Geister der Vergangenheit (2)
"Sie hat dich wirklich geküsst?", unterbrach Tsuki mich völlig verstört.
"Ja."
Wenn sie darauf schon so heftig reagierte, sollte ich ihr vielleicht lieber verschweigen, was danach geschah.
"Und du hast ihn einfach erwidert?"
"Hm, ja, ich schätze, ich war neugierig. Aber vor allem wollte ich wohl wissen, ob ich irgendwas dabei empfinden würde. Und nun ja, der Sake war daran wahrscheinlich auch nicht ganz unbeteiligt."
"Und was ist dann passiert?"
Ich drehte mich zur Seite und sah sie einige Zeit lang schweigend an, in der Hoffnung, dass sie es vielleicht auch ohne Worte verstehen würde. Tsuki wirkte zunehmend verunsichert.
"Was glaubst du?", fragte ich irgendwann, als sie immer noch nichts von sich gegeben hatte.
"Ihr Mann kam nach Hause und hat euch erwischt", riet sie mit einem nervösen Lächeln.
"Da muss ich dich leider enttäuschen", sagte ich und schloss kurz die Augen.
Yoshikawa kam näher. Ich spürte, wie sich ihre Hand auf mein Knie legte. Ihre Zunge drängte sich beinahe fordernd gegen meine Lippen. Bereitwillig ließ ich sie vordringen, um mich auf diese neue Erfahrung einzulassen. Das Gefühl unserer Zungen, die sich eng miteinander verwoben, war einerseits ungewohnt, aber andererseits auch mitreißend. Es war, als würden meine unaufhörlichen Gedanken plötzlich fortgespült werden an einen weit entfernten Ort. Stattdessen spürte ich ihr Verlangen, das wuchs, je länger unsere Berührungen anhielten. Es löste etwas in mir aus, dass die innere Leere kurzzeitig mit einem Hauch von Leben füllte.
Als Yoshikawa sich von mir löste, schmunzelte sie bei meinem Anblick ein wenig.
"So viel zum kussechten Lippenstift."
Sie griff nach einer Serviette auf dem Tisch und wischte mir damit über den Mund. Rasch nahm ich ihr das Tuch aus der Hand, um es selbst zu machen.
"Das war jetzt nicht gerade sehr professionell von Ihnen", merkte ich an.
Yoshikawa gluckste und rutschte näher an mich heran, um mir etwas ins Ohr zu flüstern:
"Dabei habe ich noch nicht mal mit dem Unterricht angefangen, Shuntarô. Aber deine Küsse haben durchaus Potenzial."
Der Klang meines Vornamens auf ihren Lippen war befremdlich und intim zugleich. Niemand außer meinen Eltern nannte mich Shuntarô. Tatsächlich mochte ich den Namen nicht besonders, doch wenn sie ihn aussprach, war es, als bekäme er eine völlig neue Bedeutung. Ihre Hand, die noch immer auf meinem Knie lag, strich jetzt betont langsam über meinen Oberschenkel, während sie ihre Nase in meinen Haaren vergrub.
"Was genau soll ich dabei lernen?", fragte ich und spürte, dass meine Kehle zunehmend trockener wurde. Ihre Nähe überforderte mich ein wenig. Ich war es nicht gewohnt, dass Menschen mir so nahe kamen. Dennoch tat ich nichts, um es zu unterbinden. Eine gewisse Faszination über die Situation hielt mich davon ab.
"Oh, sehr viel, Shun. Das Studium der weiblichen Anatomie ist nichts, was nur in der Theorie beherrscht werden sollte. Wenn du wirklich Arzt werden willst, ist auch die Praxis ein wichtiger Bestandteil davon. Einerseits muss man sich daran gewöhnen, anderen Menschen körperlich nahe zu kommen, andererseits kann man sich Dinge wesentlich besser einprägen, wenn man sie selbst einmal ergründet hat."
Ihr Atem traf auf meinen Hals, während ihre Hand nach meiner griff und sie in einer flinken Bewegung zu sich zog, um sie auf ihre Brust zu legen. In diesem Moment gelang es mir nicht, ihr zu widersprechen. Der Alkohol verlangsamte meine Reaktion, doch nicht nur das: ich war auch nicht abgeneigt. Zum einen war ich gespannt wie weit sie tatsächlich gehen würde, und zum Anderen, keimte auch ein Funke Hoffnung in mir, dass das tiefe Loch, das in meiner Brust klaffte, mit etwas gefüllt werden könnte und dass die Inhaltslosigkeit meines Lebens endlich ein Ende finden würde. Vielleicht war diese Erfahrung der Schlüssel dazu. Ich wollte diese Gelegenheit also nicht ungenutzt verstreichen lassen.
Sie führte meine Hand gemächlich über ihre weiblichen Rundungen und schloss sinnlich die Augen, als würde sie diese Berührungen schon lange herbeigesehnt haben. Erst als sie meine Hand unter den Stoff schob, verstand ich den wahren Grund ihrer freizügigeren Bekleidung und der anderen Frisur. Sie hatte das hier geplant. Sie wollte mich verführen. Und ich ließ sie...
Forschend wanderten meine Finger weiter, öffneten die Knöpfe an ihrer weit ausgeschnittenen Bluse. Das weiche Gewebe war nachgiebig und fest zugleich. Sie ließ mich alleine weitermachen und lehnte sich ein wenig zurück. Meine Hände fanden den Weg unter ihren Büstenhalter. Sie sog etwas Luft ein.
"Benenne, was du spürst, Shuntarô! Sag mir die korrekte medizinische Bezeichnung", forderte sie mit deutlich geröteten Wangen.
Inzwischen war der Sake so weit in meinem Blutkreislauf fortgeschritten, dass mir ihre Bitte nicht einmal ungewöhnlich oder merkwürdig vorkam. Ihre Haut war angenehm warm unter meinen Fingern. Wohlwollend drückte ich sie zusammen, während ich mich über ihre Schulter lehnte.
"Mamma feminina - die weibliche Brust", raunte ich, als ich diese mit meiner Hand umfasste und sanft knetete. Dann zog ich mit meinem Finger eine Spur zu ihrer Mitte, "Areola Mammaria - der Warzenvorhof, Papilla Mammaria - die Brustwarze."
Ich umkreiste sie kurz und spürte, wie sie sich unter meiner Fingerkuppe verhärtete. Yoshikawa seufzte. Eine Reaktion, die ich spannend und gleichermaßen erregend fand. Das Gefühl, jemanden zu berühren und dabei etwas in dieser Person auszulösen, machte etwas mit mir. Bisher hatte ich dem Anblick einer nackten Frau nicht viel abgewinnen können, doch sie zu berühren war etwas anderes. Ihren Körper mit meinen eigenen Händen zu erforschen war für mich genauso spannend wie damals, in Biologie meinen ersten Frosch zu sezieren. Es war etwas, das ich lernen konnte. Und lernen war das einzige, in dem ich wirklich gut war.
Sie lächelte leicht.
"Du bist gut. Weiter!"
Ich wusste nicht, ob sie sich dabei auf die lateinischen Bezeichnungen oder meine Berührungen bezog und was genau sie von mir erwartete, als sie mich aufforderte weiterzumachen. Doch meine Wahrnehmung hatte sich inzwischen so weit verschoben, dass ich sie, ohne großartig nachzudenken, von ihrer Bluse befreite. Meine Sinne waren seltsam entrückt und mit jeder Sekunde zweifelte ich mehr, ob das, was ich getrunken hatte, nur harmloser Sake gewesen war. Andererseits hatte sie selbst auch davon getrunken.
Yoshikawa zog mich plötzlich unerwartet an sich. Ich spürte ihre Hand, die sehnsüchtig meinen Körper hinab glitt, mit einem festen Ziel vor Augen. Sie streifte mir die Jacke und das Shirt ab und begann erneut, mich zu küssen. Ich legte meine Arme um sie und tastete nach dem Verschluss ihres BHs. Als ich ihn gelöst hatte, riss sie mich abrupt nach hinten in die Kissen des Sofas, ihr Körper drückte sich eng an mich und sie begann meinen Oberkörper mit innigen Küssen zu übersäen. In meiner Hose regte sich etwas. Auch, wenn ich emotional abgestumpft war, so reagierte mein Körper doch auf ihre Nähe. Vielleicht gab es doch noch eine Chance, dass ich innerlich nicht komplett tot war. Vielleicht war das ein Zeichen, dass ich lieben konnte, wie jeder andere und dass mir doch nicht alles so egal war, wie ich immer geglaubt hatte.
Nein, es war nur eine völlig normale körperliche Reaktion, sonst nichts.
Die Stimme in meinen Gedanken wurde wieder lauter. Yoshikawa unterdessen tastete sich in tiefere Regionen vor. Ich spürte, wie sie verlangend über die nun sichtbare Schwellung unter dem Stoff rieb.
"Entspann dich, Shun. Das wird dir gefallen", wisperte sie sinnlich gegen meine Lippen. Seltsamerweise musste ich in diesem Augenblick an ihren Mann denken, der mit Sicherheit nichts von den Dingen wusste, die seine Frau mit ihrem Schüler trieb... oder Schülern. Wer wusste, wie oft sie das hier schon getan hatte. Doch ehrlich gesagt war es mir egal. Mein aufkommendes Verlangen hatte längst meinen sonst so logisch funktionierenden Verstand verdrängt. Ich war ihm ausgeliefert. Alles, was in diesem Moment noch von Bedeutung war, waren ihre grazilen Hände, die sich in meine Unterhose schoben und mir den letzten Gedanken aus meinem Hirn katapultierten. Ich hörte auf, darüber nachzudenken und übergab das Steuer an mein Lustzentrum. Die lateinischen Begriffe, die ich alle hätte fehlerfrei herunterbeten können, schwanden zunehmend unter ihren geübten Händen. Man merkte ihr an, dass sie genau wusste, welche Knöpfe sie drücken musste, um eine entsprechende Reaktion zu bekommen. In meinem Körper zog sich alles zusammen, als ihr Griff fester wurde. Die Erleichterung ließ auf sich warten, denn sie hörte abrupt auf. Mein Körper zitterte von der inneren Anspannung.
Sie beugte sich über mich und betrachtete mich mit diesem kleinen schelmischen Lächeln.
"Du solltest dich sehen. Der Glanz in deinen Augen, der Schweiß auf deiner Stirn und die wirren Haare. Die Erregung steht dir, Shuntarô. Allerdings sind wir noch nicht fertig mit dem Unterricht. Jetzt bist du wieder dran."
Sie kicherte leise.
Meine Lippen verzogen sich zu einem großspurigen Lächeln.
"Wie Ihr wünscht, Sensei."
Obwohl ich stets auf der Suche nach der tieferen Bedeutung in meinem Leben war, hatte ich mit meinem Selbstbewusstsein nie ein Problem gehabt. Ich wusste, was ich konnte und dass ich intelligenter und gut aussehender war als die meisten Menschen. Half es mir, mich besser zu fühlen? Nein, aber es ließ mich dabei zumindest nicht wie ein unsicheren Vollidioten aussehen.
Ich drehte den Spieß um, und fand mich über ihrer Gestalt wieder. Es war das erste Mal, dass ich eine Frau auf diese Art und Weise berührte. Es war erstaunlich, wie schnell meine Finger wussten, was zu tun war. Behutsam ließ ich sie über ihre empfindlichste Zone gleiten, während ich die lateinischen Wörter, die ich tangierte, in ihr Ohr hauchte.
"Vulva...Vestibulum vaginae...Labia majora et minora pudendi...Mons pubis...clitoris."
Bei der letzten Bezeichnung hielt ich inne und strich über die genannte Stelle, einer ihrer erogenen Zonen, ein Punkt, an dem rund 8000 Nervenenden zusammentrafen, das waren doppelt so viele wie in ihrem männlichen Gegenstück, dem Penis. Ich erinnerte mich sehr genau daran, das damals in unserem Lehrbuch gelesen zu haben. Ich konnte mir nicht ausmalen, wie es sich anfühlen musste, an einem so empfindsamen Teil des Körpers berührt zu werden. Doch ich bekam eine etwaige Vorstellung, wenn ich Yoshikawa dabei zusah, wie sie sich unter mir wand, als ich die Nerven mit meinen Fingern stimulierte.
Ihr erregtes Stöhnen hallte an den Wänden wider und ließ meine eigene Lust wieder ansteigen. Der Gedanke, in sie einzudringen, wurde verlockender, je mehr sie unter meinen Berührungen aufzuckte. Ich wollte herausfinden, was das Besondere an einer körperlichen Vereinigung war, wollte wissen, warum die Menschen sich so danach sehnten, diese einzugehen, warum Sex so einen hohem Stellenwert für sie hatte. Würde ich mich danach anders fühlen? Würde es etwas in mir verändern? Ergäbe mein Leben dann endlich irgendeinen Sinn?
Meine Finger fanden einen Weg in sie. Das Vorspiel hatte bereits Wirkung gezeigt. Ihr Körper war bereits gut vorbereitet für das kommende Experiment. Dennoch wärmte ich sie noch ein wenig auf, meine Finger entlockten ihr ein langgezogenes kehliges Seufzen. Dann zuckte sie erneut und wand sich hilflos unter mir. Ein bisschen genoss ich ihre rege Verzweiflung und den Anblick ihrer abgekämpften Miene. Sie sah so unperfekt aus, dass es schon wieder anziehend war.
"Jetzt wirst du sadistisch, Chishiya", unterbrach mich ihre Stimme scharf. Ich lächelte süffisant und ließ dann von ihr ab.
"Reiner Forscherdrang", behauptete ich mit einem diabolischen Grinsen.
"Das glaube ich dir auf's Wort."
Sie hob ihre Hand und strich behutsam einige Haare aus dem Gesicht.
"Ich denke, ein helles Blond würde dir gut stehen. Das würde auch besser zu deinem abgebrühten Charakter passen."
Ich zog eine Augenbraue hoch.
"Finden Sie, ja?"
"Oh ja", sie zog mich zu sich und unsere Körper pressten sich eng aneinander. Ihre Haut war warm und klebrig. Ihre Zunge drängte meine Gedanken in eine weit abgelegene Ecke. Mir gefiel die Art, wie sie mich begehrte. Noch nie zuvor in meinem Leben fühlte ich mich gewollt. Nicht von meinen Eltern, nicht von meinen Mitschülern. Auch wenn ich einige Bewunderer hatte, so hatte ich nie echte Freunde gehabt, nie jemand, der mir nahe stand. Bis jetzt. Sie unterbrach unseren Kuss kurz und legte ihre Arme in meinen Nacken. "Aber hör bitte auf mich zu Siezen! Ich bin Midori", offenbarte sie leise.
Ich nickte nur knapp. Kurz darauf schälte sie mich vollständig aus meiner Hose und zog unerwartet ein Kondom unter dem Kissen des Sofas hervor. Mit einem gerissenen Lächeln zerrte sie die Packung auf und streifte es mir über. Meine Ungeduld war mir inzwischen anzumerken, obwohl ich versuchte meine sexuellen Gelüste unter Kontrolle zu halten. Doch je mehr ich es versuchte, desto erregter wurde ich. Meine Hände gingen auf Wanderschaft über ihren Körper, berührten jeden Zentimeter ihrer Haut. Sie öffnete ihre Beine, bereitwillig mich in sich aufzunehmen. Gefasst, aber auch neugierig glitt ich in ihren Schoß. Ihre Beine zogen mich verlangend an sich heran und ihr entfuhr ein tiefer Seufzer. Für einen Augenblick rührte ich mich nicht und versuchte mich auf meine Lust zu konzentrieren. Es war wie der Anflug eines Hochgefühls, das sich in mir breit machte.
"Alles okay, Shun?", durchbrach ihre Stimme meine Gedanken.
Ich nickte.
"Ich werde Ihnen einen Orgasmus bescheren, den Sie so schnell nicht vergessen werden", entgegnete ich mit einem anzüglichen Grinsen. "Ich werde wie immer Ihr bester Schüler sein, Sensei."
Yoshikawa lächelte zufrieden, bevor ich meine Worte in die Tat umsetzte.
"Tsuki?" Ich sah wieder zu ihr hinüber. Sie hatte schon seit geraumer Zeit kein Ton mehr von sich gegeben, was ungewöhnlich für sie war. Nachdenklich starrte sie in ihr leeres Glas. "Jetzt sag doch etwas!"
"Du hast mit deiner Lehrerin geschlafen", sagte sie irgendwann mit bleierner Stimme.
"Ich weiß. Es ist ewig her... ich war damals leichtsinnig und ich habe mich nicht um die Konsequenzen geschert."
"Sie hat dir Alkohol gegeben und deine Situation ausgenutzt."
"Es war nicht nur ihre Schuld. Ich bin darauf eingegangen. Ich wollte es so", beharrte ich.
"Aber sie war erwachsen. Sie war deine Lehrerin. So etwas hätte nicht passieren dürfen. Man müsste diese Frau dafür anzeigen. Sie hat sich an dir vergangen."
Ich stöhnte.
"Sie hat ihre gerechte Strafe bekommen. Sie wurde irgendwann mit einem anderen Schüler erwischt und suspendiert."
"Das nennst du Strafe? Was, wenn sie das immer noch tut?"
"Sie ist keine Lehrerin mehr. Das hat sie jedenfalls vorhin gesagt. Außerdem hat sie das nur getan, wenn die Schüler es selbst wollten und nie gegen ihren Willen."
"Oh, na wenn das so ist. Das macht es natürlich viel besser", gab sie schnippisch zurück. "Warum verteidigst du sie sie eigentlich? Hattest du etwa doch Gefühle für sie?"
"Hör auf so einen Schwachsinn zu reden! Ich will nur nicht, dass du sie zum Sündenbock machst, wenn es genauso auch meine Schuld war."
"Wie lange ging das zwischen euch?"
Ich rollte mit den Augen und lehnte mich dann mit dem Rücken gegen das Geländer.
"Ein paar Monate vielleicht."
Tsuki öffnete den Mund und schloss ihn dann wieder.
"Wow...ich weiß nicht, was ich sagen soll."
Sie stellte sich neben mich und lehnte sich dann ebenfalls an dem Geländer an.
"Es ist ein Bestandteil meiner Vergangenheit, den ich verabscheue, aber das heißt nicht, dass ich wünschte, dass es nie passiert wäre, denn sie hat mir auch vieles beigebracht. Ich wollte, dass du davon weißt, weil es dennoch zu mir gehört. Es war ein langer Prozess, mich selbst zu finden und sie war ein Teil davon."
"Chishi..."
Tsuki schien mit Worten zu ringen, doch ich sprach unbeirrt weiter:
"Ich dachte, durch sie würde ich vielleicht herausfinden, was ich mit meinem Leben anfangen wollte. Und irgendwie habe ich es auch herausgefunden. Danach war ich entschlossen Arzt zu werden, weil ich hoffte, dass es mir dabei helfen könnte zu verstehen, was das Menschsein ausmacht. Würde es etwas auslösen zu sehen, wie ein Menschenleben erlischt? Würde ich dann endlich etwas fühlen? Sie pflanzte diesen Gedanken in mich und ich kam nicht mehr davon ab. Ich wollte den Menschen ergründen, in jeder Hinsicht und ihn verstehen lernen. Doch selbst als ich im Studium war, fühlte ich mich noch immer emotional unberührt. Doch dann bin ich gestorben und wurde ins Leben zurückgeholt. Nun, den Rest kennst du..."
"Ich verstehe...also ist sie der Grund, warum du Arzt geworden bist?"
"Unter anderem jedenfalls. Ich hatte vorher nie einen Gedanken daran verschwendet Arzt zu werden, denn meine Eltern waren Ärzte und das Letzte, was ich wollte, war so zu werden wie sie."
Ich nahm den letzten Schluck aus dem Glas und beobachtete dabei die Menschen, die an uns vorbeiliefen. Doch dann spürte ich eine Berührung an meinem Arm. Tsuki hatte sich bei mir eingehakt und ihr Kinn auf meiner Schulter abgelegt.
"Du bist nicht wie sie. Du bist ein aufmerksamer, warmherziger Mensch. Das weiß ich, weil ich dich gut kenne. Auch wenn du es vielleicht nicht immer offensichtlich zeigst, weiß ich, dass du dich um die Menschen sorgst, die dir wichtig sind." Ich nickte zögerlich. Tsuki lächelte mich zuversichtlich an. Ich hatte ihr Lächeln ehrlich gesagt schon ein wenig vermisst. "Danke, dass du mir so viel Vertrauen entgegengebracht und mir das erzählt hast."
"Sicher. Willst du dann noch eine Runde drehen?"
Sie nickte enthusiastisch. Ihre Augen leuchteten plötzlich wieder.
"Sieh nur die Laternen und wie sie die Kirschblüten zum Strahlen bringen. Sieht das nicht romantisch aus?"
Ich schnaubte ein wenig und nahm dann ihre Hand.
"Du änderst dich nie."
Wir gaben unsere Gläser an dem Stand wieder zurück und schlenderten dann gemächlich Hand in Hand am Flussufer entlang. Vielleicht war es gut, dass ich Yoshikawa heute begegnet war. Es gab mir die Möglichkeit endlich reinen Tisch zu machen und Tsuki davon zu erzählen. Und außerdem hielt ich mir zum ersten Mal vor Augen, wie sehr sich nicht nur mein Leben inzwischen geändert hatte, sondern auch, dass ich mit meinem Inneren endlich im Einklang war.
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"Chishiya?"
Tsuki sah mich fragend an. Wir waren inzwischen auf dem Weg zurück zum Parkplatz und liefen durch einen ruhigen Park, die Musik des Festes war nur noch ein leises Flüstern in der Ferne.
"Hmm?"
"Hast du eventuell einen Lehrerfetisch?"
Auf ihrem Gesicht lag jetzt ein ungewohnt anstößiges Grinsen. Ich zuckte mit den Schultern.
"Wäre möglich."
Sie schnitt mir plötzlich den Weg ab, ohne meine Hand loszulassen. Ich blieb stehen.
"Würde es dich anmachen, wenn ich dir etwas Nachhilfeunterricht gebe?"
Meine Lippen kräuselten sich leicht.
"In was willst du mir denn Nachhilfe geben, hm?"
"Wie verführt man seine Lehrerin in 60 Sekunden?", säuselte sie und legte ihre Arme in meinen Nacken. Ich runzelte die Stirn.
"Und du denkst, darin bräuchte ich Nachhilfe?"
"Nun, du kannst mir gern das Gegenteil beweisen", flüsterte sie mit anrüchiger Stimme in mein Ohr.
"Warte bis wir zu Hause sind", raunte ich an ihren Hals und zog sie fest an mich heran. "Ich brauche nur 30 Sekunden."
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