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Geister der Vergangenheit (1)

"Wow, sieh mal, sehen diese Hanami-Dangos nicht köstlich aus?"

Tsuki deutete aufgeregt auf den Stand, der die bunten Kugeln an Spießen aufgereiht anbot und strahlte mich dabei an wie ein Honigkuchenpferd.

Ich runzelte leicht die Stirn.

"Wirklich jetzt? Du hast gerade eben eine riesige Erdbeer-Bubble-Waffel verdrückt."

Sie sah mich flehend an und schob ihre Unterlippe demonstrativ nach vorn.

"Aber sieh doch, wie gut die aussehen, und sie sind auch gar nicht so groß. Und außerdem sind wir nicht jeden Tag hier, also muss ich diese Gelegenheit doch nutzen. Ich habe extra weniger zum Frühstück gegessen."

Sie presste ihre Hände an einander und setzte ihren unwiderstehlichsten Welpenblick auf. Meine Miene blieb reglos. Erst schleppte sie mich auf dieses Kirschblütenfest in Nakameguru, nur um dann zu erfahren, dass sie ihre Geldbörse zu Hause liegen gelassen hatten, was bedeutete, dass ich auch derjenige war, der an diesem Tag für alle Ausgaben aufkommen musste. Das hatte sie wirklich raffiniert eingefädelt. Dennoch fühlte ich mich ihr gegenüber verpflichtet, besonders nach den zahlreichen Überstunden, die ich in letzter Zeit im Krankenhaus gemacht hatte. Obwohl ich nichts für meinen stressigen Job konnte, nagte doch ein gewisses Schuldgefühl an mir, sie so vernachlässigt zu haben.

"Bitte bitte!", flehte sie weiter und zog dabei drängend an meinem Ärmel. "Ich werde nichts weiter von dir verlangen als das...zumindest heute nicht. Versprochen!"

Sie schnappte meinen Arm und rieb ihren Kopf mehrmals dagegen wie eine liebesbedürftige Katze.

Ich seufzte und schüttelte sie ein wenig ab.

"Na schön, aber dann hör auf wie eine riesige Monsterklette an mir zu kleben."

Sie quietschte haltlos auf und grinste mich dann überschwänglich an.

"Du bist der Beste, Chishi", sie drückte sich fest an meine Brust, "in 10.000 Jahren werden die Geschichtsbücher noch von deiner Großzügigkeit berichten und du wirst bekannt sein, als Chishiya, der Warmherzige."

"Jetzt übertreibst du wirklich", sagte ich und zog meine Geldbörse aus meiner Tasche, um einen 2000 Yen Schein zu zücken. "Hier", ich drückte ihn in Tsukis Hand, "Kauf dir was Schönes, aber gib nicht alles auf einmal aus!"

Sie nickte eifrig.

"Du bis-"

"-ein Samariter, ich weiß.", schnitt ich ihr das Wort ab. "Jetzt geh und hol deinen Süßkram! Ich werd mich in der Zwischenzeit bei den Getränken da drüben anstellen."

Ich zeigte auf den Stand, doch Tsuki war bereits abgeschwirrt und hatte sich in die lange Schlange eingereiht. Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Wie konnte man nur so versessen auf diese klebrigen Plombenzieher sein? Es war mir unbegreiflich.

Ich steuerte den Getränkestand an. Auch dort stand eine riesige Menschentraube an. Man könnte glatt meinen, dass die Leute alle kurz vorm Dehydrieren wären.

Als ich mich am Ende der Reihe angestellt hatte, warf ich einen Blick auf die Angebotstafel, die unter anderem das Foto eines rosafarbenen Kirschblüten-Seccos anpries. Ich erinnerte mich, wie Tsuki vorhin sehnsüchtig einer Gruppe Frauen hinterher geschaut hatte, die dieses Getränk bei sich hatten, als sie an uns vorbeiliefen. Ich warf einen prüfenden Blick in meine Geldbörse und zählte dann das Kleingeld, was noch übrig war. Viel war es allerdings nicht mehr. Tsuki war nicht nur eine übergroße, menschliche Klette, nein, sie war auch ein regelrechter Geldfresser. Doch, wenn ich ehrlich war, war das ein kleines Opfer, wenn ich sie dafür wenigstens glücklich machen konnte.

"Chishiya-san?" Unwillkürlich wandte ich mich zu der Stimme um, die meinen Namen gemurmelt hatte. Hinter mir stand eine Frau mittleren Alters mit einem schulterlangen Bob-Haarschnitt. Ich sah sie stirnrunzelnd an. Sie lächelte und hob die Hand zum Gruß. "Du bist es wirklich. Hab ich doch richtig gesehen."

Ich scannte ihr Gesicht und versuchte ihre Erscheinung und ihre Stimme zuzuordnen. Sie kam mir bekannt vor, doch ich konnte nicht sicher sagen, woher. Sie schien mein Zögern zu bemerken.

"Du warst mein Schüler in der Oberstufe. Weißt du noch?"

Ich konnte den Groschen in meinem Kopf lautstark fallen hören.

Natürlich...sie war meine Klassenlehrerin.

Ich nickte schließlich.

"Sicher, Yoshikawa-sensei."

Kein Wunder, dass ich sie erst nicht erkannt hatte. Früher hatte sie langes, dunkles Haar gehabt, jetzt hatte sie nicht nur eine hellere Haarfarbe, sondern auch eine Brille und eine andere Frisur. Auch den dunkelroten Lippenstift, der früher ihr Markenzeichen gewesen war, hatte sie gegen einen blassrosa Farbton ausgetauscht. Im ersten Moment hätte man sie für eine vollkommen andere Person halten können. Doch die schmale Form ihrer Augen und das verspielte Lächeln um ihre Lippen war noch immer genauso wie vor 8 Jahren.

Sie sah mich noch immer an wie damals, mit dem gleichen eigenartigen Verlangen in ihren Augen, als würde sie meinen Körper mit ihren Blicken durchdringen.

Ich hatte gemischte Gefühle, sie wiederzusehen. Zwischen uns war früher einiges passiert: an manches wollte ich nicht unbedingt erinnert werden. Es ist nicht so, dass ich es bereute, doch ich war auch nicht sonderlich stolz darauf.

"Schön, dich nach so langer Zeit wiederzusehen. Gut siehst du aus", sagte sie und lächelte wieder geheimnisvoll.

Was wollte sie?

"Und Sie sehen anders aus", gab ich knapp zurück. "Angst, dass Sie von wütenden Eltern wiedererkannt werden?"

Ich lehnte mich weit aus dem Fenster, das wusste ich. Doch es war mir egal. Diese Frau war nicht mehr meine Lehrerin und somit niemand, dem ich Respekt entgegenbringen müsste.

Zu meiner Überraschung lächelte sie immer noch.

"Du hast dich nicht verändert, Chishiya."

Ich ließ meine Hände in die Hosentaschen gleiten.

"Und Sie? Machen Sie sich immer noch an Ihre Schüler ran?", sagte ich, ohne meine Stimme zu senken.

Für keinen kurzen Moment schienen ihre Gesichtszüge zu entgleiten, schließlich waren wir überall von Menschen umringt. Doch keiner von ihnen schien auf uns zu achten.

Sie hatte sich schnell wieder im Griff.

"Ich arbeite nicht mehr als Lehrerin."

Wie unerwartet...

"Was Sie nicht sagen."

"Ich bin jetzt selbständige Dolmetscherin. Und du, Chishiya?", fragte sie, als hätte sie die Ironie in meinen Worten nicht bemerkt. "Bist du Arzt geworden, so wie du es vorhattest?"

Sie wollte dieses Gespräch also ernsthaft fortsetzen?
Konnte sie haben...

Ich nickte knapp.

"Ich bin Assistenzarzt im Tokyo University Hospital."

"Alle Achtung. Ich wusste schon immer, dass dir eine vielversprechende Karriere bevorsteht. Das freut mich für dich."

Ich wandte den Kopf zur Seite, als ich eine Bewegung aus den Augenwinkeln sah. Ein winkender Schatten hatte sich aus der Menge gelöst und eine vertraute Stimme drang zu mir:

"Chishiii", Tsuki ruderte hektisch mit den Armen und schwenkte dabei ihren Dango-Spieß hin und her. Ich winkte mit einem leisen Seufzen zurück. Dann kam sie direkt auf uns zu.

"Hier treibst du dich herum. Ich hab dich schon überall gesucht. Warum bist du plötzlich verschwunden?", fragte sie vorwurfsvoll und verzog dabei trotzig ihren Mund.

"Ich bin nicht verschwunden, sondern du, sonst hättest du nämlich mitbekommen, dass ich uns was zu Trinken holen wollte."

Tsuki öffnete den Mund, doch schloss ihn schnell wieder, als sie Yoshikawa neben mir bemerkte.

"Guten Tag", sagte Yoshikawa überfreundlich und deutete eine kleine Verbeugung an. Tsuki tat es ihr nach, immer noch mit irritierter Miene. "Ich bin Chishiyas ehemalige Lehrerin", erklärte sie, als sie ihre Verwirrung bemerkte.

"Oh", die Züge auf Tsukis Miene entspannten sich ein wenig und sie lächelte ebenfalls. "Verstehe. Freut mich, Sie kennenzulernen."

"Ganz meinerseits."

"Ich bin Izumi Tsuki, Chish-"

"Sie ist meine Freundin", ich legte meinen Arm um sie und zog sie dann mit einem kräftigen Ruck an mich heran. Tsuki sah völlig perplex zu mir auf. Ihr entwich ein leises Kichern.

"Ähh, ja."

Yoshikawas Lächeln erstarb ein wenig. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie ihre Fassung wieder gewann.

"Verstehe, dann möchte ich nicht weiter stören. Ich wünsche euch noch einen schönen Tag!"

"Danke, den werden wir haben", sagte ich mit einem überheblichen Lächeln.

Ich wandte mich von Yoshikawa ab, ohne Tsuki dabei loszulassen, merkte jedoch, wie sie mich noch immer misstrauisch von der Seite beäugte. Ich konnte ihre brennenden Fragen beinahe von ihren Augen ablesen. Diese besitzergreifende Geste war eher untypisch für mich, doch ich hatte keine Lust auf dieses scheinheilige Gespräch und hatte Yoshikawa einfach nur schnell loswerden wollen. Ihr Tsuki als meine Freundin vorzustellen, erschien mir in diesem Moment als die einfachste Möglichkeit, sie auf Abstand zu halten. Doch nun hatte ich eine neugierige Tsuki am Hals, die mich die restliche Wartezeit über förmlich mit ihren Blicken röntgte.

Als wir endlich dran waren, schnappte ich unsere Getränke und ging schnellen Schrittes davon, ohne einen Blick zurückzuwerfen. Tsuki war mir dicht auf den Fersen.

"Hey, warte. Wo willst du denn damit hin?", fragte sie und versuchte mich einzuholen. Ich antwortete nicht und lief unbeirrt weiter. Ich blieb erst stehen, als ich sicher war, dass ich einen möglichst großen Abstand zwischen Yoshikawa und mich gebracht hatte. Dann reichte ich Tsuki kommentarlos das Glas mit dem rosafarbenen Inhalt. Wir standen jetzt genau vor dem Holzgeländer, das den Meguru-Fluss säumte, über uns erstreckten sich die Äste mit den prachtvollen Blüten der Kirschbäume. Mit dem Einsetzen der Dämmerung begannen auch die Lampions über unseren Köpfen aufzuleuchten, die wie an einer langen Perlenkette aufgefädelt worden waren und dem Flusslauf folgten.

Normalerweise wäre Tsuki bei dem Anblick der Laternen am Flussufer in heller Begeisterung ausgebrochen, doch stattdessen holte sie empört Luft.

"Was war das denn gerade?"

Ich nahm einen Schluck aus meinem Glas und sah sie ungerührt an.

"Ich weiß nicht, was du meinst."

"Du weißt ganz genau, was ich meine. Sie ist meine Freundin", imitierte sie mich mit tiefer Stimme und legte dann innig ihren Arm um den Baumstamm neben ihr, als wollte sie ihn an sich ziehen. Ich zog die Augenbrauen weit nach oben.

"Und? Das ist doch nur die Wahrheit."

"Sowas hast du noch nie gesagt, vor allem nicht so."

"Wie habe ich es denn gesagt?", wollte ich wissen.

Sie verschränkte streng die Arme vor der Brust.

"Wie jemand, der vorhat, eine andere Frau eifersüchtig zu machen."

Ihre Stimme klang verletzt. Mir entfuhr ein hörbares Seufzen.

"Du verstehst das falsch. Ich wollte sie lediglich loswerden. Ich hatte keine Lust auf ein Gespräch mit meiner ehemaligen Lehrerin und...mir ist nichts Besseres eingefallen."

Mir war bewusst, dass sich das für sie wie eine lahme Ausrede anhören musste, doch das war alles, was mir zu meiner Verteidigung einfiel. Weil es die Wahrheit war.

Tsuki starrte mich für einige unerträgliche Sekunden lang an, unsicher, ob sie mir glauben sollte. Ich versuchte einen unverfälschten Gesichtsausdruck aufzusetzen, doch ihr Blick war nach wie vor skeptisch.

"Also du bist vor deiner ehemaligen Lehrerin geflohen? Wieso?"

Ich seufzte ein weiteres Mal auf und wandte mich dann zum Geländer, um mich dort abzustützen. Ich nahm einen Schluck von der Kirschblüten-Limonade und blickte hinab auf das Wasser.

"Ich will dich nicht anlügen, Tsuki, aber die Geschichte ist...etwas länger...und außerdem wird sie dir wahrscheinlich nicht gefallen."

"Mir nicht gefallen?", wiederholte sie zögerlich und stellte sich jetzt zu mir, um sich ebenfalls über das Geländer zu lehnen. Ihr Blick jedoch war fest auf mein Gesicht gerichtet. Ihre sonst so strahlenden Augen wirkten plötzlich ungewöhnlich betrübt.

"Keine Sorge. Das war alles lange vor deiner Zeit", versuchte ich, sie etwas zu besänftigen.

"Verstehe", sagte sie und presste dann die Lippen fest aufeinander. Auch, wenn sie etwas weniger bekümmert wirkte, merkte ich ihr an, dass sie etwas aufgelöst war. Ich hatte nie vorgehabt, ihr davon zu erzählen. Denn nichts davon war wirklich relevant in unserer Beziehung. Es war nicht so, dass ich absichtlich ein Geheimnis daraus machen wollte, doch ich war mir sicher, dass Tsuki viele Dinge, die ich in der Vergangenheit getan hatte, nicht gutheißen würde. Vielleicht hatte ich aber auch nur Angst, dass sie mich dann mit anderen Augen sehen würde. "War sie denn wirklich deine Lehrerin oder hat sie das nur erfunden?"

"Nein, das war sie tatsächlich. Sie war meine Klassenlehrerin in der Oberstufe."

"Dafür sah sie noch ziemlich jung aus... und gutaussehend."

"Du bist auch Lehrerin", merkte ich an.

Tsuki kicherte und ihre Wangen wurden ein wenig rot.

"Ja, das stimmt."

Entweder hatte ich es tatsächlich geschafft, sie zu beruhigen, oder, was ich für wahrscheinlicher hielt, die Wirkung des Alkohols, den sie nebenher nippte, setzte allmählich ein. Vielleicht war das sogar ganz gut, wenn sie ein wenig lockerer wäre, bevor ich ihr die ganze Geschichte erzählte.

"Sie kam damals zu mir, um mir Privatunterricht anzubieten. Der normale Schulunterricht hat mich die meiste Zeit nur gelangweilt. Deshalb habe ich im Unterricht meistens nur gelesen oder Dinge gelernt, die erst irgendwann im Studium dran kamen. Und Yoshikawa-sensei war eine der wenigen, die gemerkt hat, dass ich unterfordert war. Sie kam eines Tages zu mir und erzählte mir davon, dass sie bei sich zu Hause Spezialunterricht gab für sonderbegabte Schüler."

"Und du bist hingegangen?", fragte Tsuki und musterte mich gebannt.

Ich zuckte mit den Schultern.

"Mir war langweilig und ich dachte, vielleicht würde ich so endlich herausfinden, was ich mit meinem Leben anfangen wollte."

"Und? Hast du es herausgefunden?"

"Hmm.....", machte ich und blickte nachdenklich zum Nachthimmel hinauf.

Vorsichtig drückte ich das Gartentor auf. Mit einem leisen Quietschen gab es nach und ich betrat das Grundstück. Ich sah mich kurz um. Der große Toyota, der sonst in der Auffahrt stand, war heute nicht da.

War ihr Mann gerade unterwegs?

Mit gemächlichen Schritten schlenderte ich die Treppe nach oben, denn ich war ohnehin zu zeitig. Als ich oben angekommen war, streckte ich die Hand aus, um wie gewohnt an der Haustür zu klingeln, doch etwas streifte meine Waden. Ich hielt inne und sah an mir hinab. Es war Yoshikawas Kater Darwin. Ich sah ihn nicht zum ersten Mal hier herumstreunen.

Mit einer eleganten Bewegung schlängelte er sich durch meine Beine und maunzte leise. Ich ging in die Hocke und streichelte kurz über sein schwarzes, seidiges Fell. Dieser machte sich sofort lang und drückte fordernd seinen Kopf gegen meine Hand, während er wohlig schnurrte.

Es dauerte nicht lange, bis er sich wie ein Hund auf den Rücken rollte und versuchte mit seiner Pfote nach meiner Hand zu schnappen. Ich spielte kurz mit ihm, indem ich meine Hand in der Luft hin und her wandern ließ, doch dann ging plötzlich die Tür auf. Ich blickte etwas überrascht auf. Yoshikawa stand dort und lächelte mich an.

"Ach, Darwin. Dieser kleine Racker wickelt wirklich jeden um seine kleine Kralle, sogar dich, Chishiya."

Ich erhob mich wieder und schüttelte schnell die Katzenhaare von meiner Hand.

"Tut mir Leid. Ich bin ein bisschen zu früh dran heute", entschuldigte ich mich und machte eine kleine Verbeugung vor ihr.

"Das macht doch nichts. Komm rein. Ich wollte gerade Tee aufzusetzen."

Ich schloss die Tür leise hinter mir, zog die Schuhe aus und folgte ihr ins Haus. Sie ging in die Küche und schaltete den Wasserkocher ein.

"Wieder Grüntee für dich?", fragte sie, während sie zwei Tassen aus dem Schrank holte.

Ich nickte und ließ meine Hände in den Hosentaschen verschwinden.

"Sicher. Mir ist alles recht."

"Und? Wie war deine Woche bisher?", wollte sie wissen und wandte sich dann zu mir um, um sich mit dem Rücken gegen den Tresen zu lehnen. Erst in diesem Moment bemerkte ich, dass sie heute anders aussah als sonst. In der Schule trug sie normalerweise ein hochgeschlossenes Oberteil mit einer schlichten Strickjacke darüber und einem knielangen Rock oder einer Hose. Auch bei meinen letzten Besuchen hatte sie das getragen. Heute jedoch hatte sie einen kurzen Minirock und eine helle Bluse an, deren obere Knöpfe nachlässig geschlossen waren, als hätte sie es eilig gehabt, sich anzuziehen. Außerdem waren ihre Haare heute nicht wie sonst fein säuberlich hochgesteckt, sondern lagen offen auf ihrer Schulter. Ihre Füße hingegen waren komplett nackt. Lediglich den roten Lippenstift hatte sie wie gewohnt aufgetragen. Ich hatte sie noch nie ohne ihn gesehen. Sie schien meine Blicke zu bemerken.

"Oh, verzeih mir meinen Aufzug, aber es ist ziemlich warm heute, nicht?"

Sie fächelte sich demonstrativ Luft mit den Händen zu.

Nicht viel wärmer als letzte Woche, ging es mir durch den Kopf, doch sprach es nicht laut aus.

"Kann sein", sagte ich. "Meine Woche war unspektakulär."

"Unspektakulär? Dabei bist du auf Rang 1 der Schüler mit dem besten Notendurchschnitt in unserer Schule gelandet. Das ist doch ein Grund zum Feiern, oder nicht?"

Ich zuckte mit den Schultern.

"War ich letztes Jahr auch."

Sie schüttelte amüsiert den Kopf und griff dann nach dem Wasserkocher.

"Die meisten Schüler würden für deinen Notendurchschnitt töten, Chishiya. Du solltest das mehr zu schätzen wissen. Nicht jedem fällt das alles so zu wie dir."

"Meine Wertschätzung wird sie auch nicht zu besseren Schülern machen."

Sie grinste ein wenig verschmitzt.

"Da ist wohl was dran. Ach ja, übrigens alles Gute nachträglich zum 18. Geburtstag."

"Danke", entgegnete ich knapp.

Ich fragte nicht, woher sie die Information hatte, aber ich vermutete, sie hatte in meinen Akten herumgestöbert. Sie goss den Tee auf und stellte die beiden Tassen dann mit etwas Gebäck auf ein Tablett. Ich erkannte die Kekse darauf auf Anhieb wieder. Ich kaufte sie oft in der Schule am Automaten. Ich mochte sie, aber es waren nicht gerade die Sorte Kekse, die man Gästen zum Tee anbot. Vielleicht hatte sie aber auch nur vergessen einzukaufen.

"Lass uns heut ins Wohnzimmer gehen. Dort ist es ein wenig angenehmer als oben."

"Sie sind heute allein?", fragte ich, als ich ihr dorthin folgte.

"Ja, mein Mann ist auf Dienstreise in Korea. Will einen großen Auftrag ans Land ziehen. Wir haben also das gesamte Haus für uns."

Sie klang fast ein wenig überschwänglich, als sie das sagte, als wäre sie froh, dass er mal aus dem Haus war. Würde mir wahrscheinlich genauso gehen, wenn ich verheiratet wäre - was ich aber ohnehin nicht vorhatte.

Ich sah mich nur flüchtig in dem Wohnzimmer um. Wie die Küche war es hell und modern eingerichtet und wirkte wie aus einem Möbelkatalog entsprungen. Es war nicht zu übersehen, dass sie und ihr Mann Großverdiener waren.

Wir nahmen an dem Wohnzimmertisch platz und hockten uns nebeneinander auf das niedrige Sofa. Auf dem Tisch lagen bereits ein paar Bücher und Hefte. Yoshikawa stellte mir den Tee hin und die Schale mit den Keksen.

"Greif ruhig zu!", bot sie großzügig an.

"Danke, aber ich habe schon gegessen", lehnte ich ab.

"Wie du willst", sagte sie unbeschwert und griff nach einem der dickeren Bücher auf dem Tisch. Es war ein medizinisches Lexikon.

"Werden wir heute weiter die anatomischen Fachtermini durchgehen?"

Sie lächelte nur flüchtig und legte dann das Buch vor sich ab.

"Unter anderem. Doch bevor wir heute beginnen, würde ich gern noch ein paar Dinge von dir wissen." Ich zog die Augenbraue ein wenig nach oben und wartete, dass sie weitersprach. "Ich habe den Eindruck, dass dir Biologie liegt. Ich meine, du bist in allen Fächern überragend, keine Frage, aber dein Wissen zur Anatomie und den lateinischen Fachbegriffen ist bereits sehr weit fortgeschritten. Interessierst du dich dafür, Chishiya?", fragte sie und sah mich erwartungsvoll an.

Ich dachte kurz nach.

"Nicht wirklich, aber meine Eltern sind Ärzte, daher habe ich wohl einiges aufgeschnappt."

Sie nickte verstehend.

"Deine Eltern müssen wirklich unglaublich stolz auf dich sein."

Ich schnaubte leise.

"Nicht einmal, wenn ich den Friedensnobelpreis gewinnen würde."

Ihr Blick wurde plötzlich mitfühlend.

"Du kannst jederzeit zu mir kommen, wenn du darüber reden möchtest Chishiya, egal, was es ist. Ich helfe gern."

"Nicht nötig", entgegnete ich ungerührt. "Ich komme gut alleine zurecht." Ich hatte keine Lust, mit jemandem über meine Eltern zu sprechen. Sobald ich genug Geld hatte, wäre ich eh auf und davon.

Sie musterte mich noch eine Weile mit betroffener Miene. Ich konnte ihr ansehen, dass sie mir widersprechen wollte, doch stattdessen schien sie wieder zum ursprünglichen Thema zurückzukommen:

"Nun, ich denke jedenfalls, dass du mit Sicherheit ein hervorragender Arzt wärst. Mit deinem bisherigen Wissen und deinem Notendurchschnitt kannst du dich auf der besten medizinischen Fakultät einschreiben und hättest eine vielversprechende Karriere vor dir."

"Was, wenn mich nichts davon interessiert?"

Yoshikawas Blick ging wieder zu mir zurück. Sie wirkte erstaunt.

"Wie meinst du das?"

"Ich meine jeder sagt mir schon mein ganzes Leben lang, was ich machen sollte, aber was, wenn ich das alles gar nicht will. Was, wenn ich im Prinzip gar nichts will, weil es mir egal ist, was aus mir wird."

Ich hatte keine Ahnung, warum ich jetzt damit anfing und ausgerechnet ihr davon erzählte. Vielleicht weil sie mir näher stand, als irgendeine andere Person, sogar näher als meine eigenen Eltern (was nicht wirklich schwer war.)

"Chishiya", sagte sie, nun hörbar betroffen. Ich konnte den Gesichtsausdruck, mit dem sie mich musterte, kaum etragen. "ich bin mir sicher, auch du wirst irgendwann etwas für dich finden."

Sie legte eine Hand auf meine Schulter und strich dann mit einem ermutigenden Lächeln über meinen Oberarm. Es war das erste Mal, dass jemand so etwas bei mir tat. Es fühlte sich eigenartig an.

Plötzlich klatschte sie jedoch überraschend in die Hände.

"Da fällt mir ein, wir haben noch Sake da, einen hochwertigen Ginjo", flötete sie und bevor ich widersprechen konnte, war sie aufgesprungen und hatte eine Flasche mit zwei Gläsern aus dem Schrank geholt. "Wir lassen es uns heute mal richtig gut gehen."

Sie ließ sich wieder entspannt auf das Kissen fallen und öffnete die Flasche.

"Du hast doch bestimmt schon mal Alkohol getrunken, oder?"

"Ehrlichgesagt nein", sagte ich.

Yoshikawa wirkte fast empört.

"Wirklich nicht? Dann wird es ja wirklich Zeit. Jeder probiert doch schonmal, bevor er volljährig ist."

"Es hat sich einfach nie ergeben", sagte ich und ließ mir von ihr ein Glas einschenken. Tatsächlich war ich ein bisschen neugierig, welche Wirkung der Alkohol auf mich haben würde, weshalb ich auch nicht mehr länger widersprach. In anderen Ländern war ich mit 18 alt genug, um Alkohol zu konsumieren.

"Keine Sorge. Der hat nur 15%. Viel passieren kann da bei einem kleinen Gläschen nichts." Sie drückte mir ein Glas in die Hand, das ordentlich gefüllt war. "Cheers."

Sie klirrte ihr Glas gegen meines und nahm dann einen ausgiebigen Schluck. Ich roch zuerst daran, bevor ich zögerlich an dem Getränk nippte. Im ersten Moment breitete sich eine angenehme Süße in meinem Mund aus, im nächsten spürte ich ein scharfes Brennen in der Kehle. Ich verzog das Gesicht und hustete abrupt auf. Yoshikawa lachte.

"Das ist normal beim ersten Mal. Aber da gewöhnt man sich schnell dran."

Ich nahm ein paar weitere Schlucke, diesmal ohne eine Miene zu verziehen und stellte das Glas dann beiseite.

Anschließend widmete sich Yoshikawa dem Buch vor ihr auf dem Tisch.

"Oh, das hier könnte interessant sein", sie schob das Buch zu mir hinüber und ich betrachtete die Abbildungen. Ich runzelte etwas die Stirn über das gewählte Thema.

"Weibliche Fortpflanzungsorgane?"

"Nun, gerade in deinem Alter sollte man da ein wenig Bescheid wissen."

Sie zwinkerte mir zu.

"Das hatten wir alles schon in der 9. Klasse", entgegnete ich seufzend.

"Hmm, aber nur die Theorie", sagte sie und lächelte geheimnisvoll.

Ich starrte sie reglos an.

"Natürlich die Theorie", sagte ich ungläubig.

"Hattest du schonmal eine Freundin, Chishiya?"

Was sollte das werden? Ein Verhör?

"Nein, hatte ich nicht. Wieso fragen Sie mich das?"

Ich klang ein wenig genervter, als ich es vorhatte.

"Unfassbar", murmelte sie kopfschüttelnd "Die Mädchen an der Schule stehen alle Schlange bei dir. Ist dir das nie aufgefallen?"

Ich zuckte mit den Schultern.

"Ist doch nicht mein Problem", gab ich kühl zurück.

"Gibt es denn keine, die dir gefällt?"

"Diese Mädchen können nicht mal bis 3 zählen, selbst wenn man es ihnen vorsagt", entgegnete ich abschätzig.

Yoshikawa unterdrückte ein Grinsen und nahm dann einen weiteren Zug aus ihrem Glas.

"Du stehst also auf intelligente Frauen."

"Schätze schon. Die an unserer Schule gehören jedenfalls nicht dazu, abgesehen von Ihnen vielleicht."

Ich hatte das nur so dahingesagt, weil ich sie tatsächlich als einziges für halbwegs intelligent an unserer Schule hielt.

"Verdammt, jetzt bringst du mich noch in Verlegenheit", gluckste sie mit leicht geröteten Wangen und knuffte mich etwas in die Seite. Auch bei mir machte sich die Wirkung des Alkohols in meinem Blut allmählich bemerkbar. Ich war ein wenig träger als sonst und mein Körper fühlte sich fast so zäh an wie Gummi. Es war ein seltsames Gefühl, doch ich spürte auch etwas Leichtigkeit in mir aufkommen, sodass ich bei dem Anblick ihres roten Gesichts sogar lächeln musste. Als sie sich wieder beruhigt hatte, sah sie mich lange an. Ihr Blick war jetzt wieder ernster, fast ein wenig verträumt. Ich beobachtete, wie sie ihre Hand hob und zu meinem Gesicht bewegte. Ganz sachte schob sie eine dunkle Haarsträhne hinter mein Ohr, ohne mich dabei aus den Augen zu lassen. Ich blieb vollkommen reglos. "Du bist so wunderschön, Shuntarô...und so klug."

Sie neigte sich ein wenig nach vorn, während ich reglos sitzen blieb. Eine innere Neugier trieb mich dazu, abzuwarten, was sie als nächstes tun würde. Ihr Gesicht kam näher, und ich spürte ihren Atem auf meiner Wange, bevor ihre Lippen sanft auf die meinen trafen und jeden meiner Gedanken vollständig vereinnahmten. Trotz der Überraschung blieb ich gefasst und erwiderte den Kuss fast instinktiv, entschlossen, den Augenblick zu genießen. Ich konnte nicht mit Sicherheit sagen, ob es der Einfluss des Alkohol war oder einfach nur das Bedürfnis herauszufinden, wohin das Ganze führen würde...

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Fortsetzung folgt....

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