∎ 𝐄𝐩𝐢𝐥𝐨𝐠
„Herr Garner, was-", hallt es nach einem kurzen Anklopfen durch das Einzelzimmer, in dem ich fälschlicher Weise stehe. Na ja, ich habe immerhin einen Grund gehabt; nämlich einen meiner Peiniger umzubringen.
Bis gerade noch habe ich die Stille und Starre der Leiche zu meinen Füßen genossen. Jetzt wird diese von einem Pfleger gestört, den ich nicht einmal kenne. Er ist klein und eher etwas rundlich. Mit seinen wachen Augen und den lächelnden Lippen ist er mir sofort sympathisch, auch wenn sein Lächeln augenblicklich erstirbt, als er einen Blick in das ungewohnt rote Zimmer wirft. Zudem muss ihm mein Grinsen ins Auge gefallen sein. Dass ihn mein Anblick mit dem abgebrochenem Plastikmesser in der Hand einen Schrecken einjagt, habe ich gar nicht beabsichtigt.
„Tut mir leid, das hätten Sie gar nicht sehen sollen", entschuldige ich mich sofort und sehe auf sein Namensschild: „Jan."
Er hingegen schüttelt nur mit einem verstörten Gesichtsausdruck seine blonden Haare und verlässt im Rückwärtsgang das Zimmer. Sofort höre ich einen Schlüssel, der sich im Schloss zweimal umdreht und mich mit der Leiche am Boden einschließt. So wird einem hier Höflichkeit gedankt!
„Das ist Freiheitsberaubung", rufe ich durch die verschlossene Türe hindurch. Entgegen meiner Erwartung, bekomme ich tatsächlich eine Antwort:
„Das ist Mord!"
Zweifacher sogar.
„Wissen Sie, was das eigentlich Traurige ist?", frage ich zusammenhangslos gegen das Weiß der Tür und gleichzeitig ins Nichts hinein. „Dass ich in dieser Klinik als kriminell enttarnt wurde, während Sadisten hier ausschließlich als Opfer gesehen werden."
Meine Worte gehen irgendwo zwischen dem blutverschmierten Zimmer hinter mir und dem menschenleeren Gang vor mir unter, den ich nicht einmal einsehen kann. Und doch weiß ich, dass Jan mir nicht mehr zugehört hat.
Nun bin ich es, die ihren Kopf schüttelt. Seufzend lasse ich mich aufs Bett fallen, dorthin, wo eben Garner gesessen hat und träume aus dem Fenster hinaus. Die dunklen Wolken der letzten Wochen scheinen sich tatsächlich zu lichten und geben zaghaft den Blick auf einen blauen Himmel frei. Sonnenstrahlen schaffen es zwar im Moment nicht durch die löchrige Wolkendecke, aber es ist um einiges heller geworden. Dunkler geworden ist das Blut. Es beginnt seine hellrote Farbe in eine braune zu tauschen.
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