•𝐂 𝐇 𝐀 𝐏 𝐓 𝐄 𝐑 𝟏𝟕•
Ich fahre mir durch die Haare und atme tief durch. Zu viele Augenpaare liegen auf mir und ich konnte nicht einmal sagen, was ich schlimmer finde. Die Tatsache, dass uns Lucien droht oder dass ich keine Ahnung habe, was ich machen soll. In diesem Moment versage ich auf ganzer Linie als Alpha. Fantastisch.
Der einzige positive Moment, den ich bisher hatte, war, dass auch Sam überraschenderweise wirklich an ihr Wort gehalten hat. Auch wenn ich am Zucken ihrer Mundwinkel gesehen habe, dass sie was sagen wollte, tat sie es nicht. Mein Herz beginnt bei diesem Gedanken schneller zu schlagen und Stolz macht sich in mir breit. Meine Mate konnte das machen, was ich wollte. Am liebsten würde ich sie dafür küssen, auch wenn ich es sicher niemals konnte. Unsere Beziehung beruht immerhin auf einem verdammten Deal, welchen wir geschlossen haben.
Gerade wollte ich erneut zum Sprechen ansetzen, als jemand wild gegen die Tür hämmert. Ich knurre genervt und belle laut herein.
Die Tür schwingt auf und gerade wollte ich dem Neuankömmling eine Standpauke halten, als mir die Worte im Hals stecken bleiben. Meine Augen weiten sich und ich bin mir nicht sicher, ob ich gerade richtig sehe oder nur Träume.
»Nathan?« Frage ich ungläubig und umrunde den Tisch. Vor meinem Cousin bleibe ich stehen und mustere ihn von oben bis unten. »Du bist es wirklich.«
»In der Tat. Hallo Cousin.« Nathan nimmt mich in den Arm und drückt mich fest an sich. Ich tu es ihn gleich.
»Was machst du hier? Warum bist du nicht in New Orleans?« Frage ich, als ich mich von ihm löse. Seine hellbraunen Haare hängen wie immer wild auf seinem Kopf herum und seine mausgrauen Augen strahlen mich an.
»Ich habe deine Nachricht bekommen, Chandler. Und nun bin ich hier, um dir zu helfen. Dich zu unterstützen, so gut ich kann.« erzählt Nathan und sieht hinter mir in die Runde. »Hey Jungs.« grüßt er Holden und Cooper. Ich drehe mich zu beiden hin und sehe, wie sie kurz die Hand heben.
»Schön zu wissen, dass du noch am Leben bist.« sagt Cooper und lehnt sich in seinem Stuhl zurück.
»Ich tu mein Bestes, dass dies auch so bleibt. Immerhin müssen wir ja eine Blutlinie fortführen. Nicht wahr Chad?« scherzt mein Cousin, was mein Inneres zusammen ziehen lässt. Im Moment sieht es zumindest bei mir nicht danach aus, meine Blutlinie fortzuführen. Und der Grund dafür ist die Brünette in diesem Raum. Entsprechend wandert mein Blick zu ihr und ich kann erkennen, wie fasziniert Sam von Nathan ist. Ungewollt entkommt meiner Kehle ein leises Knurren. Sie gehört zu mir.
Die Aufmerksamkeit legt sich auf mich und ich räuspere mich schnell.
»Jedenfalls freue ich mich, dass du da bist. Komm setzt dich, dann können wir weiter besprechen was wir machen wollen.«
***
Mein Kopf schmerzt und ich habe das Gefühl, Rauch würde aus meinen Ohren qualmen. Ich weiß nicht, wie spät es ist, aber ein Blick in die Runde zeigt mir, dass ich nicht der einzige bin, der fertig ist.
Sam liegt halb auf ihrem Stuhl, die Augen spaltbreit geöffnet. Ihr braunes Haar liegt verwuschelt auf ihrem Kopf. Nathan stützt seinen Kopf schwer auf der Hand ab und meine beiden besten Freunde kämpfen ebenfalls gegen die aufkommende Müdigkeit an. Die einzigen, die keine Anzeichen von totaler Erschöpfung zeigen, sind die Ältesten und mein Vater.
Ich strecke meine Arme aus und ein leises Knacken erfüllt den Raum. Entspannt seufze ich auf. Die letzten Minuten, Stunden, wenn nicht sogar gefühlte Tage haben wir darüber diskutiert, was wir machen sollten. Lucien's Rudel ist ein Dorn in unseren Augen, welches man nicht verleugnen kann. Und jetzt auch die Drohung. Es ist kein Kinderspiel, verschiedene Ansichten und Meinungen zu einer zu packen.
Die Tür zum Raum öffnet sich leise und der Kopf meiner Mutter erscheint in dieser.
»Ihr seid immer noch hier?« fragt sie verwundert. »Es ist weit über Mitternacht. Ihr solltet schlafen gehen.«
Mein Vater erhebt sich und geht zu meiner Mutter. Liebevoll drückt er ihr einen Kuss auf die Stirn. Innerlich zieht sich mein Magen zusammen und mein Blick wandert zu der kleinen Brünetten im Raum, die tatsächlich auf ihrem Stuhl eingeschlafen ist. Seelenruhig bewegt sich ihr Brustkorb auf und ab, während sie ihre Arme um ihren Oberkörper geschlossen hat.
»Ich stimme meiner Mutter zu. Für heute wird es erst einmal reichen. Cooper, fang an, morgen unsere Krieger zu trainieren. Holden du hilfst ihm. Nimm die Welpen mit, damit sie etwas von den älteren lernen können. Nathan und ich werden schauen, ob wir unsere Spione auf die andere Seite bekommen.« fasse ich alle unsere Ergebnisse zusammen. »Denkt daran, nichts kommt zu unserem Rudel durch. Sollten Fragen aufkommen, wir haben alles unter Kontrolle. Habt ihr das verstanden?«
Einheitliches Nicken kommt zurück. Auch wenn ich manchmal die Ältesten verabscheue, wenn es um das Wohlergehen des Rudels geht, würden sie alles machen. Selbst sich für dieses opfern, wenn es sein muss.
»Ich werde Sam morgen ebenfalls mitteilen, dass sie sich um das anstehende Winterball kümmern soll. Meine Mutter wird ihr dabei helfen.« füge ich noch hinzu. »Wir sollten so viel Normalität beibehalten, wie es mir geht.«
Leise bewegen sich die Stühle. Nach und nach stehen wir auf und verlassen den Raum. Ich gehe zu Sam hin und schiebe einen Arm unter ihre Kniekehlen, den anderen unter ihren Rücken. Vorsichtig hebe ich meine Mate hoch. Ihr Kopf fällt auf meine Brust und ich höre sie leise seufzen. Ein Lächeln legt sich auf meine Lippen, als ich die kleine aus dem Raum trage.
»Du liebst sie. Nicht wahr?« spricht Nathan mich an, der vor dem Raum auf mich gewartet hat. Überrascht sehe ich zu ihm herüber. War es wirklich Liebe? Oder ist es doch nur das Band zwischen ihr und mir, das diese Gefühle hervorholt? Andererseits... was denke ich da? Ich liebe sie. Das kann ich nicht mehr verleugnen. Alles an ihr. Und dennoch quält es mich zu wissen, dass ich sie niemals haben kann.
»Ja.« antworte ich deshalb meinem Cousin. Verleugnen kann ich es vor ihm ohnehin nicht. »Aber dennoch kann ich sie niemals haben. Selbst wenn wir Mates sind. Sie liebt mich nicht, sie hasst mich. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie froh ist, wenn unser Deal wieder verworfen wird. Sie soll glücklich sein, auch wenn dies bedeutet, dass es mich zerstören wird.«
»Eure Beziehung basiert auf einem Deal, den ihr getroffen habt? Chad, das ist selbst für dich zu viel.« Nathan schüttelt fassungslos seinen Kopf. »Wir reden morgen darüber. Bring deine Kleine erst einmal ins Bett. Gute Nacht Cousin.«
Mein Cousin drückt kurz meine Schulter, ehe er sich abwendet und in Richtung seines Gästezimmers bringt. Es ist seltsam zu wissen, dass er quasi selbst ein Zimmer in unserem Haus hat. Selbst wenn wir uns beide nicht mehr allzu oft sehen, ist er immer noch wie ein Bruder für mich. Selbst wenn wir uns nicht mehr so oft sehen wie früher.
Ich drücke Sam näher an mich heran, genieße ihre Nähe, die ich haben kann. Gerade so kann ich es mir verkneifen, mein Gesicht in ihrem Haar zu vergraben und ihren unbeschreiblichen Duft einzuatmen. Das war für mich selbst in diesem Moment zu viel. Zudem wollte ich mich nicht wie ein Widerling in ihrer Nähe verhalten, auch wenn Sam gerade schläft.
Ich trage sie die Treppen hinauf in mein Zimmer. Mit meinem Ellenbogen öffne ich die Tür, als wir an diesem ankommen. Leise schwingt die Tür auf und ich trage die kleinere zu meinem Bett. Ich wage es nicht einmal, das Licht anzuschalten. Meinen Genen sei Dank, dass ich gut genug im Dunkeln sehe, ohne über etwas zu stolpern.
Zaghaft lege ich Sam auf die Bettdecke meines Bettes. Erneut bleibe ich einen Moment stehen und wage es, sie anzusehen. Im Schein des Mondes sieht sie friedlich aus. Weder angespannt, noch gestresst. Ich ziehe ihr die Schuhe aus und überlege, ob ich ihr ebenfalls die Hose ausziehen sollte.
»Mach dich nicht zum Deppen Chandler. Schau einfach nicht hin.« murmle ich mir selber zu. Einen tiefen Atemzug später starre ich die Decke an und versuche blind ihr die Hose auszuziehen. Als meine Hände ihre weiche Haut steifen, spüre ich, wie sich eine Gänsehaut auf dieser bildet. Ich beginne leicht zu grinsen, ehe ich mich leise räusper und den Kopf schüttle. Nein, an sowas durfte ich jetzt nicht denken. Und dennoch bleiben meine Finger ungewollt länger auf ihrem Oberschenkel liegen, ehe ich das Stück Stoff von ihren Beinen ziehe.
Erst als ich ihre Hose zusammengefaltet auf meinen Schreibtischstuhl lege, gehe ich wieder zu Sam zurück, welche sich mittlerweile zu einer kleinen Kugel zusammengerollt hat. Ich lächle leicht und ziehe ihr langsam meine Decke unter dem Körper hervor, ehe ich sie über sie lege. Meine Hand wandert zu ihrem Gesicht und streichelt ihr eine braune Strähne aus diesem.
»Du bist so wunderschön. Ich habe dich einfach nicht verdient und dennoch hat die Mondgöttin beschlossen, ein Band zwischen uns zu knüpfen.« flüstere ich leise in ihre Richtung, bevor ich meine Hand wegnehme und mich umdrehe. Schlafen konnte ich selber noch nicht. Mein Blick landet daher auf meine Kamera. Leise schleiche ich zu dieser hin, nehme sie und gehe auf leisen Sohlen aus meinem Zimmer.
Die Tür verschließe ich nicht. Immerhin sollte Sam nicht den Eindruck haben, ich würde sie einsperren. Doch war ich mir sicher, dass sie morgen so oder so verwirrt sein wird. Und so lange ich nicht mit ihr in einem Bett aufwachen würde, würde sie mir sicher nicht den Kopf abreißen.
***
Die kalte Nachtluft schlägt mir ins Gesicht, als ich durch den kalten Wald wandere. Die Kamera in meiner Hand auf der Suche nach einem Motiv, das mir vor die Linse kommen könnte. Es ist lange her, dass ich das letzte Mal nachts fotografiert habe. Mein liebstes Motiv um diese Zeit war der Mond. Doch seitdem ich draußen bin, versteckt sich dieser hinter einer dicken Wolkendecke.
Ich bleibe am Tule Lake stehen und setzte mich vor diesen ins Gras. Innerlich lasse ich die letzten Tage Revue passieren. Mit allem, was passiert ist. Vielleicht bin ich dumm oder auch naiv. Vielleicht auch beides. An etwas festzuhalten, das nicht wirklich eine Zukunft hat. Aber vielleicht...
Niemals. Dies würde vielleicht niemals passieren. Das vielleicht, dass Samantha Greenwood mich doch akzeptieren würde und wir wahrlich zusammenkommen könnten.
Ich nehme meine Kamera in die Hand, fokussiere auf den See und fange binnen Sekunden das traurige Bild der spiegelnden Wasseroberfläche ein. Der Mond versteckt hinter den dicken grauen Wolken, wie dieser versucht, durch diesen hindurch zu kommen. Ich sehe auf den Bildschirm meiner Kamera und seufze auf. Definitiv keines meiner besten Bilder, die ich in meinem Leben geschossen habe.
Ungewollt beginne ich, durch die Galerie der Kamera zu schauen. Verschiedene Bilder erscheinen in dieser. Natur-Motive, Portraits meiner Familie oder Freunde. Zwischendurch Momentaufnahmen, die ich in der richtigen Sekunde getroffen habe. Und inmitten all meiner Aufnahmen immer wieder Sam. Wie sie lacht, wie sie konzentriert ist oder wie sie als Wolf durch den Wald rennt. Es mag für andere sicher verrückt aussehen, doch bin ich kein Stalker oder dergleichen. Ich habe selbst nicht einmal gemerkt, dass sie zu einer meiner liebsten Motiven geworden ist.
Mein Finger streicht über die Aufnahme, die ich von ihr gemacht habe, als wir uns nachts auf der Straße getroffen haben. Einen Moment verliere ich mich in das Bild, bevor ich mit einem Schlag zurück in die Realität geschleudert werde. Ich bin es nicht wert. Ich bin Sam nicht wert. Und das hat sie schon lange vor mir realisiert.
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