
14 ˖⋆࿐໋₊
"Das kann nicht dein Ernst sein!" Fassungslos sieht Bilbo Thorin, der am Rande des Plateaus steht, an. Gereizt dreht der Zwergenprinz sich zu dem Hobbit um. "Doch, Meister Beutlin, ist es."
"Aber sie ist Teil der Gemeinschaft!" Bilbo kann nicht verstehen, wie Thorin all die guten Dinge, die Rina getan hat, einfach vergisst. Er will sie verstoßen! Das kann er doch nicht machen! Auch die anderen Zwerge scheinen sich nicht daran zu erinnern, dass die junge Frau ihr Leben aufs Spiel setzte, um sie vor Azog, dem bleichen Ork, zu retten.
Gut, anfangs wollte sie Thorin töten... Aber das hat sie nicht und das ist doch auch etwas wert, oder nicht? Immerhin dachte sie jahrelang, Thorin hätte ihr gesamtes Dorf niedergebrannt, darunter ihre Familie.
"Sie war Teil der Gemeinschaft", berichtigt Thorin Bilbo streng. "Und in all der Zeit hat sie unser Vertrauen schamlos ausgenutzt!"
"Herrgott, Thorin - sie dachte, du hättest ihre Familie ermordet!" Bilbo verliert langsam die Nerven, bemüht sich aber, die Stimme gesenkt zu halten, damit die anderen Zwerge und Gandalf, die einige Meter entfernt miteinander die weitere Vorgehensweise planen, sie nicht hören. "Du willst auch Rache an Azog für das, was er dir antat, also versuch doch wenigstens, sie zu verstehen!"
"Das ist etwas vollkommen anderes!", blafft Thorin jetzt. "Mir könnt ihr vertrauen! Wer sagt uns, dass sie nicht doch noch auf Azogs Seite steht? Wenn wir sie gehen lassen, verrät sie ihm womöglich all unsere Pläne!"
Bilbo lacht freudlos auf. "Das ist doch Unsinn! Azog will sie umbringen! Hast du das etwa schon vergessen?"
Thorin öffnet den Mund, um etwas zu erwidern, da ertönt eine Stimme neben ihnen. Es ist Rinas. Sie sitzt, Hände und Füße mit einem dicken Seil gefesselt, auf dem Boden und hat bisher das Gespräch teilnahmslos belauscht. Jetzt allerdings wird es ihr zu langweilig, denn die beiden Männer drehen sich mit ihrer Streiterei immer wieder im Kreis und kommen zu keinem vernünftigen Schluss.
"Ihr beiden seid wie ein altes, verheiratetes Pärchen", sagt die Magicae trocken. "Aber wir haben nicht ewig Zeit. Außerdem steh ich nicht so drauf, gefesselt zu sein. Wenn ihr mich losbinden würdet, könnten wir uns alle gemeinsam eine Lösung einfallen lassen, wie wir - unbemerkt von Azog - zum Erebor kommen."
"Nein", sagt Thorin kalt. Inzwischen sind auch die anderen auf die drei aufmerksam geworden und sehen mit großen Augen zwischen ihrem Prinzen, dem Hobbit und der Gefangenen - Rina - hin und her. "Du bleibst so lange gefesselt, bis wir wissen, was wir mit dir anstellen."
Ungeduldig verdreht Rina die Augen, flucht dabei laut. "Thorin", sagt sie dann, in einem Tonfall, als würde sie einem Fünfjährigen etwas zum tausendsten Mal erklären, "wollte ich dich tot sehen, hätte ich dich schon lange umbringen können. Du wärst überrascht, wie viele Möglichkeiten ich dazu hatte. Ich will euch nicht an Azog ausliefern, glaub mir! Jetzt bindet mich endlich los!"
Thorin stellt sich direkt vor sie, sieht auf sie hinab. "Niemals", knurrt er, dreht sich langsam um und nimmt Balin zur Seite, um mit ihm ungestört zu reden. Bilbo läuft, sich lautstark bei niemand Bestimmtem beschwerend und mit den Händen wild herumfuchtelnd, in die entgegengesetzte Richtung.
Rina stöhnt entnervt, schließt die Augen und legt den Kopf in den Nacken. Sie richtet sich auf, als Gandalfs Körper einen Schatten auf sie wirft. "Du stehst mir im Licht."
"Hältst du es für ratsam, mit einem zukünftigen König zu diskutieren, der viele loyale Verbündete hat?", fragt der alte Zauberer.
Mit gehobener Augenbraue wirft Rina einen Blick auf die Zwerge, die schnell so tun, als hätten sie sie nicht misstrauisch angestarrt, sondern würden die Landschaft bewundern. Augenrollend wendet sich Rina wieder an Gandalf. "Ich sehe nur vierzehn. Nein, warte - dreizehn, immerhin hat er einen seiner Verbündeten gerade zum Verräter erklärt. Als könne er es sich leisten, Leute zu entbehren! Sonst ist niemand von seinen sogenannten 'loyalen Verbündeten' mit ihm auf diese Reise gekommen."
Gandalf seufzt und setzt zum Sprechen an, aber Rina lässt ihn nicht dazu kommen. "Hör zu, mir ist egal, ob er ein großer König oder ein einfacher Bauer ist, Gandalf", sagt sie trocken. "Denn so oder so ist er dämlich."
"Er ist vorsichtig", berichtigt Gandalf sie. "Sag mir nicht, du würdest seine Entscheidungen nicht verstehen."
Rina antwortet nicht. Natürlich versteht sie Thorin, sie würde sicherlich nicht anders handeln als er. Aber das ändert nichts daran, dass das Verhalten ihrer ehemaligen Freunde sie verletzt. Leider habe ich erst erkannt, was ich hatte, als ich es schon wieder verloren habe... Freunde. Sogar mehr als das: Eine zweite Familie. Rina schüttelt den Kopf. Mach dir nichts vor, du hättest nie zu ihnen gehört, nicht vollkommen. Am besten nutzt du die erstbeste Gelegenheit und machst dich aus dem Staub, bevor sie auf die Idee kommen, dich an Azog auszuliefern.
Tatsächlich hatten die Zwerge darüber schon gesprochen, sich allerdings dagegen entschieden. Ein kleiner Teil von ihnen hielt es für möglich, dass Rina sich dann erneut mit den Orks verbünden könne. Die meisten von ihnen jedoch, auch, wenn sie es sich nicht eingestehen wollten, konnten es schlichtweg nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren, Schuld am beinahe sicheren Tod der jungen Frau zu sein... Verräterin hin oder her. Dafür hatten sie zu viel mit Rina durchgemacht.
"Ich war rücksichtslos", murmelt Rina, gerade laut genug, damit Gandalf es hört. "Und hinterhältig. Ich verüble es ihnen nicht, wenn sie mich hier zurücklassen."
"Manchmal spricht das rücksichtsloseste Herz die wahrsten Worte", gibt Gandalf ernst zurück, worauf Rina die Stirn runzelt. "Was soll das jetzt bitte bedeuten?"
"Es bedeutet", spricht der Zauberer, "dass ich dir glaube, wenn du sagst, dass du Thorin nichts tun willst... Nicht mehr."
"Klar", schnaubt Rina. "Du vergisst, was ich getan habe, einfach so?"
"Vergeben und Vergessen sind zwei Paar Schuhe", merkt Gandalf an. "Bilbo hat dir vergeben, und das tue ich auch. Du bist eine Magicae, Kathrina. Hättest du einen von uns töten wollen, hättest du es vor Monaten getan. Und wenn du wolltest, wärst du schon längst aus diesen Fesseln raus."
Rina widerspricht nicht, legt den Kopf schief. "Wenn ich ihnen das sage, denken sie womöglich, ich warte einfach nur auf den nächstbesten Moment, mich davonzustehlen."
"Tust du das nicht?"
Kurz schweigt sie. Es wäre vermutlich besser, wenn sie einfach ginge. Weit fort von Thorin, Azog und den anderen. Vielleicht könnte sie zurück nach Bruchtal? Oder sie könnte zu den sterblichen Menschen wandern - nach Rohan oder Gondor - und dort unter anderem Namen ein neues Leben anfangen. Das wäre immerhin besser, als die misstrauischen Blicke der Zwerge und ihr Getuschel zu ertragen.
"War das der Grund?"
Gandalf verlagert sein Gewicht und stützt sich auf seinem Zauberstab ab. "Was meinst du?"
"Als du Akela und mich gefunden hast... Du wolltest mich dabei haben, weil du geahnt hast, was ich bin. Du dachtest, meine Magie könnte euch nützlich sein, nicht wahr?"
Gandalf sagt es nicht, doch Rina kennt die Antwort bereits.
"Ich werde seit meiner Kindheit wegen meiner Kräfte ausgenutzt. Ich weiß nicht, wem ich trauen kann... Und ich bin allein. Auch, wenn ich mit euch zusammen bin, bin ich allein. Dann kann ich genauso gut mit Akela fortgehen, sobald ich ihn gefunden habe, denn hier hält mich nichts mehr." Rina versucht, desinteressiert zu klingen, doch tief in ihrem Inneren ist sie verletzt. Sie war froh darüber, dass die Zwerge nichts von ihrer Magie wussten, denn wenn sie mit ihnen zusammen war, wusste sie, dass sie sie um ihretwillen dabeihaben wollten. Nicht wegen ihrer Macht. Und jetzt habe ich alles zerstört...
Was Rina nicht weiß, ist, dass Fili, der nur wenige Meter entfernt bei Kili und Dwalin steht, nicht den beiden Zwergen, sondern Rina und dem Zauberer zuhört. Zwar hat er nicht alles verstanden - dafür stand er zu weit entfernt - von Rinas letzten Sätzen hat er jedoch genug mitbekommen, um zu wissen, was sie sagte... Und wie sie sich fühlt.
Der junge Zwerg würde ihr gern sagen, dass er sie um ihretwillen mag, nicht wegen ihrer Fähigkeiten. Dass er sie nicht ausnutzt, um Macht und Respekt zu erlangen. Aber zur selben Zeit verflucht er sich dafür, dass er sie nicht hasst, sie nicht weit weg wünscht. Denn das sollte er. Sie ist eine Verräterin... Wir können ihr nicht trauen. Das weiß Fili, er wiederholt es die ganze Zeit in seinem Kopf. Doch sein Herz sagt ihm etwas anderes. Er mag Kathrina, mehr noch ist er auf dem besten Weg, sich in sie zu verlieben... Wenn er das nicht schon lange getan hat.
~~~~~~~~~~
Bilbo ist unterwegs, um auszukundschaften, wie weit entfernt Azog und seine Orks noch sind. Die Zwerge tuscheln miteinander, und ich...
Sehe dem Gras beim Wachsen zu. Meine Hände und Füße sind gefesselt, das macht es mir nicht gerade leicht, aufzustehen. Und mich an der Nase kratzen kann ich auch nicht... Ich rümpfe sie und winkle die Knie an, beuge mich vor und reibe meine Nase an meinem Bein.
"Was tust du da?"
Ich halte inne, sehe auf. Fili. Wer auch sonst?
"Gar nichts!", sage ich schnell, setze mich normal hin und räuspere mich. Fili runzelt die Stirn, sagt aber nichts. Er entfernt das Seil von meinen Knöcheln, meine Hände allerdings lässt er hinter meinem Rücken gefesselt. "Ist das dein Ernst?", frage ich ausgelaugt. Ich bin es leid, immer wieder zu versuchen, sie von mir zu überzeugen.
"Zu mehr konnte ich Thorin nicht überreden", murmelt er durch zusammengebissene Zähne, weicht meinem Blick aus.
"Kannst du mich nicht einmal ansehen?"
Stur starrt er auf den Boden. Ich schnaube.
Fili ballt die Hände zu Fäusten, sieht mich nun doch an. "Was erwartest du eigentlich von mir?"
Ich will ihn gerade anfahren, er solle mal ein bisschen Verständnis zeigen, da fällt mir der Schmerz in seinen blauen Augen auf. Der Schmerz, den ich ihm zugefügt habe.
Kurz hebe ich die Schultern. "Ich weiß nicht", murmle ich betreten.
Fili schnaubt abwertend, und ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen, dreht er sich um und geht zu den anderen. "Kili, pass auf sie auf", pampt er im Vorbeigehen seinen Bruder an. Dieser sieht zwischen uns hin und her und kommt dann zu mir. "Nimm's ihm nicht übel", meint er, ein zaghaftes Lächeln ziert seine Lippen. "Er mochte dich wirklich, weißt du? Ich glaube, das tut er noch immer, und das macht ihm zu schaffen."
Ich mag ihn auch... Ich sage es nicht, doch der Blick, den ich Fili hinterherwerfe, reicht Kili aus, um meine Gedanken zu erraten.
"Kann ich dich etwas fragen?" Kili setzt sich zu mir auf den Boden. Da ich nichts sage, sondern ihn nur anschaue, nimmt der junge Zwerg das als Zeichen, seine Frage zu stellen. "Wusstest du wirklich nicht, dass Azog dir das damals antat?"
Das schon wieder... Ich seufze, atme tief durch, bevor ich antworte: "Nein, ich wusste es wirklich nicht. Hätte ich aber vermutlich sollen. Weißt du, als er mich fand..." Ich verlagere mein Gewicht, rolle meinen Kopf von rechts nach links. Mein Nacken knackt. Vom vielen Sitzen wird mein Körper langsam steif. "... da war ich neun Jahre alt. Er fand mich allein und verletzt im Wald, nahm mich mit und bildete mich aus. Er rettete mir das Leben." Ich schlucke, schnalze missbilligend mit der Zunge. "Vermutlich hätte ich es besser wissen müssen, aber ich war so darauf besonnen, einen Schuldigen zu finden, dass ich Azogs Worte kaum hinterfragt habe."
Kili runzelt die Stirn, sagt eine Weile nichts. Dann: "Hat er dich aus dem brennenden Dorf geholt?"
"Äh, nein, aus dem Wald, wie gesagt. Warum?"
"Hat dir jemand rausgeholfen?"
"Nein. Ich habe meine Magie genutzt, um zu überleben... Die Leute waren mit sich selbst und ihren Familien beschäftigt. Ich habe meine nicht gefunden und zu der Zeit, zu der ich das Dorf verließ, waren alle anderen bereits tot." Mein Blick wird mit jedem Wort, jeder Erinnerung an damals leerer. "Ich wäre sicherlich auch gestorben, hätte ich meine Magie nicht genutzt..." Ich schüttle den Kopf, sehe Kili fragend an. "Warum willst du das alles wissen?"
"So, wie ich das sehe", erwidert er, "hat Azog dich nicht gerettet. Ich meine, gut, er hat dich ausgebildet und du hast bei ihm sowas wie ein... Zuhause gefunden - " Beinahe schnaube ich bei dem Wort. Nein, inzwischen bin ich mir sicher: Ein Zuhause war das sicher nicht. " - aber gerettet hast du dich selbst", endet Kili.
Ich sage nichts, weiß nicht, was er von mir hören will. Selbst wenn es so war, was macht das schon für einen Unterschied?
"Weißt du", sagt er dann, "vor... all dem hier, mochte ich dich wirklich gerne. Du warst die erste Frau, die sich mir nicht an den Hals geworfen hat..." Ich muss schmunzeln und auch Kili grinst leicht. "... und außerdem habe ich dich immer für eines ganz besonders bewundert: Deinen Mut."
Mein Lächeln schwindet und ich schüttle den Kopf. "Ich bin nicht mutig", murmle ich.
"Natürlich bist du das!", sagt Kili sofort, ein Lächeln auf den Lippen und ein Funkeln in den Augen. "Das habe ich schon in Beutelsend gemerkt. Du hattest kein Problem damit, Thorin zu widersprechen, du nimmst grundsätzlich nie ein Blatt vor den Mund, egal, mit wem du es zu tun hast. Du hast mit uns gegen die Trolle gekämpft und als wir verfolgt wurden, hast du Akela fortgeschickt, um sich selbst in Sicherheit zu bringen, und hast mit uns Seite an Seite gegen die Orks gekämpft, obwohl du auch mit Akela hättest fliehen können." Zögerlich sehe ich Kili an, welcher nun eine Hand auf mein Knie legt. "Ich kann nicht sagen, alles ist vergeben und vergessen", murmelt er und ich spüre, wie mein Herz sich zusammenzieht. "Aber ich kann sagen, dass ich dich verstehe. Irgendwie. Bilbo hat mit mir gesprochen und mich daran erinnert, dass wir Freunde waren... Und das kann ich nicht einfach vergessen."
Ich bringe ein schwaches Lächeln zustande. "Wir waren wohl wirklich Freunde, was?"
"Die besten, würde ich meinen", zwinkert Kili, worauf ich lache. "Übertreib's nicht."
"Nein, ich mein's ehrlich." Nun wieder ernst, sagt der Zwerg: "Du hast das vielleicht nicht so gesehen, aber ich schon. Und ich will versuchen, dir zu verzeihen, aber... Das wird eine Weile dauern."
Mehr kann ich wohl nicht erwarten, aber das ist immerhin ein Anfang. Darum nicke ich. "Verstehe."
Kili lächelt, steht auf und will sich abwenden.
"Kili?"
Fragend dreht er sich zu mir um. Ich lächle ihn an und sage: "Danke."
Wie so oft zwinkert er mich an, dann geht er zu den anderen.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro