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Kapitel 32

"Würdest du vielleicht ein Foto von mir machen?", fragte ich am nächsten Tag in den Umkleideräumen kurz vor Dienstbeginn. Nakamura, der sich gerade sein Shirt über den Kopf gezogen hatte, starrte mich ungläubig an.
"Ein Foto? Wofür? Willst du dir einen Instagram Account zulegen?"
"Machst du es oder nicht?", knurrte ich, ohne auf seine Frage einzugehen.
"Hmm erst, wenn ich weiß wofür", grinste er verschwörerisch.
Ich seufzte und zog mir dann den weißen Kittel über.
"Ich habe versprochen ihr eins zu schicken."
Nakamura wurde schlagartig hellhörig.
"Ihr? Du meinst...deiner Stalkerin? Hast du ihr etwa deine Nummer gegeben?"
"Sieht wohl so aus."
"HA, ich wusste, dass du sie magst. Ich wusste es", sagte er triumphierend, während ich nur schweigend meine Haare zusammenband. "Da ist man mal ein Tag nicht da und schon passieren die unglaublichsten Dinge. Aber davon mal abgesehen: sie ist doch sowieso jeden Tag hier. Da könnte sie das Foto doch eigentlich selbst machen."
"Ich habe ihr gesagt, dass es besser wäre, wenn sie nicht mehr herkommt."
Diesmal war er so geschockt, dass er mitten in seiner Bewegung erstarrte.
"Ich glaube jetzt versteh ich gar nichts mehr. Du magst sie, aber du schickst sie dennoch fort?"
"Uchida hat mich gestern in sein Büro zitiert und gemeint, dass sich angeblich jemand über sie beschwert hätte, wollte dabei jedoch nicht preisgeben, wer es war. Ich vermute es war irgendeine von den Schwestern."
"Bestimmt Rumiko. Der würde ich sowas zutrauen. Die hat schon von Anfang an ein Auge auf dich geworfen. Klar, dass ihr da eine andere Frau nur im Weg steht. Und alle hier wissen, dass sie ein hinterhältiges Miststück ist."
Ich hielt Nakamura schweigend mein Handy hin.
"Tu mir bitte einfach den Gefallen", bat ich ihn um Höflichkeit bemüht.
Er grinste und griff nach dem Telefon.
"Na gut, aber warum machst du nicht einfach ein Selfie?"
"Das liegt mir nicht so..."
"Okay, aber willst du ihr wirklich ein Foto von dir in deiner Arbeitskleidung schicken?", fragte er, während er mich etwas skeptisch musterte.
"Ist es nicht egal, was ich anhabe?", fragte ich schulterzuckend.
Er schnaubte und schüttelte mit dem Kopf.
"Du hast wirklich gar keine Ahnung von Frauen, oder?", meinte er kopfschüttelnd.
"Was soll ich deiner Meinung nach denn tun?"
"Du könntest die Kleidung einfach ganz ausziehen. Darauf steht sie bestimmt."
"Das werde ich garantiert nicht", widersprach ich unwirsch und war kurz davor ihm das Handy wieder zu entreißen.
"Schon gut. Die meisten Frauen stehen ja auf Uniformen. Also muss das vorerst ausreichen."
Er hob das Handy hoch und schaute auf das Display, während ich die Hände etwas steif in die Jackentaschen steckte und versuchte dabei einen neutralen Gesichtsausdruck aufzusetzen.
"Das sieht jetzt eher aus als würdest du für so eine spießige Arztbroschüre Modell stehen."
Etwas genervt verschränkte ich die Arme vor der Brust und sah ihn finster an. Nakamura drückte mehrmals aus den Auslöser und lachte.
"Ich glaube, wenn sie das sieht, schüchterst du sie eher ein. Mit diesem Blick kannst du Gegner beim Schachspielen in die Knie zwingen, aber mit Sicherheit keine Frau rumkriegen."
"Schach wäre mir in jedem Fall lieber."
Er wandte sich zu mir und zeigte mir die Fotos, die er gemacht hatte.
"Soll ich noch mehr machen? Dann könntest du nochmal versuchen freundlicher zu schauen."
"Nein, das muss reichen."
Ich nahm ihm das Handy wieder aus der Hand und schickte es schnell an Tsukis Nummer.
"Ist auch besser so. Wir sind eh schon zu spät dran. Der Chef macht uns sonst einen Kopf kürzer."
Auf dem Weg zum OP tippte ich noch schnell einen kurzen Text dazu.

𝙼𝚞𝚜𝚜𝚝𝚎 𝚟𝚘𝚛 𝚍𝚎𝚖 𝙳𝚒𝚎𝚗𝚜𝚝 𝚗𝚘𝚌𝚑 𝚎𝚒𝚗𝚎𝚗 𝙺𝚘𝚕𝚕𝚎𝚐𝚎𝚗 ü𝚋𝚎𝚛𝚛𝚎𝚍𝚎𝚗 𝚎𝚒𝚗 𝙵𝚘𝚝𝚘 𝚟𝚘𝚗 𝚖𝚒𝚛 𝚣𝚞 𝚖𝚊𝚌𝚑𝚎𝚗, 𝚊𝚋𝚎𝚛 𝚒𝚌𝚑 𝚑𝚊𝚝𝚝𝚎 𝚎𝚜 𝚍𝚒𝚛 𝚓𝚊 𝚟𝚎𝚛𝚜𝚙𝚛𝚘𝚌𝚑𝚎𝚗.

Erst nach der zweistündigen Operation fand ich Zeit erneut meine Nachrichten zu überprüfen, um zu sehen, was sie geantwortet hatte.

𝙳𝚞 𝚑ä𝚝𝚝𝚎𝚜𝚝 𝚗𝚞𝚛 𝚛𝚞𝚑𝚒𝚐 𝚎𝚝𝚠𝚊𝚜 𝚏𝚛𝚎𝚞𝚗𝚍𝚕𝚒𝚌𝚑𝚎𝚛 𝚜𝚌𝚑𝚊𝚞𝚎𝚗 𝚔ö𝚗𝚗𝚎𝚗, 𝚊𝚋𝚎𝚛 𝚍𝚎𝚛 𝚍ü𝚜𝚝𝚎𝚛𝚎 𝙱𝚕𝚒𝚌𝚔 𝚑𝚊𝚝 𝚊𝚞𝚌𝚑 𝚠𝚊𝚜. 𝙵𝚊𝚕𝚕𝚜 𝚍𝚒𝚎𝚜𝚎𝚛 𝙺𝚘𝚕𝚕𝚎𝚐𝚎 𝙽𝚊𝚔𝚊𝚖𝚞𝚛𝚊 𝚒𝚜𝚝, 𝚛𝚒𝚌𝚑𝚝𝚎 𝚒𝚑𝚖 𝚕𝚒𝚎𝚋𝚎 𝙶𝚛üß𝚎 𝚟𝚘𝚗 𝚖𝚒𝚛 𝚊𝚞𝚜.

𝙾𝚔𝚊𝚢 𝚞𝚗𝚍 𝚠𝚘 𝚋𝚕𝚎𝚒𝚋𝚝 𝚖𝚎𝚒𝚗 𝙵𝚘𝚝𝚘?

Ich hielt die Nachricht kurz, weil ich nicht viel Zeit hatte. Tatsächlich hätte ich auch gern ein Bild von ihr gehabt. Vielleicht war das sogar der einzige Grund, weshalb ich ihr angeboten hatte eines von mir zu schicken. So war es jedenfalls bedeutend unauffälliger ebenfalls eins von ihr zu verlangen. Nur Sekunden später traf eine neue Nachricht mit einem Foto ein. Als ich es öffnete, runzelte ich die Stirn. Es war ein Bild von einer weißen Katze mit langem Fell, die in einem viel zu kleinen Karton saß.

𝙳𝚊𝚜 𝚑𝚊𝚝𝚝𝚎 𝚒𝚌𝚑 𝚓𝚎𝚝𝚣𝚝 𝚎𝚑𝚛𝚕𝚒𝚌𝚑𝚐𝚎𝚜𝚊𝚐𝚝 𝚗𝚒𝚌𝚑𝚝 𝚎𝚛𝚠𝚊𝚛𝚝𝚎𝚝.

𝙳𝚞 𝚑𝚊𝚜𝚝 𝚓𝚊 𝚗𝚒𝚌𝚑𝚝 𝚐𝚎𝚜𝚊𝚐𝚝 𝚠𝚊𝚜 𝚏ü𝚛 𝚎𝚒𝚗 𝙵𝚘𝚝𝚘. 𝚄𝚗𝚍 𝙺𝚊𝚝𝚣𝚎𝚗𝚏𝚘𝚝𝚘𝚜 𝚐𝚎𝚑𝚎𝚗 𝚒𝚖𝚖𝚎𝚛.

Es war unverkennbar, dass es ihr Vergnügen bereitete mich zappeln zu lassen.

𝙼𝚊𝚌𝚑𝚝 𝚍𝚒𝚛 𝚍𝚊𝚜 𝚂𝚙𝚊ß?

𝙸𝚌𝚑 𝚠𝚎𝚒ß 𝚗𝚒𝚌𝚑𝚝 𝚐𝚎𝚗𝚊𝚞, 𝚠𝚊𝚜 𝚍𝚞 𝚖𝚎𝚒𝚗𝚜𝚝🤭

𝙳𝚞 𝚠𝚎𝚒ß𝚝 𝚎𝚜.

𝙷𝚊𝚋 𝚔𝚎𝚒𝚗𝚎𝚗 𝚂𝚌𝚑𝚒𝚖𝚖𝚎𝚛.

𝚅𝚎𝚛𝚐𝚒𝚜𝚜 𝚎𝚜 𝚎𝚒𝚗𝚏𝚊𝚌𝚑. 𝙸𝚌𝚑 𝚖𝚞𝚜𝚜 𝚓𝚎𝚝𝚣𝚝 𝚠𝚎𝚒𝚝𝚎𝚛𝚖𝚊𝚌𝚑𝚎𝚗.

Ich legte das Handy zurück in meine Schreibtisch-Schublade und ging anschließend zur täglichen Dienstbesprechung. Jedes Mal, wenn ich während meines Dienstes an der Bank vorbeikam, die sie sonst für sich beansprucht hatte und den Platz leer vorfand, machte sich ein Hauch von Enttäuschung in mir breit. Obwohl ich es ihr untersagt hatte zu kommen, war da ein winziger Funken Hoffnung, dass sie sich meinen Worten widersetzen würde. Ihre Abwesenheit fühlte sich falsch an und ich merkte, dass meine Gedanken den ganzen Tag immer wieder zu ihr zurück schweiften. Besonders beschäftigte mich die Frage, ob sie mich inzwischen so weit gebracht hatte ihre kuriose Geschichte zu glauben. Mein Verstand wollte sich noch immer gegen diese Möglichkeit wehren, doch auf der anderen Seite war da auch diese merkwürdige Vertrautheit in Tsukis Gegenwart und all diese seltsamen Déjà-Vu Momente für die ich keinerlei logische Erklärung hatte. Ich konnte nicht leugnen, dass ich Tsuki gern hatte, aber zur gleichen Zeit wusste ich auch nicht wie ich damit umgehen sollte, weil ich noch nie etwas vergleichbares für einen Menschen empfunden hatte. Zum ersten Mal wollte ich lieber Zeit mit jemand anderem verbringen verbringen als alleine mit mir selbst. Ihren Andeutungen nach waren wir in dieser anderen Welt offensichtlich ein Liebespaar gewesen, was bedeutete, dass wir nicht nur Gefühle füreinander, sondern auch körperliche Intimitäten ausgetauscht hatten. Zu Beginn fand ich den Gedanken daran eher befremdlich, doch inzwischen wäre ich wohl nicht einmal mehr abgeneigt davon. Sex hatte bisher nie einen hohen Stellenwert für mich gehabt. Als ich 17 war, hatte ich mein erstes Mal mit meiner Klassenlehrerin. Sie war damals 29 Jahre alt, also relativ jung für eine Lehrerin, attraktiv und hatte einen Faible für Jungs im Teenageralter. Und da ich schon immer ein überdurchschnittlich intelligenter Schüler gewesen war und in ihr Beuteschema passte, hatte ich schnell ihr Interesse geweckt. Getarnt unter dem sogenannten Deckmantel eines Spezialunterrichts für sonderbegabte Schüler nutzte sie meinen Wissensdurst aus um mir näher zu kommen. Und ich, der damals verzweifelt nach etwas suchte, das mich in irgendeiner Art und Weise emotional berührte, ging darauf ein, obwohl ich mir bewusst war, dass wir etwas Verbotenes taten. Da mich Regeln jedoch ohnehin nie sonderlich gekümmert hatten, war das sogar ein Grund mehr für mich auf ihre Annährungen einzugehen. Es kam wie es kommen musste und wir hatten einvernehmlich Sex während des Privatunterrichts, der irgendwann auch bei ihr zu Hause stattfand. Für mich war es zu dem Zeitpunkt auch nichts anderes als das. Unterricht. Sie lehrte mich wie man eine Frau berührte und sie zum Orgasmus brachte. Der Sex mit ihr stillte lediglich meinen Forscherdrang und ich war danach um eine Erfahrung reicher. Meine Hoffnung, dass es irgendwas in mir auslöste oder veränderte, blieb jedoch unerfüllt. Kurz darauf war das Ganze für mich schonwieder abgehakt. Ich meldete mich von ihrem Unterricht ab und sie war wochenlang wütend auf mich und ließ mich das im täglichen Schulunterricht auch deutlich spüren. Nicht lange danach hatte sie etwas mit einem Mitschüler am Laufen und wurde dabei erwischt. Sie wurde fristlos entlassen und verschwand von der Bildfläche. Seitdem hatte ich nie wieder auch nur den Versuch unternommen mich einer Frau zu nähern, weder emotional noch körperlich. Dem körperlichen Aspekt hatte ich ohnehin nur wenig abgewinnen können und was das andere anging, so konnte ich mir kaum vorstellen irgendjemanden in meine Gedanken zu lassen, die für Normalsterbliche oft eh viel zu komplex waren als dass irgendjemand sie verstehen würde. Oftmals verstand ich sie ja selbst nicht einmal. Zudem kamen nicht viele Menschen mit meiner brutalen Ehrlichkeit und meiner fehlenden Emphathie klar. Für andere war ich ein Soziopath. Niemand, mit dem man sich gern abgeben wollte. Für mich war das in Ordnung, da ich meine Zeit ohnehin lieber alleine verbrachte. Doch dann war da dieses Ereignis in Shibuya und mein darauffolgender Herzstillstand. Ich konnte es mir nicht erklären, aber etwas hatte sich seitdem verändert. Natürlich war ich nicht von einem Tag auf den nächsten zu einem liebenswerten altruistischem Mitmenschen geworden, aber dennoch hatte ich angefangen eingehender über mein Leben nachzudenken und über das, was ich in Zukunft damit anfangen wollte. Mir wurde allmählich bewusst, dass ich bisher alle Menschen, die sich in irgendeiner Art um mich bemüht hatten, von mir weggestoßen hatte. Manche hatten es verdient, andere eher nicht. Ich hatte Menschen verletzt ohne Rücksicht auf ihre Gefühle und das nur weil ich zerfressen war von Neid und meiner eigenen Arroganz. Ich habe immer auf andere hinabgesehen und mich für etwas besseres gehalten. Nachdem ich also ins Leben zurückgeholt wurde, hatte ich begonnen mich zu fragen, weshalb ausgerechnet jemand wie ich eine zweite Chance bekommen hatte, während die wirklich rechtschaffenden Menschen ihr Leben lassen mussten. Mir wurde klar, dass ich das Leben eigentlich nicht verdient hatte. Aus diesem Grund hatte ich beschlossen die zweite Chance, die mir gegeben wurde nicht nutzlos verstreichen zu lassen.
Mein früheres Ich hätte Tsuki wohl sofort in ihre Schranken gewiesen und ihr deutlich klar gemacht, was ich von ihrer lächerlichen Geschichte hielt. Hätte ich sie nur wenige Monate früher kennengelernt, hätte ich sie mit Sicherheit gehasst, weil sie all das verkörperte, was ich schon immer sein wollte. Doch inzwischen war ich so weit, dass ich sie für diese Fähigkeit ehrlich bewundern konnte ohne dabei Groll zu empfinden. Vermutlich bewunderte ich sie inzwischen sogar mehr als gut für mich war...
"Chishiya", flötete eine weibliche Stimme hinter mir. Ich sah nicht auf, weil diese Stimme bereits mehr war als ich von dieser Person überhaupt zur Kenntnis nehmen wollte. "Ich habe die Laborbefunde für deinen Patienten mit dem Astrozytom."
Sie reichte mir den Zettel mit dem Blutbild.
"Danke, Rumiko", sagte ich und nahm ihn entgegen.
"Gern geschehen. Wir haben lange nicht mehr Seite an Seite gearbeitet. Das ist wirklich schade. Ich habe gehört du verlässt uns bald um dein Studium abzuschließen."
"Richtig."
"Am Samstag feiere ich übrigens meinen Geburtstag im Yagen-Tei. Ich habe zufällig gesehen, dass du da frei hast. Hättest du nicht Lust mitzukommen? Ich würde mich wirklich freuen."
Es fiel mir angesichts der gestrigen Ereignisse schwer ruhig zu bleiben, weil ich genau wie Nakamura die starke Vermutung hatte, dass sie diejenige war, die sich beim Chefarzt über Tsukis Anwesenheit beschwert hatte. Schon am Tag zuvor in der Mensa hatte sie Tsuki nicht eine Sekunde aus den Augen gelassen und ihr hasserfüllte Blicke zugeworfen.
"Ich stehe kurz vor meiner Approbation. Denkst du wirklich ich habe gerade Zeit für sowas?", fragte ich mit missbilligender Miene.
Ihr Gesicht fiel innerhalb von Sekunden in sich zusammen und ich verspürte dabei einen kleinen Hauch von Genugtuung.
"Vielleicht ein anderes Mal?", fragte sie in hoffnungsvollem Ton.
"Ich denke nicht", sagte ich knapp.
"Falls du es dir überlegst. Hier ist meine Nummer."
Sie reichte mir einen kleinen Zettel, den ich kaum eines Blickes würdigte.
"Ich kann mich nicht daran erinnern um deine Nummer gebeten zu haben."
Rumiko presste ihre Lippen entrüstet aufeinander.
"Deshalb kann keiner dich ausstehen, Chishiya. Ich habe nur versucht nett zu sein und du benimmst dich wie ein arroganter Großkotz."
"Es ist mir eigentlich ziemlich egal, ob du mich ausstehen kannst oder nicht. Aber deine Definition von nett solltest du jedenfalls nochmal überdenken nach deiner armseligen Aktion gestern. Damit erreichst du nur das Gegenteil von dem, was du hier offensichtlich gerade versuchst."
Ich drehte mich um und ließ sie dann vollkommen sprachlos zurück, um zurück zu meinem Schreibtisch zurückzukehren und dort eine kurze Pause einzulegen. Hoffentlich vergingen die letzten beiden Wochen möglichst schnell, denn ich war mir sicher, wenn ich dieser Person nochmal über den Weg lief, würde ich es kein weiteres Mal schaffen so ruhig zu bleiben.
Als ich nach dem Smartphone in der Schublade griff und sah, dass eine Nachricht von Tsuki eingetroffen war, trieb das meinen Puls augenblicklich in die Höhe. Ich hatte sie unter den Namen Stalkerin eingespeichert und genau dieser ploppte jetzt auf dem Display auf.
Ich öffnete den Chat und las:

𝙸𝚌𝚑 𝚠ü𝚗𝚜𝚌𝚑𝚎 𝚍𝚒𝚛 𝚎𝚒𝚗𝚎𝚗 𝚊𝚗𝚐𝚎𝚗𝚎𝚑𝚖𝚎𝚗 𝙳𝚒𝚎𝚗𝚜𝚝 𝚑𝚎𝚞𝚝𝚎.

Das hatte sie vor mehreren Stunden geschrieben. Kurz darauf hatte sie ein Foto hinterher geschickt.
Diesmal war es wirklich eins von ihr selbst.
Sie hatte darauf ihr typisches unbeschwertes Lächeln aufgesetzt und trug ihre lockigen Haare locker in zwei niedrigen Zöpfen. Sie stütze mit einer Hand ihren Kopf ab und umklammerte damit gleichzeitig einen Stift. Scheinbar war sie also wieder mal beim Zeichnen. Bei dem Anblick ihres Fotos breitete sich ein angenehm warmes Gefühl in meiner Brust aus und ich musste automatisch lächeln. Ich betrachtete es eingehender und mir fiel auf, dass ihr Daumen und ihr Zeigefinger beim Festhalten des Stiftes ein Fingerherz formten. Es war schwer zu sagen, ob es nur Zufall oder Absicht gewesen ist, aber ich wollte lieber an Zweiteres glauben.

(*das Bild war das Ähnlichste, was die AI-App ausgespuckt hat)

Widerwillig schloss ich das Bild und ging zurück in den Messenger, doch meine Finger schwebten nur unruhig über der Tastatur. Ich hatte keine Ahnung, was ich ihr schreiben sollte. Gerade als ich anfangen wollte etwas zu tippen, traf eine weitere Nachricht von ihr ein.

𝙱𝚒𝚜𝚝 𝚍𝚞 𝚜𝚘 𝚜𝚙𝚛𝚊𝚌𝚑𝚕𝚘𝚜?

𝚉𝚞𝚐𝚎𝚐𝚎𝚋𝚎𝚗 𝚓𝚊.

𝙳𝚞 𝚋𝚒𝚜𝚝 𝚜𝚘 𝚜üß. 𝙸𝚌𝚑 𝚠ü𝚗𝚜𝚌𝚑𝚝𝚎 𝚒𝚌𝚑 𝚔ö𝚗𝚗𝚝𝚎 𝚓𝚎𝚝𝚣𝚝 𝚋𝚎𝚒 𝚍𝚒𝚛 𝚜𝚎𝚒𝚗.

𝙸𝚌𝚑 𝚑𝚊𝚝𝚝𝚎 𝚖𝚒𝚌𝚑 𝚒𝚛𝚐𝚎𝚗𝚍𝚠𝚒𝚎 𝚍𝚊𝚛𝚊𝚗 𝚐𝚎𝚠ö𝚑𝚗𝚝, 𝚍𝚊𝚜𝚜 𝚍𝚞 𝚊𝚞𝚏 𝚍𝚒𝚎𝚜𝚎𝚛 𝙱𝚊𝚗𝚔 𝚐𝚎𝚜𝚎𝚜𝚜𝚎𝚗 𝚑𝚊𝚜𝚝.

𝙳𝚞 𝚔𝚊𝚗𝚗𝚜𝚝 𝚊𝚞𝚌𝚑 𝚐𝚊𝚗𝚣 𝚍𝚒𝚛𝚎𝚔𝚝 𝚜𝚊𝚐𝚎𝚗, 𝚠𝚎𝚗𝚗 𝚍𝚞 𝚖𝚒𝚌𝚑 𝚟𝚎𝚛𝚖𝚒𝚜𝚜𝚝. 𝙳𝚊𝚜 𝚒𝚜𝚝 𝚔𝚎𝚒𝚗𝚎 𝚂𝚌𝚑𝚊𝚗𝚍𝚎.

𝙺ö𝚗𝚗𝚝𝚎 𝚒𝚌𝚑. 𝙰𝚋𝚎𝚛 𝚍𝚊𝚜 𝚠ä𝚛𝚎 𝚣𝚞 𝚎𝚒𝚗𝚏𝚊𝚌𝚑.

𝚅𝚎𝚛𝚖𝚒𝚜𝚜𝚎𝚗 𝚒𝚜𝚝 𝚊𝚕𝚕𝚎𝚜 𝚊𝚗𝚍𝚎𝚛𝚎 𝚊𝚕𝚜 𝚎𝚒𝚗𝚏𝚊𝚌𝚑...

𝙳𝚞 𝚜𝚌𝚑𝚕ä𝚐𝚜𝚝 𝚍𝚒𝚌𝚑 𝚍𝚘𝚌𝚑 𝚐𝚊𝚗𝚣 𝚐𝚞𝚝 𝚋𝚒𝚜 𝚓𝚎𝚝𝚣𝚝.

𝙳𝚊𝚜 𝚍𝚎𝚗𝚔𝚜𝚝 𝚍𝚞 𝚟𝚒𝚎𝚕𝚕𝚎𝚒𝚌𝚑𝚝.

Ich starrte auf ihre letzten Worte und fühlte mich kurzzeitig schuldig für diese Situation. Aber ich wusste, dass es besser für alle Beteiligten war, wenn sie nicht mehr hier auftauchte...aus vielerlei Gründen. Dass ich sie dennoch gern wiedersehen wollte, konnte ich selbst noch nicht ganz begreifen. Woher kam dieser Wunsch Zeit mit ihr verbringen zu wollen? Woher kam das Verlangen sie unbedingt wiedersehen zu wollen und mit ihr zu reden, wann immer es möglich war? Ich hatte lange geglaubt Menschen, die sich in jemanden verliebten, wären unzurechnungsfähige Idioten, die völlig blind ihrem Objekt der Begierde hinterher lechzen und jetzt war ich selbst einer von ihnen. Das war an Ironie nicht mehr zu übertreffen. Doch ich fühlte mich diesem Gefühl gegenüber vollkommen machtlos und ich wusste immer noch nicht, ob ich mich dem hingeben oder verweigern sollte. Schließlich hatte ich jetzt wichtigere Dinge auf die ich mich konzentrieren musste und konnte keine unnötige Ablenkung gebrauchen. Auch, wenn ich bereits relativ gut auf die Prüfungen vorbereitet war, wollte ich die Zeit bis dahin mit dem Studium verbringen und mir die Literaturliste nochmal eingehend zu Gemüte führen. Selbst jemand wie ich, schüttelte nicht einfach ein Medizinstudium aus dem Ärmel. Es gab vieles, das ich in den sieben Jahren Studium bereits gelernt hatte, aber noch viel mehr, das ich noch lernen musste und ich scheute mich nicht davor mir all dieses Wissen anzueignen. Was das anging, war ich schon immer ehrgeizig gewesen. Es war das einzige, in dem ich wirklich gut war. Lernen. Wissen aufsaugen. Wissen anwenden.
Meine Intelligenz war das einzig nützliche, das ich in dieser Gesellschaft beisteuern konnte. Und es war bisher der einzige Sinn in meinem Leben.
Gut in dem zu sein, was ich tat. Ein guter Arzt zu werden. Doch war es überhaupt möglich ein guter Arzt zu sein ohne Menschlichkeit und ohne den Willen anderen helfen zu wollen? Unser Chefarzt hatte all das nötige Know-how und war ein kompetenter Chirurg, aber ich hatte noch nie gehört, dass irgendein Patient ein gutes Wort über ihn verloren hatte. Er machte seine Arbeit, aber die Schicksale der Menschen waren ihm gleich. War ich genauso wie er? War ich nur darauf aus gut zu sein und sonst nichts?
Das Handy in meiner Hand brummte kurz auf und durchbrach meine Gedanken.

𝙸𝚌𝚑 𝚖𝚊𝚐 𝚖𝚎𝚒𝚗 𝚗𝚎𝚞𝚎𝚜 𝙷𝚒𝚗𝚝𝚎𝚛𝚐𝚛𝚞𝚗𝚍𝚋𝚒𝚕𝚍. 𝙳𝚒𝚎𝚜𝚎𝚛 𝚏𝚒𝚗𝚜𝚝𝚎𝚛𝚎 𝙱𝚕𝚒𝚌𝚔 𝚒𝚜𝚝 𝚞𝚗𝚑𝚎𝚒𝚖𝚕𝚒𝚌𝚑 𝚜𝚎𝚡𝚢.

Ich schüttelte ungläubig den Kopf und tippte:

𝙹𝚊𝚑𝚛𝚎𝚕𝚊𝚗𝚐𝚎𝚜 𝚃𝚛𝚊𝚒𝚗𝚒𝚗𝚐.

𝙸𝚌𝚑 𝚐𝚕𝚊𝚞𝚋𝚎 𝚎𝚑𝚎𝚛 𝚍𝚞 𝚋𝚒𝚜𝚝 𝚎𝚒𝚗 𝙽𝚊𝚝𝚞𝚛𝚝𝚊𝚕𝚎𝚗𝚝.

𝙾𝚔𝚊𝚢, 𝚍𝚞 𝚑𝚊𝚜𝚝 𝚁𝚎𝚌𝚑𝚝. 𝙸𝚌𝚑 𝚋𝚒𝚗 𝚣𝚒𝚎𝚖𝚕𝚒𝚌𝚑 𝚐𝚞𝚝 𝚍𝚊𝚛𝚒𝚗.

𝚆𝚎𝚒ß𝚝 𝚍𝚞, 𝚠𝚊𝚜 𝚒𝚌𝚑 𝚊𝚗 𝚍𝚒𝚛 𝚕𝚒𝚎𝚋𝚎? 𝙳𝚊𝚜𝚜 𝚍𝚞 𝚗𝚒𝚎𝚖𝚊𝚕𝚜 𝚋𝚎𝚜𝚌𝚑𝚎𝚒𝚍𝚎𝚗 𝚋𝚒𝚜𝚝.

𝙳𝚊𝚗𝚗 𝚠𝚎𝚛𝚍𝚎 𝚒𝚌𝚑 𝚎𝚜 𝚓𝚎𝚝𝚣𝚝 𝚎𝚛𝚜𝚝 𝚛𝚎𝚌𝚑𝚝 𝚗𝚒𝚌𝚑𝚝 𝚖𝚎𝚑𝚛 𝚜𝚎𝚒𝚗.

𝙸𝚌𝚑 𝚖𝚊𝚐 𝚍𝚎𝚒𝚗𝚎 𝚒𝚗𝚍𝚒𝚛𝚎𝚔𝚝𝚎 𝙰𝚛𝚝 𝚖𝚒𝚛 𝚣𝚞 𝚜𝚊𝚐𝚎𝚗, 𝚍𝚊𝚜𝚜 𝚍𝚞 𝚖𝚒𝚌𝚑 𝚖𝚊𝚐𝚜𝚝.

Ich starrte auf ihren letzten Satz und konnte mein Herz laut und deutlich in meiner Brust hämmern hören. Es verhöhnte mich mit Sicherheit, denn mir fehlten zum ersten Mal die Worte. Sie hatte Recht. Ich mochte sie. Und das verwirrte mich noch immer so sehr, dass ich es nach außen hin lieber geleugnet hätte. Ich antwortete nicht auf ihre letzte Nachricht und trug deshalb für die nächsten Stunden ein schlechtes Gewissen mit mir herum. Ich hätte etwas antworten sollen, aber ich wusste nicht was.
"Alter, wie konntest du mir das verschweigen", echauffierte sich Nakamura keine zehn Minuten später als ich zum Essen herunter ging.
"Muss ich wissen, wovon du redest?", fragte ich geistesabwesend.
"Ich rede davon, dass du mit der Kleinen gestern zusammen hier beim Essen warst. Das hättest du mir ruhig erzählen können", sagte er vorwurfsvoll
"Hab ich wohl vergessen", murmelte ich und suchte mir einen freien Platz mit meinem Tablett, während Nakamura mir dicht auf den Fersen war.
"Und wie lief es? Erzähl schon. Ich will alles wissen", drängte er.
"Wir haben über verschiedene Dinge geredet."
"Ach wirklich? Und worüber genau?"
"Über dies und das."
Nakamura rollte mit den Augen.
"Okay, du willst es mir nicht sagen. Hast du sie wenigstens nach einer Verabredung gefragt?"
"Nein."
"Und wieso nicht?"
"Weil ich bald Abschlussprüfungen habe und mich darauf konzentrieren muss. Für sowas wie Dates habe ich jetzt wirklich keinen Nerv."
Nakamura sah mich unglaubwürdig an.
"Dein Ernst? Gerade du, der diesen ganzen Scheiß nur vom einmal ansehen tadellos herunterbeten kann. Als ob du irgendwas lernen müsstest."
"Ich bin nur so gut, weil ich meine freie Zeit darin investiere medizinische Fachliteratur zu lesen, während andere sich währenddessen draußen vergnügen."
"Gott, du brauchst wirklich dringend eine Freundin. Dein Leben klingt sowas von trostlos. Würde mich nicht einmal wundern, wenn du noch Jungfrau bist."
Ich lächelte verschlagen.
"Keine Sorge. Das alles hab ich schon zeitig hinter mich gebracht."
"Du schaffst es immer wieder mich zu überraschen, Chishiya."
"Das Ganze wird doch ohnehin von der Gesellschaft überbewertet."
"Aber selbst ein Genie wie du muss doch mal Dampf ablassen", sagte er mit einem zweideutigen Grinsen. "wenn du weißt, was ich meine."
"Richtig, nur brauche ich dafür keine Freundin. Eine Hand reicht auch. Ist effektiver und man hat weniger Probleme."
Nakamura schnaubte.
"Ehrlich, ich weiß nicht ganz, ob dich bewundern oder bemitleiden soll. Vor allem aber tut mir die Kleine leid. Dass sie sich ausgerechnet in jemanden wie dich verguckt hat. Was für ein Jammer. Ich hätte ihr all das geben können, was sie sich so sehnlich wünscht."
"Als ob du wüsstest, was sie sich wünscht", gab ich schroff zurück.
"Und du weißt es?" Ich schwieg und schob mir stattdessen etwas Essen in den Mund. "Ich glaube sie wünscht sich nur, dass du ihr zeigst, wie sehr du sie magst. So schwer kann das ja nicht sein, oder?"
Ich wünschte es wäre so. Doch offensichtlich war es genau das, wozu ich nicht fähig war. Weil es etwas war, das ich nie gelernt hatte. Und es war auch leider nichts, was man einfach aus irgendwelchen Büchern beziehen konnte.
Als ich endlich Feierabend hatte, sah ich erneut auf das Smartphone und wusste nicht, ob ich enttäuscht oder erleichtert war, dass sie nicht noch einmal geschrieben hatte. Vielleicht fühlte sie sich vor den Kopf gestoßen. Ich konnte es ihr nicht einmal verdenken. Ich war eben manchmal doch noch derselbe wie früher. Jemand, der es immer wieder schaffte die Gefühle anderer mit Füßen zu treten. Dabei hatte ich mir vorgenommen wenigstens ihre zu respektieren. Ich fuhr mit dem Aufzug hoch zum Parkdeck, wo ich meinen Wagen abgestellt hatte und warf einen kurzen Blick nach oben in den sternenklaren Nachthimmel. Selbst der leuchtende Vollmond erinnerte mich an sie. (*Tsuki = jap. Mond)
Ich zog seufzend den Autoschlüssel hervor, öffnete den Wagen mit der Fernbedienung und ging um das Fahrzeug herum. Reglos hielt ich inne und sah hinab zum Boden, wo eine vertraute Gestalt hockte und sich gegen die Fahrertür gelehnt hatte. In der Hand hielt sie einen Bleistift und auf ihrem Schoß lag ein Zeichenblock. Sie hob kurz ihren Arm zur Begrüßung und trug dabei ein verlegenes Lächeln auf den Lippen.
"Hey!"
"Was machst du hier?", fragte ich immer noch perplex. Diesmal hatte sie es wirklich geschafft mich zu überraschen.
"Ich habe auf dich gewartet. Du hast gesagt ich soll nicht mehr zu dir auf Arbeit kommen, aber ich dachte das hier zählt vielleicht nicht", nuschelte sie errötend.
Ich stöhnte etwas auf.
"Du bist wahnsinnig. Hat dir das schonmal jemand gesagt?"
Tsuki zuckte nur mit den Schultern.
"Vielleicht bin ich das. Aber ich wollte dich einfach sehen. Und du hast nicht mehr geantwortet, also dachte ich du bist vielleicht sauer auf mich."
Ich verschränkte stirnrunzelnd die Arme.
"Warum sollte ich?"
"Weiß nicht. Bist du?"
"Ich hatte nur viel zu tun. Das ist alles."
Sie wirkte etwas erleichtert.
"Okay."
"Du bist also extra hierher gekommen, um auf mich zu warten und jetzt erwartest du sicherlich von mir dich wieder mit nach Hause zu nehmen. Ist es nicht so?"
Sie grinste verschämt.
"Nun, ich hatte es jedenfalls gehofft."
"Also schön, aber du solltest wenigstens zur Seite gehen, damit ich ins Auto komme."
Sie nickte und griff nach ihrer Gehhilfe, um sich damit hochzuziehen, doch ich merkte schnell, dass sie Probleme damit hatte. Ich hielt ihr stumm meine Hand hin. Mit großen Augen sah sie zu mir auf, völlig überrascht von dem Angebot. Dann lächelte sie jedoch und griff danach, während ich dabei half sie wieder nach oben zu ziehen.
"Dankeschön", murmelte sie, ohne meine Hand daraufhin wieder loszulassen. Mein Herz machte einen Satz. Tsuki sah mich bedeutungsvoll an und kam einen kleinen Schritt auf mich zu. Dann ließ sie meine Hand los, jedoch nur um ihre Arme um mich zu legen. Sie drückte sich fest an meinen Oberkörper und legte ihren Kopf auf meiner Brust ab, genau an der Stelle, wo mein Herz schmerzhaft schlug. Ich war mir sicher, dass selbst sie bemerkte, dass es für einen Ruhepuls ungewöhnlich schnell war. Ihre Wärme und ihr Geruch fühlten sich vertraut an, ihre Arme, die mich umschlossen erinnerten mich an unsere erste Umarmung vor dem Gerichtsgebäude...
Ich schloss kurz die Augen.
Moment.
Gerichtsgebäude?
Woher kam dieser Gedanke plötzlich?
"Chishiya?"
Tsukis Augen sahen fragend zu mir auf und ich erkannte für einen Moment aufrichtige Sorge darin.
"Steig ins Auto, damit wir losfahren können", entgegnete ich tonlos. Sie senkte den Blick und wirkte dabei sichtlich niedergeschlagen. Dann löste sie sich von mir.
"Ich dachte eigentlich wir könnten zusammen noch einen kleinen Spaziergang machen."
"Einen Spaziergang?", fragte ich als hätte sie den Verstand verloren. "Es ist gleich Mitternacht."
"Ich verstehe, wenn du keine Lust hast. Du bist sicher müde. War wohl eine dumme Idee von mir..."
Tatsächlich war ich im Moment alles andere als müde. Vielmehr war ich überfordert. Von diesen Erinnerungen. Von ihrer Nähe. Von meinen Gefühlen. Aber es fiel mir auch so schwer ihr eine Bitte abzuschlagen.
"Warum nicht?", seufzte ich schließlich ergeben.
Ihr Gesicht hellte sich schlagartig auf. Ich verfrachtete meine Tasche ins Auto.
"Du brauchst die Sachen dafür doch sicher nicht?", fragte ich und deutete auf ihre Tasche, wo sie den Zeichenblock verstaute. Sie schüttelte den Kopf und reichte mir dann ihre Sachen, um sie ebenfalls ins Auto zu legen.
Okay, Nakamura, du wolltest, dass ich ihr zeige, dass ich sie mag. Was sollte daran schon so kompliziert sein? Nächtliche romantische Spaziergänge waren sicherlich nicht falsch, um damit anzufangen.
"Kannst du überhaupt schon so weit laufen?"
"Ein paar Meter sind okay. Ich bin nur immer noch recht langsam, aber es ist schon viel besser geworden."
"Wann kommt dein Gips ab? Warst du schon beim Röntgen?"
"Ja, es ist alles gut verheilt. In 11 Tagen bin ich ihn endlich los. Aber leider muss ich dann auch wieder Arbeiten gehen."
"Keine Zeit mehr für Stalking, was?", fragte ich mit amüsiertem Unterton.
"Zumindest wird es dann schwieriger, aber das heißt nicht, dass du mir entkommst."
Sie sah mich belustigt an.
"Okay, ich bin gewarnt", sagte ich ruhig.
Wir nahmen den Aufzug nach unten. Wie erwartet, waren die Straßen fast menschenleer, doch Tsuki schien bereits eine Richtung eingeschlagen zu haben.
"Wo genau gehen wir hin?", fragte ich und steckte meine Hände in die Hosentaschen.
"Keine Ahnung", behauptete sie.
"Es wirkt nur so als hättest du ein bestimmtes Ziel."
Sie lächelte nur, ohne näher darauf einzugehen.
"Wir hätten auch hinfahren können", sagte ich dann.
"Es ist nicht so weit."
"Also hast du ein Ziel. Ich wusste es."
Sie kicherte.
"Ich kann dir wohl nichts vorenthalten."
"Ich kann Menschen wie Bücher lesen. Es ist recht einfach, wenn man weiß, worauf man achten muss."
"Vielleicht hättest du dann Detektiv werden sollen."
"Hätte ich, aber ich rauche nicht gern. Zu gesundheitsschädigend."
"Oder Psychologe?"
"Sind die nicht selbst alle irre?"
"Okay, also denkst du, dass es die richtige Entscheidung war Medizin zu studieren?", fragte sie neugierig.
Ich überlegte kurz.
"Ich weiß nicht, aber inzwischen kann ich mir nichts anderes mehr vorstellen. Vielleicht ist es das Einzige, in dem ich wirklich gut bin. Aber abgesehen davon kennst du ja den Grund, warum ich mich dafür entschieden habe."
"Nun, aber vielleicht hat der Grund sich ja inzwischen geändert. Vielleicht tust du es jetzt, weil du anderen helfen willst."
"Ich glaube du überschätzt mich."
"Ich glaube eher du unterschätzt dich. Ich habe auch eine andere Seite von dir kennengelernt."
"An die ich mich offensichtlich nicht mehr erinnere."
"Was nicht heißt, dass es nicht passiert ist."
Ich seufzte.
"Wir wissen nicht, ob das wirklich passiert ist."
"Du glaubst mir also immer noch nicht?", fragte sie mit trotziger Miene und blieb stehen, um mich anzusehen.
"Das habe ich nicht behauptet. Aber du musst zugeben, dass es schwer ist so etwas zu glauben."
"Ich hab tatsächlich gedacht, dass du mir inzwischen glaubst. Hältst du mich immer noch für verrückt?"
Ich gluckste.
"Nun, du bist verrückt. Auf mehrere Arten. Aber wenn mich das abschrecken würde, dann wäre ich wohl nicht hier."
Ihre Lippen verzogen sich zu einem schwachen Lächeln, also hatte ich offensichtlich etwas richtiges gesagt.
"Wir sind da", sagte sie. Wir standen am Ufer des Sumida-Flusses und sahen auf die beleuchtete Skyline von Tsukishima, einer Art künstlich geschaffene Insel inmitten einer Bucht, die oft auch Moon Island genannt wurde.
"Du wolltest hier hin?", fragte ich stirnrunzelnd.
"Meine Eltern haben sich damals dort kennengelernt. Ich glaube deshalb haben sie mich auch Tsuki genannt."
"Okay, das ist sicherlich eine interessante Geschichte, aber das hättest du mir auch sagen können, ohne dass wir hierher gehen."
"Das war nicht der Grund. Der Grund ist dieses Hotel gegenüber."
Sie deutete auf ein großes Gebäude zwischen den Hochhäusern.
"Seaside Paradise?" Sie nickte. "Okay und was ist damit? Wurdest du dort etwa gezeugt?"
Sie sah augenrollend zu mir hinüber.
"Nein, wir waren dort als wir zusammen in Borderland waren. Nur damals hatte es einen anderen Namen."
Ich sah erneut zu dem Hotel auf der anderen Seite des Flusses und kramte in meinem Gedächtnis nach irgendwas nützlichem. Doch egal wie lange ich auch überlegte, mir wollte nichts einfallen.
"Tut mir Leid, ich erinnere mich nicht."
Sie seufzte leise.
"Schon gut. Es war einen Versuch wert."
Ich antwortete nicht, sondern sah noch eine Weile nachdenklich zum anderen Ufer hinüber. Dann sah ich wieder zu Tsuki, die immer noch gebannt auf das Gebäude starrte, als würde vor ihrem inneren Auge gerade ein Film ablaufen, den nur sie sehen konnte. Ich hätte gern gewusst, woran sie gerade dachte, ob sie sich vielleicht an etwas erinnerte, das wir dort zusammen erlebt hatten.
Der Wind strich sanft durch ihre Haare und ich musste zugeben, dass sie in diesem Augenblick außergewöhnlich hübsch aussah. Sie leckte sich über die Lippen und sah dann zu mir auf, als sie merkte, dass ich sie beobachtete.
"Was ist?", fragte sie peinlich berührt.
"Nichts, ich sehe dich nur an."
"Okay, wieso?"
"Ich schätze, weil...es mich glücklich macht."
Schweigend sah sie mich an und konnte offensichtlich kaum glauben, dass ich das gesagt hatte. Ich selbst war ein wenig überrascht von mir. Tsuki kam einen zögerlichen Schritt auf mich zu und hob dann die Hand zu meinem Gesicht. Ihre Finger strichen behutsam über meine Wange, während ich dabei bewusst die Augen schloss, um ihre Berührungen besser auf mich wirken zu lassen.
Im nächsten Moment spürte ich ihre Lippen auf meinen. Etwas erstaunt verharrte ich in meiner Bewegung, doch als Tsuki begann ihre Lippen gegen meine zu schmiegen, erwiderte ich ihren Kuss noch etwas zurückhaltend. Zurückhaltend, weil es einerseits lange her war, dass ich jemanden geküsst hatte und andererseits, weil es der erste Kuss war, der mir wirklich etwas bedeutete. Ich legte meine Arme um ihre Taille und zog sie etwas näher an mich heran. In diesem Moment wurde mir klar, dass das hier nicht unser erster Kuss war. Erneut flackerten Bilder in meinem Kopf auf, diesmal jedoch mit wesentlich deutlicheren Sinneseindrücken. Ich erinnerte mich an einen Spielplatz. Wir beide waren dort weit oben auf einem Klettergerüst, um uns vor etwas in Sicherheit bringen. Tsuki hatte sich den Fuß verstaucht. Sie musste springen um wieder herunterzukommen und ich hatte sie aufgefangen. Und dann hatte sie den Moment genutzt und mich geküsst. Der Geschmack ihrer Lippen ließ die Szene vor meinen Augen lebendig erscheinen und diesmal war ich sicher, dass es nicht nur Einbildung, sondern eine echte Erinnerung war.
Als sie sich fast widerwillig von mir löste, sah sie mich wieder sprachlos an. Das einzige, was ich vernahm war mein pulsierender Herzschlag, der in meinem gesamten Körper widerhallte wie ein Echo.
"Auch wenn du dich nicht erinnerst. Das hier reicht mir auch", sagte sie mit einem warmen Lächeln. Meine Arme hielten sie noch immer fest umklammert und drückten sie etwas an mich, um ihr einen Kuss auf die Stirn zu setzen. Ihre Haut war eiskalt.
"Lass uns wieder zurück zum Auto gehen, Tsuki. Du frierst."
"Dann halt mich einfach weiter fest", murmelte sie gegen meinen Hals. Ich tat worum sie mich bat, aber andererseits hatte ich noch immer diese lebendige Erinnerung im Kopf, die mich so sehr beschäftigte, dass ich den Moment nicht so ausgiebig genießen konnte, wie ich es gern gewollt hätte.

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