
Chapter Twenty-two
»Taeyong?«
Taeyong öffnete seine schweren Augenlider, nachdem er Jaehyuns Stimme klar hören konnte.
Die Sonne war schon aufgegangen und erhellte den Himmel, aber war sie noch nicht über das hohe Gras auf dem Feld zu Taeyongs Augen gelangt, was ihn wegen der Helligkeit erwecken könnte.
»Wirst du mir endlich sagen, was du den Spielmachern und den Trainern gezeigt hast, für die Bewertung?«
»Später, zuerst möchte ich etwas essen«, murmelte Taeyong, er wusste gar nicht so genau, was er da von sich gab, da er noch so müde war und er wusste auch nicht, ob Jaehyun ihn vollständig verstanden hatte.
»Versprichst du es mir?«
»Ja, versprochen.«
Jaehyun hatte ebenfalls noch nichts gegessen, da er, wie Taeyong sogleich erfuhr, auch erst vor wenigen Minuten aufgewacht war.
»Ich werde bald wieder zurück zum Füllhorn gehen. Ich weiß nicht, ob Clove wieder bei den anderen ist, wahrscheinlich hat sie sich verlaufen. Sie kann froh sein, dass sie zumindest ein bisschen schlauer ist als Thymian und Marvel.«
In seinem letzten Satz unterstützte er unbewusst Taeyongs Meinung, dass die meisten Karrieros strohdumm waren und ließ Taeyong im Inneren grinsen.
»Gehen wir weiter in den Norden?«, wechselte Taeyong das Thema.
»Ja. So kommst du wieder zum Fluss und ich kann irgendwann in den Osten gehen, um zum Startpunkt zurückzukehren.«
Ein Kanonenschuss erklang und plötzliche Stille unterbrach die entspannte Morgenstimmung. Der Wind, der schon sein Tagen immer wieder sanft wehte, schien eine Pause für einige Sekunden eingelegt zu haben und die Vögel hörten auf zu zwitschern. Dann fingen all die Nebengeräusche wieder an, die einem im Normalfall nie auffielen, außer wenn sie verstummten und erneut begannen.
Sie sahen sich für einen Moment still in die Augen und schulterten ihre Rucksäcke, bevor sie sich auf den Weg machten, als wäre der Kanonenschuss ein Startschuss für den heutigen Tag gewesen.
Quer durch die Felder ging es, wie die letzten Tage. Die Landschaft veränderte sich aber. Zwischen den Feldern waren lichte Waldstellen, die sich, umso weiter sie in den Nordwesten gingen verdichteten. In einer der etwas dichteren Stellen ging es ein bisschen bergab und als sie auf das offene Feld danach traten, ging es langsam, fast unbemerkt, wieder bergauf. Zwischen zwei verschiedenen Feldern verlief oft ein breiter Weg, auf dessen Seiten verschiedene Sträucher und Büsche wuchsen.
»Was hast du für deine Bewertung getan?«, fragte Jaehyun Taeyong, als sie auf einem dieser Feldwege waren.
Taeyong strich sich die Haare aus seinem Gesicht. Er hatte fast vergessen, dass er Jaehyun versprochen hatte, es ihm heute zu sagen und hatte gehofft, Jaehyun hätte es ebenfalls vergessen.
»Versprich mir, mich nicht auszulachen.«
»Warum sollte ich das tun?«
»Du wirst es wissen.«
Taeyong überlegte, wie er es formulieren wollte. Offensichtlich überlegte er zu lange, als Jaehyun vor seinem Gesicht herumwinkte und sich noch während sie gingen die Wasserflasche aus dem Rucksack nahm.
Taeyong räusperte sich. »Ich habe in den letzten Jahren immer gesehen, wie die Tribute großen Schlafmangel während der Spiele haben, also habe ich ihnen gezeigt, dass ich schnell und gut einschlafen kann.«
Jaehyun spuckte sein Wasser wieder aus und verschluckte sich. Danach lachte er und schien sich nicht mehr einkriegen zu können. Er kicherte und taumelte, als wäre er betrunken.
»Du hast ihnen gezeigt, dass du einschlafen kannst?«
»Ja, ich dachte, es würde nützlich sein. Und hör auf zu lachen, du hast gesagt, du wirst mich nicht auslachen.« Taeyong fand es überhaupt nicht toll, dass Jaehyun deswegen lachte. Dass Jaehyun aber unglaublich süß aussah, während er lachte, wollte Taeyong nicht zwingend dazusagen, es würde Jaehyuns Selbstverliebtheit nur noch stärken.
»Ach ja, ich habe dir gesagt, ich würde nicht lachen.« Jaehyun versuchte, einen halbwegs neutralen Gesichtsausdruck zu schaffen, ein immer wieder entfliehendes Lächeln konnte er aber nicht unterdrücken.
Taeyong zog einen Schmollmund und rollte mit den Augen, was Jaehyun noch mehr zum Lachen brachte und Taeyong in eine sanfte Umarmung von der Seite zog.
»Wenn du weiter lachst, vergifte ich dich«, drohte Taeyong, es schien aber nicht bei Jaehyun anzukommen.
Fest rammte Taeyong seinen Ellbogen in Jaehyuns Rippen und sofort ging Jaehyun auf Sicherheitsabstand.
»Das tat weh, wie kommst du auf die Idee mich mit deinem Ellbogen zu schlagen«, fragte Jaehyun, während er sich jammernd seine Seite hielt. »Du hast mir bestimmt eine Rippe gebrochen.«
»Hätte ich dir eine Rippe gebrochen, würdest du noch mehr schreien.« Taeyong lachte, als er Jaehyuns Schauspiel sah und es war das erste ehrliche Lachen seit Wochen. Selbst in Distrikt 12 lachte er nicht oft. Wenn Taeil Glück hatte, brachte er Taeyong ein paar mal im Monat zum Lachen, was nicht Schadenfreude oder Auslachen war.
»Du kannst ja lachen! Ich dachte, ich werde dich nie lachen sehen.« Jaehyun klang glücklich, als hätte er gerade ein Stück Kuchen bekommen und Taeyong sah zu Boden, damit sein Gesicht nicht zu sehen war.
»Tz.«
Sie gingen weiter und kamen bald in einem Waldstück an.
»Teilen wir uns auf und suchen nach etwas essbaren?«, schlug Taeyong vor. Jaehyun schien nicht sofort einverstanden zu sein, nickte dann aber. Wenn die Sonne am höchsten Punkt stand, würden sie sich wieder hier treffen.
Taeyong ging in die Richtung, in der es am grünsten an Blättern aussah. Da würde er wohl am wahrscheinlichsten Beeren und Blätter die essbar waren finden.
Leise ging er durch die Büsche und hielt Ausschau nach bekannten Blättern, Farben oder Früchte. Die Blätter und Gräser raschelten unter seinen Füßen und wurden von dem stetigen Wind, der die Blätter auf den Bäumen durcheinander wehte gedämpft.
»Hallo, Taeyong!«, rief eine Stimme und ein paar Vögel schreckten auf.
Taeyong wollte in diesem Augenblick am liebsten seinen Kopf in den nächsten Baum schlagen und nie wieder aufwachen, als er diese Stimme hörte.
»Warum bist du noch nicht verreckt?«, fragte Taeyong und hoffte, dass es nur von ihm gehört wurde.
»Ich habe nicht gedacht, dich wieder zu sehen«, sagte Glimmer.
»Schön für dich.«
Glimmer hatte darauf, so dumm wie sie war, nichts zu erwidern und sprach ein neues Thema an. »Was suchst du?«
»Essen.«
»Ich werde mit dir Essen suchen!«
Taeyong rollte mit den Augen und seufzte. Er würde sie wohl nicht abschütteln können und konnte nur hoffen, dass sie sich vergiftete.
Er ging voraus und Glimmer folgte ihm polternd einige Meter hinter ihm. Sie fluchte immer wieder laut, wenn sie sich in Dornen verhing, Taeyong machte sich aber nicht die Mühe zu warten oder langsamer zu gehen.
Nach einigem Gehen fand er endlich etwas, was ihm seine vermieste Stimmung wegen Glimmer ein bisschen aufhellte. Ein Strauch mit reifen Brombeeren. Taeyong kostete eine und freute sich direkt mehr davon mitzunehmen. Glimmer ignorierte er einfach, während sie mit Ranken, Blättern und Dornen kämpfte.
Taeyong hatte sich auf die Erde gekniet, da der Brombeerstrauch nicht sehr hoch war und sammelte alle, die er finden konnte und auch gut schmecken würden, da sie schon reif waren, in dem selbst zusammen gebastelten Säckchen, was er für die Himbeeren gemacht hatte.
Nach einiger Zeit streckte Taeyong sich, nachdem sein Rücken anfing wehzutun und sah mehrere Meter vor ihm über den niedrigen Brombeerstrauch hinweg Jaehyun aus den Bäumen treten. Taeyong wollte ihm gerade zuwinken, da er anscheinend ebenfalls bemerkt wurde, als sich etwas in Jaehyuns Gesichtsausdruck veränderte.
Es zog alles an Taeyong vorbei, wie ein Traum. Jaehyuns Mimik wurde härter und es war eine einzige geschmeidige Bewegung, wie Jaehyun sein Messer aus dem Gürtel zog und es auf Taeyong zuwarf.
Taeyong wusste nicht, was geschah. Er konnte nicht ausweichen (was er, selbst wenn er es versucht hätte, wahrscheinlich nicht geschafft hätte), er war wie versteinert, während die im Sonnenlicht schimmernde silberne Klinge auf ihn zuraste.
Doch die Spitze des Messers traf ihn nicht.
Das Messer zog nur Millimeter über seinem Kopf vorbei und Taeyong konnte spüren, wie es durch seine Haare zischte, ohne Schäden zu hinterlassen.
Er hörte, wie es in etwas traf und ein hoher Aufschrei folgte. Sofort drehte er sich um.
Das Messer steckte tief in Glimmers Bauch. Ihre Beine gaben nach und sie schlug mit einem hörbaren Aufprall auf dem Boden auf. Sie ließ eine kleine Axt fallen, die in etwa die Länge von ihrem Unterarm hatte. Taeyong spürte Jaehyuns Wärme neben sich, nachdem dieser sofort zu ihnen gelaufen war.
Blut durchtränkte die Kleidung und sie versuchte verzweifelt, die Blutung zu stillen, ihre Hände wurden rot. Blut spuckte und hustete sie aus ihrem Mund. Es floss ihre Mundwinkel hinunter und bespritzte ihre weitere untere Gesichtshälfte. Sie röchelte und verschluckte sich an ihrem eigenen Blut und Speichel, weshalb sie nicht mehr an Sauerstoff kam.
Man konnte sehen, wie ihr Körper immer schwächer wurde und schließlich ganz still lag. Ein Kanonenschuss hallte durch die Arena.
»Gehen wir«, sagte Jaehyun und ging zu Glimmers toten Körper, um sein Messer herauszuziehen.
Die folgenden Stunden redeten sie kein Wort miteinander.
Die Dämmerung brach an und die Sonne warf lange Schatten auf die Erde. Taeyong und Jaehyun liefen nebeneinander, mit nur wenigen Zentimetern Abstand zwischen ihnen. Sie sahen sich nicht an und waren in ihren eigenen Gedanken versunken.
»Ich dachte, du würdest auf mich werfen.« Taeyongs Stimme klang rau, da er seit Stunden nichts getrunken und nicht gesprochen hatte. Er sah nicht zu Jaehyun, während er dies sagte, sondern weiterhin in die Ferne, zu dem nächsten Waldstück, was hinter mehreren Feldern erschien, während sie auf einem Feldweg gingen.
»Glimmer hat sich von hinten an dich herangeschlichen, mit der Axt bewaffnet. Wahrscheinlich ist die aus ihrem Rucksack gewesen.«
Gleichzeitig blieben sie stehen und drehten sich zueinander, wie ein Spiegel, und sahen sich an.
»Danke«, sagte Taeyong nur. »Das ist das zweite Mal, dass du mir mein Leben rettest. Ich bin dir was schuldig.«
Sie waren sich viel näher, als Taeyong am Anfang, als sie sich zu sich gewendet hatten, realisiert hatte. Taeyong konnte Jaehyuns Körperwärme spüren und Jaehyuns Augen lagen für einen Bruchteil einer Sekunde auf Taeyongs Lippen.
Die Sonne warf glänzendes Licht auf sie, während sie sich still ansahen und warf lange Schatten.
Dann drehte Jaehyun sich weg. Er erwiderte nichts darauf, gab ihm nur ein süßes Lächeln, das seine Grübchen zeigte.
»Suchen wir uns einen Platz zum Schlafen«, schlug Taeyong vor, während sein Magen knurrte und sie machten sich auf den Weg in eines der Felder, zwischen welchen sie gerade gingen.
Sie aßen und tranken und gingen früh schlafen, bevor die Hymne erklang, wurden während dieser aber noch einmal geweckt, bevor sie fest einschlafen konnten. Sie wünschten sich eine gute Nacht und Jaehyun berührte, von seinem Schlafplatz einen Meter seitlich von Taeyong, Taeyongs ausgestreckte Fingerspitzen mit seinen eigenen.
Als Taeyong nach dem Sonnenaufgang erwachte, war Jaehyun verschwunden.
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