P O S T S C R I P T U M
Wir laufen ganz vorne. Unter meinen weiten Ärmeln halte ich verdeckt meinen schmalen Bogen in der Hand. Auf meinem Rücken liegen ein paar Pfeile an, gerade so viele, dass sie nicht auffallen. Marvel trägt ebenfalls weite Klamotten. Unter einer Art Umhang erkennt man die Messer nicht, die er am Rücken trägt. Meine Haare fallen aus der Kapuze, die ich mir tief ins Gesicht gezogen habe. Sie sind mittlerweile dunkel. Auch Marvel Haare tragen nicht mehr ihre natürliche Farbe.
Keiner bemerkt uns. Wie sollten sie das auch tun; immerhin sind wir doch vor bald 2 Jahren in den Spielen gestorben. Keiner im Kapitol erinnert sich großartig an unsere Gesichter.
Nach den 75. Hungerspielen änderte sich alles. Katniss kam nach Distrikt 13 und mit ihr noch andere Sieger. Alle bis auf Peeta und Johanna. Mein Hass Katniss gegenüber war tief verwurzelt, doch sie am Schicksal ihres Geliebten brechen zu sehen, lies mich nicht kalt. Es dauerte lange, nachdem sie beide aus dem Kapitol gerettet haben, bis Peeta wieder ansatzweise der Alte war.
Es kann nicht mehr lange dauern; der Kampf gegen President Snow. Die Distrikte hat er schon lange verloren und im Kapitol herrscht Aufbruchsstimmung. Die Bewohner des Kapitols sind auf dem Weg zum Präsidentenpalast und dort befinden wir uns ebenfalls. Mit unseren breiten, dunkelglänzenden Klamotten fallen wir niemandem auf. Keiner ist bereit irgendwas anderes zu tragen und es am Ende noch zu verschmutzen. Um uns herum stehen Friedenswächter, auch vor den Toren warten viele von ihnen auf die Ankunft der Bürger. Wir sind die Ersten, die das Tor erreichen und werfen uns mit voller Kraft dagegen, die Friedenswächter versuchen uns etwas nach hinten zu drücken. Doch unsere Mission ist klar geplant.
"Bitte lasst uns rein!", flehe ich mich verstellter Stimme. Wie auf Kommando stürmen die anderen Rebellen die Menge und lenken so die Friedenswächter neben uns ab. Marvel zieht schnell ein Messer, das er mir gibt, während er für sich ein weiteres nimmt. Mit einem gezielten Stich schalten wir fast gleichzeitig die Beiden aus. Ich greife nach der Schusswaffe des Friedenswächters und hänge sie mir um. Als ich gerade die andere Waffe für Marvel nehme, tritt er gerade mit Gewalt das Tor ein. Ich drücke ihm die Waffe in die Hand und ziehe meinen Bogen aus dem Ärmel. Mit einer geschickten Bewegung lege ich den schmalen Köcher mit den Pfeilen auf meinem Rücken frei. Ich spanne schnell einen ein. Wir betreten das Grundstück des Präsidentenpalast. "Kommen Sie!", schreit Marvel den Bürgern zu. Wir müssen so viele wie möglich vom Eingang weg bekommen, bevor noch mehr Sterben. Als immer mehr dem Strom folgen machen wir uns weiter auf den Weg zum Palast. Doch wir werden durch einen lauten Knall aus der Aktion gerissen. Hinter uns zieht eine riesige Staubwolke in den Himmel. Viele Menschen liegen auf dem Boden, bewegungslos.
"Wir müssen weiter, Gem. Die Anderen helfen ihnen", höre ich Marvel sagen; in meinen Ohren schallt es von dem gewaltigen Knall. Er nimmt meine Hand und zieht mich weiter. Zügig laufen wir immer weiter auf das Gebäude zu, keine Friedenswächter weit und breit. Wir bleiben unbemerkt, als wir auch diese Tür öffnen und leise die ersten Schritte in den Palast sitzen.
"Er ist im oberen Stockwerk, haltet außerdem nach Kapseln Ausschau. Auch im Haus könnten Fallen sein", höre ich durch einen Stecker in meinem Ohr. Auch Marvel hat es gehört und so machen wir uns weiter nach oben. Auf der Treppe werden wir erneut von einem heftigen Schlag aus der Fassung gebracht. Draußen scheint erneut eine Bombe hochgegangen zu sein. Auch jetzt frage ich mich erneut: Warum wirft Snow Bomben auf Zivilisten?
Weiter oben beginnen wir damit die Räume zu untersuchen, immer angriffsbereit, falls wir auf Widerstand stoßen. "Es gibt nur zwei sichere Wege und sie führen beide zu einem Raum. Wenn das nicht alles sagt", flüstert Marvel mir ins Ohr, als er auf die kleine Anzeige des Detektors schaut. Ich nicke nur zustimmend. Nach ein paar Minuten später stehen wir dicht an die Wand gepresst, an der letzten Ecke, die wir umqueren müssen um in den Raum zu kommen auf den wir es abgesehen haben. Ich spanne einen weiteren Pfeil in meinen Bogen und schiebe meinen Finger zwischen die zwei Enden der Pfeile. Wenn die Tür bewacht wird, sollte ich so am besten vorbereitet sein.
Marvel legt mir seine Hand auf die Schulter, so dass ich mich zu ihm umdrehe. Er macht eine kurze Kopfbewegung, um mir zu zeigen, dass es los geht. Wir stürmen um die Ecke. Wie vermutet, wird der Raum von zwei Friedenswächtern gesichert. Sie stehen links und rechts vor der Tür. Da meine Pfeile perfekt dazu eingespannt sind, schieße ich sie sofort ab. Ich treffe jeweils die Schulter des Schussarmes. So sind sie zwar verwundet und können uns nicht mehr angreifen, aber es tötet sie nicht.
Ich möchte nicht noch mehr Tote verbüßen, als ich es in den Spielen musste.
Als sie zu Boden fallen, versuchen wir vorsichtig die Tür zu öffnen. Sie ist zum Glück nicht verschlossen. Kurz bevor wir eintreten, drehe ich die Waffe in meinen Griff und verstaue im Gegenzug meinen Bogen auf dem Rücken. Marvel entsichert in der Zeit seine. "Weg gesichert, ihr könnt nachziehen", gibt er ein Signal über sein Mikrophon. "Ihr müsst es alleine schaffen, es gab einen Bombenangriff. Wir schicken jemand anderen, sobald es geht", höre ich die Antwort von Cressida. Ich schlucke; Marvels Augen werden groß. Hoffentlich geht es allen gut.
Mit erhobener Waffe betreten wir den Raum. Er ist alleine, nicht einmal seine Assistenz ist bei ihm. Seelenruhig steht er am Fenster und starrt auf die lange Allee zu seinem pompösen Haus. Verwirrt schaue ich zu Marvel und wieder zum Präsidenten. "Sie wussten, dass wir kommen", spricht Marvel meine Gedanken aus.
"Natürlich. Allerdings hab ich nicht mit Ihnen Beiden gerechnet. Das letzte Mal als ich sie sah, sahen sie sehr tot aus." Damit dreht er sich zu uns um. Ich umschließe mein Gewehr fester mit den Händen. "Blonde Haare stehen Ihnen besser, Miss Verwell." Verwirrt starre ich ihn weiter an. Warum ist er so gelassen. Was ist das für ein Gespräch.
"Denken sie nicht, dass mir bewusst ist, dass ich keine Chance mehr habe?" Ich kann nicht erkennen, ob er es ernst meint. Durch Marvels und meinen Ohrstecker höre ich erneut Cressida. "Verstärkung ist gleich bei euch. Wir haben es so gut wie geschafft." Ich kann mich noch nicht richtig freuen oder beruhigen, bevor jemand bei uns ist und wir die Lage besser kontrollieren können.
"Sie sollten sich bewusst sein, dass ich nicht der Böse bin. Ich würde nie Zivilisten töten."
Jetzt ergreife ich das Wort. "Wer sollte es sonst sein? Erklären Sie mir das!" Doch er grinst nur, bevor er sich auf einen Sessel fallen lässt.
"Wir wurden alle irregeleitet."
Wen meint er? Gerade als ich einen Moment darüber nachdenke, höre ich hinter uns lautes Rennen. Ich drehe mich schnell um und erkenne, dass es sich um unsere Unterstützung handelt. "Schön, dass sie noch in all dem Chaos zusammen sind. In der Einigkeit liegt bekanntlich die Freiheit", sagt er noch, als er festgenommen wird.
Ich blicke noch einmal zu Marvel und trete einen Schritt näher. "Ich glaube, er meint President Coin", flüstert er mir zu. Und das war auch mein Verdacht.
"Bist du schon wieder in Gedanken versunken?" reißt Marvel Gemma aus ihren Erinnerungen.
"Es sind 5 Jahre vergangen", erwidert sie.
Er lässt sich neben sie in den Sand fallen. Die Sonne scheint ihm ins Gesicht und lässt seine Augen golden strahlen. Nach all den Jahren, denkt Gemma, kann sie sich noch in ihnen verlieren. In seinen Augen spiegelt sich die untergehende Sonne, das Licht tanzt auf seinen Wangen und verfängt sich in dem leichten Grinsen, dass auf seinen Lippen liegt, wenn er den Menschen ansieht, der neben ihm sitzt.
Wenn er in ihre Augen schaut, denkt Marvel, scheint es ihm, als würde der Himmel sich in ihnen erstrecken. Eine ganz neue Welt die sich in ihnen widerspiegelt und in der es trotzdem nie genug Worte geben könnte um seine Liebe zu ihr zu beschreiben. In ihren Augen liegt alles, was er jemals gebraucht hat.
Ihre Gesichter wurden in den vielen Jahren von Kummer und Wut gezeichnet. Trauer um die Menschen, die sie auf dem Weg verloren haben und trotzdem Erleichterung, dass sie noch beieinander sind. Doch mittlerweile sind es nur noch Falten, die auf ihren Gesichtern verblieben sind und heute von Liebe und Freude übertrumpft werden.
Gemma lehnt sich an seiner Schulter ab und Marvel legt sofort seinen Arm um sie. Vor ihnen liegt Wasser, das leise ein paar Wellen schlägt, die sanft ein Rauschen von sich geben.
Was für ein Glück sie haben, denken beide.
Denn nach all den Jahren;
"Es ist nicht mehr als eine Erinnerung", flüstern sie fast zeitgleich.
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Hallo ihr Lieben!
Ich möchte mich erneut bei euch bedanken. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass auch nach Abschluss der Geschichte noch so viele positive Kommentare mich erreichen und auch so viele nach einer Fortsetzung fragen.
Ich bin aktuell mit meiner zweiten Fanfiktion vollkommen ausgelastet, da ich einfach nicht mehr genug Zeit finde viel zu schreiben. Ausgeschlossen ist eine Fortsetzung zwar nicht, aber ich bin mir aktuell noch nicht sicher wie ich das anstellen soll.
Bis dahin wollte ich euch aber trotzdem noch was zum lesen geben!
Ein großes Danke also nochmal, ich bin weiterhin unglaublich sprachlos über eure Freude zu dieser Geschichte. Ihr seid großartig!
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