
𝟏𝟏. 𝐉𝐚𝐧𝐮𝐚𝐫 𝟐𝟎𝟏𝟒: 𝐖𝐢𝐧𝐝
Teddy hielt es lediglich anderthalb Wochen aus, bis er sich dazu entschloss, dass es an der Zeit war, zur North Church Street aufzubrechen.
Victoire hatte vorgeschlagen, bis zu den Osterferien zu warten, doch das war ihm zu lang. Und was war schon ein Abenteuer, das ohne rebellisches Schulschwänzen einherging?
Jeden Abend nach den Hausaufgaben hatte Teddy gepackt. Er wusste nicht, wie lange die Reise dauern würde, es konnte alles von einem Tag bis zu zwei Wochen sein, je nachdem, wie viele »Spuren« noch auf Victoire und ihn warteten, je nachdem, was Tonks und Remus ihm noch zu erzählen hatten.
Teddy war schon immer ein sehr gewissenhafter und tüchtiger Schüler gewesen (Hermione hatte an seiner Vorliebe für Bücher stets Freude gefunden), wenn man von diesem jetzigen Ausreißer absah.
Möglichst unauffällig hatte er also bei den Lehrern nachgehakt, welcher Stoff in den nächsten Stunden drangenommen werden würde, und sich die passende Lektüre besorgt, sich zusätzlich zu den Hausaufgaben bereits Notizen für die nächsten Inhalte gemacht.
Seinen Fjällräven zu verzaubern war ein Kinderspiel gewesen, als er erst einmal den richtigen Zauber in der Library entdeckt hatte; mit einem zufriedenen Lächeln beobachtete Teddy am Donnerstag sein Werk, nachdem er den Rucksack von innen ein ganzes Stück vergrößert hatte.
Was zunächst fehlte, war Proviant, doch die Hauselfen in der Küche ließen sich mit einem exquisiten Ratatouille-Rezept von Ron bestechen und so ergatterte Teddy am Samstagmorgen Wasser, Pumpkin Juice, Äpfel, Knäckebrot, Käse, Müsli und Gurken (apropos Hauselfen: mittlerweile waren fast alle - manche weigerten sich immer noch - gut bezahlt und hatten Freizeit und eigene Behausungen. Doch es war immer noch ein ganzes Stück Arbeit, diese Reform überall zu verwirklichen).
Victoire wiederum steuerte ein Zelt mit Schlafsäcken bei, ein Feuerzeug und ein Radio. Dazu kam von beiden ein wenig Geld, das sie spontan aufbringen konnten.
Der Plan war es, die Schutzzauber von Hogwarts über den nächsten Hogsmeade-Besuch zu umgehen und sich dann mit Besen und Google Maps auf den Weg zu machen ...
An dieser Stelle war es spätestens an der Zeit gewesen, George in das Abenteuer mit einzuweihen, so war er doch erfolgreicher Quidditch-Spieler und gewährte Victoire und Teddy am Montagabend Zugang zu den Schulbesen, indem er vorgab, neben seinem eigenen zwei weitere Exemplare für das Training »testen« zu wollen (dieser Vorwand schien Madam Hooch halbwegs plausibel zu sein und sie sagte zu).
Anschließend hatten Victoire und Teddy George regelrecht angefleht, mitzukommen, doch gegen seine Hufflepuff-Moral von Fleiß und Zuverlässigkeit ließ sich nicht ankommen.
»Sorgt einfach dafür, dass ihr heile zurückkehrt und ich bin glücklich«, sagte er in der Nacht auf Samstag im Gemeinschaftsraum der Hufflepuffs zu Teddy und schob seine Brille die Nase hoch. »Passt einfach auf euch auf, ja?«
Teddy hatte ihn kurz umarmt und ihm mit dem kleinen Finger hoch und heilig geschworen, dass sie gesund und munter zurückkehren würden; daraufhin hatte George feierlich genickt und versprochen, sein Wissen über ihre Tour streng geheim zu halten.
Nun standen Victoire und Teddy in der Schlange zu Hogsmeade und warteten darauf, von Filch geprüft zu werden.
»Das ist keine Unterschrift«, hörte Teddy den Hausmeister einen verängstigten Ravenclaw aus dem dritten Jahr ankeifen. »Also so'n Ding kann ich mir auch basteln!«
McGonagall löste das darauffolgende Chaos, die Unterschrift stellte sich als nicht gefälscht heraus und der Ravenclaw-Schüler konnte passieren.
»Bist du aufgeregt?«, fragte Victoire plötzlich und grinste ihren Freund von der Seite an.
Teddy schüttelte den Kopf. »Nein, du?«, log er und betrachtete konzentriert die immer kleiner werdende Schlange ...
Victoire öffnete gerade den Mund, um zu antworten, als ihr jemand zuvorkam.
»Und Lupin, hast du dich von deinem Herzschmerz erholt?«
Eine allzu bekannte Stimme drang in Teddys Ohren und er drehte sich um. Caleen stand vor ihm, mit seinen dicken Locken und flankiert von einigen anderen Slytherins. »Hast du Mam und Dad auf Wiederseh'n gesagt?«, stichelte er.
Teddy ballte die Fäuste, versteckte die Wut jedoch schnell in seinen Pullover-Ärmeln. »Wir hatten es schon einmal, Caleen«, sagte er leise. »Kümmer dich um deinen eigenen Kram und übertrag nicht die beschissenen Ansichten deiner Familie auf meine Eltern.« Es würde Caleen noch leid tun; die Demütigung im Bad, die zahlreichen anderen Hänseleien und Angriffe zuvor ...
Victoire tippte ihm auf die Schulter, sie waren an der Reihe. Schnell holte er den Zettel von Harry aus seiner Tasche hervor und ließ ihn von Filch unter die Lupe nehmen. »Danke«, murmelte er bei dem Nicken des Hausmeisters und stürzte Seite an Seite mit Victoire hinaus auf den verschneiten Pfad nach Hogsmeade, dem pfeifenden Wind entgegen.
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»Bist du bereit?«, fragte Victoire mit einem Seitenblick auf Teddy.
Er nickte, sah zurück auf den Pfad, dem sie gefolgt waren, bis zu der Hügelkuppe, die den Blick auf die verschneite Landschaft und die zerfallene Shrieking Shak bot. »Ja«, flüsterte er. Sie waren möglichst unauffällig zu diesem einsamen Ort gewandert, während die anderen Hogwarts-Schüler durch die Straßen von Hogsmeade schlenderten, Butterbeer tranken oder Scherzartikel und Süßigkeiten kauften ...
Es war der ideale Zeitpunkt, um von hier zu fliehen.
»Hoch!«, murmelte Victoire und ihr Besen, der vorher in ihrem vergrößerten Rucksäcken gelagert hatte, schoss empor und schmiegte sich in ihren Griff.
»Hoch!« Teddy tat es ihr gleich und stieg auf den Besen; der Wind pfiff um den Hügel und schleuderte kreuz und quer Schneeflocken durch die Luft.
Sie stießen sich ab.
Als Teddy in die Lüfte emporstieg, holte ihn ein seltsames Gefühl ein, das ihn wohl dauerhaft davon abgehalten hatte, Quidditch-Spieler zu werden; Höhenangst.
Die Menschen auf den Straßen von Hogsmeade und seine Häuser selbst wurden immer kleiner, wie ein Miniatur-Modell, das jedoch wolkenverhangen war; in der Ferne ragten die Türme von Hogwarts auf, ebenso verschleiert durch das eisige Wetter.
»Wohin jetzt?«, rief Victoire von vorne, ihre blonden Haare wirbelten im Sturm, ihre großen Ohrringe pendelten umher.
Teddy holte das Handy aus der Tasche und stellte fest, dass sie hier Empfang hatten; mit ein paar Klicks war er bei Google Maps und erhielt die Routenführung. »Wir müssen dieser Straße dort unten folgen«, schrie er gegen den Wind an.
Victoire nickte und absolvierte einen leichten Sinkflug nach unten, Teddy folgte ihr; eine recht belebte Straße wurde sichtbar, kleine Autos schlängelten sich wie Käfer durch den Schneefall.
Sie flogen und flogen, immer weiter gen Südosten; irgendwann wandten sie sich von der Straße ab und zu auf eine schmale Landstraße, die durch die Nebelschleier kaum auszumachen war.
Zum ersten Mal seit den Weihnachtsferien fühlte Teddy sich frei, gelöst ... Victoire und er taten gerade etwas unglaublich Übergeschnapptes, aber es machte irgendwie sogar Spaß.
Eine ganze Weile beobachtete Teddy seine Freundin von der Seite, wie sie gen unten vorausflog, wieder hochkam, seufzte und irgendeinen Fluch auf Französisch ausstieß, und ihre Haare, die sie immer wieder energisch aus ihrem Gesicht strich ...
Sie hatten sich beide gegenseitig aufwachsen sehen, sie waren immer vertraut miteinander gewesen, beste Freunde, hatten Banden gegründet und Schwüre abgehalten, waren von Zuhause abgehauen und spät abends weinend zurückgekehrt.
Teddy kannte Victoire in- und auswendig. Doch seit einiger Zeit, wenn er seine Gefühlslage aktiv abrief, spürte er, dass er nun etwas anderes für seine Freundin empfand ... Ein Magenflattern, immer wenn Victoire ihn ansprach; die Tatsache, dass er Details in ihrem Gesicht wahrnahm, die er nie zuvor beachtet hatte ...
»Teddy, pass auf!«
Erschrocken sah Teddy etwas Kleines, Dunkles auf sich zurasen, er riss den Besen herum und schoss nun gen Westen. Von Adrenalin durchströmt vollführte er einen ungeschickten Looping und nahm schließlich wieder seinen Platz neben Victoire ein.
»Was. War. Das?«, fragte Teddy mit weichen Knien und umklammerte den Besenstiel fester.
»Das«, antwortete Victoire, »das war eine Eule, die gerade beinahe in dich hineingeflogen wäre.« Sie schnaubte und fügte dann trotzdem leicht grinsend hinzu: »Hast du keine Augen im Kopf, Ted?«
Teddy seufzte und sah nach unten auf die Landstraße. »Glaubst du, ich könnte sie mir nachwachsen lassen? Mit meinem Metamorphmagus-Fähigkeiten?«
»Probier es doch mal aus«, rief Victoire mit einem mildem Lächeln, dann war sie auch schon nach unten vorausgeschossen, um zu überprüfen, ob ihre Position korrekt war.
✶
Sie erreichten die Stadt Cellender gegen fünf Uhr nachmittags, das Wetter war beständig trüb geblieben und der Wind hatte die ganze Reise lang um ihre Ohren gepfiffen; nun senkte sich jedoch langsam die Dunkelheit über die weite Landschaft Schottlands und der hellweiße Mond wechselte den orangeroten Schein der Sonne ab.
Schon von oben sah man, dass Cellender ein Zaubererdorf war: schwebende Laternen gossen die Straßen in ein gelbliches Licht und die Wasserspeier auf dem Dorfplatz wiegten sich im Sturm vor und zurück; die große Kirchturmuhr hatte fünf verschiedene Zeiger, die gerade jetzt, zur vollen Stunde, Last Christmas sangen, während ein fliegendes Motorrad in der Nähe in einer Garage einparkte.
Frierend und durchnässt vom Schnee landeten Teddy und Victoire in einer verlassenen Seitengasse und stiegen von den Besen. Ein schwaches, zittriges Gefühl durchzog Teddys gesamten Körper, als er den Besen in den Rucksack räumte und wieder auf festem Boden stand.
»Wir sind da«, unterbrach er die Stille der Gasse.
Victoire nickte. »Wir sind da.«
Schnell verwandelte Teddy sich in einen älteren Herren mit braunblondem Haar, der leicht als Victoires Vater durchgehen konnte; sie hatten diese Vorsichtsmaßnahme beschlossen, um nicht auf ihre Abwesenheit in der Schule angesprochen zu werden.
Schließlich brachen sie - noch immer vor Kälte zitternd - auf und gelangten in eine belebtere Straße. Höflich erkundigte Teddy sich bei einem jungeren Zauberer in einem violetten Umhang nach der North Church Street, der ihnen einen Patronus mit auf den Weg gab, um sie zum gewünschten Ziel zu geleiten.
Flink hüpfte das silbern leuchtende Eichhörnchen vor ihnen her, sie irrten durch kleine Nebengässchen im Altbau, die schließlich in ein dunkles, abgelegenes Viertel führten.
Der Patronus blieb stehen und drehte sich um, nickte zu einem holzfarbenes Schild auf der gegenüberliegenden Straßenseite, in das die Worte North Church Street eingeritzt waren.
»Vielen Dank, Sir«, lächelte Teddy dem Eichhörnchen zu; es verschwand mit einem Plopp und tauchte die Gasse in Dunkelheit.
Victoire griff in ihre Tasche und holte den Zauberstab hervor, wachsam und vorsichtig. »Lumos«, flüsterte sie und das Licht an ihrer Zauberstabspitze erleuchtete die Umgebung.
Teddy sah sich um. Dieser Stadteil von Cellender war schäbig und alt, die zusammengefallenen Fachwerkhäuser schlängelten sich in einer langen Reihe die Gassen entlang und hielten sich gegenseitig davon ab, einzustürzen.
Man konnte sagen, die North Church Street wirkte so, als hätte jemand die Baureste der South Church Street in einen Lastwagen geschaufelt und an dieser Stelle wieder ausgeschüttet.
Victoire sah Teddy an und er sah zurück. »Bist du sicher -«, setzte sie an, doch er unterbrach sie.
»Sicher, Vic«, sagte er. Mit einem Blick auf Google Maps waren sie am richtigen Ort angekommen.
Die Gaststätte lag direkt am Anfang der Straße, eine einzige schwebende Laterne erleuchtete den Namen Sleap & Eat To Go.
»Oh, Mensch«, grinste Victoire und schritt voraus, den Zauberstab in die Höhe gereckt.
Die schwere Tür knarzte protestierend, als sie eintrat, Teddy im Gefolge; ein übler Geruch schlug ihnen entgegen, ein Gemisch aus Schimmel und Firewhisky.
Auch die Gaststube war nur schwach erleuchtet, doch man konnte klobige, zerkratze Tische mit Klappstühlen ausmachen und eine große Bar auf der anderen Seite des quadratischen Raumes.
»Was darf's sein?«, ertönte plötzlich eine Stimme aus den Schatten hinter dem Tresen und ein alter Mann mit schütterem, weißen Haar erhob sich aus der Dunkelheit, seine blassgrünen Augen leblos und eingefallen.
»Na na, so dunkel ist's hier drin doch gar nich«, brummte er mit einem Blick auf Victoires Zauberstab, zog dann seinen eigenen und erhellte eine große, weiße Lampe an der Decke.
Jetzt erst nahm Teddy die Menschen wahr, die hier saßen. Mit übergezogenen Kapuzen und löchrigen Mützen saßen sie an den Tischen und tranken und aßen; es waren nicht viele, höchstens fünfzehn. Doch sie füllten den Raum komplett aus.
Als der alte Wirt das Licht einschaltete, stöhnte und seufzte eine Hexe Mitte fünfzig und hielt sich die Hände vor Augen, als hätte sie tagelang nicht die Sonne gesehen.
»Was wollen Sie trinken?«, stellte der Wirt erneut seine Frage und musterte Victoire kritisch, als wenn er nicht erwartet hätte, dass eines Tages ein Kind einen Fuß in diese Gaststätte setzen würde.
»Ich bitte um eine Auskunft«, erklärte Teddy und sah dem alten Mann in die Augen.
»Bitte«, seufzte der Wirt und begann damit, den dreckigen Tresen mit einem Lappen zu wischen.
»Kennen Sie Remus John Lupin?« Köpfe wandten sich zu Teddy, als er die Frage stellte, er hatte wohl ein wenig laut gesprochen.
Der alte Wirt lächelte mild. »Jeder kennt den ersten Werwolf, der einen Order Of Merlin erhalten hat.«
Teddy räusperte sich und versuchte es anders, diesmal leiser: »Ich weiß, dass er hier gewohnt hat. Ich bitte Sie, können Sie mir sagen, ob er Ihnen irgendetwas ... hinterlassen hat?«
Der Wirt hielt inne, sah sie mit großen Augen an, dann starrte er wieder auf die Tischplatte und fuhr damit fort, sie zu säubern. »Nicht, dass ich wüsste.«
Die Lüge war ihm so glatt ins Gesicht geschrieben, dass Teddy beinahe lächeln musste. »Sir, bitte«, sagte er höflich. »Können wir uns etwas diskreter unterhalten?«
»S'il vous plait?«, fügte Victoire hinzu und setzte ihren durchbohrenden Blick auf.
Der Wirt seufzte und ließ vom Wischen des Tresens ab. »Meinetwegen«, brummte er.
Er winkte sie zu einer kleine, schäbige Hintertür hinter dem Tresen und hielt sie Teddy und Victoire auf; dort befand sich vermutlich seine Wohnung, die ebenso modrig wie die Gaststube aussah.
Es musste das Wohnzimmer sein; ein abgewetztes Ledersofa stand mit einer Lampe als Gesellschaft auf der einen Seite der Wand, davor ein klobiger Holztisch. Das einzig Ordentliche und Saubere war das Bücherregal auf der Wandseite neben der Tür: Bücher über Bücher stapelten sich dort, auf Hochglanz poliert und offenbar fein säuberlich sortiert.
Der Wirt deutete auf das Sofa und Teddy und Victoire setzten sich mit einem Knirschen des Polsters, doch ihr Gastgeber blieb mit verschränkten Armen vor ihnen stehen.
»Mr -«, setzte Teddy an, als ihm auffiel, dass er nicht einmal den Namen seines Gegenübers kannte.
»Crowford. William«, murrte er und wandte den Blick nicht von ihnen ab.
»Mr Crowford«, wiederholte Teddy. »Ich weiß, dass wir für Sie wie zwei Wildfremde erscheinen, die um Auskunft über einen berühmten Werwolf bitten, der schon längst tot ist -«, er holte tief Luft und verwandelte sich augenblicklich wieder in seine eigentliche Gestalt zurück, »aber ich bin Teddy Lupin, der Sohn von Remus, und er hat mich gebeten, diese Gaststätte aufzusuchen.«
»In einem Brief«, ergänzte Victoire und fummelte an ihren Ohrringen herum.
Crowford, sichtlich ungerührt von Teddys Verwandlung, fuhr sich schweigend durch das schüttere, graue Haar und stellte dann harsch, in einer seltsamen Stimmlage, fest: »Sie sind Kinder. Sie sollten in der Schule sein.«
»Das ist mir klar«, sagte Teddy deutlich. »Aber ich durfte meine Eltern nie kennenlernen und nun habe ich über Briefe Kontakt zu ihnen erhalten und sie haben mich aufgefordert, mit Ihnen zu sprechen. Sie wussten nicht, ob sie den Krieg überleben würden, ob ich es schaffen würde, ob ich eine Familie haben würde. Deshalb haben sie mir Spuren aus der Vergangenheit hinterlassen, um mir meine Geschichte aus ihrem eigenen Munde zu erzählen. Und deshalb bitten wir Sie, Mr Crowford, uns zu helfen.«
»S'il vous plait«, sagte Victoire erneut und dann holte sie aus ihrer Tasche ihren Zauberstab, richtete ihn auf den Raum und rief: »Accio Brief an Edward Remus Lupin!«
Der Raum schien regelrecht zu vibrieren, als zwei Papiere auf sie zuflogen, eines aus Teddys Hosentasche heraus, das andere aus einer kleinen Kommode in der Ecke, die Teddy überhaupt nicht wahrgenommen hatte.
»Merci beaucoup, Monsieur Crowford. Vielen Dank für Ihre Hilfe«, sagte Victoire selbstgefällig und studierte den Brief. »Für Teddy in der Hoffnung, dass diese Reise dich ein Stück weiterbringen wird auf der Suche nach deiner Herkunft. Von Tomilda und Romulus. Steht darauf«, verkündete sie und steckte den Zauberstab wieder ein.
Crowford seufzte und verschränkte im Zeitlupentempo die Arme. »Also gut, Mr Lupin und -«
»Victoire Weasley.«
»- Miss Weasley, ich werde Ihnen erzählen, was ich weiß. Vor mehreren Jahren, kurz vor dem berühmten Battle Of Hogwarts, haben Mr Lupin und seine Frau, Tonks, meine Stube aufgesucht, so wie sie beide jetzt. Sie gaben mir den Brief, um ihn ihrem Sohn Teddy Remus Lupin zu geben, sollten sie den Krieg nicht überleben. Anscheinend hat Ihr Vater mir dafür ... genug vertraut.« Er begann, im Raum auf- und abzugehen (auch wenn es nicht sonderlich viel Platz gab zwischen Tisch und Bücherregal). »Ich kannte ihn nämlich recht gut, so hatte er hier doch fünf Monate unter dem Decknamen Romulus Labarte gelebt und als Tischler gearbeitet. Dort hinten, in dieser Werkstatt ... Wie hieß sie noch gleich?« Crowford seufzte erneut. »Egal, jedenfalls hat er fünf Monate die Miete gezahlt, in einem der Zimmer über uns, und das, bis die Bewohner im Umfeld und ich herausfanden, dass er ein Werwolf war ... Es war auffällig, als er das erste Mal zu Vollmond verschwand. Verdächtig wurde es, als er sich für den zweiten Vollmond krankmeldete - dafür schickte er einen Patronus in Gestalt eines Wolfes ...« Crowford machte eine Pause, sie weiterhin anstarrend, ehe er fortfuhr: »Er war ein talentierter und ordentlicher, junger Mann, aber wir wussten, dass etwas faul war im Staate von Merlin. Er ... wurde irgendwann verjagt, als ...«
Teddy sog scharf die Luft ein. »Sie meinen ...?«
»Bei Merlins Bart, nein«, unterbrach Crowford ihn in dem immer noch mürrischen Tonfall, »dafür ist er ein viel zu talentierter Zauberer. Keinen Kratzer hat er abbekommen; doch er musste gehen. Und diese fünf Monate waren wahrscheinlich die längste Zeit, die er jemals einen Job behalten hat.«
»Außer im ersten und zweiten Order«, murmelte Teddy.
»Was?«, schnauzte Crowford, doch Teddy schüttelte den Kopf.
»Vielen Dank für Ihre Zeit, Sir. Und«, er grinste zu Victoire herüber, »für den Brief.« Teddy musste zugeben, dass er sich in Gegenwart des alten Wirts zunehmend unwohl fühlte. In seinen Augen flackerte etwas, dass nicht gerade Vertrauen erweckte.
Victoire nickte und stand auf. Sie schien ebenso beeilt, das Gasthaus zu verlassen. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, dann gehen wir jetzt. Vielen Dank für Ihre Gastfreundschaft. Wir werden noch ein Zimmer für die Nacht suchen ... in der Stadt.« Damit meinte sie wohl eine gemütlichere Gegend als diese hier.
Doch Crowford blieb stehen und sah sie aus dunklen Augen an. Seine Miene verhärtete sich. »Nicht so schnell«, dröhnte er.
In dem Moment, in dem sich seine Gesichtszüge veränderten, wusste Teddy, dass etwas ganz und gar falsch war. Dass dieser wildfremde Wirt etwas von Victoire und ihm wollte, etwas, dessen Bekanntmachung er bis zum Schluss ihrer Begegnung aufgehoben hatte.
Mit einem unangenehmen Gefühl im Bauch starrte Teddy Crowford an, nur der Wohnzimmertisch und eine gehörige Staubschicht zwischen ihnen ...
Langsam und möglichst unauffällig tastete er nach dem Zauberstab in seiner Tasche. Jetzt erst fiel ihm auf, dass er ja auch noch den Rucksack auf dem Rücken trug; wenn er nur an irgendein brauchbares Verteidigungsmittel gelangen könnte ...
»Was wollen Sie damit sagen?«, hörte Teddy Victoires Stimme neben sich und wandte langsam den Kopf zu ihr, dann wieder zu Crowford.
Diesem entfuhr ein leises Krächzen, das sich durchaus als Lachen interpretieren ließ. »Ich habe keine andere Wahl.«
»Wir gehen jetzt«, sagte Victoire und sah Teddy auffordernd, mit leichter Panik in den Augen, an.
Er verstand zwar nicht, was Crowford wollte oder meinte, aber die Idee seiner Freundin war sicher eine gute. »Genau«, sagte er möglichst neutral. »Es ist schon dunkel und -«
Er verstummte, als Crowfords Zauberstab so schnell aus seiner Hosentasche glitt, dass Teddy die Bewegung gar nicht registriert hatte; mit einem Schwenk auf sie zischte er »Expelliarmus!« und das nächste, was Teddy verspürte, war, dass er rücklings auf den verstaubten Boden geworfen wurde, nicht ganz unähnlich der Situation im Bad mit Caleen, und sein Zauberstab aus seiner Tasche katapultiert wurde.
Teddys Kopf schwirrte, als er auf den Dielen aufschlug und augenblicklich tanzten Sterne vor seinen Augen ... Er durfte jetzt nicht ohnmächtig werden ... Victoire ...
Was wollte Crowford eigentlich? Warum griff er sie beide an?
Mit einem Mal ragte der Wirt über ihm auf und Teddy wich zurück. Eine falsche Bewegung und ... Wer wusste schon, zu was Crowford gerade imstande war ...
»Was wollen Sie?«, fragte er leise. Mit einem schnellen Seitenblick sah er, dass Victoire ebenfalls entwaffnet neben ihm auf dem Boden lag, jedoch ohne Bewusstsein; beim näheren Hinsehen registrierte er das Blut an ihrem Hinterkopf und an der Kante des Fenstersimses, das sich direkt hinter ihr befand. Panik durchstieß ihn wie zahlreiche Stromschläge.
Crowford sah beinahe traurig aus. »Wie gesagt, ich habe nicht die Wahl. Mein Leben oder eures. Ihr seid zur falschen Zeit am falschen Ort.«
Damit verpasste er Teddy einen kräftigen Tritt in den Magen und parallel zu den Schmerzen spürte er, wie auch ihn schließlich das Bewusstsein verließ.
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