~ 12 ~
Wir beschliessen unser Lager in der Nähe des Sees aufzuschlagen.
Für den Rest des Tages schleppen wir die Vorräte vom Füllhorn nach unten, wo wir sie zu einer grossen Pyramide stapeln.
Marinas Nase hat aufgehört zu bluten und sie hilft tatkräftig mit, unser Lager aufzubauen. Dies im Vergleich zu Glimmer, die uns lieber herumkommandiert als mitanzupacken.
Wir warten nur die Hymne ab um zu sehen, wer gestorben ist. Als es dunkel ist, zeigen sie die Gefallenen: das Mädchen aus Distrikt 3. Der Junge aus Distrikt 4. Der Junge aus Distrikt 5. Ja, da ist der Junge, der mich töten wollte und stattdessen von mir getötet wurde. Beide aus 6 und 7. Der Junge aus 8. Beide aus Distrikt 9. Das Mädchen aus Distrikt 10. Schlussfanfare und der Himmel wird wieder dunkel.
Elf gestorbene am ersten Tag. Jetzt leben noch fünf Karrieros, die aus Distrikt 11 und 12, das fuchsgesichtige Mädchen aus Distrikt 5, der Junge mit dem lahmen Bein aus Distrikt 10, das Mädchen aus Distrikt 8 und der Junge aus Distrikt 3.
»Ist das nicht etwas riskant, die Vorräte so ohne jegliche Wache unter freiem Himmel stehen zu lassen?«, fragt mich Marina, als wir ins Dickicht des Waldes einbrechen, um jagen zu gehen.
»Keine Ahnung. Die anderen werden das schon so gewollt haben. Und jetzt wird doch ohnehin niemand mehr unterwegs sein«, sage ich.
»Stimmt. Die meisten die am Füllhorn waren, sind gestorben. Und diejenigen die geflohen sind, haben sicher alles darauf verwendet, von hier wegzukommen«, meint Marina und beschleunigt ihr Tempo, um den anderen nachzukommen.
Ich blicke immer wieder nach vorne zu Cato und Glimmer, die sich lachend unterhalten. Marina läuft ein Stück vor mir und redet angeregt mit Marvel.
Es macht mir eigentlich gar nichts aus, alleine zu laufen. So kann ich in Ruhe die Umgebung studieren.
Wir haben Kiefernwald. Einfache Kiefern. Eine bessere Arena kann man nicht abbekommen.
Irgendwann bleibt Cato stehen und schaut sich um. »Die verstecken sich gut, die anderen Tribute«, sagt er.
Wir sind sicher bereits über eine Stunde unterwegs, da sehe ich plötzlich, wie sich eine dünne Rauchfahne gegen den Himmel erstreckt.
»Leute davorne!«, rufe ich den anderen zu. Sie drehen sich sofort um und wir rennen in die Richtung des Feuers.
Ich frage mich ernsthaft, wer auf die dumme Idee kommt, mitten in der Nacht ein Feuer zu entfachen.
Da könnte man eigentlich auch eine Fahne schwenken und einen Riesenlärm veranstalten. Hätte denselben Effekt.
Als wir dem Feuer näher kommen, sehe ich das flackernde Licht. Ein Mädchen dreht uns den Rücken zu und wärmt sich auf. Ich kann nur erkennen, dass sie rote Haare hat.
So viel ich weiß, haben nur die Mädchen aus den Distrikten 5, 8 und 9 rotes Haar. Die aus 9 ist bereits tot, also bleiben noch zwei. Jedoch bezweifle ich stark, dass die aus 5 so dumm wäre, ein Feuer zu errichten. Daher bleibt nur noch das Mädchen aus Distrikt 8.
Meine Vermutung war richtig, denn als sie uns hört, dreht sie sich erschrocken um und sieht uns ängstlich an.
»Nein, nein! Bitte tötet mich nicht!«, fleht sie verzweifelt. Doch das nützt bei den Karrieros nichts. Hat es auch noch nie.
Cato reicht Glimmer ein Messer, was mir keineswegs entgeht. Nun geht Glimmer auf das Mädchen zu und sticht ihr mehrmals in die Brust. Die Schreie des Mädchens, verebben mit jedem Stich mehr und schliesslich liegt sie nur noch wimmernd auf dem Boden.
»Gehen wir!«, sagt Cato schroff.
Dieses Mal gehe ich voraus, dicht gefolgt von Marina und Marvel.
»Habt ihr sie flehen gehört?«, macht Glimmer das Mädchen aus 8 nach. »Nein, nein! Bitte tötet mich nicht!«
Lachend gehen wir weiter.
Irgendwann bleibe ich stehen. »Wieso hören wir nicht langsam die Kanone?«, frage ich und blicke zu meinen Verbündeten.
»Stimmt. Was sollte sie davon abhalten, sie jetzt gleich abzuholen?«, stimmt Marvel mir zu.
»Es sei denn, sie ist nicht tot«, sagt Marina.
»Sie ist tot. Ich habe sie höchstpersönlich abgestochen«, rechtfertigt sich Glimmer.
»Und wo bleibt dann die Kanone?«, frage ich.
»Einer von uns sollte zurückgehen. Nachgucken, ob die Sache auch wirklich erledigt ist«, sagt Marvel.
»Ja, ich habe keine Lust sie zweimal aufzuspüren«, pflichtet Cato ihm bei.
»Ich habe doch gesagt, dass sie tot ist!«, sagt Glimmer aufgebracht. Wir diskutieren noch eine Runde erhitzt weiter, bis Peeta sich einmischt und sagt: »Wir verlieren nur Zeit! Ich gehe zurück und erledige sie und dann nichts wie weiter!«
»Dann geh halt Loverboy«, sagt Cato. »Und überzeug dich selbst.«
Peeta dreht sich um und läuft zurück, zur Feuermacherin um nachzusehen, ob sie tot ist.
»Warum töten wir ihn eigentlich nicht jetzt gleich und bringen es hinter uns?«, fragt Glimmer.
»Lass ihn mitkommen, was kann es schaden?«, sage ich.
»Abgesehen davon, haben wir mit ihm die besten Chancen, sie zu finden«, sagt Cato.
»Was? Du glaubst doch nicht etwa, dass die auf die Herz - und - Schmerz - Geschichte reingefallen ist?«, sage ich.
»Naja, mir schien sie ein ziemliches Dummchen. Allein wenn ich daran denke, wie sie sich in diesem Kleid gedreht hat, könnte ich kotzen«, meint Glimmer finster.
»Mich würde es Wunder nehmen, wie sie an die Elf gekommen ist«, sagt Marvel.
»Wetten wir, Loverboy weiß es!«, erwidert Marina.
Genau in diesem Moment ertönt die Kanone und Peeta kommt zurück.
»Und? War sie tot?«, fragt Glimmer.
»Nein. Aber jetzt ist sie es«, antwortet Peeta ihr.
»Gehen wir jetzt weiter. Wir haben sowieso schon viel zu viel Zelt mit diskutieren vergeudet!«, sagt Marvel und geht voraus.
Mein Blick wandert ein letztes Mal über die Umgebung und bleibt an einem Baum hängen. Ich kneife die Augen zusammen um besser erkennen zu können. Das sieht fast so aus, als ob dort jemand hängen würde.
»Hast du was gesehen Clove?«, fragt Cato.
Ich schüttle den Kopf und wende mich vom Baum ab. »Nein, war wahrscheinlich nur ein Tier oder ein herunterhängender Ast«, sage ich. Dann hole ich die anderen ein und wir beschliessen, zum Füllhorn zurückzukehren.
Dort angekommen, beginnt bereits die nächste Diskussion. Wer hält Wache und in welcher Anzahl. Ich habe das Gefühl, dass wir kein wirklich gutes Team abgeben.
Am Ende einigen wir uns auf Zweiergruppen. Zu meinem Vergnügen wird Glimmer mit Marvel, Peeta mit Cato und Marina mit mir eingeteilt. Ich weiß ja nicht, wie gut Peeta und Cato sich anstellen werden, aber sonst sind die Gruppen ganz in Ordnung.
Die erste Wache übernehme ich mit Marina. Wir setzen uns mit einer Fackel ans Ufer des Sees und blicken auf's Wasser.
»Bereits ein Tag um«, seufzt Marina.
»Ja. Und schon zwölf tot«, sage ich.
»Danke nochmals für die Rettung beim Blutbad«, meint Marina und lächelt mich an.
»Kein Ding. Du hast mich im Trainingscenter so oft vom Boden geholt, da musste ich mich einfach auch mal revanchieren«, sage ich.
Im Licht der Fackel sehe ich, wie sich Marinas Miene aufhellt.
»Wann müssen wir Marvel und Glimmer wecken?«, frage ich nach einer Weile.
»Sie haben gesagt nach ein paar Stunden. Wie lange sitzen wir hier schon?«, antwortet Marina.
»Keine Ahnung. Vielleicht eine Stunde oder so?«, sage ich schulterzuckend.
»Dann warten wir noch etwas«, meint Marina müde.
In den nächsten zwei Stunden mit Marina, fühle ich mich wohl. Wir reden eigentlich gar nicht so viel miteinander, trotzdem scheint es, als ob wir uns perfekt ergänzen würden. Irgendwann stehen wir auf und wecken Marvel und Glimmer. Dann legen wir uns hin.
Ich liege noch eine ganze Weile wach. Deshalb bekomme ich ungewollt ein Gespräch, zwischen Glimmer und Marvel mit.
»Wieso tun wir es nicht einfach jetzt?«, fragt Marvel. »Alle die auszuschalten sind, schlafen.«
»Du weisst genau warum«, sagt Glimmer.
»Wegen Cato?«, flüstert Marvel.
Ich kann die beiden nicht sehen, aber ich bin mir fast sicher, dass Glimmer den Kopf schüttelt.
»Sie gehen mir so auf die Nerven«, sagt Glimmer etwas lauter.
Ich brauche einen Moment bis ich verstehe, wer mit »sie« gemeint sind.
Marina und ich.
»Du musst dich in Acht nehmen Glimmer! Vor allem vor Clove. Ich sag dir, die ist ne Schlange. Ehe du dich versiehst, bist du tot«, meint Marvel grimmig.
»Ach, und was ist mit dir und Marina? Denkst du, ich habe nicht gesehen, wie angeregt du dich heute mit ihr unterhalten hast?«, fragt Glimmer.
»Beruhig dich. Das dient dem Zweck. Ich will nur ihr Vertrauen gewinnen!«, sagt Marvel.
Am liebsten würde ich mir die Ohren zuhalten. Das darf doch wohl nicht wahr sein. Anscheinend haben wir in unserem Bündnis mehrere kleinere Bündnisse. Neben Marina und mir, tauchen jetzt auch noch Marvel und Glimmer auf. Jetzt müssten eigentlich nur noch Cato und Peeta gemeinsam abhauen.
Ich schliesse meine Augen und versuche, Glimmer und Marvel auszublenden. Kurz darauf verfalle ich in einen traumlosen Schlaf.
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