Kapitel 23. Eine Krankheit?
Ängstlich starrte die junge Schülerin mit angelegten Ohren zu ihrem Mentor empor, der mit funkelnden Augen vor ihr stand. Lauschen war definitiv keine gute Sache, das wusste die Schülerin, und vermutlich würde Jagdkralle sie nun bestrafen wollen.
"Was würdest du sagen, was Spinnenbein nun tun sollte?"
Federpfote blinzelte. Ihr Mentor gab die feindliche, aggressive Haltung auf, er setzte sich hin und hatte seine Schülerin in einem normalen Tonfall etwas gefragt. Diese blinzelte wieder, verwirrt von dem plötzlichen Stimmungswechsel. "Warum..?", begann sie misstrauisch und irritiert, unterbrach sich jedoch selbst, um nichts zu sagen, das ihn letztendlich doch noch wütend machen könnte.
Doch Jagdkralle schien sehr ruhig, gefährlich ruhig. Er legte seinen Schwanz ordentlich über die sorgfältig nebeneinander platzierten Vorderpfoten, dann sah er seine Schülerin wieder ernst aus diesen durchdringlichen, gelben Augen an.
"Ich habe dich gefragt, was du an Spinnenbeins Stelle tun würdest. Du hast doch schließlich alles mit angehört, nicht wahr?", miaute er scharf, es war klar, dass er eine Lüge nicht dulden würde. Kleinlaut miaute Federpfote: "Ja, schon. Aber-" Doch Jagdkralle unterbrach sie. "Dann antworte mir", verlangte er.
Federpfotes Schwanzspitze schnippte nervös von links nach rechts, sie überlegte unsicher. Langsam miaute sie: "Ich würde auf jeden Fall nicht für Minzsturm mitentscheiden. Sie hat schließlich die Junge geboren, und das hat sie ja wohl nicht ganz allein gemacht. Wenn Spinnenbein das nicht mag, dann kann er doch mit Minzsturm über ihre gemeinsame Zukunft, und die der Junge, reden. Aber wenn er jetzt einfach auf Nimmerwiedersehen sagt, ohne vorher mit seiner Gefährtin nach einer Lösung gesucht zu haben, wäre das schon ziemlich..."
Federpfote suchte ein harmloses Wort, das in die Situation passen könnte. "...falsch", beendete sie ihren Satz. Jagdkralle hatte ihr schweigend zugehört. "Du bist schon ziemlich reif für dein Alter. Nicht viele Krieger, geschweige denn Schüler, schaffen es einen so diplomatischen Vorschlag zu entwickeln."
Federpfote brauchte einen Moment, um zu realisieren, dass er sie gerade nicht beschimpft hatte. Im Gegenteil, es waren anerkennende Worte gewesen! Federpfote war verwirrt. "O-okay?", maunzte sie unsicher. Sie fragte sich, ob sie nun gehen könne, oder ob die eigentliche Strafe jetzt noch kommen würde, nachdem er sie zuerst in Sicherheit gewiegt hatte.
Doch Jagdkralle sah bloß nachdenklich aus, als würde er über Federpfotes Worte ernsthaft nachdenken und nun einen eigenen Gedanken dazu formulieren. Dieses Gespräch war seltsam, da es sich so anfühlte, als ob ihr Mentor Federpfote auf Augenhöhe behandelte.
Jagdkralle öffnete den Mund, er miaute, überraschend zögerlich, als wähle er seine Worte mit Bedacht: "Und was würdest du tun, wenn jemand, den du gut kennst und den du liebst, sich plötzlich stark verändern würde." Federpfote runzelte fragend die Stirn, doch Jagdkralle bedeutete ihr, zu schweigen und weiter zuzuhören. "Wenn diese Person plötzlich nicht mehr sie selbst ist, weil sie eine Art Krankheit hat, die sie verändert. Und bei der sie Hilfe braucht, die du ihr aber nicht geben kannst. Was würdest du tun?"
Federpfote legte den Kopf schief. Die Frage war so spezifisch unspezifisch gestellt worden, dass es sich sicherlich um eine persönliche Geschichte aus Jagdkralles Leben handeln musste. Und wenn das wirklich so war, dann tat er ihr sehr leid, denn die Situation klang wirklich kompliziert. Was vielleicht auch daran lag, dass Federpfote zu wenig Informationen erhalten hatte.
"Wie sieht diese Krankheit denn aus?", fragte sie vorsichtig. Jagdkralle schien sich misstrauisch wieder zu verschließen, doch dann holte er tief Luft und antwortete, zu Federpfotes Erstaunen, relativ offen: "Eine Krankheit, die den Geist und nicht den Körper angreift. Bei der die Katze manchmal andere Katzen oder Stimmen wahrnimmt, die wir anderen nicht sehen. Aber irgendwann reagiert sie nur noch auf diese anderen, für uns unsichtbaren, Katzen, und nicht mehr auf uns."
Federpfote war wie elektrisiert, sie hörte schließlich auch Stimmen, die andere offensichtlich nicht hören konnten! Doch war das wirklich eine Krankheit? Oder hatte Jagdkralle es nur so eingestuft, weil er so wenig darüber wusste? Was, wenn es eine Gabe vom SternenClan wäre...? Federpfote wurde aufgeregt.
"Was ist denn mit dieser Katze passiert?", fragte sie, leicht nach vorne gebeugt. Jagdkralle sah sie scharf an. "Nehmen wir mal an, diese natürlich nur rein hypothetisch existierende Katze mit der rein hypothetischen Krankheit würde tatsächlich hier im Clan leben. Die Krankheit würde sich Mond für Mond weiter entwickeln, während die Heilerkatze nichts dagegen tun könnte, alle anderen Katzen kein Schnurrhaar rühren würden, um der Katze zu helfen - dann würde sie eines Tages einen frühen, tragischen Tod sterben."
"Was?" Federpfote lehnte sich abrupt wieder zurück, sie war wie vom Donner gerührt. Sterben? Das konnte nicht sein! "Aber, du hast doch gesagt dass die Krankheit nicht den Körper betrifft!", miaute sie ein wenig verzweifelt.
Jagdkralle erwiderte ihren Blick mit unnatürlicher, beherrschter Ruhe. Doch als er ihr antwortete, lag in seiner Stimme eine ähnliche Verzweiflung wie sie gerade in Federpfote zu tosen begann.
"Fakt ist, dass sie es nicht überlebt hat. Die Krankheit hat sie wahnsinnig gemacht, sie Dinge tun lassen, die sie im Nachhinein bereute. Sie stieß alle, die sie liebten, von sich. Und niemand konnte ihr helfen", seine Stimme klang vor Schmerz ganz rau. Verbittert fügte er noch hinzu: "Vielleicht hätte der SternenClan etwas tun können, doch der schwieg, ignorierte das Leiden einer einzelnen Katze." Jagdkralles Augen waren grimmig in die Ferne gerichtet, als würde er dort in seine Erinnerungen blicken können.
Federpfote wünschte, sie könnte das auch, denn momentan war sie zu verwirrt und verängstigt, um einen vernünftigen Satz herausbringen zu können. Abrupt wandte sich Jagdkralle wieder zu seiner Schülerin, als hätte er soeben bemerkt, dass sie auch noch da war.
"Geh in dein Nest. Für deine Lauschaktion werde ich dich dieses Mal nicht bestrafen, da du eine passable Antwort auf meine Frage liefern konntest. Doch mach dich auf ein herausforderndes Training morgen bereit, vor Sonnenhoch, bei der umgefallenen Eiche an der SchattenClan Grenze."
Federpfote nickte hastig, dann stand sie auf und eilte davon. Sie war nun wirklich müde, es war eine lange Nacht gewesen. Zuerst die Stimmen, die sie wachgehalten hatten, dann die Geburt von Minzsturms Junge, das Gespräch zwischen Spinnenbein und Jagdkralle, und schließlich dieses seltsame Gespräch zwischen ihr und ihrem Mentor. Ein Gespräch, das ihr ein wenig Angst gemacht hatte. Als sie sich in den Schülerbau schlich und es sich in ihrem Nest gemütlich machte, versuchte sie sich zu beruhigen.
Die Katze, von der Jagdkralle geredet hatte, hatte etwas anderes gehabt als ich, dachte sie. Schließlich wusste Jagdkralle ja nicht einmal etwas davon, dass auch Federpfote Stimmen hörte. Aber sicherlich waren es andere Stimmen als jene, die die andere Katze gehört hatte. Was, wenn der SternenClan ihr diese Stimmen als Botschaft für irgendetwas schickte? Dann wäre sie auserwählt worden, der Gedanke war sehr aufregend für die junge Schülerin. Bestimmt war es so, sie musste nur noch entschlüsseln, was die Stimmen ihr zu sagen versuchten.
Die andere Katze hatte eine Krankheit gehabt, das war zwar sehr schade, aber Federpfote würde ein glückliches Leben führen, ohne eine solche Krankheit. Mit diesem Gedanken schlief sie ein.
In dieser Nacht wurde sie weder von seltsamen Stimmen geweckt, noch träumte sie etwas. Im gleichen Lager, im Kriegerbau, ging es Jagdkralle jedoch ganz anders. Der drahtige Krieger konnte nicht schlafen, das zuvor geführte Gespräch mit seiner Schülerin hatte ihn zu sehr aufgewühlt. Und das, obwohl die vier Clans geschworen hatten, nie wieder ein Wort darüber zu verlieren, auf das sich eine solche Situation nie wieder wiederholen würde. Eine Entscheidung, die Jagdkralle zutiefst missfiel. Er war der Meinung, man müsse über den Fall reden, darüber aufklären, und es nicht zu Tode schweigen.
Doch die Clananführer hatten den einfachsten Weg gewählt, bei dem sie sich nicht mit der unangenehmen Wahrheit auseinandersetzen mussten:
Sie hatten eine Katze aus ihren Reihen nicht vor dem sicheren Tod bewahren können. Jeder hatte gesehen, wie sich ihre Situation verschlechtert hatte, und doch drehte man sich von ihr fort, ignorierte ihre Hilferufe.
Und Jagdkralle alleine hatte sich mindestens genau so hilflos gefühlt, da er nichts unternehmen konnte, um zu helfen.
Wie oft hatte er zum SternenClan gebetet, der einzigen Katze, die er je mit vollem Herzen zu lieben gelernt hatte, zu helfen? Sie zu retten, sich nicht von ihr wegzudrehen, sie nicht aus der Gesellschaft zu stoßen? Nur, weil sie eine neuartige Krankheit hatte, mit der man sich nicht auseinandersetzen wollte. Vielleicht hätte man ihr helfen können, mit der Krankheit zu leben. Doch so wurde sie aus den sozialen Kreisen verstoßen, fühlte sich verraten und allein, sodass die Krankheit ein leichtes Spiel mit ihr hatte.
Auf der Lichtung begannen schon allmählich die Vögel an zu zwitschern, als Jagdkralle endlich in einen unruhigen Schlaf fiel.
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- 1400 Wörter
Hii^^
Wir kommen der Sache näher, nicht wahr...? Das Geheimnis um Federpfotes Vergangenheit und die Katze im Prolog wird langsam aber sicher gelüftet, alles kommt ans Tageslicht.
Haben die Detective Cats unter euch schon Theorien entwickelt, die ihr in den Kommis preisgeben könntet? ;D Würde mich freuen, es ist immer soo spannend und interessant, wie ihr die Hinweise für euch verbindet und dadurch eine Theorie bildet, hehe^^
Da in diesem Kapitel hauptsächlich schon bekannte Katzen vorkommen, konnte ich leider keine Katze des Kapitels heraussuchen. Dafür gibt es einen Cat-Fact, der wirklich krass ist!
Die älteste Katze wurde 38 Jahre alt. "Creme Puff" wurde am 3. August 1967 geboren und verstarb am 6. August 2005, genau nach 38 Jahren und drei Tagen. Mit dieser Leistung schaffte es "Creme Puff" in das Guinness-Buch der Rekorde.
ACHTUNDDREIßIG JAHRE! Eine normale Hauskatze wird zwischen 12 und 18 Jahren alt! :O Und by the way, echte Wildkatzen (wie unsere lieben Warrior Cats ;D) haben eine Lebenserwartung von maximal fünf Jahren... Autsch. Das ist kurz.
Umso beeindruckender sind die 38 Jahre der eleganten Lady namens "Creme Puff"! (Ich liebe diesen Namen einfach xDD)
Nun denn, möge der SternenClan euren Weg erleuchten, sodass ihr auch in das nächste Kapitel finden möget! ;D <3
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