
24 ˖⋆࿐໋₊
Es gelang uns, unbemerkt von Dain aus dem Haus zu schleichen. Bard, der urplötzlich verschwunden war, meinte zwar, wir sollten nicht gehen, da überall Spione lauern würden, doch das war uns egal.
Wir wollten nur zum Berg.
Inzwischen ist es dunkel. Der Schutz der Nacht sollte es einfacher für uns machen, die Waffen zu stehlen. Wir erreichen die Waffenkammer und ein Teil der Zwerge macht sich daran, über die Rücken der anderen hineinzuklettern.
"Du nicht." Thorin hält einen Arm vor mich als ich Anstalten mache, ebenfalls hochzuklettern. Bei seinen Worten dreht sich Fili, der die oberste... "Stufe" der Zwergentreppe bildet, zu uns um, wodurch er beinahe runterfällt, doch er kann sich gerade noch halten.
"Wieso verdammt nochmal nicht, Thorin?" Genervt stemme ich die Hände in die Hüften. Traut er mir etwa immer noch nicht?
Ich bin müde und gereizt.
Ich habe Hunger.
Um mich herum sind zig dämliche Zwerge und drei Kinder.
Man sollte mich nicht unnötig provozieren, denn ich bin kurz davor, jemandem eine zu verpassen. Vorzugsweise Kili, denn mein lieber, total verblödeter bester Freund schont sein Bein überhaupt nicht, sagt dann aber mir, ich solle mich ausruhen.
Aber Frauen sind das kompliziertere Geschlecht. Ist klar.
Thorin sagt: "In deiner Verfassung dienst du uns als Späherin besser."
"Oh, machst du dir etwa Sorgen um mich?", zwinkere ich scherzhaft, stutzte jedoch, als Thorin ertappt den Mund öffnet, ihn wieder schließt und schlussendlich murmelt: "Du... Ich... Mach einfach, was ich sage!"
Ich verdrehe die Augen und lehne mich mit vor der Brust verschränkten Armen gegen eine Hauswand. "Dann geh halt", brumme ich. "Aber hab ein Auge auf deinen Neffen."
Thorin nickt und klettert dann ebenfalls durchs Fenster. Dabei bemerkt er das Lächeln nicht, welches sich auf meine Lippen schleicht und ich nicht unterdrücken kann. Thorin macht sich Sorgen um mich. Wer hätte das gedacht?
Kurz darauf kommt Fili auf mich zu. Verdammt. Ich kann mir denken, über was er reden will... Meine plötzliche Flucht vorhin.
Genau so kommt es auch. Man, wieso muss ich immer recht haben?
"Willst du mir vielleicht sagen, was das vorhin war?" Er klingt nicht wütend, sondern einfach so, als wolle er wirklich nur verstehen, was in mir vorgeht.
"Ich weiß nicht, was du meinst", murmle ich und spähe betont konzentriert um die Hauswand herum. Nicht weit entfernt laufen einige Wachen über einen Steg. Schnell gehe ich wieder hinter der Wand in Deckung.
"Das weißt du sehr wo-"
"Pssht!", zische ich Fili an.
Entrüstet schiebt er die Augenbrauen zusammen. "Jetzt pssht du mich auch noch an! Was ist denn los mit dir?"
"Psssst!", mache ich nun aggressiver und hebe meinen Zeigefinger vor meinen Mund.
"In Durins Namen, hör auf mit diesem psssst und beantworte meine Fra-"
Kurzerhand halte ich Fili den Mund zu. "Halt die Klappe!", zische ich ihm ins Ohr, sehe dann warnend in seine Augen. Wieder einmal sind wir einander näher, als mir lieb ist. Unsere Körper sind so nah aneinandergepresst, dass nichts mehr zwischen uns passen könnte, und mein Gesicht ist seinem so nahe, dass ich für einen kurzen Augenblick von dem intensiven Blau seiner Iris abgelenkt werde, bevor ich mich eines Besseren besinne. "Da vorne sind Wachen", erkläre ich leise, versuche, bei der Sache zu bleiben. Ich lasse von Fili ab, welcher daraufhin um die Ecke lugt. Leise flucht er vor sich hin. "Wir sollten den anderen Bescheid geben."
Ich will ihm zustimmen, da ertönt ein lautes Scheppern aus dem Inneren der Waffenkammer. Ich zähle eins und eins zusammen und ahne, wer diesen Lärm zu verantworten hat.
"Kili..."
Kurz darauf sind wir von Wachen umstellt. Ich fackle nicht lange und haue die ersten von ihnen wortwörtlich um, indem ich mithilfe einer senkrechten, von unten nach oben schwungvoll ausgeführten Handbewegung einen starken Windstoß heraufbeschwöre und in ihre Richtung lenke. Als ich nach meinem Schwert greifen will, um gegen die anderen zu kämpfen, sehe ich, dass einige meiner Freunde bereits gefangen genommen werden.
"Waffe fallen lassen", befiehlt eine der Wachen. "Sofort!"
Ich sehe zu Dwalin und Fili, die versuchen, sich aus den Griffen der Männer zu befreien, dann zu den anderen und schließlich zu Thorins Hälfte der Gruppe, die aus der Waffenkammer gezerrt wird. Kurz halte ich Augenkontakt mit Thorin, der knapp nickt. Abfällig schnaubend lasse ich mein Schwert mit einem Scheppern vor die Füße der Wache fallen.
Kurz darauf werden wir auf den Marktplatz geschleppt. Um uns herum versammeln sich bereits die Bewohner der Seestadt.
Der Bürgermeister tritt aus seinem Haus. "Was ist das für ein Aufruhr?", verlangt er zu erfahren, und ich weiß sofort, dass ich diesen Mann nicht mag.
"Wir haben sie geschnappt, als sie Waffen stehlen wollten, Herr."
"Ahh, also Hochverräter, hm?"
"Nur ein kümmerlicher Haufen Söldner, wenn Ihr mich fragt, Herr", brummt Alfrid, der an der Seite des Bürgermeisters erscheint.
"Hütet Eure Zunge. Ihr wisst nicht, mit wem Ihr es zu tun habt!" Mahnend tritt Dwalin hervor, weigert sich, zuzulassen, dass jemand so über seinen ältesten Freund spricht. "Das ist nicht irgendein Halunke, das ist Thorin. Sohn von Thrain, Sohn von Thror!"
Beruhigend legt Thorin eine Hand auf Dwalins Schulter. Für alle Anwesenden hörbar erklärt er: "Wir sind die Zwerge Erebors, und wir sind gekommen, um unsere Heimat zurückzufordern." Thorin geht einige Schritte auf den Bürgermeister zu. "Ich erinnere mich an diese Stadt in den alten Zeiten..."
Ohne es wirklich zu bemerken, greife ich geistesgegenwärtig nach der erstbesten Hand neben mir. Es gefällt mir zwar nach wie vor nicht, das zuzugeben, doch ich wusste, seit ich Thorin das erste Mal sah, dass er etwas... Majestätisches und Ehrenhaftes an sich hatte, und bald zweifelte ich daran, dass er ein kaltblütiger Mörder sein konnte, wie Azog es immer behauptete. Ich zweifelte früher daran, als mir selbst auffiel. Da war etwas an Thorin, das einem sagte: Seht ihn euch an - Thorin, Sohn des Thrain, Sohn des Thror. Er ist ein König. Ein König, dem jeder von uns bis in den Tod folgen würde.
Sogar ich.
Der einzige Grund, warum ich Thorin damals nicht mochte - oder eher, hasste - war, weil ich dachte, er hätte meine Familie ermordet. Doch das stimmte nicht. Und davon abgesehen hatte Thorin mir sonst nie etwas Böses getan. Gut, anfangs war er mir gegenüber misstrauisch, doch damit tat er nichts Unrechtes. Im Gegenteil. Später rettete er mir sogar das ein oder andere Mal mein Leben, und ich das seine. Ich habe Respekt vor Thorin, viel Respekt sogar, denn ich zweifle nicht daran, dass er ohne zu zögern für seine Leute alles aufgeben würde.
Ich glaube nicht, dass Thorin und ich jemals sonderlich gute Freunde sein werden... Wir haben eine Geschichte, die sich nicht einfach vergessen lässt. Doch Feinde werden wir auch nie wieder sein.
Ich beobachte, wie Thorin nun zu den Bewohnern spricht. Seine dunklen Locken werden von den herunterfallenden Schneeflocken bedeckt, die auch in meinem glatten, schwarzen Haar nach und nach hängenbleiben und auf meiner Haut landen. Ich bekomme Gänsehaut, jedoch nicht wegen der Kälte. Mit seiner Rede zieht Thorin alle in seinen Bann, lässt sie neue Hoffnung schöpfen.
Ich bin vielleicht keine Zwergin und auch nicht gerade Thorins engste Vertraute... Aber eines ist sicher: Diesen Mann kann ich meinen König nennen. Und ich werde ihm folgen. Vielleicht kann ich so wiedergutmachen, was ich getan habe. Vielleicht habe ich doch noch die Chance, mich von meiner Vergangenheit mit Azog zu lösen und meine Zukunft mit Thorin, Fili, Kili, Bilbo, Dwalin und den anderen umzuschreiben.
Auf einmal durchzuckt mich für den Bruchteil einer Sekunde ein stechender Schmerz und erst da fällt mir auf, wessen Hand ich halte.
Kilis.
"Kili? Hey!" Ich klatsche ihm leicht mit der flachen Hand gegen seine auffallend blasse Wange, aus Angst, dass er das Bewusstsein verliert, worauf er das Gesicht verzieht. "Das war unnötig."
"Ich kann deinen Schmerz fühlen", sage ich, ohne seine Beschwerde zu beachten.
"Von deiner Ohrfeige?"
"Von der Wunde an deinem Bein, du Idiot", knurre ich.
Der Zwerg verdreht die Augen. "Schon gut. Ich komme klar."
"Kili - "
"Wirklich." Er drückt leicht meine Hand und lächelt. Aber ich weiß es besser, als ihm zu glauben. Mit ihm zu streiten nützt allerdings nichts, da er genauso stur ist wie ich. Seufzend lasse ich zu, dass Kili, weiterhin meine Hand haltend, dass Gespräch beendet, indem er wieder nach vorn zu seinem Onkel sieht. Ich mache dasselbe, dabei bemerke ich aus dem Augenwinkel, dass Fili seinen Bruder und mich beobachtet hat. Was ich nicht mehr mitbekomme, ist, wie er enttäuscht zu Boden sieht, denn Bard erscheint auf dem Marktplatz und unterbricht Thorins Rede.
"Tod!", ruft Bard und drängt sich an uns vorbei nach vorn.
"Hat jemand einen dramatischen Auftritt verlangt? Bard ist unser Mann", flüstere ich, worauf hinter mir Dwalins tiefes Lachen leise ertönt.
"Das werdet ihr über uns bringen! Drachenfeuer und Verderben." Ernst blickt er Thorin an. "Wenn ihr die Bestie weckt, werdet ihr uns alle vernichten."
"Ihr könnt auf diesen Schwarzmaler hören", sagt Thorin wieder zu den Bewohnern der Seestadt. Er bleibt ruhig, obwohl der Erfolg unserer Reise gefährdet ist. "Doch ich verspreche euch: Wenn es gelingt, werden alle am Reichtum dieses Berges teilhaben." Jubel bricht unter dem Volk aus. Sie alle wünschen sich natürlich, ein Stück vom Kuchen abzubekommen und so ihre Lebenssituation verbessern zu können. Kein Wunder; wenn der Bürgermeister Alfrid auch nur ein bisschen ähnlich oder vielleicht sogar schlimmer ist, haben die Seestadtbewohner es sicherlich nicht einfach hier.
Feierlich ruft Thorin aus: "Dann habt ihr genug Gold, um Esgaroth zehnmal neu zu erbauen!"
"Warum sollten wir Eurem Wort Glauben schenken?" Die Stimme gehört Alfrid. "Wir wissen überhaupt nichts von Euch. Wer hier bürgt für Eure Redlichkeit?"
Wenig überrascht lächle ich, als Bilbo die Hand hebt und sagt: "Ich bürge. Ich bürge für ihn."
Auch Bilbo gegenüber war Thorin anfangs misstrauisch, doch inzwischen sind sie ziemlich gute Freunde geworden. Wenn man die zwei ansieht, merkt man einfach, dass sie einander blind vertrauen. Das zeigt sich erneut, als Bilbo sagt: "Und wenn Thorin Eichenschild sein Wort gibt... Dann hält er es auch."
Wieder jubelt die Menge und ich muss grinsen, als ich sehe, wie stolz und gerührt zugleich Thorin scheint. Offensichtlich hat er nicht damit gerechnet, dass Bilbo sich so für ihn einsetzen würde.
Nochmal versucht Bard, die Leute auf seine Seite zu bringen, und zieht dafür Thorin und seinen "blinden Ehrgeiz" in den Dreck. Vergebens. Der Bürgermeister - ein gieriger Mann mit Besessenheit von Reichtum, wie sich leicht erkennen lässt - schlägt sich auf Thorins Seite.
Auf Bard, dessen Vorfahre es nicht schaffte, Smaug zu töten, hört nun keiner mehr.
"Ihr habt kein Recht", knurrt er. "Kein Recht, diesen Berg zu betreten."
Meine Augen weiten sich vor Empörung und ich trete einen Schritt vor. "Er allein hat das Recht", sage ich, weil ich mich nicht halten kann und es auch nicht will, und verschränke die Arme vor der Brust. "Er ist der König dieses Berges. Zeigt etwas Respekt."
Bard und Thorin sehen zu mir, letzterer nickt mir zu, als wolle er sagen: "Meine Worte", denn "Dankeschön, Rina", gehört nicht zu Thorins Vokabular. Doch das ist in Ordnung. Zwar habe ich es ehrlich gemeint, aber der einzige Grund, warum ich es laut sagte, war, weil ich Bards Verhalten unverschämt fand. Thorin ist der rechtmäßige Thronerbe! Wie kann dieser Mensch es wagen, so mit ihm zu reden? Ich bin bei Orks aufgewachsen und habe scheinbar bessere Manieren.
Wenn man von Tischmanieren absieht.
Kleiner Scherz.
Nun wendet der Zwergenprinz sich an den Bürgermeister und fragt ihn, ob er Teil haben wolle am Reichtum des Erebors. Erleichtert lächeln Kili und ich einander an, als der Bürgermeister ausruft: "Willkommen und dreimal Willkommen, König unter dem Berge!" Denn er mag vielleicht nur aus eigennützigen Gründen zustimmen, doch das spielt keine Rolle. Wir stehen so kurz vor dem Ziel. So kurz davor, den Zwergen ihre Heimat zurückzuerobern. Da ich selbst weiß, wie es sich anfühlt, nirgendwo hinzugehören, kann ich nicht anders, als mich aus tiefstem Herzen für die Gemeinschaft zu freuen.
Ich versuche, meine Freude nicht von der Sorge überschatten zu lassen, die in mir aufkommt als ich merke, was das Letzte ist, was uns von unserem Ziel trennt: Smaug, der Drache, haust nach wie vor im Erebor und es liegt an einer Handvoll Zwerge, einem derzeitig abwesendem Zauberer und einer nur begrenzt einsetzbaren Magicae, ihn zu vertreiben.
Gedanklich schicke ich ein Stoßgebet an die Götter, obwohl ich nie hundertprozentig sicher war, ob sie wirklich existieren. Bitte, denke ich. Wenn ihr da seid... schickt uns ein Wunder. Wir können nicht einfach verlieren. Nicht nach allem, was wir - was sie - durchgemacht haben... Das schuldet ihr uns.
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