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Kapitel 24

Völlig geistesabwesend blätterte ich durch das Skatkarten-Deck und hoffte, dass bei dem Anblick der Bilder irgendeine Erinnerung in meinem Gedächtnis ausgelöst wurde. Was assoziierte ich mit den Karten? Warum spürte ich gerade zu der Karte des Herzbubens eine besondere Verbindung und bei den anderen nicht? Was hatte eine Spielkarte mit einem Meteoriteneinschlag gemeinsam? Nichts. Jedenfalls nichts, was mir in diesem Moment einfallen würde. Und welche Rolle spielte dieser Chishiya darin, den ich offenbar in meinem Traum gesehen hatte? War es vielleicht gar kein Hinweis auf meine Vergangenheit, sondern vielmehr eine Vision? Sollte es bedeuten, dass Chishiya mein Herzbube sein würde? Ich kicherte bei dem Gedanken und spürte wie meine Wangen anfingen zu brennen. Alleine seine schöne markante Stimme hatte gereicht, um ihn nicht mehr aus meinem Kopf zu bekommen und mich wieder wie ein verliebter Teenager zu fühlen. Dabei wusste ich nicht einmal sicher, ob er wirklich existierte. War ich einem Hirngespinst verfallen oder lief dieser Chishiya tatsächlich irgendwo da draußen herum und es war meine Bestimmung ihn zu finden? Er hatte immerhin auch erwähnt, dass ich ihn vergessen hatte. Aber wie war es möglich, dass ich mich an jemanden wie ihn nicht mehr erinnern konnte? Ich seufzte theatralisch auf und vergrub mein Gesicht tief in meinem Kopfkissen. Nur Sekunden später hob ich meinen Kopf jedoch wieder und zog dabei die Stirn kraus. Hatte ich gerade einen schwachen Duft von Teebaumöl in der Nase gehabt? Ich drehte mich rasch um und für eine Millisekunde dachte ich, dass ich in einem Apartment wäre statt in einem Krankenhauszimmer. Und dann tauchte blitzartig ein Bild in meinem Kopf auf. Ein junger Mann mit hellem Haarschopf und weißer Jacke lag auf einem Futonbett. Seinen linken Arm, an dem er einen Verband trug, hielt er weit von sich gestreckt und er hatte einen Waschlappen auf der Stirn. Er sah mich direkt an.
Stalkst du mich etwa immernoch?
Dieser Satz tauchte so unvermittelt in meinem Kopf auf, dass ich fast davon erschrak. Etwas verstört sah ich mich in dem Zimmer um, aber wie erwartet war niemand da. Doch die Stimme hatte so nah geklungen, als wäre sie direkt neben mir gewesen. Wurde ich langsam verrückt oder war es tatsächlich eine Erinnerung gewesen, die ich da gesehen hatte? Warum mussten diese Gedankenfetzen wahllos in meinem Kopf auftauchen wie es ihnen gerade passte? Verlangte mein Hirn etwa von mir, dass ich dieses Puzzle selbstständig irgendwie zusammenfügte? Wenigstens ein paar mehr Hinweise wären doch nett gewesen. Irgendwas. Aber stattdessen wurde es von Mal zu Mal undurchsichtiger. Einer Sache war ich mir jedoch relativ sicher: die Person, die ich gesehen hatte, war Chishiya gewesen. Alles hatte irgendwie mit ihm zu tun. Also war das beim Herzbuben wahrscheinlich auch der Fall. Erstaunt blickte ich zur Tür, als ich hörte wie die Klinke heruntergedrückt wurde. Usagi war wieder zurück von ihrem Ausflug. Sie hinkte zu ihrem Bett und ließ sich dann sichtlich erschöpft darauf fallen.
"Du warst ja ziemlich lange weg", stellte ich mit einem flüchtigem Blick auf die Uhr fest.
Usagi lächelte und zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass ihr Lächeln wirklich echt wirkte.
"Ja, ich war draußen ein bisschen spazieren."
"Und? Wie lief es?"
"Bestens."
"Ich bewundere ja deine Ausdauer. Ich hätte das nicht so lange durchgehalten."
"Ich hatte zugegeben etwas Hilfe", entgegnete sie und lächelte wieder verträumt. Was war denn plötzlich mit ihr los? Nur ein kleiner Spaziergang durch den Park und sie war ein komplett neuer Mensch. Vielleicht sollte ich das auch mal probieren...
War die Luft draußen heute vielleicht voller Glückshormone?

Umso später es wurde, desto nervöser wurde ich, weil das Treffen allmählich in unmittelbare Nähe rückte. Ich setzte all meine Hoffnungen in diesen Abend und wünschte es würde mir ein paar neue Erkenntnisse bringen. Meine größte Hoffnung jedoch war es, dass dieser Chishiya dort auftauchen würde und er mir dabei helfen würde meine Erinnerungslücken zu füllen. Je mehr Zeit verging, umso mehr hatte ich das Gefühl langsam durchzudrehen, wenn ich es nicht bald erfahren würde. In meinem Hirn war inzwischen kein Platz mehr für irgendwelche anderen nichtigen Gedanken. Alles kreiste sich um die zahlreichen Fragenzeichen, die mir allmählich wirklich Kopfzerbrechen bereiteten.
Ich versuchte mich irgendwie davon abzulenken, indem ich ein paar Mangas las, doch wirklich viel Erfolg hatte ich damit nicht. Gegen 16 Uhr durfte ich dann endlich zu meiner angekündigten Untersuchung. Dort musste ich dann ein paar weitere medizinische Tests über mich ergehen lassen. Außerdem wurde meine Lunge geröngt und mir wurde ein weiteres Mal Blut abgenommen um meine aktuellen Laborwerte zu überprüfen. Zum Schluss hatte ich noch ein Gespräch mit dem zuständigen Arzt, der mir erklärte, dass sich meine Werte überraschend schnell verbessert hätten. Dennoch sollte ich noch ein paar Tage zur weiteren Beaufsichtigung in der Klinik bleiben, auch weil ich immernoch regelmäßig zu der Sauerstoff-Therapie gehen musste, um meine Werte wieder auf ein normales Niveau zu bringen.
Ich war zugegeben ein wenig erleichtert als ich die ganzen Untersuchungen hinter mich gebracht hatte und ich endlich auf mein Zimmer zurückkehren durfte. Usagi durchblätterte gerade irgendeine Zeitschrift zum Thema Bergsteigen, als ich mich wieder auf mein Bett setzte.
"Wo hast du die denn her?", fragte ich neugierig.
"Es gibt einen Kiosk unten im Erdgeschoss."
"Ah, da muss ich auch mal vorbeischauen. Wobei mir Bücher irgendwie lieber gewesen wären."
"Ich glaube da gab es auch ein paar."
"Prima. Vielleicht gibt's da ja auch zufällig Buchtitel wie: Erinnern leicht gemacht oder Gedanken sortieren für Dummies", sagte ich mit einem zynischen Unterton.
Usagi lachte.
"Dann mal viel Glück beim Suchen."
"Hast du denn vor das zu machen? Bergsteigen meine ich."
"Das habe ich schon. Aber ich habe vor es wieder zu tun, ja. Dafür muss ich nur erstmal wieder fit genug werden und vorher noch eine ganze Weile trainieren."
"Wahnsinn. Du bist so verdammt ehrgeizig", sagte ich beeindruckt. "Ich wünschte ich hätte auch für irgendwas soviel Leidenschaft wie du fürs Bergsteigen."
Sie runzelte die Stirn.
"Ich dachte du zeichnest gern oder nicht?"
"Ja, aber ich habe schon lange nicht mehr ausdauernd an einem Projekt gearbeitet. Ich fange etwas an und verliere dann oft schnell die Begeisterung. Es fällt mir manchmal schwer etwas bis zum bitteren Ende durchzuziehen, weißt du?"
Sie nickte verstehend.
"Nun, vielleicht fehlt dir bisher ja nur die nötige Motivation. Irgendwas, was dich antreibt."
"Ja, vielleicht", murmelte ich nachdenklich und ließ mich wieder nach hinten in mein Kissen fallen. Wie auch immer diese Art von Motivation aussehen sollte. Ich wünschte ich hätte sie...

Da weder Usagi noch ich momentan gut zu Fuß waren und den besagten Ort zu dem Treffen erst einmal ausfindig machen mussten, begaben wir uns bereits eine halbe Stunde vorher auf den Weg zu Gebäude F, der psychiatrischen Abteilung. Usagi wirkte dabei noch immer ungewöhnlich lebhaft, ganz anders als am Tag zuvor und ein bisschen begann ich mich zu fragen, was der Auslöser für dieses Verhalten sein könnte, denn schließlich war sie zuerst nicht gerade scharf auf diese Gesprächsrunde gewesen. Doch jetzt strahlte sie über beide Ohren und hatte sich für das Treffen sogar ein wenig zurecht gemacht, was mich zugegeben etwas verwunderte.
"Ist heute morgen bei deinem Spaziergang irgendwas vorgefallen?", fragte ich beiläufig als wir nebeneinander im Aufzug standen.
"Vorgefallen? Naja..."
Sie strich sich etwas nervös eine Haarsträhne hinters Ohr und mied dabei auffällig meinen Blick.
"Es ist nur, weil du so unbeschwert wirkst. Man könnte ja glatt denken du wärst verknallt", gluckste ich.
Usagis Wangen wurden schlagartig knallrot. Hatte ich etwa mitten ins Schwarze getroffen?
"Was denn? Sag bloß du hast dir einen Arzt angelacht?", fragte ich erstaunt.
"Ach was... nicht doch. Er ist nur..."
Sie verstummte plötzlich und ich grinste belustigt.
"Er ist nur...was?", hakte ich neugierig nach.
Usagi senkte den Kopf um ihr Gesicht mit ihren Haaren zu verdecken.
"...nur ein Patient. Er war an dem Tag auch in Shibuya wie wir und er wollte mit zu diesem Treffen kommen", murmelte sie leise.
"Nun wird mir so einiges klar." Usagi nickte nur. Man merkte ihr an wie unangenehm es ihr war darüber zu sprechen. "Wenn er nur wegen dir dorthin geht, ist das auf jeden Fall ein gutes Zeichen."
"Das weiß ich nicht. Aber ich glaube er war nicht abgeneigt von einem Wiedersehen."
Wir verließen den Fahrstuhl und steuerten das Außengelände an. Plötzlich sah ich aus den Augenwinkeln helles Haar aufleuchten und drehte mich abrupt um. Vor dem Aufzug stand eine Person mit weißblondem schulterlangem Haar und wartete. Sofort begann mein Herz lautstark gegen meinen Brustkorb zu hämmern.
"Warte mal...", sagte ich zu Usagi und kehrte augenblicklich wieder um.
Als die Aufzugtüren sich öffneten, versuchte ich automatisch schneller zu humpeln, doch ich merkte, dass ich es nicht rechtzeitig schaffen würde.
"Chishiya!", rief ich panisch über den Gang. Alle Leute ringsherum starrten mich entgeistert an, doch das war mir in dem Moment völlig gleichgültig. Ich griff fest nach seinem Arm, um ihn aufzuhalten und er drehte sich schnell herum. Meine Miene erstarrte, als ich in das Gesicht einer jungen Frau mit platinblondem Haar blickte, die offensichtlich eine blasse Nordeuropäerin war. Sie musterte mich abschätzig und riss sich empört von mir los.
"Ups...ähm..." Ich kicherte etwas peinlich berührt. "Hab wohl heute meine Medikamente vergessen. Diese Halluzinationen immer..."
Ich lachte erneut und griff mir symbolisch an die Stirn. Beschämt wandte ich mich wieder ab. Als ich zu Usagi zurückkam, versuchte sie krampfhaft ein Kichern zu unterdrücken. Etwas zerknirscht schürzte ich die Lippen.
"Was war das denn?", gluckste sie sichtlich amüsiert.
"Nur eine Verwechslung...", nuschelte ich mit glühenden Wangen.
"Wer ist denn dieser Chishiya, hm?"
Ich seufzte nur.
"Ich wünschte ich wüsste es...aber ich glaube er verfolgt mich."
"Also für mich sah es eher danach aus als ob du ihn verfolgst."
"So ist das gar nicht..."
Etwas mutlos setzte ich meinen Weg mit Usagi fort. Ich hätte schwören können, dass ich ihn gesehen hatte, aber vielleicht hatte ich auch wirklich nur Halluzinationen. Die Schwester hatte neulich zu mir gesagt, dass das eines der Symptome von Rauchvergiftungen sein konnte. Möglicherweise war der Traum von letzte Nacht ja etwas ganz ähnliches gewesen.
Hatte ich mir Chishiya die ganze Zeit über also nur eingebildet?
Als wir den Raum, an dem das Treffen stattfand endlich gefunden hatten, öffnete ich erwartungsvoll, aber auch nervös die Tür. Ein paar Leute schienen bereits da zu sein, doch es gab noch einige Stühle, die unbesetzt waren. Ich sah mich kurz um, konnte jedoch niemanden entdecken, der nur annähernd wie der Typ auf meiner Zeichnung aussah. Einer der Teilnehmer war jedoch ein kleiner Junge, der mir seltsamerweise lächelnd zuwinkte. Ich winkte zögerlich zurück, weil ich glaubte ihn vom irgendwoher zu kennen. Ging er nicht an die Schule, in der ich arbeitete? Usagi und ich nahmen nebeneinander in dem Stuhlkreis Platz. Eine freundlich wirkende Frau im mittlerem Alter mit einem Bobhaarschnitt und Brille nahm Blickkontakt zu uns auf und begrüße uns kurz. Sie schien die leitende Therapeutin dieser Sitzung zu sein. Ich beobachtete wie Usagi einem jungen Mann mit strubbeligen schwarzen Haaren verlegen anlächelte. Offensichtlich war das der Patient, von dem sie mir vorhin erzählt hatte. Er schien tatsächlich nur Augen für Usagi zu haben und ein bisschen spürte ich wie Neid in mir aufkam. Insgeheim wünschte ich, dass ich ebenso solche ungeteilte Aufmerksamkeit von einem Mann bekommen würde, an dem ich Interesse hatte. Doch der Mann, an dem ich im Moment am meisten interessiert war, existierte womöglich nur in meinem Kopf. Diese Erkenntnis ließ mich bitter auflachen, wenn auch nur innerlich.
Der Junge, der mir fast genau gegenüber saß, starrte mich die ganze Zeit über neugierig an ohne ein einziges Mal zu blinzeln. Plötzlich rutschte er von seinem Stuhl und kam zu mir hinüber. Er blieb genau vor mir stehen und machte dann eine kleine Verbeugung.
"Guten Tag, Izumi-sensei", sagte er höflich.
"Ähm hallo....du gehst doch auch an die Nishi-Toyama Grundschule, nicht wahr?", fragte ich.
"Ja, richtig. Sie haben es also auch auf die andere Seite geschafft."
Ich blinzelte verwirrt.
"Andere Seite? Ich verstehe nicht ganz..."
Er seufzte und ließ den Kopf ein wenig hängen.
"Sie erinnern sich also auch nicht an das, was passiert ist, als wir weg waren?"
"Weg? Was genau meinst du damit?", fragte ich stirnrunzelnd.
"Keiner von euch Erwachsenen erinnert sich." Er blickte jetzt zu Usagi hinüber und setzte einen traurigen Gesichtsausdruck auf. Dann sah er wieder zu mir. "Das ist schade. Ich dachte ich könnte deinen Comic endlich zuende lesen. Ich hätte gern gewusst, was aus Chishiya geworden ist."
Etwas verblüfft sah ich ihm hinterher als er wieder zu seinem Platz zurück trottete.
Chishiya? Hatte er gerade Chishiya gesagt? Und woher wusste dieser Junge, dass ich Comics zeichne? Ich konnte mich nicht daran erinnern, dass ich es in der Schule irgendwem erzählt hatte, schon gar nicht einem Schüler.
Die Frau zu meiner Rechten beugte sich ein wenig zu mir hinüber.
"Sowas ähnliches hat dieser Junge vorhin auch zu mir gesagt und so getan als würde er mich kennen. Aber ich hab ihn noch nie zuvor gesehen", wisperte sie mir zu.
"Ziemlich unheimlich", entgegnete ich nur, weil ich zu nichts anderem fähig war. Wenn dieser Junge ebenfalls von Chishiya wusste, dann bedeutete das doch, dass ich nicht verrückt war, oder?
Wir drehten uns zur Tür als erneut jemand den Raum betrat und für einen Moment war ich perplex von seiner Erscheinung. Das Gesicht des Mannes war überzogen von hässlichen Brandnarben und genau wie Usagi und ich war er nicht gut zu Fuß und schlurfte ohne jegliche Gehhilfe zu einem Stuhl, in den er sich lässig hineinfletzte.
"Moin", warf er mit einem Kopfnicken in die Runde. Als ich in sein Gesicht sah, breitete sich augenblicklich eine unangenehme Gänsehaut auf mir aus und ich war mir sicher, dass das nicht an seinem entstellten Äußeren lag. Es war etwas anderes. Sein Blick begegnete meinem und er grinste fast diabolisch. "Das gibt's ja nicht. Die Schnecke von Shibuya ist auch hier."
Ich blickte in die Runde, weil ich dachte, dass er mit Sicherheit jemand anderen meinte, doch sein Blick war unverkennbar auf mich gerichtet.
"Du meinst...mich?", fragte ich verdutzt.
"Ja, kurz bevor der Stadtteil in die Luft flog, haben wir uns gesehen. Weißt du das etwa nicht mehr?"
Ich dachte angestrengt nach, doch ich konnte mich an nichts Konkretes erinnern. Sein Gesicht jedoch löste erneut ein mulmiges Gefühl in mir aus als würde mein Unterbewusstsein sich an etwas erinnern. Schon seine Stimme verursachte eine seltsame Antiphatie in mir, die ich nicht auf logische Weise erklären konnte.
"Ich hab keinen Schimmer wer du bist", entgegnete ich kühl.
"Natürlich nicht", sagte er etwas abschätzig. "Das war auch vor meiner krassen Verwandlung zum Sexiest Men Alive."
Einige ringsherum kicherten über seinen Witz, doch ich konnte mich nicht dazu durchringen ihn zu mögen.
Kurz darauf gesellten sich noch ein paar weitere Leute zu unserer Runde, sodass wir insgesamt zu zehnt waren, die Therapeutin mit eingeschlossen. Chishiya jedoch war nicht unter ihnen, was ich zugegeben fast schon erwartet hatte. Dennoch war ich unfassbar enttäuscht, weil ich ihn zu gern getroffen hätte, um herausfinden wer er überhaupt war und warum er ausgerechnet in meinem Kopf herumspukte. Leider war auch die junge Frau namens Hikari nicht unter den Anwesenden. Sie hatte auf mich jedoch auch nicht den Anschein gemacht als hätte sie eine Therapie wie diese nötig.
"Sieht wohl so aus als würde niemand mehr kommen", sagte die Therapeutin und lächelte zufrieden in die Runde, die aus zwei Männern, sechs Frauen und dem kleinen Jungen bestand. "Ehrlichgesagt hatte ich gehofft, dass mehr zu diesem Treffen kommen würden, aber sicherlich wurden auch schon einige inzwischen wieder entlassen. Trotzdem ist die Resonanz insgesamt geringer als ich es erwartet hatte. Nichtsdestotrotz begrüße ich Sie heute hier zu unserer kleinen Gesprächsrunde und freue mich, dass Sie alle erschienen sind. Mein Name ist Yamada Moriko, wie Sie dem Schreiben entnehmen konnten und da es ein paar Nachfragen gab bezüglich therapeutischer Maßnahmen nach dem tragischen Vorfall vor einer Woche, dachte ich es wäre schön, wenn Sie ihre persönlichen Erlebnisse miteinander teilen können. Sie alle verbindet, dass Sie an dem Tag in Shibuya Schreckliches erlebt haben. Dinge, die man lieber vergessen möchte. Einige haben sogar Angehörige oder Freunde verloren und es ist immer schmerzvoll, wenn man derjenige ist, der zurückgeblieben ist. Die Frage nach dem Warum wird keiner genau beantworten können, aber wir können uns trotzdem gegenseitig den Rücken stärken und zusammen in die Zukunft blicken, statt in die Vergangenheit. Doch bevor das überhaupt möglich ist, muss der Kopf und der Geist das erlebte verarbeiten. Und das ist der Punkt, an dem viele scheitern. Heute möchte ich, dass vor allem Sie zu Wort kommen. Wer sind Sie und warum sind Sie heute hergekommen? Und natürlich können Sie auch gern schildern wie Sie persönlich die Ereignisse erlebt und bisher verarbeitet haben. Alles ist möglich. Egal worüber ihr reden möchtet. Heute habt ihr die Chance dazu dies ungefiltert zu tun. Die anderen hören nur zu. Wir verurteilen niemanden und wir lassen jeden ausreden und geben ihm den Raum sich frei zu entfalten. Und wer nicht reden möchte, darf auch gern schweigen und nur zuhören. Also wer von Ihnen möchte beginnen?"
Sie blickte fragend in die Runde und eine peinliche Stille breitete sich in dem Raum aus. Der Erste zu sein, war schließlich immer unangenehm. Zögerlich hob jemand die Hand. Es war der junge Mann, der Usagis neue Bekanntschaft war.
"Bitte!", forderte sie ihn auf und er nickte etwas nervös.
"Also mein Name ist Arisu Ryohei und ich bin 25 Jahre alt", begann er und lächelte angespannt dabei "Ich ähm-... gehe normalerweise nicht zu solchen sozialen Events, aber ich dachte es würde mir dabei helfen besser mit meinen Schuldgefühlen klarzukommen. Zwei meiner besten Freunde sind bei der Katastrophe gestorben. Mein Bruder sagt es ist normal sich so zu fühlen, wenn man derjenige ist, der überlebt hat. Überlebensschuldsyndrom nannte er es. Trotzdem frage ich mich oft, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn ich an der Stelle der beiden gestorben wäre. Sie haben wenigstens versucht etwas aus ihrem Leben zu machen, während ich nur... in den Tag hinein gelebt habe und nichts dafür getan habe, um das zu ändern."
"Vielleicht war es ein Weckruf für Sie etwas zu ändern, Arisu oder was glauben Sie?", fragte Mariko als Arisu nicht mehr weitersprach.
Er nickte.
"Ja, das habe ich auch schon gedacht. Aber ich weiß nicht, ob ich diese Chance überhaupt verdiene", sagte er mit gesenktem Blick.
"Ich finde jeder verdient eine zweite Chance. Es ist sehr mutig sein Leben von jetzt auf gleich zu ändern. Manchmal braucht es eben einen entsprechenden Auslöser um uns wachzurütteln. Egal wie tragisch es ist, was in unseren Leben passiert. Es gibt immer etwas Positives, was wir für uns daraus ziehen können und sei es noch so winzig. Es hilft uns weiterzumachen und nicht aufzugeben. Möchtest du noch etwas anderes sagen, Arisu?"
"Also... nein. Erstmal nicht."
"Das ist völlig in Ordnung. Gibt es jemand anderen, der gern zu Wort kommen möchte?", fragte Moriko und sah jeden Einzelnen von uns durchdringend an.
Zaghaft hob ich die Hand.
"Sehr schön", sagte sie und machte eine ausschweifende Handbewegung in meine Richtung. Ich hatte mir noch nicht wirklich überlegt, was ich sagen wollte, aber wenn ich jetzt nichts sagte, würde ich wohl sonst vor Anspannung platzen.
"Hallo", sagte ich und faltete meine Hände nervös in meinem Schoß zusammen. "Ich bin Izumi Tsuki, 24 Jahre alt und angehende Lehrerin an einer Grundschule. Ich war an dem besagten Tag alleine in Shibuya. Glaube ich jedenfalls. Mein Problem ist, dass ich mich an nichts von dem erinnere, was passiert ist. Offensichtlich hat mein Gehirn das irgendwie verdrängt. Aber irgendwas in mir kann nicht aufhören darüber nachzudenken... auch weil ich das Gefühl habe, dass ich etwas sehr wichtiges vergessen habe an das ich mich unbedingt erinnern wollte. Es macht mich wahnsinnig, dass ich es nicht mehr weiß. Manchmal sehe ich Dinge oder auch Personen, die mir vertraut vorkommen, aber ich weiß nicht wieso und woher. Auf der anderen Seite habe ich auch etwas Angst mich zu erinnern, weil ich nicht weiß, was es mit mir macht."
"Nun, es ist nicht ungewöhnlich, sich an traumatische Ereignisse nicht zu erinnern und ich verstehe deinen Frust", sagte Moriko mitfühlend. "Aber vielleicht ist deine Psyche auch noch nicht bereit für die Wahrheit. Der menschliche Organismus ist letztendlich so konzipiert worden, damit wir an dem Schmerz nicht zerbrechen, den es uns zufügen könnte. Falls du diese Erinnerungen allerdings unbedingt zurückerlangen willst, gibt es eine Möglichkeit das zum Beispiel Mithilfe von Hypnose zu tun. Zumindest kann das unterstützend dabei helfen, auch wenn es natürlich nie eine Garantie dafür gibt, dass man sich danach wirklich erinnert." Ich nickte abwesend. Hypnose. Warum hatte ich daran nicht selbst gedacht? "Willst du noch etwas hinzufügen, Izumi?", fragte Moriko.
Ich schüttelte den Kopf, weil ich noch immer tief in Gedanken war. Vielleicht wäre das meine einzige Chance all meine Erinnerungen zurück zu bekommen und herauszufinden, was es mit Chishiya und dem Herzbuben wirklich auf sich hatte.
"Dann bin ich jetzt dran", schnarrte der arrogante Typ mit den Narben im Gesicht. "Nennt mich Niragi oder einfach Freddy Krueger, wenn ihr wollt. Ich bin hier, weil es verdammt öde ist in diesem verschissenen Krankenzimmer vor sich hin zu vegetieren und ich außerdem das makellose Antlitz meines Bettnachbarn nicht mehr länger ertragen konnte. Er hat vielleicht das schönere Gesicht, aber wenn wir ehrlich sind, bin ich trotzdem heißer als er. Ich wollte ihn überreden mitzukommen als Beweis aber er war nicht so scharf auf dieses geheuchelte Selbstmitleid. Seine Worte, nicht meine. Also bevor ich zum heißesten Typen von Tokyo wurde, war ich eigentlich ein ziemliches Arschloch, aber... als ich aufwachte, hatte ich ein paar verrückte Visionen. Vielleicht so eine Art Nahtoderfahrung. Ihr wisst schon... wie wenn man dieses berühmte Licht am Ende des Tunnels sieht, nur krasser. Ich war an einem anderen Ort und hab mich selbst gesehen, wie ich all die Dinge tue, die ich schon immer machen wollte, ohne dafür belangt zu werden und mich an denen räche, die mich früher fertig gemacht haben. Als ich aufwachte, hat es sich aber nicht annähernd so gut angefühlt, wie ich geglaubt hatte. Scheiße, ich bin fast draufgegangen und hab mich gefragt, warum ausgerechnet jemand wie ich eine zweite Chance bekommt. Und ich glaube inzwischen weiß ich es: die Welt wollte einen besseren Menschen aus mir machen. Und hier sitzt er nun. Mensch 2.0. Verbessert und generalüberholt."
Ein langes betretenes Schweigen erfüllte den Raum als er seine Rede beendet hatte. Dann brach jemand in einem haltlosen Kichern aus. Es war die Frau, die rechts neben mir saß.
"Entschuldigt", wisperte sie, als sie sich wieder gefangen hatte. Niragi grinste triumphierend und ein wenig bewunderte ich sein unerschütterliches Selbstbewusstsein angesichts dem, was ihm wiederfahren war. Womöglich war er ja gar nicht so schrecklich, wie ich im ersten Moment geglaubt hatte. Trotzdem fiel es mir schwer ihn einzuschätzen. Die Frau neben mir, die den Namen Suzuki Mei trug, schien aber offensichtlich Gefallen an Niragi zu finden. Auch sie erzählte ein wenig von sich. Der einzige, der den ganzen Abend über gar nichts sagte, war der kleine Junge. Es wirkte eher so als wäre er nur zum Zuhören gekommen und nicht um selbst zu reden. Seine Worte von vorhin schwirrten mir noch immer im Kopf herum. Es war beinahe so als hätte er gewusst, dass ich meine Erinnerungen verloren hatte. Aber das konnte nicht sein, oder doch?
Als die Runde endlich beendet war, tauschten wir untereinander unsere Handynummern aus für den Fall, dass wir uns noch einmal treffen wollten, wenn wir alle aus der Klinik entlassen wurden. Im Anschluss machten Usagi und ich uns zusammen zurück auf dem Weg zu unserem Zimmer, denn die Nachtruhe würde jeden Moment beginnen.
"Du wirkst etwas unzufrieden", bemerkte Usagi nach einer Weile.
"Hmm ja, ich habe nicht das herausgefunden, was ich herausfinden wollte."
"Du meinst du weißt noch immer nicht wer dieser Chishiya ist?"
Ich nickte betrübt.
"Ja. Das macht mich langsam wirklich fertig. Vielleicht sollte ich mich wirklich hypnotisieren lassen."
"Ob das wirklich funktioniert?", fragte sie zweifelnd.
"Keine Ahnung, aber es ist besser als nichts zu tun, oder?"
"Weißt du, Izumi. Ich glaube ich habe auch etwas Ähnliches gespürt wie du." Ich blickte fragend zu ihr auf. "Ich meine als ich heute Vormittag auf Arisu traf. Da war es fast als ob... wir uns vom irgendwoher kennen würden. Und er glaubte das auch. Das war wirklich merkwürdig."
"Im Ernst?", fragte ich fassungslos. "Das sagst du mir erst jetzt?"
"Ich hielt es wohl für unbedeutend. Ich dachte es ist einfach nur Einbildung. Aber wieso haben wir uns beide das Gleiche eingebildet?"
Ich seufzte erleichtert und ließ mich gegen die Wand im Aufzug sinken.
"Vielleicht besteht also die Chance, dass ich doch nicht verrückt bin..."

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