Kapitel 15
"Gib Bescheid, wenn es nicht mehr geht", sagte ich als Chishiya schon einige Zeit mit meinem zusätzlichen Gewicht im Schlepptau unterwegs war.
Ich machte mir vor allem Sorgen darum, ob seine genähte Wunde das heil überstehen würde. Inzwischen war es zwar schon über eine Woche her, aber dennoch war ich mir sicher, dass Chishiya meist nur so tat als ob er keinerlei Schmerzen hätte.
"Wir sind sowieso gleich da", keuchte er unter Anstrengung.
Als wir dann endlich bei dem Haus ankamen, setzte Chishiya mich auf den unteren Stufen im Treppenhaus ab. Dann sank er erschöpft gegen die Wand im Korridor.
"Das alles tut mir ehrlich Leid", sagte ich mitfühlend als ich ihn so vollkommen entkräftet sah.
"Nicht deine Schuld."
"Nun... den Rest schaffe ich auch irgendwie alleine", sagte ich zuversichtlich und erhob mich dann.
"Warte", sagte Chishiya und rappelte sich wieder auf.
Er ging zu dem Fahrstuhl und drückte auf den großen Knopf neben der Tür. Ich staunte nicht schlecht als die Aufzugtüren tatsächlich aufglitten.
"Der Aufzug funktionierte die ganze Zeit?", fragte ich völlig baff von dieser Erkenntnis.
Chishiya trug ein verschmitztes Grinsen auf den Lippen.
"Ich habe nie behauptet, er würde nicht funktionieren. Das Notstromaggregat ist für das gesamte Haus konzipiert. Ich hielt es lediglich für eine Verschwendung ihn zu benutzen. Nach dir", sagte er und gestekulierte mit der Hand zum Fahrstuhl.
Etwas ungelenk humpelte ich hinein und stützte mich sofort an den seitlichen Griffen ab. Chishiya folgte mir und drückte auf die Nummer 5. Tatsächlich setzte sich der Aufzug laut polternd in Bewegung. Lächelnd sah ich hinüber zu Chishiya, der auf der anderen Seite der Kabine stand und sich mit den Händen in den Jackentaschen dagegengelehnt hatte.
Für einen kurzen Moment verharrten wir beide vollkommen still. Es war seltsam mit ihm alleine in einem Aufzug zu sein und als er mit mir Blickkontakt herstellte, schossen mir augenblicklich hemmungslose Sexszenen aus irgendwelchen Hollywood-Filmen in den Kopf. Ein wildes Prickeln breitete sich in meinem Bauch aus und wanderte dann allmählich Richtung Unterleib. Ich spürte wie meine Wangen schlagartig warm wurden und biss mir auf die Unterlippe, um diese Gedanken zu verjagen.
Chishiya hob daraufhin etwas erstaunt eine Augenbraue. Etwas verlegen senkte ich den Blick und fuhr unruhig durch meine Haare. Statt auf Chishiya blickte ich nun konzentriert auf die kleine Anzeige neben ihm, die angab in welcher Etage wir uns gerade befanden, um mich von meinen unanständigen Gedanken abzulenken. Es rumpelte kurz und die Aufzugtüren schwangen wieder auf. Dann verließen wir beide den Fahrstuhl. Schweigend zog er seinen Schlüssel hervor und öffnete damit die Tür. Eine etwas unangenehme Stille lag jetzt in der Luft.
"Setz dich erstmal", sagte er tonlos, als wir eingetreten waren und deutete zu meiner Überraschung auf sein Futonbett.
Etwas erstaunt darüber blinzelte ich. Dann humpelte ich dorthin und setzte mich noch etwas zögerlich auf die Matratze, während ich mich schonmal von meinen Schuhen und den Socken befreite.
Chishiya holte in der Zeit den Erste-Hilfe-Kasten hervor und suchte nach einem passenden Verband und einer Salbe. Dann ging er zum Kühlschrank und holte ein blaues Kühlpack heraus, das er in ein Geschirrtuch wickelte. Erst dann kam er wieder zu mir zurück.
"Hier. Das hilft erstmal etwas gegen die Schwellung."
Er ging in die Hocke und presste es fest gegen meinen Knöchel. Dann bedeutete er mir das Pack selbst dagegenzudrücken. Ich winkelte das Knie an und stellte es auf die Matratze, sodass ich bequem an meinen Fuß herankam. Chishiya riss währenddessen die Verpackung mit den Bandagen auf. Dann öffnete er die Salbe und nahm mir das Kühlpad wieder aus der Hand. Behutsam verteilte er die Salbe auf meinem Knöchel.
Noch immer herrschte eine seltsame Anspannung zwischen uns, die deutlich greifbar war. Irgendwie hatte ich es mir anders vorgestellt, nachdem er vorhin so liebevoll zu mir gewesen war. Im Moment jedoch wirkte er fast ein bisschen gleichgültig, was mich irritierte.
"Chishiya?", fragte ich, als er nach den Verbänden griff.
Er sah kurz zu mir auf, sagte aber nichts. "Warum bist du so still? Hab ich was...falsches gemacht?", fragte ich zögerlich.
Er seufzte kurz.
"Nein, es...liegt an mir."
Ich stutzte und runzelte die Stirn.
"An dir?"
Er sah wieder zu mir auf und musterte mich eindringlich.
"Ich... bin nicht gut in diesen Dingen, Tsuki. Ich möchte nicht, dass du im Nachhinein enttäuscht bist, weil es nicht so ist, wie du es dir vorgestellt hast."
Für einen Moment starrte ich ihn nur sprachlos an und wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte.
"Was glaubst du denn, was ich mir vorgestellt habe?", fragte ich leise als ich meine Stimme wiedergefunden hatte.
Chishiya blickte kurz ins Leere und sagte dann:
"Ich weiß genau, an was du gerade gedacht hast als wir im Aufzug waren. Deine Körpersprache hat Bände gesprochen."
Meine Wangen wurden innerhalb von Sekunden wieder glühend heiß. Waren meine Gesten wirklich so offensichtlich gewesen?
Er nahm den Verband und legte ihn dann professionell an meinem Fuß an.
"Ist denken jetzt etwa verboten?", murrte ich etwas trotzig.
"Hör zu...was ich sagen will ist-"
Bevor er weitereden konnte, schnappte ich fassungslos nach Luft und legte demonstrativ meine Hände auf den Mund.
"...du bist noch Jungfrau?"
Chishiya rollte etwas genervt mit den Augen.
"Nein, das wollte ich damit nicht sagen."
Ich kicherte etwas über seine Reaktion.
"Also bist du es oder nicht?", fragte ich stichelnd.
"Ich hatte schon Sex, aber... das ist jetzt nicht das Thema, Tsuki."
"Chishiya", sagte ich jetzt eine Spur ernster. "vorhin hast du gesagt, dass du neu anfangen willst und angedeutet, dass du das mit mir willst. Aber jetzt willst du mir erklären, dass das nur so dahingesagt war?"
Chishiya schüttelte den Kopf und griff plötzlich nach meiner Hand, was mich etwas erstaunt zusammenfahren ließ.
"Das war nicht dahingesagt. Ich habe jedes Wort so gemeint. Nur liegt mir dieses Ganze drumherum eben nicht."
Ich lächelte matt.
"Glaub mir, Chishiya. Das weiß ich schon längst. Aber so muss es ja nicht bleiben, oder? Ich meine, vielleicht liegt es dir ja sogar besser als du denkst."
Auf seinen Lippen erschien ein schwaches argwöhnisches Lächeln.
"Du bist immer so unglaublich optimistisch."
"Vor ein paar Tagen noch hättest du es naiv genannt."
"Stimmt. Es scheint, als hättest du schon einen negativen Einfluss auf mich", sagte er trocken und legte das Kühlpad wieder auf meinen bandagierten Knöchel.
"Du meinst sicher positiv", korrigierte ich ihn.
"Nein."
Er lächelte zynisch und stand dann auf. Ich sah kurz hinüber zu der Stelle, an der bis vor kurzem meine Futonmatte gelegen hatte, die jetzt aber leer war. Chishiya folgte meinem Blick und ich wandte meinen widerrum verlegen wieder ab.
"Soll ich sie dir wieder hinräumen?", fragte er amüsiert und verschränkte die Arme.
Ich biss auf meine Unterlippe und sah schüchtern zu ihm auf.
"Kommt drauf an", meinte ich zögerlich.
"Worauf?"
"Ob du mich dort haben willst oder nicht."
"Was glaubst du denn?"
Ich zuckte zur Antwort etwas mit den Schultern. Dann wandte sich Chishiya plötzlich von mir ab und ging zur Truhe hinüber.
Er holte Decke und Kissen hervor, klemmte sie unter den Arm und kam damit zu mir zurück. Dann ließ er beides auf sein Bett fallen. Chishiya musste nichts weiter tun um meinen Puls in die Höhe zu treiben. Er wollte, dass ich neben ihm schlief. In seinem Bett. Zusammen. Er und ich.
Bei dem Gedanken konnte ich mir ein siegessicheres Grinsen nicht verkneifen. Ich rutsche demonstrativ weiter auf die Matratze und ließ mich dann nach hinten mit dem Kopf auf sein Kissen fallen, während ich ihn weiter belustigt angrinste.
"Das wollte ich schon immer mal machen."
"Als hättest du das nicht ohnehin schon getan..."
Empört richtete ich mich auf.
"Was willst du damit sagen?"
"Ich habe Haare von dir auf meinem Kissen gefunden. Es zu leugnen, wäre zwecklos."
Ertappt kicherte ich.
"Ach das, da bin ich nur...gestolpert."
"Sicher. Stolpern scheint ja deine Spezialität zu sein", sagte er mit einem skeptischen Blick auf meinen Fuß.
"Weißt du was: ich habe ziemlichen Hunger", sagte ich mit einem Schmollen und rollte mich auf meinen Bauch, während ich sein Kissen umklammerte, das noch immer intensiv nach Chishiya roch.
"Und inwiefern ist das mein Problem?", fragte er abfällig, lächelte jedoch ein wenig dabei.
"Es wird zu deinem Problem, wenn ich dich damit nerve."
Chishiya stöhnte.
"Na schön. Was willst du?", fragte er und öffnete den Schrank mit den Vorräten.
"Am liebsten ein paar panierte Hähnchenfilets", seufzte ich sehnsüchtig.
"Bleib realistisch", knurrte er und sah mich streng an.
"Dann....einen Kuss?", fragte ich und lächelte charmant.
Seine Miene wurde zweifelnd.
"Ich dachte da eher an etwas nahrhafteres."
"Zwei Küsse?" Chishiya warf mir einen weiteren strengen Blick zu. "Okay, nagut, dann....Onigiri?", stöhnte ich, wenn auch etwas enttäuscht, weil ich eher auf die Küsse gehofft hatte.
"Das könnte gehen", meinte er mit einem weiteren Blick in den Schrank und nahm dann ein paar Sachen heraus. "Und du kühle weiter den Knöchel.", fügte er forsch hinzu, als er sah, dass ich das Kühlpad bereits wieder weggelegt hatte.
"Du bist so streng", moserte ich, tat jedoch was er sagte und legte es zurück auf meinen Fuß.
Dann beobachtete ich ihn interessiert dabei, wie er für uns etwas zu Essen zubereitete.
"Also bei dem Spiel vorhin...warst du da der einzige Überlebende?", fragte ich, weil ich mich nicht erinnern konnte noch andere Spieler vor dem Gerichtsgebäude gesehen zu haben.
Chishiya hielt kurz in seiner Bewegung inne.
"Ja", sagte er knapp und setzte dann einen Topf Reis auf.
"Worum ging es denn" Vollkommen geistesabwesend starrte er auf einen leeren Punkt an der Wand ohne mir zu Antworten. "Chishiya?"
Sein Name versetzte ihn wieder in die Gegenwart und befreite ihn aus seiner Starre.
"Das erzähl ich dir ein anderes Mal."
Ein bisschen überraschte mich seine Antwort. Was genau hatte er dort erlebt, dass er nicht darüber reden wollte? Chishiya brachte normalerweise nichts so leicht aus der Fassung, doch diesmal wirkte er sichtlich deplatziert als wäre irgendwas dort vorgefallen, was ihn zutiefst verstört hatte.
"Das ist in Ordnung", sagte ich verständnisvoll und erhob mich von der Matratze. Meinen Fuß hinter mir herziehend ging ich zu ihm und legte dann meine Arme von hinten um seinen Körper. "Ich bin nur froh, dass du es raus geschafft hast."
Chishiya rührte sich währenddessen nicht, während ich ihn fest an mich presste und meine Stirn dabei in seinen Nacken legte.
Es war ein unbeschreiblich schönes Gefühl ihm so nah sein zu können und dass er es zuließ, grenzte für mich noch immer an ein Wunder.
"Du solltest versuchen deinen Fuß noch etwas zu schonen", sagte er schließlich.
Ich verdrehte die Augen.
"Jahh, Doktor", schnarrte ich, dachte jedoch nicht daran ihn loszulassen.
"Außerdem kann ich nicht vernünftig kochen, wenn du so an mir dran hängst."
Er schüttelte mich etwas ab und ich zog daraufhin einen übertriebenen Schmollmund. Dann holte er Geschirr für uns aus dem Schrank und drückte es mir in die Hand.
"Wenn du was Sinnvolles machen willst, dann deck' schonmal den Tisch."
Mein Blick wurde noch finsterer. Missmutig trug ich das Geschirr zu dem Tisch und bereitete alles vor. Doch ich war zugegeben verletzt von seinem abweisenden Verhalten. Wie war es möglich, dass dies derselbe Chishiya war, der mich vorhin auf dem Spielplatz in die Arme gezogen und mich geküsst hatte? Hatte er etwa Angst ich würde gleich über ihn herfallen, nachdem er meine anzüglichen Gedanken im Fahrstuhl erraten hatte?
Denn seltsamerweise schien er erst seitdem distanzierter sein. Dabei würde es mir auch vorerst reichen, wenn er mich nur küsste oder in die Arme nahm. Ich musste zugeben seit der Sache mit Niragi, war ich mit meinem sexuellen Verlangen ohnehin zurückhaltender geworden.
Ich will damit nicht sagen, dass ich es nie wieder tun wollte, aber für einige Zeit nach dem Beach hatte ich tatsächlich keinerlei Bedürfnis mehr danach verspürt. Vorhin war genau genommen das erste Mal seit langem, dass ich mir so etwas vorgestellt hatte. Und ich wusste, wenn ich es je wieder tun wollen würde, dann auf jeden Fall mit Chishiya.
Dieser kam jetzt mit den Onigiri an den Tisch und teilte sie auf unsere Teller auf. Ich musste gestehen, dass sie wesentlich besser aussahen, als wenn ich sie zubereitete.
"Ich hoffe sie sind gelungen", sagte er, nahm sich eines und biss hinein.
Ich tat es ihm nach und probierte eines mit Thunfisch.
"Die sind wirklich gut", lobte ich, nicht nur um seinem Ego zu schmeicheln, sondern auch weil es stimmte. "Hat deine Mutter dir das Kochen beigebracht?", fragte ich in der Hoffnung, dass er etwas mehr über sich erzählte.
"Nein, ich hab es mir selbst beigebracht", erwiderte er nur.
"Okay..."
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Vielleicht hatte er ja gar keine Eltern mehr und jetzt hatte ich ihn daran erinnert. Aber ich wollte es so gern wissen...
"Also deine Eltern...", begann ich zögerlich.
"Sie sind noch am Leben. Falls es das ist, was du wissen willst. Zumindest waren sie es noch bevor wir herkamen."
"Ah, das ist gut. Vielleicht kann ich sie ja irgendwann mal kennenlernen", sagte ich zuversichtlich.
"Ich weiß nicht, ob das eine so gute Idee wäre."
Ich blickte etwas ratlos auf.
"Warum nicht?"
"Sie sind beide Ärzte und... sagen wir es so: sie sind von Natur aus schwierig. Aber ich habe ohnehin nicht mehr viel mit ihnen zu tun."
Offenbar hatte ich tatsächlich das Talent immer die falschen Dinge in seiner Gegenwart anzusprechen.
"Entschuldige. Ich wollte nicht-... also ich wollte nur wissen...egal..."
"Wir müssen nicht über unsere Vergangenheit reden, Tsuki."
Ich blickte etwas verständnislos auf.
"Worüber dann? Die Zukunft?"
Er lächelte schwach.
"Ja, wieso nicht?"
"Okay also, falls wir je wieder zurückkommen, willst du dann weiterhin Medizin studieren und Arzt werden?"
"Das weiß ich noch nicht. Aber vielleicht werde ich das...auch wenn es Dinge gibt, die ich dann anders machen möchte."
"Was denn zum Beispiel?", fragte ich neugierig.
"Ich möchte anfangen selbst zu bestimmen und nicht immer alles hinnehmen müssen. Vor allem möchte ich lernen für etwas einzustehen und dafür zu kämpfen so wie du es tust, Tsuki."
"Ich?"
Ich deutete mit fassungsloser Miene auf mich selbst, weil ich nicht wusste, was ich darauf erwidern sollte. Stattdessen bekam ich feuchte Augen, weil seine Worte mich so berührten.
"Ja, du hast mir gezeigt, dass man nicht so einfach aufgeben sollte, egal wie hoffnungslos es erscheint. Dafür danke ich dir."
Ich hätte nie für möglich gehalten, dass Chishiya ausgerechnet mich bewunderte. Mich. Das war absurd.
"Also... gern geschehen, glaube ich."
"Was ist mit dir? Was hast du vor, wenn du zurück bist?", fragte er zu meinem Erstaunen.
Ich dachte einen kurzen Augenblick lang nach.
"Hmm schätze ich mache einfach da weiter, wo ich aufgehört habe. Heißt ich beende mein Studium und werde endlich Lehrerin. Dann möchte ich natürlich auch meinen Webtoon veröffentlichen. Und..."
Als ich nicht weitersprach, runzelte Chishiya etwas die Sitrn.
"Und?"
Ich kicherte verlegen und spürte wie ich etwas errötete.
"Nun ja, das hört sich jetzt vielleicht kitschig an, aber... ich würde gern jemanden finden, der sein Leben mit mir verbringen möchte."
"Verstehe...", erwiderte er nur mit erhobener Augenbraue. "Dann viel Glück dabei."
Chishiya stand plötzlich abrupt auf und begann dann den Tisch abzuräumen.
"Warte mal. Wie meinst du das?", fragte ich quengelig.
"So wie ich es gesagt habe."
Ich stand ebenfalls auf, um ihm zu folgen, vergaß jedoch kurzzeitig, dass ich einen verstauchten Knöchel hatte und sackte sofort wieder zusammen. Nur wenige Sekunden später war Chishiya bei mir, um mich wieder hochzuziehen.
"Was tust du denn da?", fuhr er mich etwas grob an.
"Hab vergessen, dass ich nicht normal laufen kann", sagte ich mit einem peinlichen Kichern und klammerte mich dabei an Chishiyas Jacke fest.
Er seufzte und drückte dann kurz meinen Kopf an seine Brust, was mein Herz innerhalb kürzester Zeit immens beschleunigte.
"Dich kann man wirklich nicht alleine lassen. Wie hast du es nur geschafft so lange zu überleben?"
"Naja... Ich hatte wohl einfach mehr Glück als Verstand", murmelte ich gegen seinen Hals und hatte sofort wieder einen schwachen Duft von Teebaumöl in der Nase.
Chishiya streichelte mit seinen Fingern durch mein Haar und ich schloss die Augen, um diesen Moment so ausgiebig wie nur möglich auszukosten.
"Du...wirst mich nicht wieder wegschicken, oder?"
Ich sah hoffnungsvoll zu ihm auf. Chishiya musterte mich ungewöhnlich lange bevor er antwortete. Dann hob er seine Hand und klemmte mir zärtlich eine Haarsträhne hinters Ohr. Diese winzige Geste von ihm jedoch reichte schon, um mich schwach werden zu lassen.
"Das hatte ich nicht vor."
Ich atmete erleichtert auf und lächelte.
Kurze Zeit später hatten wir zusammen die Küche wieder in den Urzustand gebracht, weshalb ich mich jetzt um mein Bettzeug kümmerte.
"Auf welcher Seite willst du lieber schlafen?", fragte ich an Chishiya gewandt.
"Entscheide dich einfach für eine."
"Hmm nagut, dann nehme ich... rechts", entschied ich. "oder doch lieber links?"
"Nun, ich werde jetzt ins Badezimmer gehen, dann hast du genug Zeit um diese wichtige Lebensentscheidung zu treffen", sagte er und ließ die Tür dann hinter sich zufallen.
Nach reichlicher Überlegung hatte ich mich dann endgültig für die rechte Seite entschieden. Ich platzierte mein Kissen und meine Decke also auf meine Seite und schob Chishiyas Bettzeug auf die andere Seite hinüber. Dann kuschelte ich mich in meine Decke ein und stellte mir schon vor wie es wäre, wenn er endlich in greifbarer Nähe neben mir liegen würde. Sofort breitete sich ein verträumtes Lächeln auf meine Lippen aus.
Dann wurde mir bewusst, dass ich nicht einmal mehr Schlafsachen hatte. Ich musste morgen auf jeden Fall versuchen meine Tasche wieder zu bekommen, denn im Moment besaß ich nichts, außer der Kleider, die ich am Leib trug und das war nicht gerade viel. Und nur in Unterwäsche zu schlafen, kam wohl im Moment eher nicht in Frage, obwohl der Gedanke irgendwie auch seinen Reiz hatte. Ich grinste wie bekloppt, als ich mir vorstellte wie Chishiyas Gesichtsausdruck aussehen würde, wenn er aus dem Badezimmer zurückkehrte und mich dann nur in Unterwäsche vorfinden würde.
"Bist du high?", durchbrach Chishiya plötzlich meine absurden Gedankengänge.
Ich fuhr etwas erschrocken zusammen, weil ich nicht gehört hatte wie er den Raum betreten hatte.
"Ähm nein."
"Sah für einen Moment stark danach aus."
Ich lächelte peinlich berührt.
"Mir geht's gut."
"Ja, offensichtlich zu gut deinem Grinsen nach zu urteilen."
Er ließ sich am Rand seiner Bettseite nieder und schüttelte dann sein Kissen auf.
"Ich bin nur glücklich hier bei dir zu sein. Das ist schon alles."
"Du bist wirklich leicht zufrieden zu stellen", bemerkte er und legte sich dann auf die Matratze, was mein Herz automatisch ein paar Takte schneller schlagen ließ.
Er war nur noch wenige Zentimeter von mir entfernt und ich bräuchte nur meine Hand ausstrecken, um ihn zu berühren. Chishiya lag jedoch nur etwas steif auf dem Rücken und starrte an die Decke, während ich ihn von der Seite her beobachtete.
"Willst du nicht das Licht ausschalten?", fragte er und drehte dann seinen Kopf zu mir. "Es steht ja immerhin auf deiner Seite."
"Hmm, aber dann seh ich dich ja nicht mehr."
Chishiya stöhnte leise und drehte sich dann von mir weg.
"Du bist manchmal wirklich anstrengend."
Etwas frustriert drehte ich mich zu der Nachttischlampe und schaltete sie aus. Dabei wusste ich, dass ich sowieso nicht schlafen konnte in seiner unmittelbaren Nähe. Als sich mein Augenlicht etwas an die Dunkelheit gewöhnt hatte, starrte ich für geraume Zeit auf Chishiyas Rücken und fragte mich, ob er bereits eingeschlafen war.
Etwas Zögerlich rutschte ich an ihn heran, doch er rührte sich nicht von der Stelle. Dann ohne jegliche Vorwarnung drehte er seinen Kopf zu mir um. Verdutzt starrte ich ihn an als er beinahe forsch nach meinem Arm griff und ihn von hinten um seinen Oberkörper legte. Seine Hand verschränkte sich mit meiner und mein Herz sprang dabei fast aus der Brust.
"Jetzt versuche zu schlafen", sagte er mit milder aber entschiedener Stimme.
Überglücklich presste ich mich dicht an seinen Rücken ohne seine Hand dabei loszulassen. An Schlaf war in diesem Augenblick überhaupt nicht zu denken.
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