Kapitel 67
Dracos POV
Es war ein stechender Schmerz in meiner Brust, der mich aufweckte. Langsam versuchte ich mich aufzurichten und merkte, dass ich mich nicht wie gewohnt in meinem Bett im Schlafsaal befand, sondern im Krankenflügel.
Als ich an mir herunter sah, fielen mir die feinen zierlichen Narben auf meiner Brust auf. Und plötzlich wusste ich wieder, warum ich hier im Krankenflügel lag.
Die Ereignisse des gestrigen Tages. Das Duell mit Potter auf dem Jungenklo. Und das ganze Blut, als Potters Fluch mich getroffen hat. Rosalie. Rosalie, die versucht hatte meine Wunden zu heilen und bei mir war.
All dies fühlte sich an, als wäre es vor Ewigkeiten geschehen. Nur die verbliebenen Narben erinnerten mich daran, dass dies wirklich geschehen war.
Es hätte nie so weit kommen müssen, wenn Potter mir nicht gefolgt wäre. Ich wollte alleine sein, nachdem ich Katie Bell gesehen habe. Die Angst, dass sie sich erinnern würde dass ich derjenige war der ihr die Halskette gegeben hat war zu groß um etwas zu riskieren.
Da ich wusste, dass alle beim Frühstück waren bin ich also zu den Toiletten gegangen, wo ich zunächst einmal unter Schock stand und am ganzen Körper zitterte. Es war die Maulende Myrte, die, wie so oft schon, zu mir kam und mich tröstete. Früher hätte ich es als lächerlich empfunden mit einem Geist seine Zeit zu verbringen, aber sie war die Einzige, mit der ich reden konnte. Was sollte sie denn auch schon tun? Immerhin war sie schon längst tot.
Dass Potter mich offensichtlich in einem meiner schwächsten Momente beobachtet hat war eine Sache, mit der ich nicht wirklich umzugehen wusste. Ich hätte ihm vielleicht nicht unbedingt diesen Cruciatus-Fluch aufhalsen müssen, aber da Potter sowieso schneller war als ich, spielte das auch keine wirkliche Rolle mehr.
Ob er für seinen Fluch bestraft wurde? Denn soweit ich mich erinnerte, war Snape derjenige der als erster nach Rosalie eingetroffen war. Oh Salazar, was wenn er meiner Mutter Bescheid gesagt hat? Immerhin war er derjenige, der mir seit Schuljahresbeginn stets auf den Fersen war.
Seufzend ließ ich meinen Kopf wieder in die Kissen sinken. Das ganze Denken bereitete mir nur Kopfschmerzen und die konnte ich nicht auch noch gebrauchen.
,,Ich sehe, du bist wach?", hörte ich die altbekannte Stimme von Madam Pomfrey, während diese munter auf mich zu kam. ,,Wie fühlen wir uns heute?"
,,Ganz in Ordnung, denke ich mal. Wie lange habe ich geschlafen?", antwortete ich und versteckte meinen linken Arm dabei so unauffällig wie möglich unter der Decke. Eine reine Vorsichtsmaßnahme, um nichts zu riskieren.
,,Sagen wir es so, der Beruhigungstrank hat für einen tiefen Schlaf gesorgt. Du sahst aus, als könntest du etwas Erholung gebrauchen, ich will nämlich nicht wissen wann das letzte Mal war, als du eine Nacht in Ruhe durchgeschlafen hast.", erklärte sie und stellte ein Tablet mit Essen neben mich auf den Nachttisch.
Sah ich wirklich so schlimm aus wie ich mich fühlte? Anscheinend schon, sonst hätte ich wahrscheinlich nicht einen kompletten Tag durchgeschlafen. Freiwillig hätte ich niemals so viel Zeit in Schlaf investiert, das würde nur unnötig Zeit wegnehmen.
,,Für deinen Arm.", sagte sie und legte ein Verbandspäckchen neben meinen Arm, den ich versucht hatte unter der Decke zu verstecken. Doch anscheinend war es umsonst, denn Madam Pomfrey schien sehr wohl eine Ahnung davon zu haben was sich auf meinem Arm befand.
,,Jetzt sieh mich nicht so an. Denkst du etwa mir fällt nicht auf, wenn ein Schüler bei mir nach Unmengen an Verbandsmaterial fragt?", erwiderte Madam Pomfrey, während ich sie weiterhin nur perplex anstarren konnte.
Es war seltsam, dass sie überhaupt nichts zu der Tatsache zu sagen hatte, dass ein Schüler hier mit einem dunkeln Mal durch das Schloss lief und ein Todesser war. Stattdessen schien es sie anscheinend mehr aufzuregen, dass Schüler sich an ihren Verbandsvorräten zu schaffen machten.
,,Keine Sorge, von mir erfährt niemand etwas.", sagte sie, als sie meinen besorgten Blick sah. ,,Allerdings mache ich mir Sorgen um dich, Draco. Mir sind die tiefen Einschnittwunden auf deinem Arm nicht entgangen und ich kann mir schon ungefähr vorstellen woher sie kommen."
Beschämt zog ich meinen Arm hervor und betrachtete den Verband um mein dunkles Mal, der sich inzwischen wieder mit Blut vollgesaugt hat.
Ich wusste selber nicht genau warum ich es getan habe. Es war eine Art Reflex, als ich eines Abends nicht mehr konnte, weil es mich von innen nach außen zerriss. Ich wollte den Schmerz nicht mehr spüren; wollte mir selbst weh tun für das was ich war.
Es hatte für einen kurzen Moment geholfen, bis sich die Nachwirkungen meiner Aktion zeigten. Denn was ich über das dunkle Mal nicht wusste war, dass der Dunkle Lord seine Anhänger anscheinend bestrafen wollte, indem sie ihr Mal auf keine Weise entfernen konnten; sei es nun mit oder ohne Magie.
Möglicherweise war es nicht immer so. Vielleicht gab es einige Todesser da draußen, die keine sein wollten und ebenso wie ich krampfhaft versucht haben ihr Mal zu entfernen.
Jedenfalls blutete mein dunkles Mal seit einer Woche ununterbrochen, weshalb ich es nicht länger verstecken konnte, vor allem nicht vor Theodore. Dieser war entsetzt, als er erfahren hat was ich versucht habe und ist zu Madam Pomfrey gegangen, um sie nach möglichst vielen Verbänden zu fragen, ohne dabei zu verraten wofür er diese brauchte.
Wahrscheinlich hätte Madam Pomfrey nie davon erfahren, wenn ich nicht zufällig eine Woche später hier im Krankenflügel liegen würde.
,,Dass es nicht gesund ist so etwas zu tun, muss ich dir wahrscheinlich nicht erklären. Was ich aber will ist, dass du mit jemandem darüber redest, denn auf mich machst du den Eindruck, als würdest du alle Gefühle unterdrücken, bis sie dich schließlich zu so einer Handlung anstiften.", sagte sie sanft und deutete auf meinen Arm.
Ich hatte mich noch nie so entblößt gefühlt wie in diesem Moment; als wäre ich ihr vollkommen ausgeliefert. Aber sie hatte recht. In einem Satz hat Madam Pomfrey gerade zusammengefasst was seit Monaten in meinem Kopf vor sich ging. Dennoch fühlte es sich unfassbar schwer an ihren Rat umzusetzen.
,,Ich gehe dann mal, es scheint mir so, als wolle jemand mit dir reden.", beendete sie ihren Gedanken, ehe sie sich abrupt umdrehte und in ihr Büro ging.
Verwirrt über ihren plötzlichen Abgang ließ ich mich zurück in mein Kissen sinken, bis ich sah, dass Rosalie den Krankenflügel betreten hatte. Sofort saß ich wieder Kerzen gerade und musterte sie.
Rosalie sah müde aus. Ihre Augen hatten ihr Leuchten verloren und erweckten den Eindruck, als hätte sie geweint. Aber warum hatte sie geweint? Wegen mir? Es müssten mittlerweile bestimmt Wochen vergangen sein, in denen Rosalie und ich jeglichen Kontakt zueinander gemieden habe. Warum sollte sie da also noch Gefühle für mich haben?
Trotzdem ist sie dir gestern zur Hilfe geeilt und war für dich da.
Es herrschte eine unangenehme Stille zwischen uns, während Rosalie sich auf dem Stuhl neben mir sinken ließ. Ich hielt es für angebrachter nichts zu sagen, bevor meine Worte möglicherweise einfach so aus mir heraus kamen und ich etwas falsches sagte. Schließlich sollte Rosalie nicht erfahren warum ich all diese schlimmen Dinge getan habe.
Noch war alles gut. Noch ahnte Rosalie nicht, was ihr gleich bevorstehen würde. Ich hatte alles geplant und durfte jetzt keinen Rückzieher machen.
,,Wie geht es dir?", durchbrach Rosalie irgendwann die Stille.
,,Ich lebe noch. Kann mich also nicht beklagen.", antwortete ich eine Spur abweisender als geplant.
,,Das – das freut mich wirklich. Ich bin froh, dass es dir besser geht. Gestern, nun ja, ich hatte echt Angst, dass – es schlimmer ausgehen würde.", sagte sie und anhand ihrer brüchigen Stimme konnte ich erkennen, wie schwer es ihr anscheinend gefallen war diese Worte laut auszusprechen.
Doch am schmerzhaftesten war die Tatsache, dass Rosalie sich ernsthafte Sorgen um mich gemacht hat. Das würde das was ich gleich tun musste nicht gerade erleichtern. Für keinen von uns.
,,Warum bist du wirklich hier, Rosalie?", fragte ich und schaltete somit wieder meinen 'Arschloch-Modus' an, wie Blaise diese Stimmung von mir so liebevoll benannt hat.
Rosalies Augen weiteten sich aufgrund meines plötzlichen Stimmungswandels. Kein Wunder, denn diese Seite von mir habe ich seit zwei Jahren gut behütet vor ihr versteckt. Sie sollte mich nicht mehr als das Arschloch von vor drei Jahren sehen. Doch nun tat ich das genaue Gegenteil.
,,Ich – Ich wollte mich entschuldigen.", gab sie schließlich zu und mein Herz verkrampfte sich. ,,Was gestern mit dir passiert ist hat mir die Augen geöffnet wie sehr du mir in den letzten Wochen gefehlt hast. Ich habe dich komplett allein gelassen, obwohl du mich wahrscheinlich noch nie so sehr an deiner Seite gebraucht hast, auch wenn du es jetzt vielleicht leugnest. Aber ich war geblendet. Geblendet von dem, was du vor mir geheim gehalten hast, obwohl du sicherlich deine Gründe hattest. Ich war egoistisch, Draco, und habe dabei vergessen wie es dir damit gehen muss. Aber jetzt soll es anders sein. Ich möchte verstehen, warum du ein – Todesser bist. Ich will für dich da sein, wie du es letztes Jahr für mich warst, als ich dich gebraucht habe."
Dass Rosalie es irgendwie immer schaffte meine eiserne Maske zu Fall zu bringen, war mir bereits in dem Moment bewusst geworden, in dem ich mich in sie verliebt habe. Aber ihre Worte hatten nun alles durcheinander gebracht. All die Emotionen. Traurigkeit, Sehnsucht und die aufrichtige Liebe.
Allerdings durfte ich jetzt nicht nachlassen. Meine Maske durfte dieses Mal nicht fallen, so sehr ich Rosalie auch gerade in den Arm nehmen und küssen wollte.
Es ging einfach nicht.
,,Es ist aus.", brachte ich die drei Worte über die Lippen, die mir seit Wochen durch den Kopf gingen und mir unzählige schlaflose Nächte bereitet hatten.
,,Das mit uns, es funktioniert einfach nicht mehr. Ich bin ein Todesser; ein Mörder, wie du unschwer erkannt hast. Wir stehen auf unterschiedlichen Seiten im Krieg, das kann nicht gut enden. Deshalb beende ich es jetzt; kurz und schmerzhaft, wie es für uns beide am besten ist."
,,Tu das nicht, Draco. Bitte.", sagte sie und ihre Augen füllten sich mit Tränen. ,,Stoß mich nicht von dir weg, nur weil du Angst hast vor dem was passieren könnte."
,,Ich habe keine Angst vor dem was passieren könnte. Mir ist einfach bewusst geworden, dass unsere Beziehung im Krieg nicht funktionieren kann. Sie wird nicht funktionieren.", antwortete ich und spielte mit dem Ring an meinem Finger.
Es war der Ring mit dem Familienwappen der Malfoys. Der einzige Ring, den ich noch an meiner Hand trug, da ich Rosalie meinen zweiten Ring zu Weihnachten geschenkt hatte. Ob sie die Kette, an die ich den Ring befestigt hatte noch trug? Falls ja, dann würde heute bestimmt der Tag sein, an dem der Ring seinen Weg ins loderne Feuer finden würde.
,,Sie kann funktionieren, wenn wir es beide wollen, Draco, und-", begann Rosalie mit gefasster Stimme, doch ich unterbrach sie.
,,Vielleicht möchte ich nicht, dass unsere Beziehung weiterhin funktioniert. Vielleicht habe ich die letzten Wochen genutzt, um mir über uns Gedanken zu machen."
,,Das würdest du nicht tun, Draco. Die Person die hier aus dir heraus spricht, das bist nicht du. Der Draco den ich kenne, der hätte niemals solche Sachen gesagt.", widersprach Rosalie mir und in dem Moment liebte und hasste ich ihre Sturheit zugleich, weil dies der Beweis war, dass sie es einfach nicht wahrhaben wollte und weiterhin an mir festhielt.
,,Du täuschst dich, denn ich bin durchaus in der Lage solche Sachen zu sagen. Ich bin kein guter Mensch und allein die Tatsache, dass ich nun der dunklen Seite angehöre, sollte dir bereits die Augen geöffnet haben warum wir keine gemeinsame Zukunft haben werden.", sagte ich und setzte mich ein Stück aufrechter hin, um die Ernsthaftigkeit meiner Worte zu untermalen.
Und ich hasste es. Ich hasste die Person die da gerade aus mir heraus brach. Ich hasste es Rosalie zu verletzen. Ich hasste alles an diesem Moment hier und wünschte es wäre nie nötig gewesen so weit gehen zu müssen.
,,Dann war es das also? Du willst diese Sache wirklich beenden, ohne nach anderen Möglichkeiten gesucht zu haben?", fragte Rosalie und erhob sich, was mir, obwohl es das nicht sollte, dennoch einen Stich versetzte.
,,Es gibt keine anderen Möglichkeiten. Aber ja. Ich möchte es hier und jetzt beenden.", erwiderte ich.
Sei kalt. Sei herzlos. Zeig ihr nicht wie du dich fühlst.
,,Dann habe ich dir nichts mehr zu sagen."
Und mit diesen Worten wandte Rosalie mir endgültig den Rücken zu und verließ den Krankenflügel.
Jetzt war es raus. Unsere Beziehung war beendet und ich hatte es überhaupt erst so weit kommen lassen. Ich hatte ihr wie das letzte Arschloch das ich war das Herz gebrochen und mich einen Dreck darum geschert.
Doch immerhin konnte ich sie nun in Sicherheit wissen. Nachdem ich Dumbledore umgebracht habe, wird Voldemort Rosalie nicht finden wollen wenn er weiß, dass sie mir nichts bedeutet.
Ich musste meine Okklumentik nur weiter ausbauen um zu verhindern, dass er oder irgendjemand anderes wusste wie ich für sich fühlte.
So schön Liebe auch war, sie konnte einem das Herz auf die brutalste Art und Weise herausreißen und es anschließend zu kleinen Kristallen zerspringen lassen.
Und dieser Herzschmerz war mein Startsignal, dass es nun losgehen musste.
Dumbledore würde demnächst durch meine Hand sterben.
Es gab kein Entkommen mehr, denn die Uhr tickte bereits schon seit viel zu langer Zeit unaufhörlich.
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