•𝐂 𝐇 𝐀 𝐏 𝐓 𝐄 𝐑 𝟏•
Es fasziniert mich jedes Mal aufs Neue, wie die Natur mit der Stadt vermischt wird. Es gab nie irgendwo die Linie, die besagt wo etwas beginnt und wo etwas endet. Das dunkle kühle Leder des Lenkrades meines Wagens jagt mir einen Schauer über den Rücken, als ich auf die unbefestigte Straße zu meiner Heimatstadt fahre. Lediglich ein einziges gelbes Schild zeigt, wenn auch nicht in die richtige Richtung, dass es hier nach Redwood-Hall geht.
Nicht viele kennen die kleine Stadt, die an der grenze zu Oregon liegt. Versteckt zwischen dichtem Wald, majestätischen Bergen und einem riesigen See. Als kleines Mädchen habe ich es geliebt im Herbst durch den farbenfrohen Wald zu laufen, Pilze zu sammeln oder den Älteren beim Trainieren zu zusehen. Ich liebe es immer noch, auch wenn ich in Sacramento dies meistens vernachlässigt habe.
Immerhin war es gefährlich für uns, heutzutage als Wolf durch die Gegend zu laufen. Wir sind der Feind des Menschen, schon seit hunderten von Jahren. Ändern wird sich das in naher Zukunft sicher nicht.
Mein Auto ruckelt, während ich das Lenkrad fester umgreife und die letzten Meter fahre, bevor ich erneut befestigte Straße unter meinen Rädern habe. Nichts gegen meine Heimat, aber allmählich sollte sich der Rat Gedanken über ein besseres Straßensystem machen. Nicht nur der Autos zur Liebe.
Langsam nähere ich mich den ersten Häusern, die sich aus dem Wald abheben mit ihren roten Dächern und weißen Fassaden. Kurz darauf erreiche ich das große Ortsschild, dessen Farben schon verblasst ist. Das Rot ist schon längst nicht mehr so strahlend, wie es einst noch war, als man es angemalt hatte und sogar die weißen Buchstaben von Redwood-Hall waren nur noch ein trübes Grau.
Je näher ich dem Stadtkern kam, desto voller wurde es auch auf den Straßen. Gruppen von Schülern, die aus der örtlichen Highschool kommen, laufen an mir vorbei. Nostalgie erfasst mich, als ich an meine eigene Zeit als Schülerin denken muss. Ich weiß genau, wie leidenschaftlich ich beim Lernen war, immerhin hatte auch ich große Träume. Während andere in meinem Alter ihren Seelenverwandten finden wollten, wollte ich einfach nur die Welt verändern. Nicht als Entdeckerin oder Forscherin, sondern als Ärztin. Ich wollte Leben retten und meinem Rudel helfen. Das war mein Traum.
Und genau diesen habe ich mir jetzt nach Jahren erfüllt. Ich hatte einen Abschluss in Medizin, hatte meine Praktika hinter mir und konnte nun frei praktizieren.
Ich biege von der Hauptstraße ab und fahre in den äußeren Rand der Stadt. Schon bald wurden die Häuser wieder weniger. Stattdessen zogen riesige Vorgärten und alte Villen an mir vorbei.
Der alte Kern der Stadt.
Oder auch der wahre Gründungsort von Redwood-Hall.
Auch wenn meine Familie nicht zu den Gründerfamilien gehört, hatten sie sich dennoch hier niedergelassen. Hier war ich aufgewachsen. Mitten im grünen Herzen der Stadt.
Mein Zuhause war anders als die weißen Villen rund um den alten Stadtkern herum. Meine Eltern haben sich damals für ein kleines Bungalow entschieden. Eines mit grünen Fensterläden und braunen Holz. Man könnte meinen es wäre eine Jagdhütte, wie sie versteckt zwischen den Eichen und Tannen steht. Dennoch war es mein persönliches Schloss, dass ich bewohnt hatte. Als ich größer wurde hatte mein Vater mir den Dachboden ausgebaut und die verwinkelte Etage zu meinem persönlichen Reich gemacht. Bestimmt hat es immer noch die babyblauen Wände und die weißen Möbel. Mein Inneres erfüllt sich mit Euphorie, als ich an mein Zimmer denke.
Kurz darauf erreiche ich das Grundstück meiner Eltern. Zu meinem Erstaunen war das Haus, was ich in Erinnerung hatte, nicht mehr dasselbe. Das kleine Bungalow, das ich einst kannte, war nicht mehr dasselbe. Stattdessen strahlt das ehemalige Holz in einem saftigen Gelb und die grünen Fensterläden heben sich blau hervor. Mein Mund klappt auf, als ich den kleinen Weg zwischen den Bäumen hoch zu unserer Einfahrt fahre. Ich wusste, dass meine Eltern nicht wie Andere waren. Sie mögen es bunt, leuchtend und hell. Aber das war selbst für meinen Kopf zu viel.
Kaum hatte ich den Motor ausgestellt, schwingt die immer noch braune Haustür auf und meine Mutter kommt aus dem Haus auf mich zugelaufen. Sie sah noch genauso aus, wie ich sie in Erinnerung hatte, als ich vor fünf Jahren die Stadt verlassen habe um in Sacramento zu studieren. Ihre roten Haare wirbeln um ihr Gesicht herum, als kenne sie keine Haargummis, ihre blauen Augen waren immer noch so strahlend wie an dem Tag, als ich sie verlassen habe. Das Einzige was sich an ihr geändert hat, war ihre Figur. Wüsste ich es nicht anders, würde ich sie mit Molly Weasley aus Harry Potter vergleichen. Ihr Körper war kurviger und dennoch strotzt meine Mum nur vor Selbstbewusstsein.
»Samantha! Du hast doch geschrieben, dass du vor einer Stunde ankommen wolltest. Ich habe mir Sorgen gemacht!« schallt ihre Stimme zu mir herüber, als ich aus dem Auto steige und ihr direkt in die Arme falle.
»Hey Mom, ja mir geht es gut. Danke der Nachfrage. Und der Verkehr war der Horror, ich stand bestimmt drei Stunden im Stau.« begrüße ich meine Mutter, die mich anschließend fest in die Arme schließt. »Wo ist Dad?«
»Er ist noch auf der Arbeit, du kennst ihn ja. Er ist die Verkörperung eines Arbeitstieres. Außerdem kennst du mich, ich mache mir immer Sorgen um dich. Schließlich bist du die einzige Tochter, die ich habe.« sagt meine Mom nachdem, sie sich von mir gelöst hat und mir streng in die Augen schaut. Ich schmunzle leicht. Ich konnte sie verstehen, immerhin war ich das einzige Kind was sie hatten. Meine Mom seufzt und schüttelt ihren Kopf.
»Na komm, Liebes lass uns reingehen, dann kann ich dir einen Tee machen, während du ankommst. Auspacken kannst du auch noch später.«
Der süße Geruch des Apfeltees steigt mir in die Nase, während Mom uns einen kleinen Teller mit Keksen auf den Küchentisch stellt und sich anschließend auf den rustikalen Holz Stuhl nieder lässt. Meine blassblauen Augen wandern durch die Küche und ich nehme jedes Detail in mich auf. Auch wenn das Äußere sich verändert hat, war das Innere immer noch gleich. Dieselben grünen Fliesen an der Wand hinter der weißen Küchenzeile, die vielen Regale die sich quer durch den Raum ziehen -wobei man noch sagen kann, dass diese vor Dosen, Einmachgläser und Pflanzen überquellen- und die großen Fenster, welche die Küche mit natürlichem Licht befluten. Mom hat die alten Polster der hellbraunen Bank und der Stühle ausgetauscht.
Anstatt der alten, durchgesetzten beigen Kissen, waren sie im selben Ton der grünen Fliesen. Einen Moment war es leise, erst als ich einen Schluck Tee, aus der Tasse nehme erfüllt, dass Schlürfen den Raum und durchbricht somit die vorherige Stille. Ich lasse die Aromen meinen Körper einhüllen und hänge meinen Gedanken nach. Die Fahrt war lang gewesen. Trotzdem fühle ich mich, als wäre ich den halben Tag durchgefahren. Zum Glück kann ich sagen, dass ich in der nächsten Zeit nicht mehr weg muss und hier bleiben werde. Ich muss mir zwar noch eine Wohnung suchen, aber vorerst werde ich erst einmal bei meinen Eltern bleiben. Immerhin sind sie auch froh mich nach so einer langen Zeit wieder zu haben, ohne das ich nach einer kurzen Zeit wieder verschwinde.
***
Die Sonne taucht den Garten in ein warmes Orange, welches die Blumen zum Leuchten bringt. Würde ich nicht wissen, dass ich hier im Garten sitze, könnte man glatt denken, dass man in einem Märchenbuch ist. Ich rutsche weiter in den braunen Korbstuhl, während die bunte Patchworkdecke auf meinen Schultern liegt und mich wärmt. Auch wenn wir eigentlich von Natur aus eine hohe Körpertemperatur haben, fühlen wir dennoch die Kälte. Obgleich sie nicht so kalt ist, als wären wir normale Menschen. Dennoch lässt es einen schaudern.
Meine Mom ist vor geraumer Zeit in den Weiten des Gartens verschwunden und gräbt sicher bei den Blumen herum. Diese Liebe werde ich nie verstehen können. Nichtsdestotrotz, fast einen halben Tag über Highways, durch Städte und Wälder zu fahren, lässt den Körper in allen Maßen schlapp werden.
Ich lege meinen Kopf in den Nacken, schließe meine Augen und wärme mich mit dem letzten Sonnenlicht des Tages. Die warmen Strahlen lassen mich gähnen, während ich die Decke enger um meinen Körper ziehe. Selbst für den Anfang des Herbstes war es schon relativ frisch. Wenn auch das Wetter noch nicht ganz zulässt, dass man sich ganz in Pullis und dicken Wintermäntel verstecken konnte.
»Ich bin wieder zuhause!« schallt die Stimme meines Vaters durch das Haus. Müde öffne ich meine Augen und richte mich langsam auf. Ich strecke meine Arme, was meine Knochen knacken lässt. Die Sonne war kaum noch zu sehen. Lediglich die roten Schlieren am Himmel zeigen, dass sie noch nicht ganz untergegangen ist. Meine Mutter kommt auf die Veranda und kurz darauf erscheint der haselnussbraune Haarschopf meines Vaters aus der Küchentür. Bei meinem Anblick beginnen seine blauen Augen zu leuchten.
»Krümmel, du bist wieder da. Wie geht es dir?« mein Vater kommt auf mich zu und nimmt mich in die Arme. Sofort umhüllt mich der vertraute Geruch seines Parfüms. Das Herbe, welches nach Holz und Pfefferminz riecht. Ich vergrabe mein Kopf an seiner Schulter und schlinge meine Arme ebenfalls um seinen kräftigen Körper. Im Gegensatz zu Anderen war mein Vater kein Muskelpaket. Natürlich war er trainiert, was unter anderem auch an unseren Werwolf-Genen liegt, dennoch hatte er durch das gute Essen meiner Mutete einen kleinen Bauch bekommen. Aber egal wie mein Vater aussah, ich hatte ihn dennoch lieb. Nicht nur, weil ich mit ihm meine schönsten Kindheitserinnerungen erlebt habe, sondern weil er auch immer ein Vorbild für mich ist.
»Hey Dad. Mir geht es gut. Bloß die Fahrt war anstrengend. Du weißt ja, dass es von Sacramento bis hierher nicht gerade eine kuschelige Fahrt ist.«
Mein Vater lacht kehlig und löst sich von mir, bevor er mich gründlich anschaut. Ich konnte nicht einmal sagen, ob ich mich verändert habe oder nicht. Immerhin habe ich nur meine braunen Haare kürzer und trage diese jetzt bis zur Schulter oder etwas mehr Muskeln zugelegt. Schließlich hatte ich eine recht schlanke Figur, besitze kaum Fett und war auch nicht von schlechter Statur. Trotzdem fand ich, dass ich immer noch so aussah wie früher. Ich war mir immer treu geblieben, in der Zeit, die ich weg war und habe mich nicht geändert, nur weil es andere Trends oder Normen gab. Eine Sache, die ich nie verstand, waren die Mädchen oder Frauen, die mit sich so unzufrieden waren, dass sie jede Kleinigkeit an sich verändern, nur um den Männern zu gefallen oder neuen Werten zu entsprechen. Ich fand es schrecklich.
»Ich konnte noch nie nachvollziehen, warum du nach Sacramento gegangen bist Krümmel. Du hättest auch bei Doktor Orman eine Ausbildung machen können, dass wäre genauso effektiv gewesen. Und du wärst nicht weggegangen.«
»Dad. Du weißt, warum ich gegangen bin. Wir haben das schon oft genug besprochen, ich wollte hier raus. Ich bin hier eingegangen, habe kaum Luft bekommen. Mom und du wissen was ich für eine schreckliche Zeit hatte.« antworte ich leise und atme tief durch. Mein Vater nickt leicht und ich merke wie sehr ihm das Thema zusetzt. Immerhin war es ein schwarzer Fleck in unser Familie, den man lieber nicht erwähnen sollte. Es war wie eine Todsünde, eine grausame Todsünde, die man lieber nicht wieder ausgraben sollte, wenn es um meine Vergangenheit ging.
»Ach Krümmel...« mein Vater sieht mich mitleidig an und nimmt mich erneut kurz in den Arm, bevor er mich loslässt, kurz über den Kopf streichelt und sich anschließend meiner Mutter zu wendet. Ich weiß, genau was das alles in uns auslöst. Immerhin ist die Vergangenheit ein Teil der Familie. Meine Eltern umarmen und küssen sich, als hätten sie sich wochenlang nicht gesehen. Nachvollziehen kann ich dies definitiv nicht. Aber so war es mit dem Mate-Band. Wenn man seine zweite Hälfte fand, waren selbst einige Stunden die größten Qualen, wenn man nicht zusammen war.
Im Alter von achtzehn Jahren beginnt ein junger Wolf einen bestimmten Duft auszustrahlen, welcher einzig und alleine von seinem Seelenverwandten wahrgenommen werden kann. Wir Wölfe glauben daran, dass alleine die Mondgöttin entscheidet, wer zu wem gehört. Was jedoch das Schlimmste für jeden Werwolf ist, wenn dieser von seinem Mate verstoßen wird und somit für immer ein gebrochenes Herz hat. Viele Wölfe treibt dies in den Wahnsinn und sie bringen sich anschließend um. Oder sie schließen sich den Rouges an, aussätzige Werwölfe, die von ihrem Rudel verstoßen worden sind und Rache auf ihr altes Rudel ausüben wollen. Deswegen hoffen alle darauf, dass sie von ihrem Mate akzeptiert werden.
Bisher hatte ich selber noch nicht die Gelegenheit meinen Mate zu finden. Ich weiß nicht genau, wo er ist oder ob er schon lebt. Ich kann es nicht sagen. Herausfinden werde ich es erst, wenn es soweit ist.
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