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Trotz Emandas unendlichen Bemühungen ist die Stimmung beim Abendessen schlecht.
Cato lässt seine Wut an seinem Spinat aus, während ich lustlos auf dem Teller herumstochere. Noch immer bin ich in Gedanken bei Glimmer. Das Feuermädchen kann mir gestohlen bleiben, spätestens bei den Trainingswertungen werden die sehen, dass sie ohne ihren Stylisten nichts drauf hat.
Glimmer dagegen lässt mich nicht mehr los. Wenn ich die Augen schließe, sehe ich ihre smaragdgrünen Augen, die mich hochnäsig mustern. Ich hasse sie wirklich.
„Entschuldigt mich bitte", sagt Cato und reißt mich damit aus meinen Gedanken. „Ich bin äußerst müde und der morgige Tag wird lang."
„Na dann. Schlaf gut, Junge", sagt Brutus und klopft ihm auf den Rücken. „Und lass nicht zu, dass das Mädchen aus 12 dich lange wach hält. Spätestens während den Trainings werden die anderen Tribute merken, dass man mehr beherrschen muss, als den Anweisungen des Stylisten befolgen, wenn man die Hungerspiele gewinnen will."
Cato nickt, auch wenn es sehr gezwungen wirkt.
Kurz bevor er das Zimmer verlässt, sieht er mich an. „Gute Nacht, Clove", sagt er. Ich merke, wie ich wieder erröte. Schnell wende ich mich von ihm ab und nicke.
„Danke. Dir auch" Die Worte klingen etwas hervorgepresst, doch immerhin habe ich es fertig gebracht, ihm eine richtige Antwort zu geben. Ich höre, wie sich Schritte entfernen und eine Tür geöffnet und geschloßen wird.
Was war das denn jetzt?
Noch immer betrachte ich meine Finger, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Großer Gott, er hat dir lediglich eine gute Nacht gewünscht, mehr nicht, denke ich.
Brutus verläßt das Speisezimmer ebenso. Jetzt bin ich alleine mit Emanda und Theadora.
„Emanda, meine Liebe. Würdest du so freundlich sein, Clove und mich einen Moment allein zu lassen?", fragt Theadora mit zuckersüßer Stimme. Emanda blickt ein paar Mal von Thea zu mir, ehe sie aufsteht und geht.
„Sehr schön, dann können wir ja jetzt ungestört reden", sagt Theadora zu mir.
Was will sie jetzt schon wieder?
„Cato scheint mir ziemlich aufbrausend", beginnt sie, ohne eine Antwort von mir zu erwarten. „Kennst du ihn gut?"
„Nicht wirklich. In der Schule ging er in meine Parallelklasse und im Training haben wir uns ab und zu gesehen."
„Fürchtest du ihn?"
Meine Augen verengen sich. Worauf will diese Frau nur wieder hinaus? Doch ihr Gesicht ist verschloßen, sie blickt mich mit allem Ernst der Welt an.
„Nein", sage ich vorsichtig.
„Lüg nicht, das hast du versprochen!" Der barsche Unterton in ihrer Stimme lässt mich zusammenfahren.
„Ich... äh..."
„Raus damit, ich muss es wissen. Hast du etwa schon vergessen, was ich dir gestern gesagt habe? Du brauchst mich, und zwar zwingend. Also sei ein braves Mädchen und sag mir die Wahrheit."
Am liebsten würde ich aufstehen und verschwinden, doch das würde Thea nur noch wütender machen.
„Vielleicht. Ein Bisschen", gebe ich zu.
„Na also, geht doch", sagt Theadora mit einem triumphalen Lächeln. „Das ist gut, sehr gut sogar."
„Gut?" Ich bin verwirrt.
„Nun, wenn selbst du ihn ein kleines Bisschen fürchtest, was soll dann der ganze Rest von ihm denken?", klärt mich Thea auf und nimmt sich eine grüne Traube aus der Obstschale.
Tatsächlich... ergibt das irgendwo Sinn.
„Das stimmt, du hast recht", sage ich.
Meine Mentorin schiebt sich die Traube in den Mund und grinst. „Selbstverständlich habe ich recht, was hast du erwartet? Sprechen wir also darüber, wie du diese Tatsache zu deinem Vorteil nutzen kannst."
„Wie, zu meinem Vorteil?" Ich bin erneut verwirrt.
Theadora seufzt. „Meine Güte bist du schwer von Begriff. Wirf dich Cato an den Hals, mach ihm schöne Augen, hübsch genug bist du. Sieh zu, dass er dumm genug ist, sich in dein Äußeres zu verlieben. Männer tun törichte Dinge, wenn sie verliebt sind. Die Wahrscheinlichkeit, dass man dich in der Arena angreift, verringert sich massiv, wenn er an deiner Seite steht. Desweiteren schaffst du dir einen gefährlichen Gegner aus dem Weg."
Ich brauche einen Moment, bis ich ihre Worte richtig realisiere.
„Das ist abstoßend", sage ich schrill und stehe so abrupt auf, dass mein Stuhl umkippt.
„Willst du damit etwa sagen, dass du mir nicht zutraust, diese Spiele alleine zu gewinnen?" Ich merke, wie Tränen in mir aufsteigen. Lange habe ich mich nicht mehr so betrogen gefühlt.
„Das werde ich sicherlich nicht tun, das ist ekelhaft und fremdschämend zugleich. Ich brauche niemanden, der mich beschützt, ich kann das auch selbst", sage ich wütend.
„Wenn du meinst", sagt Thea gelassen. „Aber wenn du es nicht tust, oh ja, meine Teure, dann garantiere ich, dass sie es tun wird."
Mir ist sofort klar, wer damit gemeint ist. Glimmer.
„Woher weißt du das?", will ich wissen.
Theadora steht auf. „Oh, ich weiß vieles. Ich weiß vermutlich mehr, als dir lieb ist."
Sie rauscht an mir vorbei und verlässt den Raum. Jetzt stehe ich alleine da.
Irgendwann halte ich es nicht mehr aus und gehe aus dem Speiseraum in den Gang hinaus.
Kurz bevor ich mein Zimmer erreichen kann, höre ich das glockenhelle Lachen einer jungen Frau und die tiefe Stimme von... Cato.
Bevor ich die Türe öffnen und verschwinden kann, biegt mein Distriktpartner in Begleitung der bildschönen Glimmer um die Ecke. Oh nein.
Wenn du es nicht tust, oh ja, meine Teure, dann garantiere ich, dass sie es tun wird.
Verdammt, wieso hat diese Frau nur immer recht? Ich will nicht wahrhaben, dass Glimmer sich Cato tatsächlich an den Hals geworfen hat, nach nicht einmal drei Tagen im Kapitol. Darauf muss ich erst einmal klar kommen.
Als mich Glimmer erblickt, erstirbt ihr Lachen und verwandelt sich in ein spöttisches Grinsen. Sie streicht sich eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht und winkt lieblich.
„Na, was für eine nette Überraschung. Leider hast du unser kleines Treffen hier versäumt, augenscheinlich wollte dich deine Mentorin noch in die Mangel nehmen, was?", sagt sie ausgelaßen und steuert den Fahrstuhl an.
Ich bekomme kaum mehr mit, wie die Türen des Fahrstuhles zuschnappen, da reiße ich die Tür zu meinem Zimmer auf und entschwinde in seinem Inneren. Cato ruft mir etwas hinterher, doch ich achte mich nicht darauf.
Wollte er nicht eigentlich früh zu Bett gehen, da er ja so müde ist?
Naja, das ist mir eigentlich egal, doch Glimmers Kommentar über Thea lässt mich wütend auf mein Kissen einschlagen. In die Mangel nehmen. Was für ein Schwachsinn.
Schwachsinn. Ja. Das ist das richtige Wort, auch für Theas Plan, Cato zu verführen.
Traut mir denn wirklich niemand zu, dass ich diese Spiele alleine gewinnen könnte? Mag ja sein, dass ich klein und schmal bin, verglichen mit anderen Mädchen aus meinem Distrikt, doch damit stehe ich ja wohl nicht zwingend im Nachteil. Ich lasse vom Kissen ab, das von den vielen Schlägen mittlerweile halbwegs zerschlissen ist und ziehe mich um.
Es ist bereits dunkel draußen, als ich mich mit meinem kuscheligen Pyjama auf mein Bett lege und die Decke anstarre.
Mein Zorn verraucht langsam.
Sie wird es noch bereuen. Glimmer wird noch bereuen, mich derart verhöhnen zu haben.
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