<____[|𝚃𝚊𝚎𝚑𝚢𝚞𝚗𝚐 |]____>

„Ja, ich bin blind auf einem Auge!".

Ich merke wie ich augenblicklich vor Scham rot werde, weshalb ich mit meinen Händen in der Luft rumfuchtel und mich entschuldige.

„Das war nicht so gemeint...also ich wollte dich nicht so anstarren...Entschuldige...ich war einfach nur überrascht und...", stottere ich rum und mache alles nur noch schlimmer, als zu allem Überfluss als Topping meiner peinlichen Situation auch noch meine Bauch anfangen muss zu knurren. Ich reiße meine Augen etwas auf, blicke starr in die überraschten Gesichter vor mir und schlage mir dann eine Hand vor meine Augen.

Ich lass es diesmal gleich mich zu Entschuldigen, weil es eh nicht mehr schlimmer werden könnte. Fehlt nur noch, dass ich gleich auf die Fresse fliege und im Dreck lande...Am liebsten wöllte ich einfach nur noch vom Erdboden verschluckt werden, als Hyeong-Joon auch noch anfangen muss zu lachen.

„Man du bist ja komplett neben der Spur! Nicht das dein Kopfanstoß noch irgendwelche Nachfolgen hat und du deshalb so verplant bist", lacht er los, woraufhin Kaito und Yuuto ebenso grinsen müssen.

„Wie wärs, wenn ich dir was Essbares mache und du ziehst dich erstmal um, weil so kannst du nicht länger rumrennen!", lacht der Weißhaarige Jian Kaito und blickt an mir herab. Geschockt blicke ich an mir herunter und bemerke dann einmal, in was ich überhaupt rumrenne.

An mir herab hängt ein lockeres, weißes, opahaftes Hemd, welches komischerweise bis zu meinen Knie geht. Der weiße Fetzen schwabbelt an mir herum und hängt wie ein Bettlacken an mir herab. Und das Beste an diesem Fetzen ist noch, dass der oberste Teil, der Ausschnitt bis auf weiteres aufgeknöpft ist, mehr, weil die Knöpfe einfach abgefallen sind, und meine halbe Brust dabei bloßgestellt wird.

Ich denke gar nicht länger nach und drehe mich um 180°, sprinte mit meiner Höchstgeschwindigkeit auf die am Ende des Zimmers liegende Treppe zu und springe in das Obergeschoss. Und ich dachte Tenian würde schlimm werden weil ich meinen Eltern näher währe und von Jungkook auf unbestimmte Zeit getrennt. Aber da hatte ich mich ma wieder massivst getäuscht. Das hier ist tausendmal schlimmer als alles Andere.

Ich kann aus dem Erdgeschoss nur lachende Stimmen hören und darauffolgende Schritte, während ich  so schnell wie möglich meine Umgebung absuche und nach meiner Rüstung Ausschau halte. Ich stürme auf den kleinen Schrank in der hintersten Ecke neben dem Fenster zu, wo es am wahrscheinlichsten sein wird, dass sich dort unsere Sachen befinden. Ich hoffe doch mal, dass Hyeong-Joon so gütig war und auch dafür gesorgt hat, dass meine Sachen mit vom Pferd sind und jetzt nicht noch irgendwo an diesem Pferd hängen...

Erleichtert lasse ich die Luft aus meinen Lungen, als ich doch tatsächlich meine Rüstungen finden kann, direkt neben den von Hyeong-Joon. Ich kramme meine heraus und reiße mir förmlich diesen Fetzen vom Leib, steige in meinen schönen, ledernen Schutz.

Ich merke, wie jemand den Raum betritt, weshalb ich schließlich fast schon wissend feststelle: „Du hast mich in dieses Ding gesteckt, oder? Wo hast du das überhaupt her? Das ist ja grauenvoll!". Mein Freund lacht belustigt auf und lümmelt sich an die Wand, schaut mir dabei zu, wie ich auch noch den oberen Teil meiner Rüstung um mich gewickelt kriege, sodass alles fest sitzt.

„Frag mich nicht, wo ich das her hab, aber es musste auf die Schnelle eben etwas her, wo du drinn hast schlafen können. Das deine ach so geliebte Rüstung dafür ungeeignet ist, sollte dir auch bereits aufgefallen sein. Kaito und Yuuto haben mir das Ding gegeben. Anscheinend haben sie es aus einer alten Kiste von ihnen ausgegraben!", lacht er nur belustigt. „Man. Ich hatte selbst was einstecken!".
„Gut möglich, aber so wars lustiger. Ich wollte dich schon immer Mal in so einem Outfit sehen. Wer weiß, ob ich das jemals wieder zu Gesicht bekommen werden in unserem Leben!".

Ich schüttel nur empört mit meinem Kopf und gehe an ihm vorbei nach unten, das Hemd in meiner Hand.
Im Erdgeschoss wieder angekommen drehe ich mich nach links in die kleine, schmale, aber prakmatische Küche und finde dort abermals die Älteren vor, die sich schon wieder über irgendetwas zoffen, was mir jedoch buggi ist und ich sie unterbreche.

„Wie alt seid ihr bitte, dass ihr zum einen soetwas zu Hause rumlungern habt und gleichzeitig ihm das dann auch noch andrehen musstet?", motze ich sie geradeheraus an und zeige auf Hyeong-Joon, welcher mir gefolgt war und hinter mir sich zusammen reißen muss, um nicht gleich loszuprusten.

„Ey. Du sahst super darin aus!", lacht Kaito ebenso. Schön, dass sie wenigstens Spaß haben.
„Und um deine andere Frage zu beantworten", achtet wenigstens Yuuto auf mich, „ich bin 42 und er ist...-".
„Halt ja den Mund! Ist nicht wichtig wie alt ich bin. Hauptsache ich seh jünger aus!".
„Du klingst wie mein Großvater! Soll ich dir sein Hemdchen lieber geben. Wir hätten vielleicht tatsächlich dich lieber dort reinquetschen sollen, als Taehyung!".
„Als ob ich so einen Fetzen anziehen würde! So alt bin ich nun auch wieder nicht!", kontert der Weißhaarige.

Ja, aber ich!

Ich verkneife mir jedoch den Kommentar und massiere mir meine Schläfen etwas. Die sind definitiv schlimmer als ich und Jungkook...das ist ja kaum auzuhalten...

„Könntet ihr bitte...aufhören! Meine Kopfschmerzen werden dadurch nicht besser!", murmel ich auf mich konzentriert und stapfe die wenigen Schritte nach draußen um etwas frische Luft zu bekommen und mein Hirn auszulüften. Ich lasse mich auf die Veranda fallen, als mir wenige Augenblicke später bereits etwas Essbares unter die Nase gehalten wird.

„Hier iss erstmal was. Vielleicht liegt das auch bedingt daran!", lächelt Kaito auf einmal wieder netter und reicht mir den Teller, welchen ich entgegen nehme.
„Ja. Schiebs jetzt ruhig auf fehlende Ernährung und umgehe so deinen Fehler, dass du mit ihm die halbe Wand eingerissen hast!", flüstert der Schwarzhaarige neckend, welcher sich schließlich neben mich hockt. „Sind die Schmerzen gar nicht besser geworden?". Ich schüttel nur mit dem Kopf und greife nach dem Sandwich. „Mag zwar ganz in Ordnung geschmeckt haben, aber helfen tuts nicht wirklich!".

„Bist du hohl? Du solltest das nicht essen. Mensch! Das hilft nur, wenn du die ätherischen Öle auf deine Stirn reibst. Du solltest das nicht essen, sonder an deine Stirn reiben! Oh manno man!", schüttelt er mit dem Kopf. Ich höre jedoch nur halb zu, mehr fixiert auf mein Essen, welches ich mir gierig in den Mund stopfe. Zu meinem Überraschen schmeckt es gar nicht mal so...wie ich anfangs dachte für Kaitos Verhältnisse. Aber ist eben immerhin auch nur Brot mit Gemüse und Fleisch dazwischen.

Aus dem Augenwinkel bemerke ich, wie der Hutträger etwas aus seinem Gewand kramt und das kleine Flächschen mir schließlich an die Stirn tupft.
„Ich hab immer was dabei, also wenn was sein sollte. Frag einfach!", meint er höflich und hockt sich schließlich neben mich. Hyeong-Joon, welcher sich die ganze Zeit über eher bedeckt und ruhig verhalten hatte, lehnt sich an die Säule vor uns und blickt meinen rechten Nachbar an.

„Brauchst du das Zeug permanent wegen deinem Auge?". Der Schwarzhaarige nickt und zieht schließlich seinen Hut vollständig runter, sodass er an einem Strick an seinem Hals baumelt.
„Ich denke, wir sollten es euch generell Beiden erzählen, damit ihr wisst, mit wem ihrs überhaupt zu tun habt! Also... Wie bereits gesagt bin ich blind auf meinem linken Auge. Also fast blind. Ich kann noch wenige Umrisse erkennen, aber sonst wars das. Anfangs war es noch nicht so schlimm, aber von Zeit zu Zeit und von Kampf zu Kampf wurde es nun einmal nicht besser. Ich hab mir das Auge und die Narbe hier bei dem Vorfall vor 23 Jahren vollzogen...und dabei bin ich noch klimpflich dabei rumgekommen...viele mussten ihr Leben an diesem Tag lassen...auf jeden Fall. Ich habe gelernt damit umzugehen. Meine Sehstärke ist auf meinem rechten Auge immer noch perfekt, aber durch die Wunde bekomme ich oft Kopfschmerzen, deswegen habe ich eben auch immer was dabei! Und Kaito...".

Ich wende meinen Blick zu dem Weißhaarigen, welcher sich daraufhin auch zu uns auf den Boden hockt und sich im Schneidersitz hinhockt. Er atmet tief durch und schiebt auf einmal seine langen Haarsträhnen von seiner rechten Gesichtshälfte weg, zeigt uns seine Haut darunter.

Ich blicke ihn etwas geschockt an, als ich die riesige Brandnarbe auf seiner Haut entdecke, die noch relativ jung aussieht. Die muss noch schmerzen wie Hölle...

„Ihr wart doch teilweise sogar selbst dabei...vor einigen Tagen. Der Angriff auf Nuliria. Auch wir wurden in die Stadt zitiert und ja...dabei ist das hier entstanden. Mich hat ein brennender Pfeil gestreift und ja...ich kann es dem Schützen nicht mehr übel nehmen, den er wurde gerade abgeschlachtet. War ein ungünstiger Zeitpunkt...ein Unfall. Ich muss anmerken. Ich sehe noch besser als er, dennoch wird es noch etwas dauern, bis ich wieder ordentlich und ohne jegliche Probleme sehen kann. Wenn es überhaupt je wieder so kommt. Aber man lernt damit eh umzugehen. Es muss ja. Also bitte behandelt uns nicht wie Schwerbehinderte!".

Einige Zeit herrscht Stille zwischen uns. Nur der kühle Herbstwind streift durch die Bäume und bringt die Blätter zum Rascheln. Einige wenige Vögel zwitschern noch in den Baumkronen und ich hänge meinen Gedanken nach.

Ich hätte nie gedacht, dass sie wirklich so drauf sind...ich weiß selbst nicht, was ich mir genau vorgestellt hatte...ich kannte die Jian Tenians nicht wirklich. Aber irgendwie hätte es mir klar sein müssen. Wenn sie in ihren 40-igern noch leben und es soweit gebracht haben...logisch, dass diese Jahre voller Kämpfe und Krieg nicht spurlos an einem vorbeiziehen, egal wie gut trainiert sie sind. So ist das nun einmal...

„Deshalb diese Kampftechnik....", murmel ich mehr zu mir selbst und merke es nicht einmal, dass ich es laut ausgesprichen habe. Yuuto und Kaito lachen laut auf.

„Wenn das das Einzige ist, was dir dazu einfällt!".
„Aber ja. Ich musste schließlich irgendwie damit umgehen können und meine Schwäche zu einer Stärke machen, vor 23 Jahren. Ich hab nicht nur trainiert, mich im Kampf mehr auf meine anderen Sinne zu verlasssen, weil ich meine Augen nicht überfordern will. Deswegen auch der Hut. Ich kämpfe also ausschließlich blind, falls du das noch fragen willst. Zudem haben wir uns eine eigene Kampftechnik ausgedacht, die uns auch schon weit gebracht hat. Ein Speer und ein Schild sind ja schön und gut. Zwei Speere gleichzeitig vielleicht auch ab und zu effektiv, aber wenn man sich eben wie Licht und Schatten bewegt und sich komplett aufeinander einlässt, kommt man mit den eigenen Schwächen besser zurecht. Erst Recht, nachdem diese abgeschwächt wurden, nicht!".

„Das ist der Wahnsinn!", gebe ich verplüfft von mir und benehme mich wahrscheinlich wie ein kleines Kind, aber wenn juckts. Ich werde wahrscheinlich eh weiterhin als der Jüngste, wie ein Kind behandelt werden, also kann ich mich auch ab und zu so verhalten.

„Wie macht ihr das?", frage ich interessiert, woraufhin Kaito dem Schwarzhaarigen einen intensiven Blick schenkt. „Wir kennen uns eben schon ewig und in und auswendig!". „Wir können es euch gern versuchen davon etwas beizubringen!", schlägt Yuuto zu, weshalb ich begeistert mit dem Kopf nicke. „Das wäre schon eine wundersame Waffe!", gibt auch Hyeong-Joon erfreut von sich.

„Wir müssen uns ja immerhin irgendwie um unsere Jüngeren kümmern, nicht!", springt Kaito auf und lümmelt sich über die Schulter des Huttragenden neben mir.

„Aber erst haben wir noch etwas anderes zu tun! Wir müssen euch einweisen!".

<____[|益|]____>