«20» Auf zu neuen Ufern
𝔰𝔬𝔫𝔤: machine,
Imaginr Dragons
Ich strich mir gefühlt zum hundertsten Mal eine Haarsträhne aus dem Gesicht und steckte sie notdürftig hinter mein Ohr. Ein genervtes Schnauben folgte. Wenn dieser kleine idiotische Elbenbastard von Erestor mir meine Tasche nicht hätte wegnehmen lassen, hätte ich jetzt dammich nochemal einen Haargummi zur Hand gehabt. Aber neeeiinn. Mit meiner Tasche konnte ich Atombomben bauen, Ringe schmieden oder whatever, weswegen der erste Berater Elronds ja der Meinung war, dass ich sie nicht in meinen kleinen gefährlichen Pfötchen halten durfte. Oh wie gerne hätte ich ihm seine höhniche Visage so eingedellt, wie er Glorfindels eingeebnet hatte. Leise Schmerzenslaute waren hier und da von eben genanntem zu vernehmen, als wir einen, für mich nicht erkenntlichen, Weg Richtung eines - mir ebenfalls nicht bekannten - Ortes - der aber mit ziemlicher Sicherheit Bruchtal sein dürfte - liefen. Und das in einem Tempo, was einem normalsterblichen - der, anbei, vor zwei Stunden noch die Größe eines VW Tiguans hatte und Feuer spucken konnte...- definitiv nicht bekam.
Also an sich gegen Laufen generell hatte ich nichts, aber mein Laufen mit gemäßigten Tempo auf dem Laufband, weil ich keine Kondition habe, und der Elben Gewaltmarsch über Berg und Tal, Stein und verdammt noch mal Stein unterschieden sich dann doch in gewissen Punkten. Noch dazu möchte ich garnichtmehr mitzählen, welche Nummer der Kiesel hatte, über den ich jetzt nun wieder hinwegflog. Ächtzend rappelte ich mich mir knirschenden Knochen hoch und stolperte wie ein betrunkener Zombie weiter.
Ganz ehrlich? Ich hatte so die Schnauze voll. Meine anfängliche Begeisterung, getrübt natürlich durch die Tatsache, dass ich jetzt einen Ursaurier von anno dazumal in mir beherbergte, war sichtlich geschwunden, geschweigedenn, dass sie überhaupt noch vorhanden war, nachdem die Elben, allevoran Erestor, sich von ihrer besten Wir-verachten-Menschen-Seite gezeigt hatten und mir trotz meiner offensichtlichen Erschöpfung der Gewaltmarsch des Todes persöhnlich aufgebrummt hatten.
Doch zum Anfang: Nachdem Erestor auf Glorfindel losgegangen war, wie ein Hund auf frischen Speck, sie sich geschlagene zwei Minuten nach allen Regeln der Kunst verdroschen hatten und Elladan und Elrohir sie nur mit Mühe und Not voneinander lösen hatten können, starteten wir talaufwärts Richtung Bergkuppel, welche nach Mordssteigungen auch überraschenderweise schnell erreicht war. Das könnte natürlich auch einfach daran liegen, dass ich einfach mitgezogen wurde. Mies dreinschauend kickte ich Schutt durch die Gegend und den Hügel hinunter. Mein Arm würde morgen bestimmt nicht nur einen blauen Fleck haben...
Die Serpentinen hatten den Aufgang länger Aussehen lassen, als er wirklich war. Doch wie gesagt, der schmale, staubige Weg an die Spitze war nach kürzester Zeit - meine Pausen mal außer acht gelassen - bezwungen. Aber da ich ja in Begleitung von unfehlbaren und leichtfüßigen Elben war, hatten die wohl die Meinung gehabt, mich nicht über die Stolpersteine in Kenntnis setzen zu müssen. Vorausgesetzt, sie hatten die Dinger in ihrer Göttlichkeit überhaupt wahrgenommen. Also saß ich jetzt hier, hinter einem Stolperstein, auf hartem Fels und versuchte meine - aufgezwungenen - Begleiter mit Blicken zu töten. Da aber anscheinend selbst ein Drachenwirt nicht dazu fähig zu sein schien, blieb es bei versuchter thelepathischer Vernichtung mittels innerem Sarkasmus.
Noch dazu bemerkte ich auch immer häufiger kleine weiße Sternchen über mein Blickfeld tanzen und mit wachsender Sorge auch den Schwarzen Rand, der sich langsam aber sicher in meinem Sehareal breitmachte. Beim Laufen verschwand er nach einiger Zeit wie von selbst, aber jedesmal, wenn meine Knie mit dem Boden Bekanntschaft machten, blitze er erneut auf und tauchte meinen Körper in Schmerzenswellen. Keine schöne Erfahrung. Aber wenigstens etwas, was ich -mehr oder weniger- mit einem meines Geleitschutzes teilte. Der blonde Elb, Glorfindel, nämlich, litt, den Schmerzenslauten vorhins nachzuweisen, an ähnlichen Qualen. Lustigerweise hatte mich dieser Name, kurz nachdem wir gestartet waren, so aus dem Konzept gehauen, dass ich eine Zeitlang an nichts anderes denken konnte. Glorfindel war ja selbst unter Elben legendär...oder ich lief hinter einem Zombie...
Einem mit Schmerzen, wohlgemerkt. Doch Glücklicherweise fühlte auch Erestor so, welcher aber mit stoischer Miene vor sich hinstapfte und gewillt war, niemanden Schwäche sehen zu lassen. Anhand seinem Gang konnte man jedoch klar erkennen, dass er, als Glorfindel einer seiner Attacken gekontert hatte, einen ordentlichen Schlag in Rippenhöhe hatte einstecken müssen. Also hatte man doch selbst wenn man ein Elb, anscheinend trotzdem noch keine Bekanntschaft mit der Wunderheilung gemacht. Ha! Ihr Loser. Ich besitze wenigstens Schmerzmittel in meiner Tasche.
....meine Tasche....die Tasche, die du nicht hast?
Ah, das Stimmchen, auch wieder zurück. Meine Augen wanderten quasi von selbst hoch in die Höhlen. Wie schön es doch immer ist, alte Bekannte zu treffen. In etwa so erwünscht, wie vergorene Milch zu trinken. Bloß dass man Bekannte beim Namen nennen konnte...oder besser gesagt sollte. Falls die denn einen hatten, dachte ich mir. Es ist also an der Zeit, mir für ,,Stimmchen", mit dem kratzigen Bassdrachenorgan, einen Namen zuzulegen.
Angepisst spielte ich mit kleinen Kieseln, während meine schwarzen Leggings den Sraub förmlich anzogen und der Körnchenreiche Weg mir Löcher in die Beine bohrten. Ich hatte wirklich keinen, nicht den kleinsten Drang, mich vom Boden loszulösen und dem schweigsamen Pack von Schönlingen zu folgen. Missmutig starrte ich ihnen hinterher. An der Spitze stampfte - man kann sich denken, wer auch sonst?- Erestor voran. Zuletzt hatte ich ihn noch mit verbissener Miene gesehen, jetzt war mir nur der grüngräuliche Rückenstoff seiner...Tunika? zugewandt. Selbst nach Jahren des Fangirlings war mir nicht klar, ob es nun eine Tunika war oder nicht. Meinesachtens waren Tuniken nur die Langärmlichen und langrockigen Kleidungsstücke. Obwohl die vier Elben hier auch lang- oder mittellange Ärmel trugen, war ich mir nicht so sicher. Aber man kann ja nicht alles wissen.
Zurück zu meinen Begleitern. Vornab Erestor hatte ich schon erwähnt. Hintendran brummelte Glorfindel, sein Gesicht mit einem kleinen weißen Verband umwickelt, komplett in beige Töne eingekleidet. An seiner Seite lief Elrohir, bedeckt mit Kleidung rostroter Färbung. Zwar trug er eine schwarze Weste über seiner langärmlichen Tunika, aber ob das als Tarnung reichte? Ich persöhnlich konnte aus meiner Erfahrung - drei Stunden in der Luft - sagen, dass selbst ein Maulwurf sowas aus achthundert Metern Höhenunterschied Entfernung locker bemerkte. Aber gut, um meine liebsten Kumpels wiedermal zu zitieren:,,Wer nur schwarz trägt, der sollte mal ganz ruhig sein, was den Kleidungsstücke andere Leute angeht!". Tja, wo sie Recht haben...
Elrohir war auch derjenige, der Erestor immer mal wieder angeschnauzt hatte ne Pause zu machen. Ob er das wegen seinem 'Patienten', Glorfindel,
-wers glaubt wird selig, der Dude ist ein Tank- gemacht hatte, oder seine Laufstopps nur zufällig auf meine Stolperfälle fielen, kann ich nicht sagen. Was ich jedoch sagen konnte, war, dass Elrohir mir von den vieren am bisher am symphatischsten vorkam. Klar, Elladan schien bisschen humorvoller drauf, Glorfindel war nach wie vor eine Legende, aber Elrohir hatte diese grimmige, unnachgiebige Ruhe, die ich ungemein an ihm bewunderte. Ebenfalls hatte er ohne zu Klagen des blonden Elb Gesicht eingewickelt und Erestor, egal wie engstirnig er sein wollte, seine Seite untersucht und für Ruhepflichtig befunden hatte. Tja, merkste selber...klappt irgendwie nicht.
In der Mitte, hintendran an Erestor folgte der bartschattige, braunhaarige Sohn Elronds, Elladan, mit dunkelgrüner Tunika. Er verlies immermal den Weg, um nach rechts und links zu schaunen, sich umdzudrehen um sich nochmal umzudrehen und dann wieder zurück zu seinem Platz vor Elrohir und Glorfindel zu dackeln. Ob er nun an ADHS litt, nach Feinden Ausschau hielt oder einfach nur die Aussicht genießen wollte, war mir noch nicht ganz klar.
Zwar schwebte der Staub nach meinem Sturz noch in der Luft herum, trotzdessen sog ich einmal tief Luft ein. Nur so um zu testen, wie ich denn schnuppern konnte...Und hätte beinahe das große Fluchen bekommen. Boah, was ein sandiger Drecksgeschmack. Mich schüttelte es. So eine schlaue Idee auch, bei versmogter Luft einmal tief zu inhalieren. Aber anyways...Mein Geruchssinn funktionierte wieder einwandfrei. Vorhins, an der Höhle, war er durch die Transformation noch tot gewesen, doch während des Weges hatte er sich in Schüben bemerkbar gemacht, ehe er sich vor ein paar Minuten ganz entfaltet hatte. Ich roch nun den rauchig-kohligen Geruch meiner Kleidung - und mich stinkiges selbst, nadelig-holzigen Geruch, der an meinen Fußsohlen hing und wen ich so in die Luft schnupperte...den Geruch von...Regen? Etwas verwirrt zog ich die Augenbrauen kraus. Es duftete nach Feuchte, so dämlich es sich anhören mag, und nach etwas, was ich nicht genau bestimmen konnte, aber definitiv schonmal gerochen hatte...aber kein Plan wo.
Angestrengt versuchte ich mich zu erinnern, woher ich diesen mentholartig-beißenden Geruch kannte. Meine Augenbrauen wanderten immer näher aneinander. Mühselig schlichen meine Gedanken voran, meine Hände knibbelten wie von selbst an Kieseln herum. Dann schoss es mir wie ein Donnerkeil in den Kopf.
Stickstoff! Das war es!
Ok, mag ungewöhnlich klingen, laut Googel und dem Rest der Welt riecht Stickstoff ja angeblich nach nichts. Mein Gehirn identifizierte Stickstoff jedoch immer mit Mentholbonbons und beißend-scharfem Geruch. Was wohl der Grund sein mag, dass ich in der Chemiearbeit nur ne zwei plus abgestaubt hatte. Aber woher sollte ich das auch wissen? Ich habe immer gedacht, dass es für alle gleich geruchsintensiv riecht!
Aber auch egal. Stickstoff lag also in der Luft. Was fällt mir denn dazu ein...? Lass mich überlegen. Ich schmiss den jetzigen, kleingemahlenen Kiesel weg und nahm einen neuen zur Hand. Zusammen mit Sauerstoff - der für mich anbei wirklich mal geruchlos ist - und Wasserstoff oder Wasserstoffdampf oder was das war, wurden ihre Moleküle bei Gewittern gespalten und die Gase in die Umgebung gesetzt. Ich musste lächeln. Es kam also ein Gewitter. Ein Glück hatte ich als neuer Wetterfrosch kein Schwefel gerochen. Später wäre hier noch sauere Regen niedergegangen. Meine Mundwinkel senkten sich wieder nach unten und ich sog nochmal kräftig Luft ein. Die altbekannten Gerüche, doch kein Dunst von anderen Gerüchen wie Spinnen, von denen ich dem Geruch schon bekanntgemacht wurde. Bei Orcs ist unklar, wie sie riechen, aber ich konnte mir ziemlich gut vorstellen, wie die Viecher duften könnten. Faulig, schwefelig und vergoren.
Dann erregte etwas anderes meine Aufmerksamkeit. Ich schnupperte mehr. Lehnte mich nach vorne. Stolperte dahinwärts. Blumige Frische zog mir in die Nase, fruchtige Orchidee, samtige Tulpe. Dann der Geruch von Harz. Kiefer, Fichte. Wie auf Drogen sog ich weiter, in der Hoffnung auf mehr. Dann witterte ich einen nicht so süßen, dafür aber einen sehr narkotisierenden Geruch mit einem Hauch von angenehm pilzig. Der Name der Blume lag mir förmlich auf der Zunge. War es eine Dalie? Nein, nein, dass passt nicht. Als wäre ich im Rauch zischten meine Gedanken ohne Sinn und Verstand hin und her. Der letzte Geruch hatte mich völlig aus den Socken gehauen. Doch auf einmal legte sich meine Highness wieder und mit der Subtilität einer Dampfwalze brannte sich noch ein weiterer Geruch ein. Altes Pergament, der Gruch, der an neugekauften Bücher haftete und...und eine zarte Holznote, durchzogen von einer grünen Regenwaldfrische.
Wie in Trance blickte ich meinen Vier Begleiter entgegen hinterher, welche sich schon darangemacht hatten, Richtung Schneegrenze weiterzustapf...gut, weiterzuschweben, ich gebe es ja zu. Dieser Gedanke hatte mich aus meinem High geholt. Enttäuscht blickte ich zu Boden und warf den letzten, halb zerstörten, Kiesel weg.
Dann erhob ich mich mühselig, ignorierte gekonnt die Sternchen vor meinem Auge, klopfte den Staub aus meinen Klamotten und machte mich daran, den Grazien zu folgen.
Na dann, auf auf. Ich kickte einen Stein genervt zur Seite. Das kann ja noch ein heiterer Gewaltmarsch werden. Falls ich nicht schon vorher umkippen sollte.
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