Kapitel 27
Wie ferngesteuert ging ich zurück zu meinem Zimmer.
Ich legte mich auf die Matratze und schlang meine Arme fest um meine Knie. Völlig erstarrt lag ich da und starrte dabei ins Leere. Alle meine Hoffnungen, die ich hatte: sie alle waren von jetzt auf gleich zerstört worden. Doch das Allerschlimmste daran war, dass Chishiya mich offensichtlich für eine geisteskranke Spinnerin hielt. Ich bezweifelte, dass er mich nach allem je wieder ernst nehmen würde, völlig gleich was ich tat oder sagte. Hätte ich ihm die Wahrheit lieber verschweigen sollen? Wäre unser Wiedersehen womöglich anders verlaufen, wenn ich so getan hätte als würden wir uns nicht kennen? Vielleicht hätte ich wie jeder normale Mensch mein Interesse an ihm bekunden sollen. Dann wären wir auf ein paar Dates gegangen und er hätte sich mit viel Glück ebenfalls in mich verliebt. Aber nein... ich musste ihm ja ausgerechnet die ganze Wahrheit erzählen. Weil ich ganz genau wusste, dass es mir keine Ruhe gelassen hätte, bevor ich ihm nicht alles erzählt hatte. Weil ich wollte, dass er sich erinnerte. Und ich wollte, dass wir da weitermachen konnten, wo wir aufgehört hatten. Doch das konnte ich wohl endgültig abschreiben. Ich hatte zwei Chancen und die hatte ich beide vergeigt. Ein drittes Mal würde er mir wohl kaum zuhören.
Eine stumme Träne rannte über meine Wange, obwohl ich mir selbst geschworen hatte diesmal nicht zu weinen. Ich wollte stark bleiben und weitermachen.
Irgendwie.
Aufgeben war jedenfalls keine Option.
Auch wenn ich noch keine Ahnung hatte wie es jetzt weitergehen sollte.
Wie nur sollte ich ihm ein weiteres Mal gegenübertreten? Wie sollte ich ihn dazu bringen mir zu glauben?
Theoretisch gab es nur eine Möglichkeit. Er musste sich selbst daran erinnern.
Im Moment jedoch hatte ich keine Ahnung wie ich ihn dazu bringen sollte. Musste ich vielleicht nur lange genug warten und die Erinnerungen würden von alleine irgendwann zurückkommen oder war es so, dass es zuerst den richtigen Trigger brauchte? Mich zu sehen, hatte als Auslöser ja offenbar nicht gereicht. Vielleicht war es ja ähnlich wie bei mir und es brauchte zuerst eine Art Déjà-Vu Erlebnis, um die Erinnerungen aus seinem Unterbewusstsein wieder hervorzuholen. Doch wie sollte ich so ein Ereignis herbeiführen? Mein Blick fiel auf die zusammengefaltete Zeichnung, die ich von ihm gemacht hatte. Ich richtete mich etwas auf, griff danach und faltete sie auf. Als wir dort in dieser Welt waren, hatte ich angefangen einen Comic zu zeichnen über all die Dinge, die wir Spieler dort erlebt hatten. Aber angenommen ich würde das erneut versuchen... und es dann Chishiya zeigen.
Hastig setzte ich mich auf und kramte in meiner Tasche nach meinem Zeichenblock und dem Bleistift. Als ich ihn gefunden hatte, schlug ich ein leeres Blatt auf und fing an zu skizzieren. Die Geschichte begann an einem heißen Tag in Shibuya vor dem Hachiko-Denkmal. In dem Moment als ich diese Szene zeichnete, fiel mir wieder ein, wie ich dort gestanden und verzweifelt auf Hayato gewartet hatte. Dann Niragi, der ganz in der Nähe auf einer Bank saß und mich dumm von der Seite angemacht hatte, als ich entschieden hatte wieder nach Hause zurückzukehren. Die drei jungen Männer, die mitten auf der Straße herumgealbert hatten. Einer von Ihnen war Arisu gewesen. Das wusste ich damals allerdings noch nicht. Die anderen beiden mussten die von ihm erwähnten Freunde gewesen sein, die er bei dem tragischen Unglück verloren hatte. Es fiel mir schwerer mich an ihre Gesichter zu erinnern, da ich sie nur flüchtig gesehen hatte. Und dann... Ich hielt kurz inne und starrte fassungslos auf das Panel, das ich gezeichnet hatte. Chishiya war darauf zu sehen. Es war meine allererste Begegnung mit ihm gewesen. Ich lächelte, weil ich mich endlich wieder daran erinnern konnte und strich dann gedankenverloren über die Zeichnung. Er war direkt an mir vorbeigegangen und ich hatte mich sofort auf eigenartige Weise zu ihm hingezogen gefühlt. Im Anschluss darauf war ich umgekehrt und ihm gefolgt, ohne wirklich zu wissen, was ich eigentlich vorhatte. Ich wusste nur eine Sache: ich wollte ihn nicht wieder aus den Augen verlieren. Doch dann erschienen diese seltsamen Lichter am Himmel... und im nächsten Moment waren alle Menschen in Shibuya spurlos verschwunden.
Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass ich Chishiya schon bald im Beach wiedertreffen würde.
Als meine Mutter gegen Abend vorbeikam, saß ich noch immer an dem Comic und war völlig vertieft ins Zeichnen. Ich zuckte ein wenig zusammen als sie plötzlich wie ein Geist neben meinem Bett auftauchte.
"Hast du nicht gehört, dass ich angeklopft habe?", fragte sie mit schriller Stimme. Ich legte den Block schnell beiseite um die Zeichnung zu verstecken.
"Sorry, ich war etwas vertieft."
Meine Mutter seufzte.
"Hast du den ganzen Tag nur hier herumgesessen? Wie sollst du denn wieder auf die Beine kommen, wenn du nur hier drinnen hockst?"
Ich verzog trotzig mein Gesicht.
"Ich war doch heute schon draußen, Mum", grummelte ich.
"Na schön. Die Schwester meinte gerade zu mir, dass sie dich morgen früh entlassen werden, wenn deine Werte soweit in Ordnung sind."
"Wirklich?", fragte ich etwas entrückt.
"Hast du das etwa noch nicht gewusst?", fragte sie strinrunzelnd.
Ich schüttelte den Kopf. Um ehrlich zu sein war ich mir noch nicht sicher, ob ich mich darüber freuen sollte. Wenn ich aus der Klinik entlassen war, bedeutete das, dass ich Chishiya nicht so schnell wiedersehen würde. Mit Sicherheit würde er auch bald entlassen werden und dann hatte ich keine Möglichkeit mehr ihn zu kontaktieren. Ich wusste ja schließlich nicht einmal, wo er überhaupt wohnte.
"Ich hatte etwas mehr Begeisterung erwartet", durchbrach Mum meine Gedanken.
"Ähm ja...weißt du. Ich war für einen Moment nur traurig, weil ich hier ein paar nette Leute kennengelernt habe von denen ich mich dann verabschieden muss."
Meine Mutter wirkte plötzlich vollkommen aufgelöst, als hätte man bei ihr einen Schalter umgelegt.
"Ach ja, wie lief es denn mit deiner neuen Bekanntschaft?"
"Ganz gut", log ich, wünschte dabei jedoch es wäre die Wahrheit.
"Na, ich hoffe doch er lädt dich wenigstens zu einem Date ein."
Ich lächelte gezwungen. Davon war ich wohl leider noch Lichtjahre entfernt.
"Mal abwarten."
Als ich wieder alleine im Zimmer war, widmete ich mich sofort wieder meinen Zeichnungen. Inzwischen hatte ich immerhin schon 11 Seiten, auch wenn es bisher alles nur grobe Skizzen waren. Vielleicht würde es ja für meinen Plan ausreichen... Außerdem hatte ich immernoch vor Chishiya die Kekse zukommen zu lassen, weil ich die Hoffnung hatte, dass es ihm dabei helfen könnte sich zu erinnern. Inzwischen war es allerdings fast zu spät dafür. Da meine Mutter und Naoki mich morgen irgendwann gegen Vormittag abholen wollten, musste ich also vorher versuchen ihm die Sachen zu geben. Abgesehen davon wollte ich ihn unbedingt nochmal wiedersehen, bevor ich die Klinik verlassen musste. Dafür würde ich sogar das Risiko eingehen, dass er mich erneut als geisteskranke Stalkerin abtat. Wenn er sich schon nicht an mich erinnerte, wollte ich ihn wenigstens einfach nur ansehen dürfen und jeden Augenblick genießen, den ich in seiner unmittelbaren Nähe verbringen durfte, denn abgesehen von seinem Gedächtnisverlust, war er immernoch genau derselbe Chishiya, in den ich mich in Borderland hoffnungslos verliebt hatte. Seine gesamte Art und sein Auftreten waren unverkennbar er und ich konnte einfach nicht anders als ihn bedingungslos zu vergöttern. Ich konnte ihm nicht einmal böse sein, weil er mich vorhin so achtlos zurückgewiesen hatte. Vermutlich hätte ich an seiner Stelle ähnlich reagiert.
Am nächsten Morgen nach dem Frühstück packte ich meinen Zeichenblock und die Kekse zusammen in meine Umhängetasche. Anschließend machte ich mich voller Tatendrang auf dem Weg zum Westflügel. Ich würde ihm die beiden Sachen lediglich aushändigen, denn ich war mir ziemlich sicher, dass er nicht plötzlich seine Meinung geändert hatte und mich jetzt auf einmal Ernst nahm. Doch für den Moment reichte es mir schon, wenn er meine Geschenke ohne jegliche Einwände annehmen würde. Je näher ich seinem Zimmer kam, desto aufgelöster wurde ich. Einerseits konnte ich es nicht erwarten ihn wiederzusehen, aber andererseits fürchtete ich mich auch vor einer weiteren Zurückweisung. Chishiya war grundsätzlich niemand, der besonders rücksichtsvoll mit den Gefühlen anderer umging. Und aufgrund meiner tiefen Zuneigung zu ihm, war ich auch wesentlich angreifbarer. Jedes lieblose Wort von ihm bereitete mir innerliche Höllenqualen. Er war zwar nicht der warmherzigste Mensch überhaupt, aber Borderland hatte ihn definitiv verändert und mir gezeigt, dass Chishiya durchaus eine sanftmütige Seite hatte, auch wenn diese manchmal gut versteckt war und nur in seltenen Momenten zum Vorschein kam. Auch, wenn er es mir nie direkt gesagt hatte, so war ich mir sicher, dass er mich sehr gern hatte. Ich musste darauf vertrauen, dass ich möglicherweise erneut seine Gefühle für mich wecken könnte für den Fall, dass er sich tatsächlich nie mehr an unsere gemeinsame Zeit in Borderland erinnern würde. An diese Hoffnung klammerte ich mich, als ich endlich bei seinem Zimmer ankam. Seltsamerweise war die Tür nur leicht angelehnt, sodass ich direkt in das Zimmer hineinsehen konnte. Beide Betten wirkten jedoch vollkommen verwahrlost. Selbst die Bettwäsche war abgezogen worden. Ich blickte erneut prüfend auf das Schild neben dem Zimmer. Es war definitiv die 211. Alarmierend fing ich eine Schwester im Gang ab, die an mir vorbeilief.
"Entschuldigung. Die beiden Männer, die bis gestern noch in diesem Zimmer waren. Wo sind die jetzt?"
Ich versuchte mir meine Panik nicht anmerken zu lassen, doch fürchtete, dass ich damit scheiterte.
Die Schwester warf mir einen genervten Blick zu.
"Sind gerade eben entlassen worden."
"Gerade eben? Wann?", fragte ich mit schriller Stimme.
"Vor zehn Minuten vielleicht."
Sie wandte sich gleichgültig wieder von mir ab.
Für einen Moment war ich vor Schock erstarrt, im nächsten versuchte ich so schnell wie möglich zurück zum Aufzug zu gelangen. Als ich dort war, drückte ich mehrmals ungeduldig auf die 0. Doch der Aufzug schien ausgerechnet jetzt in jedem Stockwerk Halt zu machen. Sobald die Türen sich geöffnet hatten, stolperte ich ungeduldig hinaus und zog mein Gipsbein nur schleppend hinter mir her. Im Foyer angekommen, rang ich verzweifelt nach Luft und sah mich hilflos um. Doch Chishiya war nirgends zu entdecken. Ich hinkte weiter zu der großen Glastür, deren Türen sich automatisch öffneten und sah mich völlig verstört auf der Straße um. Meine Sicht verschwamm, als ich begriff, dass es zu spät war. Alles um mich herum begann sich zu drehen. Ich ließ zuerst die Krücken fallen und brach dann weinend auf dem Treppenabsatz zusammen. Ungehemmt flossen Tränen aus mir heraus. Die Leute ringherum, sahen mich nur entgeistert an und liefen dann wortlos an mir vorbei. Ich hustete aus Luftmangel und setzte mir mit zitternden Händen den Inhalator an die Lippen. Vor meinem inneren Augen saß ich gerade auf den Stufen zum Gerichtsgebäude und fühlte mich genauso hilflos und verloren wie damals, mit dem Unterschied, dass Chishiya diesmal nicht überraschend auftauchte, um mir meinen Schmerz zu nehmen. Wie sehr ich seine Umarmung gerade jetzt gebrauchen könnte...
"Tsuki, was machst du denn hier und wie siehst du überhaupt aus?" Als ich aufblickte, sah ich in das Gesicht meiner Mum. Neben ihr stand Naoki. "Wir wollten dich gerade abholen. Warst du denn überhaupt schon bei deiner Untersuchung?"
Ich schluchzte erneut heftig auf und schüttelte dabei den Kopf. Meine Mutter zog mich mühevoll hoch und reichte mir meine Gehhilfen.
"Was ist denn passiert, um Himmels Willen?"
"Weiß nicht", nuschelte ich leise. "Müssen die Nerven sein."
Sie schüttelte ungläubig den Kopf.
"Du musst dich wirklich etwas zusammenreißen, sonst verliere ich noch die Nerven. Sei lieber froh, wenn du endlich wieder nach Hause kommst."
"Ja, Mum...", sagte ich unmotiviert und trottete dann hinter ihnen her zurück zu meinem Zimmer. Die Schwester kontrollierte ein letztes Mal meine Sauerstoffwerte und gab grünes Licht für meine Entlassung. Ich unterschrieb die Papiere ohne sie eines Blickes zu würdigen. Ich fühlte mich wie eine leere emotionslose Hülle, die nur noch stumpfsinnig Anweisungen ausführte.
Auf der Rückfahrt zu meiner Wohnung war ich ungewöhnlich still. Selbst Naoki merkte, dass etwas mit mir nicht stimmte und traute sich nicht einmal mich aufzuziehen wie sonst auch.
Als ich mit Mum und meinem Bruder zusammen vor meinem Apartement stand, fühlte sich alles eigenartig fremd an. Es war als wäre ich von einer sehr langen Reise zurückgekehrt. Und plötzlich bekam ich Fernweh. Nicht nach irgendwohin, sondern nach Borderland. Zu dem Zeitpunkt als ich dort gewesen war, hatte ich immer zurück nach Hause gewollt, aber jetzt fühlte es sich so falsch an hier zu sein. Doch es war nicht Borderland gewesen, das sich wie eine Heimat für mich angefühlt hatte. Es war Chishiya.
Ich schloss die Tür auf und etwas weißes Flauschiges zwängte sich hindurch, bevor ich sie überhaupt richtig geöffnet hatte.
"Nanya", rief ich fassungslos und bückte mich um sie hochzunehmen. Nanya maunze laut auf. Ich hatte angenommen, dass sie noch immer bei meiner Familie untergebracht war und war etwas erstaunt sie hier zu sehen.
"Überraschung", sagte Naoki. "Wobei ich sie wirklich gern behalten hätte. Ich versuche gerade Mum zu bearbeiten, damit wir uns auch eine Katze zulegen."
"Dann versuch' das mal schön weiter. So ein haariges Monster kommt mir nicht ins Haus. Ich war die letzten Tage nur am Saubermachen."
Trotzig drückte ich Nanya an mich und hielt ihr die Ohren zu.
"Wie kannst du sowas Gemeines nur in ihrer Gegenwart sagen", empörte ich mich. "Nanya ist eine sehr reinliche Katzenlady."
Meine Mutter rollte nur mit den Augen und stieß dann die Tür auf, während Naoki meinen Koffer nahm und ihn vor meiner Garderobe abstellte. Ich setzte Nanya wieder ab und sie sauste schnell wieder davon. Dann stieß ich die Tür zum Wohnzimmer auf und sah etwas sprachlos auf eine farbenfrohe Girlande mit einem "Welcome Home"-Schriftzug. Darunter stand mein Dad und hatte einen Teller mit einem Mini-Kuchen in der Hand, in welchem eine einzelne Kerze steckte. Für einen Moment war ich so gerührt, dass ich meinen Kummer kurzzeitig vergaß.
"Schön, dass du wieder da bist, Suki", sagte er, stellte den Teller beiseite und drückte mich kurz an sich. Sofort stiegen wieder Tränen in meine Augen. Am liebsten hätte ich mich bei ihm ausgeheult, weil Dad noch am ehesten derjenige war, der mich in meiner Situation verstehen würde. Doch ich wusste, dass das nicht der richtige Zeitpunkt dafür war. Meine Eltern erwarteten mich glücklich zu sehen, also versuchte ich ihnen wenigstens für heute diese glückliche Tochter vorzuspielen.
"Bist du sicher, dass du diese Nacht schon alleine in deiner Wohnung bleiben willst?", fragte mein Vater mich, als es bereits später Abend war. Meine Familie war den ganzen Tag hier gewesen und wir hatten wie in alten Zeiten ein paar Spiele gespielt und uns zusammen einen lustigen Film angesehen. Es war schön nach so langer Zeit wieder mit ihnen zusammen sein zu können. Trotzdem hatte das alles einen bitteren Beigeschmack. Wenn Chishiya sich erinnern könnte, wäre mein Glück tatsächlich vollkommen. Das war alles, was ich mir im Augenblick wünschte. Ihn an meiner Seite zu haben und Zeit mit ihm zu verbringen so wie wir es dort getan hatten. Ohne diese furchtbaren Spiele und ohne die allzu gegenwärtige Angst, dass es jeden Tag vorbei sein konnte. Wir könnten eine normale erfüllte Beziehung miteinander führen und Mum wäre total aus dem Häuschen, weil ich es geschafft hätte mit einem angehenden Arzt auszugehen.
"Ich komme klar", entgegnete ich und versuchte dabei überzeugend zu klingen. Offensichtlich wirkte es, denn nur wenige Minuten später waren sie weg und ich alleine. Wobei alleine nicht ganz richtig war. Ich hatte immerhin noch Nanya, worüber ich tatsächlich froh war. Zum ersten Mal seit langem sah ich mich genauer in meiner Wohnung um. Alles war genau so wie ich es zurückgelassen hatte. Nur ein bisschen staubiger vielleicht. Nichts jedoch deutete darauf hin, dass ich mehrere Wochen oder gar Monate weg gewesen war. Dabei fühlte es sich genauso an. Ich ging zu meinem Schreibtisch und legte die Hand fast andächtig auf mein Grafiktablett. Wie oft hatte ich mir in Borderland gewünscht es benutzen zu können?
Ich ging zu meiner Tasche und holte die Skizzen hervor, die ich eigentlich Chishiya hatte geben wollen. Die Packung mit den Keksen hingegen verstaute ich vorerst sicher in einem Küchenregal, wo Nanya nicht hinkommen würde. Dann schaltete ich meinen Laptop und den Scanner ein. Irgendwie musste ich mich ablenken von der ewigen Gedankenspirale, in der ich mich befand. Ich legte die Zeichnungen nacheinander in den Scanner ein und lud sie auf meinem Laptop hoch direkt in mein Grafikprogramm. Dann startete ich das Grafiktablett und begann die Seiten Stück für Stück zu colorieren. Als ich wieder von dem Display aufsah, war es bereits 2 Uhr morgens. Erschöpft ließ ich mich auf mein Bett fallen ohne mich vorher umziehen und schlief überraschend schnell ein.
Am nächsten Morgen duschte ich fix und machte ich mir ein schnelles Frühstück, das ich mit zu meinem Schreibtisch nahm. Ich fuhr den Rechner hoch und setzte meine Arbeit vom Vortag fort ohne großartig darüber nachzudenken. Doch in meinem Kopf hatte ich bereits die gesamte Story durchdacht und konzipiert. Damals war ich noch sehr unsicher darüber wie genau mein Webtoon aussehen sollte und wer der Hauptcharakter darin sein würde. Ich hatte mich aus irgendeinem Grund davor gescheut diese Rolle selbst einzunehmen, doch jetzt war ich mir noch nie so sicher bei etwas. Ich, Izumi Tsuki, war die Protagonistin in diesem Webtoon. Nur das Ende ihrer tragischen Geschichte war noch offen. Ich wollte die Möglichkeit bekommen mein Ende selbst zu schreiben. Und dieser Webtoon würde hoffentlich der Schlüssel dazu sein. Der Schlüssel zu Chishiyas Erinnerungen und zu seinem Herzen.
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