
23 ˖⋆࿐໋₊
"Wir helfen ihr nur bei etwas", antwortet Bard ausweichend und lächelt das kleine Mädchen an. Dieses mustert mich noch immer mit zusammengezogenen Augenbrauen. "Sie sieht krank aus", meint es dann.
"Ach ja?", brumme ich. "Und du siehst wie ein abgebrochener Goblin aus. Wieso bist du so winzig? War deine Mutter etwa ein Zwerg?"
Bard, Dain und das Mädchen schauen mich mit Unglaube, Überraschung, aber auch genervt an (letzteres zählt für Bard, welcher wohl spätestens jetzt bereut, diesen Handel mit uns eingegangen zu sein).
Da kommt noch ein Mädchen, nur wenige Jahre jünger als ich, in den Raum. Wie viele Kinder hat der Kerl denn bitte? Ich hasse Kinder. Sie sind laut und machen Dreck. Zwar gab es - abgesehen von mir damals - bei den Orks keine Kinder... Aber lautes Gebrüll und Dreck allemal. Von daher würde ich wohl damit auskommen.
Mit gerunzelter Stirn beobachte ich, wie die ältere Tochter erleichtert ihren Vater begrüßt, dann ähnlich dämliche Fragen stellt wie ihre Schwester ("Was macht diese Frau hier? Ist sie krank? Braucht sie Hilfe?"), worauf ich genervt sage: "Nein, ich bin nicht krank, aber ich bin anwesend, also wie wär's wenn ihr aufhören würdet, über mich zu reden, als könnte ich euch nicht hören?"
Bard seufzt, murmelt irgendetwas vor sich hin. Knapp stellt er mir seine Töchter als Sigrid und Tilda vor, dann weist er Dain an, die Zwerge hereinzulassen. Kurzerhand folge ich ihm und höre, wie Dwalin sagt, sollte Dain ,,das" jemandem erzählen, reiße er ihm beide Arme heraus. Er schlägt Dains Hand weg, als dieser sie ihm hinhält, um dem Zwerg aus dem Klosett zu helfen. "Finger weg."
Ich muss schmunzeln. Typisch Dwalin. Die Zwerge müssen sicher in ihrem Stolz gekränkt sein. Bilbo wiederum sieht einfach nur verstört aus, als er an die Oberfläche kommt. Belustigt beobachte ich, wie er verkrampft den Zwergen, die bereits hier sind, nach oben folgt.
Ich reihe mich neben dem Hobbit ein, der mit aufgerissenen Augen und zusammengepressten Lippen zu mir aufsieht. "Hättest du m-mich nicht mitnehmen k-können?"
"Natürlich hätte ich das gekonnt", antworte ich gelassen und verdränge den Hauch eines Zweifels, der sich bei der Erinnerung an meinen Zustand in mir ausbreitet.
Bilbo öffnet seine Augen, wenn möglich, noch weiter. "Wieso hast du es dann nicht?"
"Schau in den Spiegel, dann weißt du's", lache ich - sein Gesichtsausdruck ist einfach unbezahlbar - bevor ich von dem Hobbit ablasse und mich nach Fili und Kili umsehe.
"Vater, wieso kommen lauter Zwerge aus unserem Klosett?", ertönt Sigrids Stimme und Tilda fragt breit lächelnd: "Werden sie uns Glück bringen?"
"Eher weniger", murmle ich, da entdecke ich Fili und Kili. Die beiden sehen ebenfalls recht genervt aus, als ich auf sie zugehe und mit ihnen das Wohnzimmer betrete. "Na, war's schön?", begrüße ich sie schadenfroh.
"Halt die Klappe, Rina", kommt es von den beiden Brüdern synchron. Ich kichere bloß leise.
-
Die Klamotten der Zwerge - und von Bilbo - hängen vor dem Feuer im Kamin sowie auf Stuhllehnen verteilt. Bard hat ihnen neue Sachen zur Verfügung gestellt. Gelangweilt sehe ich mich im Raum um, dabei sitze ich so weit vom Feuer entfernt wie möglich. "Ich könnte eure Sachen mit einem Zauber sicher ganz schnell auf Vordermann bringen", meine ich zu niemand bestimmten, doch Dwalin, der neben mir auf einer Bank sitzt und seinen Stiefel anzieht, fühlt sich offenbar angesprochen.
"Kommt nicht in Frage. Wir warten einfach."
"Dwalin, dafür haben wir keine -"
"Fili hatte recht, Kleine", unterbricht Dwalin mich streng und sieht mir eindringlich in die Augen. "Wenn du dich schonen kannst, dann tu's auch."
Belustigt schnaubend winke ich ab. "Man, ihr tut ja alle so, als würde ich demnächst ins Gras beißen."
"So siehst du ja auch aus", kommt es von einem grinsenden Bofur, der auf einem Stuhl in unserer Nähe hockt. Ich funkle ihn gereizt an, doch Dwalin zieht meine Aufmerksamkeit wieder auf sich, als er sagt: "Hör einfach ein Mal auf uns."
Ich sehe den älteren Zwerg an. Er lässt es so rüberkommen, als sei er schlichtweg genervt von meinem Stolz (obwohl es den Zwergen selbst an dieser Eigenschaft auch nicht gerade mangelt), doch in seinen Augen kann ich sehen, dass er sich sorgt. Nicht unbedingt jetzt gerade weil ich krank bin, sondern immer. Er sieht mich jedes Mal so an, wenn wir kämpfen oder anderen Gefahren trotzen, und denkt scheinbar, ich würde das nicht merken.
Aber das tue ich.
Und ich lasse es mir nicht anmerken, bin aber insgeheim unglaublich dankbar für seine Fürsorge.
Fili, Kili und Bilbo machen sich - offensichtlich - auch Gedanken um mich, wenn sie meinen, es ginge mir nicht gut. Sie sind für mich da und ich für sie, im vergangenen Jahr sind sie aus unserer Gruppe meine engsten Freunde geworden. Und die Gemeinschaft selbst meine ersten Freunde überhaupt - inzwischen zähle ich sogar Thorin dazu. Irgendwie.
Aber wenn Dwalin sich um mich sorgt, mir im Kampf zur Seite steht oder mir einen Ratschlag gibt, ist es irgendwie anders als bei Fili und Kili. Bei Dwalin fühlt es sich an wie damals bei...
Meinem Vater.
Dwalin ist, mehr noch als alle anderen aus der Gemeinschaft, wie Familie für mich. Darum flüstere ich, ohne es wirklich zu realisieren: "Du bist, was ich seit langer, langer Zeit einer Vaterfigur am nächsten hatte."
Dwalin hält in seinen Bewegungen inne und stutzt, sieht mich an, als hätte er sich verhört.
Peinlich berührt beiße ich mir auf die Zunge. Wieso habe ich das gerade gesagt? Seit wann bin ich so sentimental?
Zu meiner Überraschung lacht Dwalin nicht oder ignoriert meine Worte, nein. Er lächelt und legt väterlich eine Hand auf meine Schulter. Er, Dwalin, der sonst immer alles negativ sieht und dreinschaut, als hätte ein Eichhörnchen in seinem dunklen Bart ein Nest gebaut. Dwalin, der kaum jemandem vertraut. "Und du bist wie eine Tochter für mich", sagt er, und nun bin ich diejenige, die stutzt und ihn mit offenem Mund ansieht.
Der Dwalin, der mich am Anfang der Reise nicht dabei haben wollte, ist nun sowas wie meine Familie.
Ich schaffe es, mich zu einem (wenn auch irritierten) Lächeln zu bringen, als der Zwerg mir nochmal kurz auf die Schulter klopft, aufsteht und zu Thorin und Balin läuft.
-
"Du siehst schon besser aus."
Filis Stimme lässt mich aufschrecken. Ich war total damit beschäftigt gewesen, Balins Geschichte über Smaugs Angriff auf die Seestadt zu lauschen. Eigentlich war diese Erzählung für Bilbos Ohren bestimmt gewesen, doch ich konnte mich nicht davon abhalten, zuzuhören. Was konnte es schon schaden?
Ich lächle Fili leicht an und nippe an dem Tee, den Sigrid mir vorhin - zusammen mit einem misstrauischen Blick - gegeben hat, und rutsche etwas zur Seite, damit der blonde Zwerg sich zu mir auf die Bank setzen kann.
"Ich wünschte, man könnte dasselbe von deinem Bruder behaupten." Ich nicke in Kilis Richtung. Er sitzt neben dem Fenster, die Zähne zusammengebissen und die Stirn in Falten gelegt. Er quält sich... Ich kann es fühlen. Ich kann seinen Schmerz spüren.
Als ich Filis besorgten Blick sehe, versuche ich, ihn mit einem eher schlechten Witz abzulenken. "Tja, so gut wie ich würde er sowieso nie aussehen."
Tatsächlich muss Fili schmunzeln, sagt dann jedoch: "Stimmt."
Ich höre auf, zu grinsen, und erwidere Filis Blick. Seine blauen Augen ruhen auf mir, seine Lippen sind zu einem leichten Lächeln verzogen. "Fili..." Ich spreche nicht weiter, denn ich weiß eigentlich gar nicht, was ich sagen soll.
Wieso reagiere ich so nervös, wenn er mir näherkommt? Wieso kann er für mich nicht einfach ein Freund sein?
Dafür ist es schon lange zu spät.
Er kommt mir noch näher, legt eine Hand an meine Wange. Heilige Sche-
"Ich... gehe mal nach Kili sehen", krächze ich, räuspere mich verwundert als ich merke, wie heiser ich plötzlich bin. Mein wild schlagendes Herz ignorierend, stehe ich eilig auf und gehe auf Filis jüngeren Bruder zu. Dieser setzt sofort ein krampfhaftes Lächeln auf, als er mich sieht. "Du lässt meinen Bruder ganz schön zappeln, was?"
Seine Bemerkung ignorierend, will ich ihm klarmachen, dass ich weiß, wie es um seine Verletzung steht und dass er vor mir nicht den starken Helden spielen muss, doch ehe ich dazu komme, rufen die anderen uns zu sich und sagen, Bard würde die versprochenen Waffen holen. Solange er fort ist, will Thorin sich mit der Gemeinschaft beratschlagen, wie es weitergehen soll. Er wählt dafür Balin, Fili und Kili. Kurz sieht er zu mi, als überlege er, mich auch zu sich zu rufen, doch ich lächle ihn nur an, als ich begreife, dass er unentschlossen ist, und nehme ihm die Entscheidung ab, indem ich mich umdrehe. Thorin wendet sich nach wenigen Sekunden an die anderen.
Hier habe ich nicht mitzureden. Es geht um ihre Heimat, und Thorin hat genau die richtigen ausgewählt, um sich zu überlegen, wie sie am ehesten in den Berg gelangen.
Ich versuche, Fili zu ignorieren, der meinen Blick sucht, und setze mich an den Tisch. Was soll ich schon zu ihm sagen? Ich will weder über meinen Gesundheitszustand mit ihm reden, noch über den peinlichen Moment vorhin. Ganz besonders nicht über den peinlichen Moment.
Waren wir etwa kurz davor, uns zu küssen? Kopfschüttelnd reibe ich mir die Schläfen. Das ist doch verrückt.
Bilbo sitzt ebenfalls am Tisch. Er trinkt, wie ich vorhin auch, einen Becher Tee und sieht mich abwartend an.
"Was ist?", frage ich müde, stütze meinen Kopf auf meiner Hand und meinen Ellbogen auf der Tischplatte ab.
"Nichts." Der Hobbit trinkt schulterzuckend nochmal von seinem Tee. "Ich frage mich nur, wann du Fili endlich sagen wirst, was du für ihn empfindest, nichts weiter." Er spricht, als würden wir uns übers Wetter unterhalten, deshalb - und weil ich unglaublich müde bin - verstehe ich die Bedeutung seiner Worte nicht sofort.
Als ich es endlich tue und mit geweiteten Augen aufsehe, grinst Bilbo mich schelmisch an. "Was soll das denn bitte heißen?", zische ich und spähe zu Kili, Thorin, Balin und Fili, um sicherzugehen, dass keiner von ihnen, besonders Fili, gehört hat, was Bilbo eben sagte.
"Ach komm, ich habe euch doch da drüben gesehen. Die anderen haben sogar vor Monaten schon Wetten abgeschlossen, wer von euch beiden zuerst mit der Sprache rausdrückt." Schmunzelnd schüttelt Bilbo den Kopf. "Wie damals, als sie gewettet haben, ob ich mich der Gemeinschaft anschließe oder nicht."
"Warte mal..." Ich beuge mich etwas näher zu Bilbo und flüstere: "Willst du damit sagen, dass ihr denkt, Fili würde -" Ich breche ab, doch Bilbo versteht und nickt schmunzelnd.
Perplex sitze ich einige Sekunden lang bloß da, bevor ich frage: "Was hast du gewettet?"
Bilbo zwinkert mir zu und ich spüre, wie mein Gesicht ganz warm wird. Ich setze an, zu protestieren, komme aber nicht dazu.
Bevor noch jemand etwas sagen kann, betritt Bard den Raum. Er hat etwas in ein Tuch gewickelt, offenbar die Waffen. Diese breitet er nun auf dem Tisch aus.
Uns offenbart sich eine reine Enttäuschung.
"Das sind doch keine Waffen", schnaube ich und bin froh, dass ich meinen Dolch, mein Schwert und meine Peitsche noch habe.
Auch die anderen scheinen nicht gerade begeistert, als sie die sogenannten Waffen in die Hand nehmen. "Was soll das sein?", knurrt Thorin und hebt einen Spießhaken hoch.
"Lass mich raten - ein Drachenzahnstocher!", rufe ich gespielt ernst und gleichzeitig spöttisch aus und lege meine Füße auf dem Tisch ab, lehne mich in meinem Stuhl zurück. Mit diesem Ding könnten wir Smaug nicht mal kitzeln. Kili grinst mich leicht an, doch auf einen strengen Blick von Thorin hin vergeht uns das Lachen. Die Situation ist ernst. Wie sollen wir so einen Drachen bekämpfen?
Kili nimmt ein hammerähnliches Ding in die Hände. "Und das hier?"
"Ein Krähenschnabel. Nun, so nennen wir es", antwortet Bard. "Aus einem Schmiedehammer. Liegt schwer in der Hand, zugegeben, aber zur Verteidigung eures Lebens ist es wahrlich besser als nichts."
"Wir haben Euch für Waffen bezahlt", betont Gloin. "Aus Eisen geschmiedete Schwerter und Äxte!"
"Das ist ein Scherz!", ruft Bofur entrüstet aus und die Zwerge werfen ihre "Waffen" wieder auf den Tisch. Bard beteuert, man könne außerhalb der Waffenkammer der Stadt nichts finden, und dass sie verschlossen sei.
Dwalin und Thorin tauschen einen vielsagenden Blick.
Ich kipple mit meinem Stuhl, meine Füße nach wie vor auf dem Tisch, und betrachte meine abgewetzten, schwarzen Stiefel. Ich ahne, was kommt, und weiß, dass es nichts bringen würde, zu widersprechen.
Will ich auch gar nicht.
Wenn ihr mich fragt, ist der einzig logische Schluss in die Waffenkammer einzubrechen und die Waffen schlichtweg zu klauen. Ich bin geübt in sowas, die anderen werden sicher auch Erfahrung haben, also sollte es kein Problem sein. Spätestens morgenfrüh werden wir richtig ausgerüstet sein.
Und dann kümmern wir uns um diese blöde, feuerspeiende Eidechse und holen den Erebor zurück.
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