute hinter sich.
Sexy Höllenfanatiker? Auch eine nette Umschreibung für ihre neuste Errungenschaft.
»Eddie hat keine Zeit:«, erklärte ich ihr lächelnd, obwohl ich am liebsten geheult hätte.

Alles an Judy wurde vergiftet von der Gewissheit, dass sie mit dem Jungen geschlafen hatte, für den ich Gefühle entwickelte oder längst entwickelt hatte.
Jede Eigenart, die ich akzeptiert und vielleicht sogar gemocht hatte, verwandelte sich in etwas, dass ich nur schwer ertrug.
Ich ertrug meine beste Freundin nicht mehr.
»Schade. Dabei hatte ich gehofft er würde sich ein nettes Hemd kaufen oder ein Sakko. Gott, in nem Sakko sieht er bestimmt unverschämt gut aus.«, flötete Judy und zwinkerte mir übertrieben zu.
Ich verdrehte die Augen. Innerlich.
Von Außen betrachtet nickte ich nur schlaff und überlegte krampfhaft nach einer Möglichkeit, um ihr zu entkommen.
»Wow Aly. Schon so spät. Dein Friseurtermin ist gleich. War schön dich gesehen zu haben, Judy. Wir sehen uns dann übermorgen, ja? Ja? Klasse. Tschüsseli.«, brabbelte Maya vor sich her und zog mich dann von ihr weg. Endlich.

»Friseurtermin?«, fragte ich grinsend, als ich Judy zum Abschied winkte.
Maya blieb so plötzlich stehen, dass ich gegen sie rempelte und beinahe gemeinsam mit ihr umfiel.
Sie starrte mit einem breiten Lächeln auf das Neonschild, dass eine Schere darstellte.
»Bist du bereit mal so richtig mutig zu sein, Al-The-Bell?«

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Ja, zugeben. Sehr spannend ist es momentan nicht, aber es muss eben ein paar Fillerkapitel geben. Kann ja nicht alles vor Drama triefen :>
Außerdem ist Maya super, von der kann ich zumindest, nicht genug kriegen :3