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Der letzte Wille (2)

Leise, vertraute Schritte drangen an meine Ohren. Träge öffnete ich die Augen, um auf die Uhrzeit zu sehen, die von dem Wecker an die Decke projiziert wurde. Es war 2.11 Uhr. Mitten in der Nacht.

Wie immer war Chishiya beinahe lautlos, als er das Schlafzimmer betrat und seine Kleidung wechselte. Rücksichtsvoll wie er war, schaltete dafür nicht einmal das Licht ein, um mich nicht zu wecken. Als die Matratze sich unter mir bewegte, wusste ich, dass er endlich wieder neben mir lag.

Erst mit dieser Erkenntnis war ich in der Lage, in einen erholsamen Schlaf zu gleiten. Es war nicht so, dass ich vorher nicht müde gewesen wäre, aber die Gewissheit, dass er sicher wieder nach Hause gekommen war, beruhigte mich einfach.

"Gute Nacht, Chishi", murmelte ich mit geschlossenen Augen und tastete blind nach seinem Arm, um ihn zu tätscheln. Seine Hand berührte daraufhin sanft meinen Kopf.

"Schlaf schön, kleine Stalkerin", wisperte er zurück.

Ein zufriedenes Lächeln legte sich auf mein Gesicht, bevor der Schlaf mich endgültig in eine angenehme Dunkelheit zog.

Als ich am nächsten Morgen die Augen aufschlug, suchte ich sofort nach Chishiyas Nähe und kuschelte mich eng an ihn heran.

"Konntest du wieder nicht gut schlafen?", fragte ich besorgt, als ich bemerkte, dass er bereits wach war.

Ich vernahm ein zustimmendes Grummeln.

"Sagen wir mal so, ich habe mehr Schlaf bekommen als die letzten drei Tage davor", entgegnete er bitter. "Aber viel daran ändern kann ich ohnehin nicht. Ich werde mich an die Schichtarbeit gewöhnen müssen, ob ich will oder nicht."

"Ich wünschte, ich könnte irgendwas für dich tun" , sagte ich mitfühlend und strich liebevoll durch sein Haar.

"Du kannst da überhaupt nichts machen, Tsuki. Wenn die pflanzlichen Präparate nicht helfen, brauche ich synthetische Schlafmittel, aber das wäre nur die allerletzte Möglichkeit. Die meisten davon machen schnell abhängig."

Ich nickte betrübt.

"Ich hoffe nicht, dass es soweit kommt. Wie war dein Tag gestern?"

Er zuckte mit den Schultern.

"Viel zu tun, wie üblich."

"Du könntest ruhig mal etwas mehr erzählen als das", beschwerte ich mich.

"Wenns sein muss", seufzte er und sah mich an, "Zuerst hatten wir eine komplizierte Nierentransplantation, die circa 5 Stunden andauerte. Wir mussten besonders vorsichtig sein, weil der Patient schon eine lange Krankengeschichte hatte und das Risiko einer Abstoßung hoch war. Anschließend ging es direkt weiter mit einer Notfalloperation wegen einer perforierten Divertikulitis. - das sind entzündete Ausstülpungen im Darm, die geplatzt sind. Der Patient hatte starke Bauchschmerzen und Fieber, und wir mussten schnell handeln, um eine Sepsis zu verhindern. Im Anschluss habe ich noch OP- und Behandlungsberichte geschrieben, Fäden gezogen und Verbände gewechselt. Kurz darauf kam ein Patient mit akutem Nierenversagen in die Notaufnahme. Wir mussten ihn stabilisieren und auf die Intensivstation verlegen. Zur gleichen Zeit kam ein Notruf wegen der Nierentransplantation, die ich vorher durchgeführt hatte - der Patient zeigte Anzeichen einer Organabstoßung. Willst du noch mehr hören oder langweile ich dich schon?", fragte er mit leicht belustigter Miene, als ich überfordert meine Stirn runzelte.

"Dein Tag klingt wirklich unheimlich stressig. Keine Ahnung, wie du das jeden Tag aushältst."

Chishiya schmunzelte.

"Stressig ist es auf jeden Fall, aber ich glaube ich mag den Nervenkitzel. Nicht zu wissen, was auf einen zukommt - das ist wie ein ständiger Adrenalinkick. Jeder Tag ist anders und unvorhersehbar. Das hält mich auf Trab."

Ich lächelte, als ich die Leidenschaft in seinen Augen aufflackern sah.

"Ich bewundere wirklich wie du diesem Druck stand hältst, aber auch, wenn du den Job liebst, übernimm dich bloß nicht, ja?"

Ich gab ihm einen kleinen Kuss auf die Wange und drückte mich dann an seine Halsbeuge.

"Mach dir nicht so viele Sorgen um mich, Tsuki", sagte er sanft und massierte mir dabei den Nacken."Erzähl mir lieber wie dein Tag war!"

Bei seiner Aufforderung bildete sich sofort ein unangenehmer Kloß in meinem Hals.

Ich musste ihm die Wahrheit sagen.

Doch andererseits wollte ich ihm nicht gleich den Morgen verderben.

"Bei weitem weniger aufregend wie deiner. Ich habe ein bisschen sauber gemacht und versucht mal wieder etwas zu zeichnen. Aber ich war ein wenig planlos, also sind es nur ein paar Kritzeleien geworden."

"Offensichtlich brauchst du wieder Inspiration für einen neuen Webtoon."

"Wenn das nur so einfach wäre...", grummelte ich.

"Dir fällt schon etwas ein. Da bin ich mir sicher."

Ich lächelte milde.

"Vor allem aber war ich damit beschäftigt dich zu vermissen", raunte ich ihm zu und streichelte über die frisch rasierte Wange.

"Ich hoffe, du hast dich dabei nicht zu sehr verausgabt."

"Nun, es war insgesamt schon sehr anstrengend", murmelte ich mit einem verschlagenen Lächeln und suchte erneut nach seinen Lippen.

Chishiya gab sich meinem Kuss hin und zog mich dabei mit einem kurzen Ruck auf sich, sodass ich rittlings auf ihm saß. In dieser Position spürte ich deutlich die harte Schwellung unter mir, die sich gegen meinen Unterleib drückte. Vielleicht war es nur eine gewöhnliche Morgenerektion, aber das spielte im Augenblick kaum eine Rolle.

Ungeduldig glitt meine Hand unter sein Shirt, während Chishiya mein Becken mit Nachdruck an sich zog. Meine Finger streiften seinen Hosenbund und strichen über die sichtbare Beule, die sich unter dem Stoff seiner Hose abzeichnete. Chishiya schloss die Augen und öffnete lustvoll die Lippen. Er legte seine Hände an meine Taille und schob den Stoff meines Oberteils nach oben, um es mir auszuziehen. Dann umfasste er meine Brüste und knetete die weiche Haut wohlwollend mit seinen Fingern.

Entspannt legte ich den Kopf in den Nacken und seufzte auf unter der intimen Berührung. Ich versuchte, mich fallen zu lassen, doch mein schlechtes Gewissen ließ sich auch durch Chishiyas vereinnahmende Hände nicht vertreiben.

Widerwillig öffnete ich die Augen und presste sorgenvoll die Lippen zusammen, als ich ihn ansah.

"Was ist los?", fragte Chishiya und musterte mich mit zusammengezogenen Augenbrauen. "Hast du keine Lust?"

"Doch", sagte ich leise und senkte betrübt den Kopf.

"Fühlst du dich nicht gut?"

Statt zu antworten, zog ich einen Schmollmund und lehnte mich vor, um mich hilfesuchend an ihm festzuklammern. Chishiyas Arme legten sich tröstlich um mich.

"Ich hab gestern was Schlimmes getan. Bitte sei nicht böse mit mir", murmelte ich flehend gegen seine Halsbeuge.

Er lockerte die Umarmung ein wenig, um mich anzusehen.

"Was hast du angestellt?", fragte er skeptisch, während ich seinem Blick auswich.

"Versprich mir bitte nicht sauer zu sein, okay?"

"Wie könnte ich sowas versprechen, wenn ich nicht einmal weiß, worum es geht?"

"Du wirst mich dafür hassen", jammerte ich wehleidig.

Er sah mich scharf an.

"Jetzt übertreibst du."

"Du wirst zumindest sauer auf mich sein..."

Er seufzte genervt auf.

"Jetzt sag schon, was los ist!", drängte er zunehmend ungehaltener.

"Also... deine Mutter stand gestern vor unserer Tür", nuschelte ich und sah scheu zu ihm auf.

Chishiyas Miene wirkte kurzzeitig erstarrt, doch er fasste sich schnell wieder.

"Was wollte sie?", fragte er, ohne jegliche emotionale Regung in der Stimme.

"Sie wollte dich sprechen, aber da du nicht da warst, gab sie mir einen Brief für dich. Es klang so, als wäre es dringend. Wahrscheinlich ist etwas mit deinem Vater, aber sie wollte sich da nicht genau ausdrücken."

Chishiya seufzte und schüttelte mit einem abschätzigem Lächeln den Kopf.

"Und du hast den Brief natürlich entgegengenommen?"

Ich nickte zögerlich.

"Und deshalb glaubst du, dass ich jetzt sauer auf dich bin?"

"Nein, nicht deswegen. Eher weil ich sie... hereingebeten habe."

Chishiya runzelte die Stirn und richtete sich ein wenig auf.

"Du hast was?", fragte er und löste jetzt unsere Umarmung, um mich verständnislos anzusehen. "Wieso?"

Ich zuckte ahnungslos mit den Schultern.

"Weil sie deine Mutter ist, schätze ich."

"Du weißt genau, was ich von meiner Familie halte und dass ich mit meinen Eltern nichts mehr zu tun haben will. Da sollte dir eigentlich klar sein, dass du sie nicht einfach zu uns hereinbitten kannst. Was hast du dir dabei gedacht? Hast du überhaupt gedacht?", fuhr er mich grob an, während ich ängstlich zusammen zuckte.

"Es tut mir leid", brachte ich nur kleinlaut hervor.

"Worüber habt ihr euch unterhalten?", ignorierte er meine Worte forsch.

"Sie wollte nur wissen, wie wir uns kennengelernt haben und wie lange wir zusammen sind. Solche Dinge..."

"Und du hast ihr natürlich alles brühwarm erzählt."

"Nun, ich dachte es ist nichts dabei, wenn sie es weiß."

Chishiya lachte bitter auf.

"Ich will nicht, dass sie sich wieder in mein Leben einmischt, Tsuki. Was daran kannst du nicht verstehen? Hat sie versucht dich zu überreden ein gutes Wort bei mir einzulegen, damit ich ihr verzeihe? Das würde ihr jedenfalls ähnlich sehen."

"Sie hat gesagt, dass sie es bereut und sie gern ein normales Verhältnis mit dir hätte. Es klang jedenfalls so, als ob sie es ehrlich meinte."

"Natürlich. Sie manipuliert Menschen. Das konnte sie schon immer gut. Sie wollte dich nur auf ihre Seite ziehen und du bist offensichtlich auf ihr Gerede hereingefallen. Ich dachte du wärst schlauer als das", sagte er abfällig.

Ich verschränkte protestierend die Arme vor der Brust.

"Das war jetzt wirklich gemein von dir", sagte ich gekränkt und schnappte mir mein Shirt, um es mir wieder überzuziehen.

"Ich verstehe nur nicht, wie du so unglaublich naiv sein kannst. Wenn du wusstest, dass mich das wütend machen würde, warum hast du sie dann erst herein gebeten?"

"Weil ich gehofft hatte, so endlich mal etwas über dich zu erfahren", giftete ich zurück. "Du sagst immer nur, dass seine Eltern ach-so-furchtbar sind, aber du hast mir nie erklärt, wieso eigentlich. Vertraust du mir immer noch nicht genug? Bin ich es nicht wert, dass du mir solche Dinge erzählst? Ich dachte, wir teilen unser Leben miteinander, Chishiya. Da wäre es vielleicht sinnvoll, wenn du mich nicht ständig im Ungewissen lassen würdest, was deine Vergangenheit angeht. Und dann wunderst du dich wirklich, wenn ich versuche, über deine Mutter an irgendwelche Informationen zu kommen. Ironisch, findest du nicht?" Ich warf ihm einen letzten finsteren Blick zu, bevor ich aufstand und mich von ihm abwandte. "Deine beschränkte Freundin macht jetzt übrigens Frühstück."

Chishiya antwortete nicht, auch nicht als ich geräuschvoll die Tür ins Schloss fallen ließ, um hinunter in die Küche zu gehen. Mein Herz fühlte sich endlos schwer an. Ich hasste es wenn wir uns stritten, besonders weil Chishiya dann oft verletztende Dinge zu mir sagte.

Wahrscheinlich wäre es sogar besser gewesen, wenn ich ihm die Wahrheit verschwiegen hätte... wenn mich nur mein schlechtes Gewissen nicht ständig plagen würde.

Aufgebracht setzte ich einen Topf mit Reis auf und suchte ein paar weitere Zutaten aus dem Kühlschrank heraus.

Als ich hörte, dass Chishiya den Weg nach unten nahm, würdigte ich ihn keines Blickes.

"Brauchst du Hilfe?", fragte er tonlos und stand plötzlich unerwartet neben mir.

"Nein", gab ich schroff zurück.

"Wenn du meinst..."

Er wandte sich abrupt von mir ab und verschwand kommentarlos im Badezimmer. Kurz darauf hörte ich das Geräusch von fließendem Wasser.

Ich musste mich wirklich zusammenreißen, um die Zornestränen zurückzuhalten, die sich bereits anbahnten. Stattdessen konzentrierte ich mich auf das Kochen. Normalerweise kümmerte sich Chishiya um die Zubereitung des Essens, weil er besser darin war als ich, doch heute half es mir, mich von der Wut abzulenken.

Als er aus dem Bad zurückkam, trug er einen schlichten, dunkelblauen Yukata mit Längsstreifen. Die obere Hälfte seiner Haare hatte er zu einem kleinen Zopf gebunden, während der Rest offen auf seine Schultern fiel. Mein Blick blieb unwillkürlich etwas länger an ihm hängen, als er begann, das Geschirr neben mir aus dem Schrank zu holen.

Ohne etwas zu sagen, deckte Chishiya den Tisch ein und nahm mir den Topf aus der Hand, um den Inhalt in unsere Schüsseln zu füllen. Als unsere Blicke sich trafen, sah seine Miene allerdings nicht länger aufgebracht aus, sondern vielmehr gelassen und nachgiebig.

Schweigend setzten wir uns an den Tisch und begannen, unsere Mahlzeit einzunehmen. Wie immer hüpfte Nanya auf einen der Stühle und beobachtete uns von dort aus interessiert beim Essen.

"Ganz schön scharf", sagte er nach einem langen Moment des Schweigens.

Ich zuckte mit den Schultern.

"Ich hab mich in Rage gekocht."

Er seufzte leise und legte plötzlich seine Stäbchen beiseite.

"Frag mich das, was du wissen willst", durchbrach er die frostige Atmosphäre zwischen uns. Verwundert hob ich den Kopf, um ihn anzusehen. "Egal, was es ist. Ich werde es wahrheitsgemäß beantworten."

"Woher der plötzliche Sinneswandel?", fragte ich skeptisch.

"Weil es wahr ist, was du vorhin gesagt hast. Wir sollten offen miteinander sein. Allerdings habe ich es nicht verschwiegen, weil ich dir nicht genug vertraue. Ich habe nie darüber gesprochen, weil es nichts ist, worüber ich gern rede. Aber ich kann nicht erwarten, dass du es verstehst, wenn ich nie mit dir darüber spreche. Also habe ich auch kein Recht, wütend auf dich zu sein. Ich habe überreagiert. Verzeih mir, Tsuki."

Ich nickte knapp.

"Das verstehe ich, aber nach all der Zeit hab ich manchmal immer noch das Gefühl nichts über dich zu wissen. Dabei wohnen wir doch zusammen. Es fühlt sich an, als ob du mich absichtlich im Ungewissen lassen wolltest. Weißt du, wie beschämend es war, vor deiner Mutter von nichts eine Ahnung zu haben? Ich wusste doch auch nicht, wie ich mich ihr gegenüber verhalten sollte. Sie hat mir doch nichts getan. Oder soll ich sie einfach grundlos hassen, nur weil du es tust, ohne überhaupt zu wissen, warum?"

"Natürlich nicht. Deshalb sagte ich ja: Frag mich, was du wissen willst. Ich werde dir ehrlich darauf antworten und danach reden wir nicht mehr darüber, in Ordnung?", sagte er vollkommen ruhig und deutete ein leichtes Lächeln an.

Ich nickte erneut.

"Okay, also warum hast du den Kontakt zu deinen Eltern abgebrochen?"

"Weil ich es so wollte."

"Aber wieso?"

"Es könnte etwas dauern, das auszuführen."

Ich zog die Augenbrauen nach oben.

"Du hast gesagt, du wirst mir alles beantworten."

"Gut, wie du willst", sagte er schicksalsergeben und seufzte schwer. "Meine Eltern waren immer beschäftigt. So kannte ich sie mein gesamtes Leben. Mein Vater leitete eine renommierte Schönheitsklinik und meine Mutter hat ihn dort stets mit dermatologischen Behandlungen unterstützt. Und für sie war es immer das Wichtigste, dass die Klinik erfolgreich ist. Zu der Zeit, als meine Mutter mit mir in den Wehen lag, hatte mein Erzeuger nichts Besseres zu tun, als einem ausgebrannten Model ein Facelifting zu verpassen, statt bei seiner Frau zu sein und ihr bei der Geburt seines Sohnes beizustehen. Und so ging es all die Jahre weiter. Die Klinik stand für meinen Vater immer an erster Stelle, dann seine Arbeit, dann sein Haus, sein Auto und seine Frau. Irgendwann an letzter Stelle kam ich. Ich war immer nur ein Accessoire, das man vorzeigen konnte, wenn es etwas zu feiern gab. Ein gutes Zeugnis, ein gewonnener Wettbewerb - das waren die Momente, in denen ich Aufmerksamkeit bekam. Die restliche Zeit jedoch war ich unsichtbar, nicht mehr als ein lästiger Parasit in ihrem Haus. Großgezogen wurde ich von ständig wechselnden Kindermädchen. Wenn ich Geburtstag hatte, bekam ich meistens ein medizinisches Fachbuch oder irgendeinen teuren Laptop, hauptsache es war etwas Sinnvolles, womit ich mich weiterbilden konnte. So sah es zumindest mein Vater."

Als ich Chishiya ansah, bemerkte ich, wie seine Augen bei diesen Erinnerungen dunkler wurden. Sein Tonfall war kalt, aber in seinen Augen spiegelte sich eine tiefe Verletzung wider. Es schmerzte mich, ihn so zu sehen, und ich wünschte, ich könnte die Vergangenheit ungeschehen machen.

Chishiya zögerte einen Moment, bevor er weitersprach.

"Einmal, ich war gerade 12 Jahre alt, hatte ich höllische Bauchschmerzen und fühlte mich unfähig zur Schule zu gehen. Mein Vater meinte nur zu mir, ich solle mich zusammenreißen und ging wie gewohnt seiner Arbeit nach. Wenige Stunden später fuhr mein damaliges Kindermädchen mit mir in die Notaufnahme. Es stellte sich heraus, dass ich einen Blinddarmdurchbruch hatte. Ich wäre an diesem Tag beinahe draufgegangen, doch meine Eltern ließen sich nach meiner OP nicht einmal im Krankenhaus blicken, selbst als das Kindermädchen ihnen schilderte, wie ernst die Lage gewesen war. Stattdessen bekam ich eine Genesungskarte von ihnen geschickt, so als hätten sie damit ihren elterlichen Pflichten Genüge getan."

Als Chishiya geendet hatte, brauchte ich eine Weile, um mich wieder zu fassen, nachdem, was er mir gerade offenbart hatte. Seine Geschichte erschütterte mich mehr, als ich erwartet hatte. Es dauerte einen Augenblick bis ich meine Worte wiederfand:

"Aber wieso hat deine Mutter nie eingegriffen? Als sie hier war, wirkte sie nicht so, als wärst du ihr egal."

Chishiya lachte bitter auf.

"Meine Mutter stand immer hinter allem, was mein Vater getan hat. Sie hat sich all die Jahre von ihm beeinflussen lassen und immer das getan, was er wollte. Selbst wenn ich ihr irgendwas bedeuten würde, hat sie sich viel Mühe dabei gegeben, es mir möglichst nie zu zeigen. Die Belohnungen, die ich bekam, waren immer materiell und es gab sie nur für besondere schulische Leistungen. Mein Vater wollte immer, dass ich später seine Nachfolge antrete und die Klinik übernehme. Es stand nie zur Debatte, dass ich vielleicht was anderes machen will, als er. Und meine Mutter stand immer nur brav hinter ihm und hat ihren Mund gehalten, wenn es mal wieder zwischen uns eskaliert ist. Sie hat sich ihm perfekt untergeordnet und immer die brave Ehefrau gemimt."

Chishiyas Stimme klang jetzt abschätzig, beinahe hasserfüllt. Noch nie hatte ich ihn so reden hören, noch nie so viele Emotionen aus seinen Worten herausfiltern können. Mir wurde klar, wie viel Schmerz er in seiner Kindheit hatte ertragen müssen und wie wenig Liebe er erfahren hatte.

Plötzlich ergab vieles, was mir bisher ein Rätsel war, einen Sinn. Sein ganzes Wesen war ein Resultat seiner Vergangenheit und der fehlenden Zuneigung seiner Eltern. Er hatte versucht, eine Mauer aus Zynismus und Gleichgültigkeit um sich herum zu errichten, um niemanden an sich heranzulassen. Doch jetzt bemerkte ich zum ersten Mal, dass diese Mauer Risse bekam.

"Warum weinst du jetzt?"

Chishiyas Stimme versetzte mich wieder in die Realität. Erst da bemerkte ich, dass meine Augen feucht geworden waren. Schnell blinzelte ich eine Träne weg.

"Ich... weine nicht, weil ich traurig bin, sondern weil es mich wütend macht. Es macht mich wütend zu wissen, dass du so viel durchmachen musstest. Dass du all diesen Schmerz und diese Einsamkeit ertragen musstest, ohne dass jemand für dich da war. Es ist einfach nicht fair."

Er sah mich an, und ich konnte sehen, wie seine Gesichtszüge eine Spur weicher wurden.

"Das Leben ist niemals fair, Tsuki. Einsamkeit war mein ständiger Begleiter. Ich habe mich daran gewöhnt und schon früh begriffen, dass man nur sich selbst vertrauen kann. Deshalb fällt es mir immer noch schwer, mich zu öffnen. Es ist nicht, weil ich es nicht will. Es ist, weil ich es nie gelernt habe."

Ich nickte langsam und rutschte dann zu ihm hinüber.

"Das verstehe ich. Aber du bist nicht mehr allein, Chishiya. Wir sind ein Team, und ich möchte, dass du weißt, dass du mir vertrauen kannst, egal was passiert."

Unwillkürlich griff ich nach seiner Hand und drückte sie fest, während ich ihm ein zuversichtliches Lächeln schenkte.

Chishiya sah mich nachdenklich an.

"Ich weiß. Und deshalb habe ich dir das alles erzählt. Aber jetzt, bitte... lass uns nie wieder darüber sprechen "

Ich biss mir auf die Unterlippe.

"Gut, aber was ist mit dem Brief, den mir deine Mutter gegeben hat?"

Chishiya erhob sich schweigend und räumte dann unsere Teller weg.

"Verbrenn ihn, zerreiß ihn, mach damit, was du willst", sagte er gleichgültig, während er die Geschirrspülmaschine bestückte.

"Aber deine Mutter hat ges-"

"Es ist vollkommen egal, was sie gesagt hat, Tsuki. Meine Eltern sind mir egal und es ist mir erstrecht egal, was mit meinem Vater ist. Kannst du das nicht akzeptieren?"

Seine Stimme war jetzt um einiges lauter geworden, sodass ich es nicht wagte zu widersprechen. Seine Mutter hatte Recht. Chishiya war ein unglaublicher Sturkopf. Doch ich wollte mich damit nicht zufriedengeben. Andererseits wollte ich auch ungern Chishiyas Geduld auf die Probe stellen. Er hatte deutlich klargemacht, dass seine Eltern für ihn gestorben waren.

Und dennoch, irgendwas an Sachikos Blick ließ mich nicht mehr los. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass sie aufrichtig war, als sie behauptete, ihr Verhalten in der Vergangenheit zu bereuen.

Nach Chishiyas heftiger Reaktion jedoch bezweifelte ich, dass er ihr noch eine Chance geben würde.

Doch dieser Brief, den seine Mutter mir gegeben hatte, ging mir einfach nicht mehr aus dem Kopf.

Als ich alleine im Schlafzimmer war, holte ich ihn wieder aus der Schublade meines Nachtschrankes hervor. Meine Hände zitterten leicht, als ich das Kuvert öffnete.

Ich wusste, dass es falsch war.
Und doch - meine Neugier war stärker als die Vernunft.

Mit angespannten Atem entfaltete ich den Brief und begann zu lesen...

Fortsetzung folgt...

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