H A P P E N I N G
"Happening"
[hap-uh-ning]
any event considered worthwhile, unusual, or interesting
Erst später in der Nacht, als Marvel und ich alleine am Feuer sitzen, fallen mir die Wunden in seinem Gesicht auf. Seine Verletzungen wirken, als würden sie in Flammen stehen, so sehr glitzern sie im Licht des Feuers. An manchen Stellen klebt noch getrocknetes Blut.
Nicht nur in seinem Gesicht, auch seine Arme und vor allem Hände sind verziert mit Stichen. Wie langsam ist er denn gerannt? Oder haben ihn einfach mehr verfolgt? Vielleicht hatte er auch nicht, wie ich, das Glück so nah an dem Fluss zu sein, so dass die Jägerwespen ihn in Ruhe lassen.
Nie dachte ich, dass ich ihn so sehen müsste, doch eigentlich ist so ein Gedanke in unserer Situation mehr als nur naiv.
„Konntest du keine Zuflucht finden?", bringe ich nach einer Ewigkeit heraus. Marvel wirkt so versunken in seine Gedanken, während er am Feuer vorbei auf den Wald starrt, dass er erschrocken zusammen zuckt, als er meine Stimme wahrnimmt. Doch er findet sofort seine Sprache wieder: „Nein, ich bin einfach gerannt, bis ich bei den Feldern war und die Jägerwespen von mir gelassen haben." Ich schlucke. Das ist die halbe Arena.
„Tut mir leid, dass ich dich nicht mit mir gezogen habe, ich bin innerhalb weniger Minuten am Fluss gewesen." Er nickt verständnisvoll und fällt eine Sekunde später mit geschlossenen Augen ins Gras. „Ist da jemand müde?", frage ich in lachend. „Nein gaaar nicht, Gem. Bin nur beinahe 1 Stunde um mein Leben gerannt", grinst er und dreht seinen Kopf zu mir. „Ist dir eigentlich dieser riesige Stich an deinem Hals aufgefallen?" Marvel richtet sich auf und kommt näher zu mir. „Ich glaube da steckt sogar noch der Stachel, du kleiner Held." - „Zieh ihn raus.", murmle ich mit zusammengebissenen Zähnen und warte auf den Schmerz. „Das wird jetzt weh tun", antwortet mir Marvel. „Ach wirklich", ist das letze was ich raus bekomme, bevor mir plötzlich schwarz vor Augen wird.
Als ich wieder aufwache, merke ich sofort, dass etwas nicht stimmt. Ich liege zwar weich, doch für die Arena ist das eindeutig zu weich. Weder unser Schlafplatz, noch sonst ein Ort dort könnte so komfortabel sein. Ich drehe mich ein wenig und entdecke Holz neben mir und nein, es sind keine Bäume oder umgefallene Holzstämme, sondern ein gut gebauter Holzverschlag, mit Farbe verkleidet. Was geht hier vor? Da ich mich nun etwas aufgerichtet habe, bemerke ich auch worauf ich bis eben gelegen habe: Mein Bett. Mein eigenes, gemütliches Bett in Distrikt 1. Die Decke und das Kopfkissen gerade frisch bezogen und das Zimmer offensichtlich frisch gelüftet. Ich sehe mich um. Alles ist wie ich es verlassen habe. Mein Kleiderschrank noch leicht geöffnet, da ich ihn am Tag der Ernte nicht ganz verschlossen habe und auf meinem Schreibtisch ein paar Theorieblätter vom Unterricht.
Mehr und mehr werde ich stutzig. Wie komm ich hier her? Langsam öffne ich meine Tür und mache mich auf den Weg nach unten. Kaum stehe ich in der Küche werde ich von meiner Mum begrüßt und ich beginne traurig zu lächeln. Ein Traum. Was soll das hier sonst sein? Es wurde mir gerade klar, als Joe in Arbeiterklamotten am Tisch sitzt und beherzt in sein Brot beißt. Als das noch Alltag war, war ich viel jünger. Spätestens als auch noch mein Dad in den Raum tritt, läuft mir die erste Träne über die Wange. Weder ist er tot, noch selten Zuhause, doch seit Jahren sind wir nicht mehr umbedingt eine der Vorzeigefamilien in Distrikt 1. Nachdem Joe gewonnen hat, sollten wir auch eins der Häuser im Dorf der Sieger bekommen, doch meine Familie wollte lieber hier bleiben. Bescheidenheit ist für viele Bewohner hier ein Fremdwort. Viele verstanden es anders, dachten, dass wir arrogant sind oder was auch immer sie meinten.
Ich verlasse unser Haus, aber das ist ein Fehler. Kaum stehe ich außerhalb des Hauses landet ein Pfeil direkt neben mir. „Vorsicht Gemma, der wäre ja beinahe in deinem Gesicht gelandet!", höre ich die Stimme von Glimmer vor mir. Sie wirft mir ein Messer zu. „Du bist dran." Ich weiß gar nicht wie mir geschieht. Ich werfe das Messer, in der Hoffnung, dass dieser seltsame Traum aufhört und ich neben Marvel aufwache.
Glimmer weicht aus und rennt in den Wald. Mir bleibt nichts anderes übrig als ihr zu folgen, wo sollte ich sonst hingehen?
Wenige Schritte in den Wald reichen schon aus, um mich in ein neues Geschehen zu katapultieren.
Schreie um mich herum, die Leute rennen wild durch die Gegend und bei näherem Hinschauen erkenne ich, dass es Tribute sind. Wie aus heiterem Himmel erkenne ich vor mir Marvel. Blutverschmiert. Er hält sich den Arm, doch auch aus seinem Bein schießt das Blut hinaus. „Gemma!", schreit er und ich denke nicht lange nach, da renne ich schon auf ihn zu.
„Rette mich", kommt im nächsten Moment schon schwach aus seinem Mund. Sein Gesicht ist schmerzerfüllt und seine Augen starren mich voller Angst an. „Wie?", frage ich, doch bemerke meine zittrige Stimme. Die Tränen laufen mir gerade zu in Strömen über das Gesicht. „Töte mich", stammelt er, als er auf die Knie geht. „Nein, das ist doch nicht dein Ernst!", schreie ich.
„Tu es!"
Sein Drängen wird immer lauter, die Schreie um uns herum werden lauter.
Mein Kopf setzt aus, als er mir auch noch ein Messer in die Hand drückt. „Nein, ich werde das nicht machen!"
„Dann tu ich es", sagt eine Stimme eiskalt hinter mir. Ich drehe mich gerade um, da höre ich den letzten Ton aus Marvels Mund und den dumpfen Schlag, als sein Körper zu Boden geht, der mich dazu bringt, mich wieder ihm zu zuwenden. Ein Pfeil steckt tief in seiner Brust und ich schreie auf. Nichts anderes fällt mir gerade leichter. Meine Gefühle überkommen mich. Mein Kopf dröhnt, meine Tränen verschleiern meine Sicht, doch ich erkenne noch, wer jetzt an mir vorbei läuft und den Pfeil aus Marvels Brust reißt. Katniss.
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