
𝐍𝐞𝐮𝐧
-Kevin-
„Würdest du eigentlich einen Mann küssen?"
Mein Hals fühlte sich trocken an und ich hatte das Gefühl, als hätte man mir einen Eimer mit kaltem Wasser über dem Kopf geschüttet. „War das 'ne ernstgemeinte Frage?", fragte ich mir kratziger Stimme. Ich hörte neben mir die Decke rascheln und sah im Augenwinkel, dass Basti sich ein wenig aufrichtete. „Wieso sollte es keine sein? Du weißt, dass ich sowas nicht als Joke meinen würde", meinte Basti und sah mich eindringlich an.
Ohne darüber nachzudenken, was ich da gerade eigentlich tat, lehnte ich mich ein wenig zu meinem besten Freund und legte meine Lippen auf seine. Fuck, Mann! Bastis Augen waren -vermutlich wegen dem Schock- weit aufgerissen. Ruckartig löste ich mich wieder von ihm und sah betreten zur Seite. „Scheiße, sorry", hauchte ich und biss mir auf die Unterlippe. „Was? -", setzte Basti an, doch ich ließ ihn nicht ausreden. „Das...ich weiß selber nicht, wie das passiert ist. Das war nicht-", stammelte ich. Basti legte mir eine Hand auf die Schulter. „Hey...es ist alles gut. Du musst dich nicht entschuldigen", unterbrach er mich, doch er klang irgendwie verletzt. „Ich geh kurz ins Bad", murmelte ich und stand hektisch auf. „Kevin, jetzt warte doch mal!", versuchte Basti mich hier zu behalten, aber ich reagierte nicht mehr darauf, sondern stürzte durch den Flur ins Badezimmer und schloss die Tür hinter mir.
„Verdammt", fluchte ich und betrachtete mein Spiegelbild, welches mich mit völlig zerzausten Haaren und von der Müdigkeit leicht verschwollenen Augen ansah. Ich hatte gerade nicht wirklich meinen besten Freund geküsst. Ich wollte gar nicht wissen, was Basti jetzt von mir dachte und ich hatte so unglaublich Schiss davor, unsere komplette Freundschaft zerstört zu haben. Und das nur wegen dieser einen dummen Aktion. Ich raufte mir aufgebracht die Haare. In meinen Augen brannten Tränen, schon zum fünften Mal in vier Tagen. Und der vierte Tag hatte gerade erst angefangen. Wann war ich eigentlich so weinerlich geworden? Ich ließ mich, mit dem Rücken an die Badewanne gelehnt, auf den Boden sinken und rang verzweifelt nach Luft.
Wieso war ich eigentlich so ein Vollidiot? Wenn ich Basti so gesagt hätte, dass ich Gefühle für ihn hatte, wäre das Ganze ja vielleicht sogar noch gut gelaufen, vielleicht hätte er es einfach akzeptiert und wir wären weiterhin beste Freunde gewesen. Vielleicht hätte ich irgendwann eine andere Person gefunden und zwischen mir und Basti wäre wieder alles normal geworden. Aber nein, ich musste ja auf die vollkommen bescheuerte Idee kommen, Basti einfach so aus dem Nichts auf den Mund zu küssen, und somit vermutlich alles zwischen uns zu zerstören.
Ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen und weinte Stumm. Mir rannen Tränen über die Wangen, aber ich musste nicht schluchzen.
„Kevin?", kam es vorsichtig von draußen. „Hm?", erwiderte ich leise. „Kann ich reinkommen?", bat mich Basti. Ich schniefte einmal laut und wischte mir über die Augen. „Ist aufgesperrt", murmelte ich, mein Gesicht immer noch hinter meinen Händen versteckt. Ich hörte, wie die Badezimmertür geöffnet wurde und Basti langsam auf mich zu kam und sich schließlich neben mich, auf den Boden setzte. „Weinst du?", bemerkte Basti. Seufzend nickte ich. „Sieht so aus." „Hey Kevin, es ist alles in Ordnung", meinte Basti ruhig und legte einen Arm um meine Schultern. „D-du bist mir nicht böse?", hakte ich ungläubig nach. Basti schüttelte den Kopf.
„Ehrlich, ich finde, es hat sich sogar irgendwie schön angefühlt." Ungläubig sah ich Basti an. „Das glaubst du doch selber nicht." „Wieso nicht?", entgegnete Basti. „Weil du ne Freundin hast, verdammt! Und eure Beziehung super läuft", fuhr ich Basti schroffer als ursprünglich geplant an. „Du hast schon so oft gesagt, dass du straight bist, Basti. Wieso solltest du dann jetzt plötzlich deine Meinung ändern und auf deinen besten Freund stehen?"
„Lena und ich haben uns getrennt", sagte Basti leise. „Was?", entfuhr es mir. „Wie...wann...warum hast du mir nichts erzählt?", stammelte ich. „Weil ich dich nicht mit meinen Problemen belasten wollte. Es ist so ziemlich zeitgleich mit deiner Trennung von Masha passiert. Und es war eine friedliche Trennung, also hab ich gedacht, ich kümmere mich erst mal um dich, und erzähl dir dann davon", erklärte Basti. „A-aber wieso?", verlangte ich zu wissen. „Es lief doch so gut zwischen euch, dachte ich." Basti nickte. „Ja. Ja, es lief wirklich gut", bestätigte er. „Aber...sie hat Gefühle für eine andere Person entwickelt", erzählte mein Gegenüber. „Und ich auch", fügte er leise hinzu. „Echt?", wollte ich wissen. In meinem Bauch machte sich ein unangenehmes Gefühl breit: Eifersucht. Basti nickte. „Wer...wer ist denn die glückliche?", fragte ich und versuchte, so normal wie möglich zu klingen. „Es ist keine Frau, Kevin."
Wow. Das kam jetzt richtig unerwartet. Also hab ich vielleicht doch ne winzige Chance.
Okay Gehirn, Shut up! Das Ganze ist sowas von unrealistisch. Das hier ist keine kitschige Fanfiction.
„Kannst du mich noch mal küssen?", flüsterte Basti. Ich schreckte aus meinem Gedankengang hoch und sah in leicht verwirrt an. „Sorry, was?" „Küss mich noch mal", forderte Basti auf und sah mir fest in die Augen. Ich schluckte trocken. Das hier passierte gerade nicht wirklich, oder?
Langsam kam ich seinem Gesicht näher, ohne den Blick von seinen blaugrünen Augen abzuwenden. Ich legte meine Hand an Bastis Wange und zog ihn ein Stück zu mir herunter. Dann überbrückte ich die letzten Millimeter und verband vorsichtig unsere Lippen.
Mein Herz raste in meiner Brust und ich hatte das Gefühl, dass in meinem Bauch tausende von Schmetterlingen flatterten. Bastis Lippen waren unglaublich weich und die Art, wie er sie sanft gegen meine bewegte war so ziemlich das Schönste, was ich je gefühlt hatte. Es fühlte sich ganz anders an als bei Masha, viel gefühlvoller und viel intensiver.
Schließlich löste Basti sich wieder von mir und sah mich leicht lächelnd an. „Ich glaube, wir sollten jetzt echt schlafen gehen."
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