~ 8 ~
Glimmer.
Sie lehnt sich mit verschränkten Armen vor der Brust, lässig an den Bettpfosten und fixiert mich mit ihren Augen.
»Was willst du?«, frage ich schroff.
»Ich habe das Gefühl, das wir zwei einmal reden sollten. So, von Frau zu Frau«, sagt sie. Ihre Stimme bleibt zwar ruhig, aber ich sehe das Funkeln in ihren Augen.
»Über Cato?«, frage ich und trete näher an sie heran.
»Du hast es erfasst. Mir geht es vor allem darum, dass du dir Cato abschminken kannst. Wir haben da nämlich so einen gewissen Deal mit Brutus und Cashmere.«
Einen Deal? Mit Brutus und Cashmere?
»Cashmere ist meine Mentorin. Falls du das nicht weißt«, meint Glimmer.
Natürlich weiß ich wer Cashmere ist. Sie ist die Siegerin aus Distrikt 1, der 64. Hungerspiele und sehr wahrscheinlich Mentorin von Glimmer und Marvel.
»Was für ein Deal?«, frage ich.
»Ein Deal um Sponsoren zu holen«, spannt Glimmer mich weiter auf die Folter.
»Komm zum Punkt!«, sage ich ungeduldig.
Glimmer lächelt. »Cato und ich tun so, als ob wir ein Paar wären. Das wird genug Sponsoren einbringen. Und Cato kann nichts dagegen unternehmen.«
Jetzt ist es raus. Ich weiß nicht, was ich sagen oder denken soll. Sie haben also einen Deal geschlossen.
Glimmer und Cato.
Als ob sie damit Sponsoren gewinnen können.
Wieso Glimmer und nicht ich?
Da ist wieder diese kleine Stimme. Wieso haben sie Glimmer genommen? Es wäre doch viel nachvollziehbarer gewesen, wenn sie es mit mir gemacht hätten. Schliesslich sind wir aus demselben Distrikt. Damit wäre die Wahrscheinlichkeit viel grösser gewesen, dass wir uns schon vorher gekannt hätten.
Glimmer spricht genau das aus, was ich denke. »Du fragst dich sicher, weshalb sie nicht dich genommen haben. Nicht wahr? Nun, ich denke unsere Mentoren waren im Klaren, dass sie jemanden hübschen brauchen. Der .. ja, der Schutz benötigt. Tja, und leider trifft beides nicht auf dich zu, Clove.«
Es juckt mich stark, Glimmer jetzt an die Gurgel zu gehen. Aber in der Arena werde dafür ich genug Zeit haben.
In meinen Gedanken werfe ich Glimmer alle mögliche schlimmen Beschimpfungen zu. Trotzdem sage ich nur: »Schön für dich Glimmer. Aber ich glaube nicht, dass es in der Arena irgendjemanden interessieren wird, ob ihr jetzt ein Liebespaar seid oder nicht.«
»Wir werden ja sehen«, sagt Glimmer kalt und rauscht an mir vorbei, aus dem Raum. Erst als ich höre, wie sich ihre Schritte entfernen, wage ich mich zu bewegen.
Wut füllt mich. Ich weiß nicht recht, was ich tun soll. Jetzt zu Cato und unseren Mentoren wäre zu schmerzhaft. Zumindest jetzt, wo ich von Catos kleinem Deal weiß. Ob Enobaria auch eingeweiht ist? Ich habe keine Ahnung.
Ich schnappe mir ein Kissen und schlage wie verrückt darauf ein. Es regt mich auf, dass ich jetzt erst verstehe, was hier gespielt wird. Wenn ich zurückdenke, wird mir einiges klar. Catos schlechte Beziehung zu Brutus. Seine schlechte Laune die ganze Zeit über. Ich glaube, er will das Ganze gar nicht.
Aber er muss.
Am liebsten würde ich jetzt gleich mit jemandem darüber sprechen. Aber mit wem, könnte ich das schon? Die einzige, mit der ich das bereden würde, wäre Marina. Allerdings werde ich jetzt sicherlich nicht zum Distrikt 4 Stockwerk gehen.
Seufzend stelle ich mich unter die Dusch.
Die Stunden bis zum Abendessen ziehen sich ewig lange hin. Als Emanda anklopft, springe ich sofort auf und folge ihr ins Speisezimmer.
Dort werde ich einmal mehr von Brutus angeschnauzt. »Wo warst du die ganze Zeit?«
Ich habe das Gefühl, dass er mich nicht so mag.
»In meinem Zimmer. Ich musste noch etwas erledigen«, sage ich so ruhig wie möglich.
Brutus grummelt noch irgendetwas unverständliches. Zum Glück ist das Thema damit auch vom Tisch.
Cato wirft mir immer wieder verstohlene Blicke zu und ich erwidere sie. Jetzt da ich weiß, dass es nicht an ihm liegt, muss ich ihn ja nicht mehr unbedingt ignorieren.
Nach dem Essen, wechseln wir in den angrenzenden Raum um uns die Bewertungen anzusehen. Glimmer und Marvel haben wie erwartet eine hohe Punktzahl, von einer Neun. Cato hat zehn Punkte. Es ist eine starke Leistung, aber von seinem Gesichtsausdruck her sehe ich, das er besseres erwartet hatte.
Nun komme ich. Sie blenden ein schlichtes Porträt meiner selbst ein. Danach erscheint die Nummer darunter. Es ist eine 10.
Zufrieden lehne ich mich tiefer ins Plüsch, des Sofas. Da, ich habe es ihnen gezeigt. Gleich gut bewertet, wie Cato.
Enobaria gratuliert mir zu dieser Leistung, aber Brutus und Cato starren stur auf den Bildschirm, wo die aus 3 benotet werden. Dies lässt mich ein wenig schmallippig werden. Aber was hatte ich schon erwartet?
Das Cato mich drückt und in den Arm nimmt? Das Brutus mir erfreut gratuliert? Nein, ganz bestimmt nicht.
Zumindest habe ich Enobaria stolz gemacht und dass ist das einzige, was zählt. Sie ist schlussendlich meine Mentorin, nicht Brutus.
Ich richte meinem Bild wieder auf den Bildschirm. Marina wird gezeigt. Unter ihr erscheint die Zahl acht. Das freut mich sehr für sie. Schliesslich ist eine acht, eine sehr gute Bewertung. Es geht weiter, mit denen aus Distrikt 5. Das Fuchsgesichtige Mädchen, das mir schon bei der Ernte aufgefallen ist, hat eine läppische fünf geholt.
Langsam löst sich die schlechte Stimmung und Cato beginnt mit Brutus Wetten darüber abzuschliessen, wie schlecht die anderen Tribute wohl waren. Als die Tribute aus Distrikt 11 kommen, meint er mit einem fiesen Grinsen, dass die Kleine aus 11 sicher nicht mehr, als eine vier geholt haben wird.
Doch da irrt er sich mächtig. Während der Junge eine zehn bekommt, benoten sie das Mädchen mit einer sieben.
Irgendwie muss ich schon sagen, Hut ab vor der kleinen Rue. Mit zwölf Jahren ist es aussergewöhnlich schwer, an eine so gute Punktzahl zu kommen. Ich frage mich, wie sie das wohl geschafft hat.
Jetzt kommen Katniss und ihr Distriktpartner. Cato fixiert den Bildschirm mit seinen Augen und ich folge seinem Beispiel. Wie viel die beiden wirklich draufhaben, werden wir gleich erfahren. Naja, es sei denn, sie verheimlichen ihre Talente. Könnte ja auch sein.
Der Junge bekommt eine acht. Ganz gut. Mit seiner Statur, wird er sicher den ein oder anderen begeistert haben können.
Nun wird Katniss eingeblendet. Die Zahl die darunter erscheint, ist eine 11.
»Was?!«, brüllt Cato und springt auf.
»Wie hat sie das wohl geschafft?«, fragt Brutus fassungslos.
Cato schlägt vor Wut eine hübsche Vase vom Salontisch. Die Tulpen, die drin waren, lassen ihre Köpfchen hängen und fallen auf die Wasserlache, die sich am Boden ergossen hat. Die Scherben liegen im ganzen Zimmer herum, so stark hat Cato sie heruntergestossen.
Natürlich. Cato ist wieder wütend. Katniss hat ihn einmal mehr überboten. Neben der Ernte und der Parade, hat sie nun auch noch eine bessere Bewertung bekommen, als er.
»Dieses kleine Miststück!«, schimpft Cato aufgebracht und rauscht tobend aus dem Raum. Irgendwo klirrt es erneut. Keine Frage, wer das war. Jetzt bleibt nur noch die Frage offen, was es war.
Ein Avox eilt herbei und putzt die Sauerei auf. Ein anderer bringt die Scherben weg.
Ich sehe keinen Grund mehr, weiter mit Enobaria und Brutus hierzusitzen und verabschiede mich von ihnen. Dann gehe ich den Gang entlang, in mein Zimmer.
Im Bett bleibe ich noch lange wach und denke über die Geschehnisse des Tages nach. Wie ich am Morgen den Sonnenaufgang miterlebt habe, wie ich mich vor den Spielemachern präsentiert habe, wie Glimmer mir von dem Deal erzählt hat und wie Cato einmal mehr einen Wutausbruch hatte.
Meine Eltern haben die Bewertungen sicher auch gesehen. Ob sie stolz auf mich waren? Bestimmt, eine zehn ist selbst für einen Karrieo eine sehr hohe Bewertung. Vielleicht konnte ich Lewis ja erneut Hoffnung schenken. Eine zehn, sagt vieles aus.
Ja, Lewis. Mein kleiner Bruder. Plötzlich erinnere ich mich an seine Kette, die er mir geschenkt hat. Die, die er mir bei der Verabschiedung in die Hand gedrückt hat. Die einzige Erinnerung, die ich von ihm habe. Und ich Idiot habe sie im Zug gelassen.
Ich bin noch lange wach, doch als ich endlich einschlafe, werde ich nicht wie gestern in einen furchtbaren Traum gehüllt, sondern ins direkte Gegenteil. Heute sehe ich Bilder aus der Vergangenheit, meiner Familie, meinen wenigen Freunden und den schönsten Momenten. Ja, manchmal ist schlafen einfach nur schön. In eine Welt voller Erinnerungen und Träume abzutauchen und die Sorgen des Lebens zu vergessen.
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