Leicht kaute Jeongin auf seiner Lippe herum, da es zu einem Tick von ihm geworden war, ehe er sich kurz durch die Haare fuhr und anschließend seine Augen auf Chan richtete. Anders als er erwartet hatte, schien sein Nachbar wirklich auf ihn gewartet zu haben, und das löste Glücksgefühle in ihm aus, die er noch nie verspürt hatte. Immerhin interessierte sich jemand für ihn, und dieses Interesse wurde ihm auch deutlich gezeigt, auch wenn Jeongin damit nicht sonderlich gut klarkommen konnte. Er war alleine, hatte jemanden nun an seiner Seite, bei dem er nicht wusste, wie er sich verhalten sollte. Alles, was er tun könnte, würde vermutlich falsch sein und obwohl ihm Chan egal sein konnte, wollte er ihn nicht einfach wieder verlieren.

Er kannte ihn seit zwei Tagen und so naiv es klang, schon jetzt wollte Jeongin nicht wieder alleine sein.

Die Einsamkeit zerstörte ihn.

,,Wie war die Schule, Kleiner?" Lächelnd hielt Chan ihm seine Hand hin, erkannte, dass Jeongin seine Mütze tatsächlich nicht trug, und es machte ihn etwas stolz, dass er ein klein wenig dazu beigetragen hatte. Schüchtern zuckte Jeongin nur einmal leicht mit seinen Schultern, wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Immerhin war es nur Schule gewesen und wie sollte sie wohl gewesen sein? Die Prüfung hatte er verhauen, seine Eltern würden ihn wortwörtlich umbringen, wenn sie das erfahren würden. Und er fürchtete sich gerade davor, auch nur einen Schritt näher nach Hause zu gehen. Würden sie ihn wieder anschreien? Ihn schlagen? Oder eher schlimmeres tun? Schon diese Gedanken machten ihn fertig, sodass er nicht viel sagen konnte oder wollte.

,,Du bist nicht sehr gesprächig, oder?" Leise seufzte Chan, jedoch nickte er einmal verstehend. Irgendwie konnte er es verstehen, dass der Jüngere nicht viel sprach. Mit solchen Eltern, die er hatte, würde es ihn nicht anderweitig wundern. ,,Dann werde ich jetzt einfach alles sagen. Ich möchte dich mit nach Australien bringen und so fremd, wie du denkst, bin ich gar nicht. Wir haben uns schon einmal getroffen, nur weißt du das nicht mehr. Jedenfalls... Hier bist du nicht in Sicherheit und du wirst niemals glücklich werden, verstehst du? Es klingt unrealistisch und vielleicht auch falsch, aber tief in deinem Inneren weißt du, dass du genau das willst. Du willst aus dieser Stadt verschwinden und ein neues Leben anfangen. Also, worauf wartest du denn jetzt noch?"

Und das fragte sich Jeongin ebenfalls.

Worauf wartete er denn überhaupt? Ihn hielt hier nichts, niemand würde ihn jemals vermissen. Weder besaß er hier etwas, was von Bedeutung war, noch hielt ihn etwas fest. Dennoch zögerte er, war unsicher, wie sein Leben danach aussehen würde. Immerhin hatte er dann keine Zukunft mehr. Hier war seine Schule, der Ort, an dem er seinen Abschluss haben konnte. Wenn dieser gut ausgehen würde, dann hätte er zumindest die Freikarte zu seiner neuen Freiheit, wäre nicht mehr an seine Eltern gebunden und er müsste keine Angst mehr haben. Zumal er nicht verstehen konnte, was Chan meinte, mit der Sache, dass sie sich bereits kannten. Noch nie hatte er diese Schönheit gesehen, bis an dem Tag, an dem er gegen ihn gelaufen war.

Aber sein Nachbar könnte unmöglich das meinen.

,,Ich... Ich weiß es nicht...", antwortete Jeongin schließlich leise und beschleunigte seine Schritte anschließend etwas, damit er pünktlich Zuhause ankommen würde. ,,Ich weiß genau, dass ich hier nichts habe und mich eigentlich auch nichts hält, aber ich weiß nicht... Ich glaube, ich brauche ein paar Tage. Du sagst zwar, dass wir uns längst kennen, aber du musst doch auch verstehen, dass ich nicht einfach mitgehen kann! I-Ich... I-Ich bin so unsicher und so verloren..." Tränen traten in seine Augen auf, die er eigentlich entfernen wollte, als er plötzlich von Chan fest in die Arme gezogen wurde. Und erst dann realisierte er, dass er ihn wirklich bereits kannte, nur es vergessen hatte. Und das wegen seiner Eltern.

Und vielleicht hatte er jetzt einen Entschluss gefasst, auch wenn er ihn zu diesem Zeitpunkt nicht aussprechen konnte.

-

Das wars dann heute uwu
Bis morgen :3