,,Du weißt wirklich nicht, was das bedeuten könnte?"

Unsicher schüttelte Jeongin leicht seinen Kopf und senkte ihn anschließend, während er etwas mit den Fingern von Chan spielte, damit er alles überspielen konnte. Woher sollte er auch die Bedeutung der Flagge kennen, wenn er nie Bezug zum Internet hatte, noch so etwas in der Schule beigebracht wurde? Zwar wusste er einiges in seinem Leben, vor allem komplexe Sachen, aber solche, einfachen Dinge, dessen Bedeutung jeder verstand, war dann doch etwas zu schwer für ihn. Deshalb hoffte er stark, dass der Ältere ihn nicht einfach auslachen würde, sondern eine wirkliche Erklärung abgeben würde. Jeongin hatte so viel zu lernen, sehr viel über das Leben und über die verschiedenen Sachen. Mit der Flagge wollte er heute damit anfangen.

Es war der erste Schritt in die richtige Richtung.

,,Nun...", fing Chan an und fuhr von der Straße nun weg, einen Weg entlang, der nicht mehr gepflastert war, sondern eher mit viel Stein und Sand belagert wurde. ,,Es ist eigentlich ganz einfach. Es steht für die Toleranz und Akzeptanz der Homosexualität. Gleichzeitig gilt sie für Frieden, Hoffnung und Sehnsucht. Ich weiß nicht, ob es dir bekannt ist, aber es gibt nicht nur heterosexuelle Menschen, weißt du? Es gibt Jungs und Jungs, die sich lieben, aber genauso können sich Mädchen und Mädchen lieben. Das ist natürlich nicht alles, aber grob erklärt ist das die Bedeutung der Flagge." Ein kleines Lächeln lag dabei auf seinen Lippen, als er den ungläubigen Blick des Schwarzhaarigen erkennen konnte. Offenbar wusste er wirklich nicht, dass es weitaus mehr gab.

Und irgendwie fand Chan es süß, ihm alles erklären zu können.

,,Warum gibt es solche Flaggen nicht in Seoul? Mögen die solche Menschen dort nicht?" Neugierig legte Jeongin nun seinen Kopf etwas zur Seite, spielte dabei weiterhin mit Chans Fingern, während er ein wenig über die Worte des Älteren nachdachte. Es gab also wirklich Fälle, in denen sich Jungs in andere Jungs verlieben konnten. War es normal? In der Schule wurde ihm durchgängig beigebracht, dass es nur einen Mann gab, der der Frau ihr Baby schenkte. So konnten sie sich Fortpflanzen und die Welt würde immer aus Menschen bestehen. Wie sollten solche Menschen, die auf das gleiche Geschlecht standen, also jemals Kinder bekommen? Schon jetzt wusste Jeongin, dass er sich wohl niemals in einen Jungen verlieben könnte. Er wollte nämlich, irgendwann in der Zukunft, zwei bis drei Kinder haben.

,,In Südkorea ist so etwas zwar nicht illegal", erklärte Chan und konnte von Weitem bereits ein großes Haus sehen, wodurch sein Grinsen etwas breiter wurde. ,,Aber sie sehen das ungern. Viele sind noch immer intolerant dem gegenüber, und sie finden, dass es nicht der Normalität entspricht. Aber denk das nicht, Jeongin. Menschen, die auf das gleiche Geschlecht stehen, sind auch nur Menschen mit Gefühlen, okay? Sie lieben nicht anders als wir." Verstehend nickte der Jüngere einmal leicht, da er niemals jemanden für etwas verurteilen würde. In seinen Augen war es egal, wen man liebte. Liebe sollte einen doch glücklich machen, nicht wahr? Zwar konnte Jeongin das nicht ganz nachvollziehen, aber er war auch nicht abgeneigt. Er selbst wollte doch auch nur Liebe bekommen.

Und vor allem wollte er irgendwann Liebe selbst geben.

Langsam blickte der Jüngere wieder nach draußen und erblickte ebenso ein großes Haus. Es war weiß und grau, sah modern aus und hatte einen riesigen Garten. Seine Augen wurden sofort größer, nachdem er erkannte, dass draußen Hunde rannten. ,,Da sind Hunde, Channie! Schau mal!", rief er laut und glücklich, erblickte nun auch eine graue Katze, die durch das Unterholz flitzte. Vielleicht würde Chan ihm auch irgendwann eine Katze geben, wenn er es sich wünschen würde. Doch hier gab es nicht nur Tiere, denn als sie langsam vor dem Haus stehen blieben, kamen zwei Menschen aus dem Haus. Einer war größer als der andere, hatte längere, blonde Haare und der Kleinere hatte graue, bis weiße Haare. Und als das Auto anhielt, drehte sich Chan grinsend zum Jüngeren.

,,Wir sind da, Jeongin.~"