~ 21 ~
Die Erde beginnt zu zittern. Mehrmals nacheinander knallt es heftig. Die Töne kommen vom Füllhorn her.
Schockiert blickt Cato von mir, in die Richtung, in der das Füllhorn liegt.
Und dann rennen wir. Alle vier. Ich springe über Wurzeln und Baumstämme, schlage Sträucher und Büsche aus dem Weg. Allein die Tatsache, noch rechtzeitig zu kommen, ist wichtig. Ich hoffe nur, dass unsere Vorräte nicht vollkommen zerstört sind, wenn wir ankommen.
Nach einer ziemlichen Strecke lichtet sich der Wald endlich und wir kommen zum Füllhorn.
Cato ist der Erste, der aus dem Wald kommt und zum See und unseren Vorräten gelangt. Ich höre ein wütendes Brüllen, noch bevor ich sehen kann, was geschehen ist. Doch als ich es schliesslich erblicke, wünschte ich, ich hätte es nicht gesehen.
Unsere Vorräte liegen in einem Berg voll Schutt und Asche. Zerstört. In die Luft gejagt. Verloren.
Die Minen wurden so ausgelöst, dass auch alle Vorräte gesprengt wurden. Einen kurzen Moment über, habe ich die Hoffnung, dass zumindest ein kleiner Teil verschont blieb. Aber je näher ich dem Szenario komme, desto kleiner wird der Hoffnungsschimmer.
Ich komme etwas hinter Cato zum stehen und betrachte das Feld vor mir. Hier hatte es jemand gezielt auf unsere Vorräte abgesehen.
Ian hat uns beim eingraben erklärt, dass die Minen sich nicht gegenseitig auslösen können. Wenn also jemand auf eine der Minen tritt, wird nur der Dieb in die Luft gejagt, die Vorräte bleiben jedoch unversehrt.
Cato hat den grössten Wutausbruch, den ich jemals erlebt habe. Er ist so dermassen ausser sich, dass er sich die Haare ausreißt und mit den Fäusten auf dem Boden hämmert. Wenn ich nicht wüsste, dass sein Zorn den Vorräten gilt, die komplett zerstört wurden, dann fände ich es ganz witzig.
Wir gehen zur Pyramide. Anscheinend hat Cato die erste Phase seines Wutausbruches hinter sich. Nun stösst er gegen mehrerer Behälter. Marvel und ich stochern etwas in der Asche herum, vielleicht ist noch etwas auffindbar. Tatsächlich grabe ich in dem ganzen Chaos noch ein ganz kleines Messer, das in eine Handfläche passen würde, aus. Es wird mir nicht gross helfen können, aber trotzdem stecke ich es ein.
Ian hat seine Aufgabe zu gut gemacht. Er wirft ein paar Steine in die Minen und erklärt uns dann, dass alle Minen ausgelöst wurden.
»Wie konnte das passieren?«, brüllt Cato Ian an. Das war's mit Ian. Er hat uns zu gut geholfen. Cato wird ihn töten. Dieser Gedanke scheint auch Ian zu kommen, denn nun will er davonlaufen. Doch Cato hat ihn schnell im Schwitzkasten. Mit einem Ruck dreht er seinen Kopf zur Seite.
So schnell geht das. Ian ist tot. Zur Bestätigung wird die Kanone abgefeuert.
»Cato beruhig dich. Überleg doch mal, spätestens heute Abend werden wir wissen, wer der Bomber ist«, sagt Marvel und deutet gegen den Himmel.
»Der Kanonenschlag wäre im Lärm der Explosion leicht untergegangen und die Leichenteile abgeholt, bevor wir ankamen«, pflichte ich Marvel bei. Obwohl ich nur schwer glaube, dass der Bomber tatsächlich tot ist.
Wir ziehen uns zum See zurück, damit sie die Leiche von Ian abholen können. Niemand spricht, alle müssen verarbeiten, was geschehen ist.
Ich kann es kaum glauben, unsere Vorräte sind weg. Das einzige was ich jetzt noch habe ist der Rucksack auf meinem Rücken und die vier Messer zum werfen.
Es fällt mir schwer zu glauben, dass heute drei Tribute gestorben sind. Das Feuer, es war eine Falle, zu hundert Prozent. Der Bomber kann allerdings nicht an zwei Orten gleichzeitig sein. Einer musste das Feuer anzünden und ein anderer, die Vorräte in die Luft jagen. Neben uns gibt es, soweit ich weiß, nur noch ein weiteres Bündnis.
Katniss und Rue. Ich muss nur eins und eins zusammenzählen, dann wird mir klar, dass eine der beiden es war. Mit Pfeil und Bogen hat sich Katniss die perfekte Waffe geholt.
Katniss konnte aus der Entfernung die Minen auslösen, ohne dabei selbst gross verletzt zu werden. Und Rue hat das Feuer angezündet, um ihr genug Zeit zu verschaffen.
»Katniss«, flüstere ich leise. Trotzdem hört es Cato. »Was ist mit ihr?«
»Sie und Rue. Rue hat das Feuer entfacht, um uns in den Wald zu locken und Katniss Rückendeckung zu geben. Mit Pfeil und Bogen konnte Katniss unsere Vorräte einfach in die Luft sprengen«, antworte ich ihm gedämpft.
Cato mustert mich beeindruckt. »Du hast recht, es war der perfekte Plan. Und wir sind darauf reingefallen«, sagt er wütend.
»Wir sind wo reingefallen?«, fragt Marvel misstrauisch.
Die Hymne sorgt dafür, dass wir Marvel nicht antworten müssen. Stattdessen richten wir unsere Blicke alle auf das Wappen, das am Nachthimmel erscheint. Doch die Gefallenen bestätigen nur, was ich ohnehin schon vermutet habe. Der Bomber, oder besser gesagt, Katniss, hat überlebt.
»Suchen wir sie«, meint Cato und kramt in seinem Rucksack nach etwas. Als er fündig wird, zieht er den Gegenstand aus seinem Rucksack. Eine Nachtsichtbrille. Ich mache es ihm gleich und werde ebenfalls fündig.
Marvel entzündet eine Fackel und wir brechen auf. In den Wald, um zu jagen.
Meine Wut auf Katniss hat sich noch mehr vergrössert. Dank ihr, habe ich nicht nur eine Freundin, sondern auch gleich alle Vorräte verloren. Das wir sie mir büssen. Wenn ich sie finde, werde ich sie töten. Langsam und qualvoll. Die Zuschauer sollen ruhig sehen, wie blutrünstig ich sein kann. Und was die kleine Rue betrifft, wie ich mich vor der Arena noch gefragt habe, ob ich sie töten könnte, hat sich meine Einstellung vollkommen geändert. Jetzt würde ich es tun. Ohne mit der Wimper zu zucken.
Wir sind fast die ganze Nacht unterwegs. Trotzdem Fehlanzeige. Weder Rue, noch Katniss lassen sich blicken. Wahrscheinlich auch besser für sie. Cato fände es bestimmt furchtbar amüsant, wenn einer von ihnen uns jetzt über den Weg laufen würde.
Wer lebt überhaupt noch? Fuchsmädchen, aus Distrikt 5. Sie versteckt sich gut. Aber mit der Zerstörung unserer Vorräte hat sie vermutlich auch eine gewisse Nahrungsquelle verloren. Sie war bestimmt öfter bei unseren Vorräten, als dieses eine Mal, als wir sie erwischt haben.
Thresh und Rue aus Distrikt 11. Katniss und Peeta aus Distrikt 12. Mit Marvel, Cato und mir sind es noch acht. Acht. Noch acht Tribute im Rennen.
Als wir zum Füllhorn kommen, ist die Sonne bereits fast wieder aufgegangen.
Wir suchen uns die noch verbliebenen Vorräte zusammen. Unser Unterschlupf hat den Angriff überlebt. Zum Glück hatten wir darunter mehrere Rucksäcke und die restlichen Waffen deponiert.
Cato und Marvel legen sich etwas hin, um gut ausgeruht zu sein. Trotz der Müdigkeit weiß ich, dass ich niemals schlafen könnte. Ich brauche etwas zu tun. Etwas, um mich abzulenken.
Schliesslich beschäftige ich mich damit, die noch verbliebenen Vorräte zu sortieren und in drei grosse Rucksäcke, gleichmässig einzupacken. Ich fülle meinen Messer Vorrat auf, sodass ich wieder im Gebrauch von sechs Messern bin.
Plötzlich höre ich ein Geräusch. Wie wenn jemand leise aufstehen würde.
In Zeitlupe drehe ich mich um. Was ich nun sehe, lässt meinen Atem stocken. Es ist wie in meinem Traum. Nur, dass Cato schläft.
Marvel will seine Drohung erfüllen.
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