~ 18 ~
So weit kann ich auch nicht vom Füllhorn entfernt sein. Schliesslich bin ich vom See sicher nicht sehr weit gekommen. Das würde dann bedeuten, dass das Füllhorn in der Nähe liegt. Leise gehe ich geradewegs durch den Wald. Mit einer Hand suche ich meine Messer. Ich finde nur eines. Mist. Die anderen liegen noch unter dem Baum. Vielleicht sollte ich noch einen kleinen Umweg machen. Aber nein, beim Füllhorn habe ich noch genug Messer.
Etwa zehn Minuten bin ich bereits gelaufen, da lassen mich zwei Stimmen aufhorchen.
Vorsichtig schleiche ich in die Richtung der Stimmen. Sie sind nicht sehr laut, trotzdem kann ich sie gut hören.
Mit meinem Messer bewaffnet, gehe ich hinter einem großen Baum in Deckung und luge hinter ihm hervor. Nun sehe ich sie. Gut geschützt in einer kleinen Mulde und jeder Menge Büsche und Bäume.
Katniss und Rue.
Ich hatte also Recht. Katniss lebt noch und Glimmer ist tot.
Die beiden sitzen auf einem Baumstamm und unterhalten sich gedämpft. Doch das, was Katniss zu Füssen liegt, macht mir am meisten Sorgen. Der Bogen. Glimmers Bogen.
Na toll.
Allerdings wird mir nun einiges klar, Katniss ist Schützin, sie ist Jägerin. Mit ihren Bogenkünsten wird sie auch an die Elf im Training gekommen sein. Die Fallen die Peeta erkannt hat, natürlich. Wieso bin ich da nicht schon früher draufgekommen? Ich bin so dämlich.
Ich beschliesse nicht anzugreifen. Zum einen sind sie zu zweit und Katniss kann mit Pfeil und Bogen umgehen. Da bin ziemlich schnell tot, wenn ich nicht aufpasse. Gerade will ich mich wieder davonmachen, als Katniss Rue etwas lauter fragt: »Wie viele Tage sind vergangen?«
»Zwei. Die Mädchen aus 1 und 4 sind währenddessen gestorben«, antwortet Rue ihr.
Wie Rue Marina nennt, macht mich wütend. Katniss wird schon sehen, was sie davon hat. Ich werde sie töten. Ein für alle mal.
Aber nicht jetzt. Das wäre viel zu riskant. Ich könnte dabei selber sterben.
Einen Moment bin ich unvorsichtig und trete auf einen trockenen Ast. Er gibt ein lautes Knacken von sich, als er in zwei Teile bricht. Hoffentlich haben sie das nicht gehört. Rue und Katniss verstummen abrupt. Ich beginne zu rennen. Bloss weg hier. Anscheinend geht es Katniss viel besser als mir. Noch als mir dieser Gedanke durch den Kopf geht, bleibe ich stehen. Warte mal, Katniss wurde doch sicher auch gestochen. Anders hätte sie das Nest niemals auf uns fallen lassen können. Aber es geht ihr wieder gut, viel zu gut.
Es muss hier also irgendwas geben, was die Stiche heilen kann.
Ich sinke wieder auf die Knien. Allein diese kurze Strecke zu Rennen, hat mir viel zu viel Energie gekostet. Ich schaff es nicht weiter. Das Gift der Jägerwespenstiche in meinem Körper, ist einfach zu stark verbreitet.
Plötzlich höre ich ein leises Geräusch, wie wenn etwas auf den Boden plumpsen würde. Matt wende ich den Kopf und meine Miene hellt sich schlagartig auf. Ein silberner Fallschirm mit einem Sponsorengeschenk daran. Mit zitternden Händen wickle ich das Sponsorengeschenk auf. Es ist ein Kraut. Als ich daran rieche, schmecke ich gar nichts.
Du schaffst das Clove! Das Füllhorn liegt ganz in der Nähe.
PS: Du musst das Kraut kauen und dann auf die Stiche legen.
~ Enobaria
Ich lege das Messer beiseite und nehme eines der Blätter. Dann stopfe ich es mir in den Mund und kaue darauf herum. Es kommt mir etwas komisch vor, aber wenn es wirklich gegen die Stiche hilft.
Das tut es auch. Denn als ich es drauflege entfährt mir ein leises seufzen. Das tut so gut. Diese Blätter haben Heilkräfte. Es ist, wie wenn mir jemand den Schmerz aus den Stichen ziehen würde.
Ich wiederhole das ganze bei den anderen sechs Stichen und fühle mich danach gleich viel erholter und gestärkter. Die Landschaft wird wieder scharf. Jetzt werde ich das Füllhorn suchen gehen.
Die restlichen Blätter und den Zettel verstaue ich an meinem Gürtel. Dann stehe ich auf, nehme das Messer und mache mich auf den Weg.
Enobaria hatte recht, nur wenig später schiebe ich die letzten Sträucher beiseite und kann in der Ferne das Füllhorn glitzern sehen.
Das letzte Stück zum See renne ich. Schon von weitem sehe ich Cato, Marvel und Ian. Alle drei sitzen niedergeschlagen auf Boxen und unter den provisorische Zelten die wir zu Beginn der Spiele aufgestellt hatten.
»Cato!«, schreie ich glücklich, als ich ihnen näher komme.
»Clove!« Er steht auf und dreht sich um. In seinem Gesicht sehe ich die Freude und Erleichterung glitzern. Er kommt auf mich zu und ich steigere mein Tempo.
Ohne zu zögern falle ich ihm schliesslich in die ausgebreiteten Arme. Wie froh ich doch bin, ihn endlich wiederzusehen. Auf jedenfall ist es mir hier um einiges lieber, als allein im Wald.
»Wir dachten, es hätte dich auch erwischt. Ich dachte, ich hätte dich verloren«, sagt er leise.
Wir lösen wieder uns voneinander.
»Ich dachte einen Moment lang auch, es sei vorbei«, meine ich und muss an Marina denken.
Marvel und Ian stehen etwas abseits und beobachten uns gespannt. Ian ist anscheinend auch gestochen worden. Die Müdigkeit in seinem Gesicht ist nicht zu übersehen. Marvel und Cato sehen auch alles andere als gut aus.
»Ich habe etwas für euch«, sage ich und packe die Kräuter aus. »Allerdings wäre ich froh um etwas zu essen. Ich bin am verhungern.«
Cato lächelt und holt etwas Brot und einen Apfel. Gierig verschlinge ich alles. Wie ich doch vergessen habe, wie gut Brot ist.
»Wo seid ihr gestochen worden?«, frage ich die Jungs. Sie sehen mich etwas verwirrt an. Allerdings toppt nichts ihre Gesichtsausdrücke, als ich beginne, auf dem Kraut herum zu kauen. Etwas wiederwillig, legen sie dann die Kräuter auf ihre zerstochenen Stellen. Doch spätestens als es ihnen das Gift aus den Stichen zieht, erleichtern sich ihre Gesichtern.
»Woher hast du das?«, fragt Marvel und legt eines der Blätter auf seinen rechten Oberarm.
»Sponsorengeschenk. Hat mir Enobaria geschickt«, sage ich während ich meine Stiche begutachte und erneut ein paar Blätter drauflege.
»Das tut echt gut«, meint Cato und Ian nickt beifällig.
»Was ist eigentlich geschehen, nachdem ich in den Wald gerannt bin?«, frage ich.
Marvel schildert mir die ganze Geschichte. Cato ist noch einmal in den Wald gerannt da er dachte, Katniss sei auch nochmal gestochen worden und wollte ihr den Rest geben. Doch stattdessen sah er, wie Peeta Katniss das Leben rettete. Cato kämpfte mit Peeta. Da aber beide vom Jägerwespengift geschwächt waren, konnte Peeta entwischen. Trotzdem verletzte Cato ihn mit seinem Schwert am Bein. Danach rannte er zurück zum Füllhorn und kurz darauf verloren alle Bewusstsein. Wie ich sind sie heute Morgen erst aufgewacht und haben vermutet, Glimmer, Marina und ich seien tot.
»Das hätte nie passieren dürfen. Wir haben Glimmer und Marina verloren. Loverboy war kein großer Verlust, vielleicht ist er ohnehin gestorben, als wir bewusstlos waren. Aber das Katniss uns durch die Lappen gegangen ist, nervt ziemlich!«, sagt Cato aufgebracht und rauft sich die Haare.
Ich beisse mir auf die Lippe und sage: »Glimmers Bogen.«
»Was ist damit?«, fragt Cato und nimmt sein Schwert in die Hand.
»Katniss hat ihn.«
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