𝐂̧𝐚𝐫 | 𝐄𝐡𝐞𝐬𝐜𝐡𝐥𝐢𝐞ß𝐮𝐧𝐠 𝐛𝐞𝐢 𝐝𝐞𝐧 𝐄̂𝐳𝐢̂𝐝𝐢̂𝐬
Kein religiöser Zwang
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In der yezidischen Gemeinschaft wird die Monogamie praktiziert. In bestimmten Fällen ist es einem Mann jedoch erlaubt, eine weitere Frau zu heiraten, etwa, wenn die erste Frau keine Kinder gebären kann (dies ist jedoch selten der Fall) Die Heirat nach Scheidung oder Tod des bisherigen Partners, ist beiden Geschlechtern erlaubt.
Eheschließungen waren früher in erster Linie dem starken Einfluss der Familie ausgesetzt, so gehören „arrangierte" Ehen mittlerweile zur Ausnahme. Es gibt in der yezidischen Religion keine Vorschrift, aus der sich herleiten ließe, dass die Eltern über die Ehepartner entscheiden.
Hinsichtlich des Heiratstermins sind Regeln zu beachten: Die Yeziden feiern ihre Hochzeit nicht im Monat April und nicht an einem Mittwoch. Denn an diesem Tag schickte Xwedê (Gott) seinen Engel Tausî Melek auf die Erde, um sie zu formen und bewohnbar zu machen.
Der April ist der Monat der Fruchtbarkeit. Die Welt erhebt sich aus dem Winterschlaf und der Frühling bringt seine schönste Pracht hervor. Im kurdischen Volksmund wird der April Bûka Sale, was auf Deutsch ⇨ die Braut des Jahres, bedeutet.
Nach yezidischer Vorstellung gebührt nur dem April die bei der Hochzeitsfeier, unmittelbar bevor die Braut das Haus des zukünftigen Ehemannes betritt, hält eine Verwandte des Bräutigams einen Brotlaib in einer Hand und eine Kelle in der anderen und tanzt vor dem Brautpaar.
Anschließend bricht die Braut dieses Brot und schließt damit einen Pakt mit der Familie ihres Ehemannes, sodass sie respektiert, beschützt und in deren Reihen aufgenommen wird.
Mit der Kelle hat es folgende Bewandtnis ⇨ Der große, meist aus Holz hergestellte Löffel mit langem Stiel dient zum Umrühren von Speisen in großen Behältern während des Kochens.
Das symbolisiert Reichtum und Glück in der Ehe.
Die Trauung soll ein Peşimam (Würdenträger) in der Weise vornehmen, dass er dreimal nach dem Einverständnis beider Partner zu fragen hat.
Ist kein Peşimam verfügbar, nimmt ein anderer Würdenträger, in der Regel der Şhêx der Familie, seinen Platz ein. Die Braut und der Bräutigam brechen gemeinsam ein Stück Brot und essen etwas hiervon. Damit wird die Eheschließung symbolisiert.
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Die Tradition der Mitgift
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Die Yeziden kennen wie viele andere Völker die Festlegung einer Mitgift vor der offiziellen Verlobung, die von der Familie des Bräutigams aufzubringen ist.
Die Regelung wird vom Ältesten der Gruppe bzw. einem männlichen Verwandten, Bekannten oder Geistlichen ausgehandelt, der vom Vater des Mädchens bevollmächtigt wird. Erwähnenswert ist sicher, dass alle zum Abend der Mitgiftregelung Eingeladenen ein Mitspracherecht haben.
Obwohl die Mitgift, auf Kurdisch „Qelen", symbolischen Charakter haben soll, waren Fälle nicht selten, bei denen vor Eheschließungen ein hoher Betrag verlangt wurde.
Diese Praxis erscheint den Yeziden als unwürdig, nicht vereinbar mit den Grundzügen der yezidischen Religion und nicht mehr zeitgemäß. Besonders hartnäckig hält sich dieser Brauch unter den Yeziden der alten Generation.
Viele von ihnen tun sich schwer mit dem Gedanken an moderne Veränderungen der alten Bräuche. Wie die „arrangierte Ehe", so gehört auch die Mitgift zu den Relikten überholter Traditionen.
Sie stößt aber inzwischen auch bei den Geistlichen auf Kritik, die aus dem Irak die Entwicklung der Gemeinschaft in Westeuropa beobachten.
Der Geistliche Rat befasste sich eingehend mit der Problematik. Angesichts der Verschiedenheit der einzelnen yezidischen Siedlungsgebiete beschloss er im Jahre 1968 eine regionale Trennung bei der Festlegung der Mitgift.
Für jedes Gebiet gab es eine andere Mitgiftzahlung.
Bei Verstoß gegen diese Regel sollte der Urheber gemäß dem Beschluss nicht mehr an religiöse Zeremonien teilnehmen dürfen.
Bis zum Jahre 1974 hat sich kein Yezide dem Beschluss widersetzt.
Mit zunehmendem Wohlstand einzelner Familien, unter anderem, durch die Arbeitsaufnahme in Städten, kam es jedoch zu Überschreitungen bei der Festlegung der Mitgift. Dies geschah zu einer Zeit, als der Mir (Prinz) das Exil im Ausland suchen musste.
Es gab vermehrte Fälle, in denen die Ehe aufgrund zu hoher Mitgiftforderungen nicht zustande kam. Lediglich die Studenten der Universitäten wehrten sich dagegen und sprachen sich in Lalish und während der Besuche um Brautgeld und lege die maximale Höhe der Mitgift auf einen symbolischen Betrag fest.
Die Beseitigung dieser mittlerweile selteneren Praxis ist eine vordringliche Aufgabe der Gesellschaft betrifft sie doch auch das Leben in der neuen Heimat.
Der Umgang mit diesem Thema ist wichtig für die Frage, ob es gelingt, dass Interesse der jungen Generation an der eigenen Identität und Herkunft zu stärken.
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Die Heiratsregeln
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Im Yezidentum wird Endogamie praktiziert. Diese Regel besagt, dass Yeziden innerhalb ihrer Gruppe ehelichen. Damit ist eine Ehe mit Andersgläubigen oder mit Partnern aus den anderen religiösen Schichten des Yezidentums ausgeschlossen.
Mit dieser Vorschrift versucht man, sich von anderen, stärkeren und einflussreicheren Religionen abzugrenzen, bei denen die Missionierung Andersgläubiger zu den Aufgaben der Mitglieder gehört.
Solch eine Offensivstrategie, wie sie bei Moslems und Christen zu finden ist, ist den Yeziden fremd. Man kann nur als Yeziden geboren werden.
Es besteht nicht die Möglichkeit, zum Yezidentum zu konvertieren. Daher können Yeziden auch nur andere Yeziden heiraten.
Diese Regel stellt eine historisch gewachsene Schutzfunktion gegen den andrängenden Islam dar. Zudem kann den Yeziden Missionierung und somit auch logischerweise religiöser Fanatismus nicht unterstellt werden.
Mischehen werden in der Regel abgelehnt und die entsprechenden Partner von der Gemeinschaft gemieden.
Andere Religionen wie das Judentum und der Islam haben eigene Bestimmungen und Präferenzen, um die Heirat innerhalb und außerhalb der Gemeinschaft zu regeln.
Auch sie bevorzugen die endogame Variante, um die Identifizierung mit der Gruppe und der Religion zu erhalten.
Neben dem Heiratsgebot gibt es spezielle Abgrenzungen innerhalb der Gemeinschaft. Ehen zwischen Angehörigen der geistlichen Familien und den Laien würden dem besonderen Verhältnis beider Gruppen zueinander widersprechen und sind daher ausgeschlossen.
Zudem gibt es bei den geistlichen Familien untereinander Einschränkungen. Diese Regeln, die vom Reformer Şhêx Adi eingeführt wurden, bergen einige Probleme vor allem bei den Şhêx-Familien.
[Einmal bitte eine Schweigeminute an mich, weil es gefühlt fast keine Şhêxs mehr aus meiner Untergruppe gibt...✌🏼]
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Zur Scheidung bei den Yeziden
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Eine yezidische Ehe wird auf Lebenszeit geschlossen. Eine Scheidung ist jedoch möglich ⇨ hier geht aber ein langer Vermittlungsprozess voraus. Verwandte, Freunde, renommierte Persönlichkeiten und besonders die Geistlichen versuchen, die Scheidung abzuwenden.
In der Regel sind diese Bemühungen auch erfolgreich, weil Bedingungen zur Verbesserung des Eheverhältnisses ausgehandelt werden können. Der Erhalt der Familieneinheit wird als die existenziell wichtige Aufgabe der Gemeinschaft gesehen.
Für die Scheidung müssen wichtige Gründe vorliegen. Diese sind in erster Linie Untreue, Gewalt oder Vernachlässigung der Ehepflichten.
Frauen und Männer können gleichberechtigt die Scheidung verlangen. Ein Würdenträger, meistens ein Peşimam, vermittelt zwischen den Konfliktparteien und versucht, für beide Seiten akzeptable Lösungen zu finden.
Die Scheidung wird symbolisch vollzogen. Im Rahmen einer Zeremonie erklären die Partner genseitig, dass sie sich von nun an als Geschwister betrachten. Dabei übergibt der Mann der Frau drei Steine. Beiden Partnern ist es freigestellt, eine neue Ehe einzugehen.
Das Sorgerecht für die Kinder wird von den Vermittlern ausgehandelt. Eine zwingende Regel, dass das Sorgerecht prinzipiell dem Mann zugesprochen wird, ist wegen der individuell unterschiedlichen Scheidungsgründe nicht festgelegt.
Unstrittig ist allerdings die folgende Regel ⇨ Wenn ein Ex-Ehepartner eine Beziehung mit einem Nicht-Yeziden eingeht, sind die Kinder in die Obhut des yezdischen Ex-Ehepartners zu geben.
Sollte der Ehepartner mit der Erziehung überfordert sein, wird er von seiner Familie und Gemeinschaft unterstützt. Der Erhalt der Kinder für die yezidische Gemeinde hat Vorrang.
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