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„Our worst enemy cannot harm us as much as our own unwise thoughts."
ƸӜƷ
~Lucius Malfoy~
Die lärmenden Straßen Londons waren an diesem Morgen besonders mit Menschenmassen gefüllt, was nur bedeuten konnte, dass es Samstag war. Lucius hatte seinen Schlafplatz mittlerweile aufgegeben, um einer weiterer Begegnung mit Hermine Granger vorzubeugen.
Ihre Reaktion hatte ihm klar gemacht, was ihre bloßen Anwesenheit in ihm ausgelöst hatte und obwohl es ihm eigentlich egal sein konnte, hatte er sich dazu entschlossen einen anderen Platz zum Schlafen zu suchen. Dennoch ließ ihn das Gefühl von Scham nicht mehr los, welches sich seit seiner Begegnung mit der ehemaligen Gryffindor-Schülerin in ihm festgesetzt hatte.
In der vergangenen Woche waren seine Gedanken immer wieder um seine eigene Vergangenheit gekreist, was zu dem Ergebnis geführt hatte, dass seine Albträume schlimmer denn je geworden waren. Als er schließlich eines Morgens von einem Passanten unsanft wegen seiner Schreie geweckt worden war, war das Fass endgültig voll für ihn und sein Beschluss etwas in seinem Leben zu ändern stand fest. Lucius wusste nur noch nicht genau, was er ändern wollte und vor allem, wie er es ändern konnte.
Obwohl ihn Reue wegen seiner früheren Taten als Todesser durchfloss, war er sich sicher, dass er seine alten Gewohnheiten und speziell seine Denkweise nicht von heute auf Morgen ablegen konnte. Dafür hatte er einfach schon so zu lange die Rolle des stolzen Reinblüters verkörpert.
»Ein Reinblüter, der sein Leben auf der Straße verbringt« erinnerte ihn seine innere Stimme und ein leises Seufzen entwich ihm. Was sollte er sich jetzt noch auf seinen falschen Stolz einbilden, wenn er mit nichts dastand?
Das Gefühl von Wut durchflutete ihn und noch ehe er wirklich darüber nachgedacht hatte, was er tat, warf er seine halbvolle Dose mit Erbeneintopf von sich weg, in die dunkle Gasse hinein. Das dies seine erste Mahlzeit in zwei Tagen gewesen war, kümmerte ihn in diesem Moment eher weniger.
Im schlimmsten Fall würde er eben verhungern und selbst das würde niemanden interessieren.
Im Gegenteil, er war sich ziemlich sicher, dass es nicht wenige Zauberer und Hexen geben würde, die auf seinen Tod einen Toast aussprechen würden.
Erst jetzt wurde ihm klar, dass er zu seinem Wurf nie einen Aufprall gehört hatte. Mit einer schnellen Bewegung hob er seinen Kopf und sah in die schmale Gasse hinein, die nur spärlich von zwei Laternen etwas weiter hinter beleuchtet wurde. Doch selbst das wenige Licht reichte aus, um festzustellen, dass er nicht mehr allein war.
Keine zwei Meter von ihm entfernt stand eine dunkle Gestalt und beobachtete ihn.
Sämtliche Alarmglocken begannen in seinem Kopf zu schrillen, doch er hatte keinerlei Chance sich zu verteidigen. Sein Zauberstab war nutzlos und seine nun eher hagere Erscheinung würde nicht einmal ein kleines Mädchen in die Flucht schlagen!
Bedacht darauf, sich keinerlei Anzeichen von Angst anmerken zu lassen, hielt er den Blick auf die Gestalt gerichtet und sagte laut: „Was wollen Sie von mir? Wenn Sie auf der Suche nach Geld oder Besitztümern sind, kann ich Ihnen sagen, dass Sie hier gänzlich falsch sind!"
Seine Augen hatten sich langsam an das dämmrige Licht der Laternen gewohnt und Lucius wusste sofort, dass es ein Zauberer war, der da vor ihm stand.
Da das Tragen eines Umhangs in der Muggelwelt noch nicht in Mode gekommen war, musste es also jemand von der magischen Bevölkerung sein, der ihn gefunden hatte. Vielleicht bildete er es sich auch ein, aber etwas an dem Mann erschien ihm seltsam vertraut. Eher er sich jedoch sicher sein konnte, sagte eine dunkle kühle Stimme: „Ist das die feine Art alte Freunde zu begrüßen, Lucius? Hat dir die Straße bereits sämtliche Manieren aberzogen oder soll ich es persönlich nehmen, dass du mich mit einer Konservendose bewirfst?"
„Severus!", entwich es ihm ungläubig und ein seltsames Gefühl machte sich in Lucius breit. War es tatsächlich Freunde, die er beim Anblick seines ehemaligen Freundes empfand?
„Wie ich sehe, sind die Gerüchte also wahr", kam es nun leicht spöttisch von dem Schwarzhaarigen und sofort erstarrte Lucius.
„Welche Gerüchte?"
Schweigen breite sich zwischen ihnen aus und mit einem Mal fühlte Lucius sich mehr als unwohl. Das Gefühl von Scham durchflutete ihn schlimmer denn je, denn einst war es die ganze magische Bevölkerung gewesen, die ihm mit Respekt begegnet war. Nun saß er auf einem dreckigen Boden zwischen Mülltonnen und Ungeziefer, welches sich genauso wie er jeden Tag auf die Suche nach etwas Essbaren und einem Platz zum Schlafen begab.
„Ich wollte es nicht glauben, aber als mir das Ministerium deine Entlassung bestätigt hat, musste ich mich einfach selbst davon überzeigen, dass es wahr ist", entgegnete er und ein leichtes Funkeln spiegelte sich in seinen schwarzen Augen wider.
„Spar dir deine Schadenfreude, Severus. Wenn du nur hergekommen bist, um mich zu verspotten, kannst du gleich wieder gehen. Es gibt nichts mehr an Würde, was du zerstören könntest!"
„Ich bin nicht wie du, Lucius. Mein Anliegen ermisst sich nicht darin, dir eine offensichtliche Tatsache aufzuzeigen. Mein Plan war dir ein Bett und etwas warmes zum Essen anzubieten, doch wenn du kein Interesse an meinem Vorschlag hegst, kann ich natürlich wieder gehen", kam es gleichgültig von Severus.
„Nein! Ich komme mir dir!", entwich es Lucius hastig und er klang dabei mehr als armselig.
„Dachte ich es mir doch", war alles was sein Gegenüber erwiderte. Während Lucius die wenigen seiner Habseligkeiten in seinem Rucksack verstaute, spürte er Severus' stechenden Blick auf sich, den er jedoch ignorierte.
Noch war ihm der Grund seiner Handlung unbekannt, aber Lucius war sich sicher, dass Severus ihm keinesfalls aus Loyalität oder Mitleid half. Nein, sein alter Freund brauchte etwas von ihm und da er derjenige war, der einen Platz zum Schlafen und etwas zu essen benötigte, wagte er es nicht, etwas Falsches zu sagen.
Als er mit den letzten Handgriffen seine angebrochene Wasserflasche verstaut hatte, schulterte er den Rucksack und sah Severus entgegen. Dessen Blick war nun nicht mehr auf Lucius Gesicht geheftet, sondern glitt abschätzend an seiner Gestalt hinab.
Auch Lucius Blick wanderte an sich herunter und mit Entsetzen stellte er fest, dass er eine Khaki grüne Hose trug und ein T-Shirt mit der Aufschrift Feel sexy? Be sexy!
Als er seinen Blick wieder hob, hätte er schwören können, ein verdächtiges Zucken um Severus' Mundwinkel gesehen zu haben, doch um die Peinlichkeit nicht auch noch offen auszusprechen, fragte er hastig: „Wohin gehen wir?"
„Das ist in der Tat eine gute Frage, Lucius", erwiderte sein Gegenüber, was er wiederum als kein gutes Zeichen aufnahm. Seine Anwesenheit war nirgendwo erwünscht, dessen war er sich in diesem Moment so bewusst, wie noch nie zuvor in seinem Leben.
„Ich denke Spinners End wäre vorerst eine gute Option für dich. Meine Anwesenheit wird zwar ab dem 01. September wieder in Hogwarts verlangt, aber wer weiß, was sich bis dahin ... ergibt."
Obwohl er die Worte seines alten Freundes nicht einordnen konnte, beließ er es bei seiner Aussage und nickte nur.
Wortlos streckte Severus ihm seinen Arm entgegen, den Lucius, ohne zu zögern ergriff. Mit einem lauten Plopp disapparierten sie aus der Seitengasse und erschienen nur einen Wimpernschlag später in einer weiteren Gasse in Spinners End.
Er hatte nie verstanden warum Severus dieses Haus nicht verkauft hatte, doch jetzt war er heilfroh, dass dieser niemals auf seinen Vorschlag gehört hatte. Schweigend machte sie sich auf den Weg zu Severus' Haus und kamen schließlich kurze Zeit später vor dessen Eingangstür zum Stehen.
Nachdem Severus das Passwort genannt hatte, betraten die beiden das dunkle Haus, welches leicht vermodert roch. Hingegen dem Geruch von Abflussrohren und Gullydeckeln, roch es jedoch für Lucius wie auf einem Blumenfeld.
„Du kannst das obere Zimmer mit Bad für dich beziehen. Ich werde weiterhin in Hogwarts schlafen, damit du etwas an Privatsphäre gewinnst. In der Tat fällt es mir schwer zu glauben, dass du für ganze zwei Monate auf der Straße gelebt hast. Willst du mir erklären, wie es dazu gekommen ist oder ist es dir zu unangenehm?"
Etwas an Severus Ton wirkte auf Lucius geradeso, als ob ihn all das köstlich amüsieren würde. Doch welche Wahl hatte er schon? Früher oder später würde es sowieso ans Licht kommen, denn er wusste nicht, wie weit Severus und Draco noch in Kontakt standen.
„Falls es dir genehm ist, würde ich zunächst Duschen gehen und dir dann alles erzählen. Es ist wahrlich keine spannende Geschichte, zumal du den Großteil davon bereits kennst, wie ich vermute. Dennoch erfülle ich dir deinen Wunsch, sobald ich wieder vorzeigbar bin", erwiderte Lucius und seine Stimme wirkte kühl und unnahbar – so wie sie auch einst gewesen war und dringend wieder werden musste.
„Gewiss, Lucius. Nimm dir Zeit und triff mich dann später im Salon", erwiderte der Schwarzhaarige und auch seine Stimme war einige Nuancen dunkler geworden.
Ohne ein weiteres Wort wandte sich der Blonde um und stieg die schmale Treppe in den ersten Stock hinauf. Er war bereits früher in diesem Haus gewesen und wusste daher, wo er sich hinbegeben musste. Das Zimmer, welches nun seins werden würde, war ursprünglich das Zimmer von Severus' Mutter gewesen und da er wusste, dass sein alter Freund diesen Raum nur selten betrat, überraschte ihn der Umstand nicht, dass er es ihm überlassen hatte. Eileen Snape war einst eine wahrlich ungewöhnliche Hexe gewesen, zumindest war es das, was ihm sein Vater ihm immer erzählt hatte. Nach ihrer Heirat mit einem Muggel war sie allerdings von der Zauberwelt ausgestoßen worden und lebte daher in diesem Muggel-Vorort mitten in einem Industrie- und Arbeitergebiet.
Obwohl er Severus nie danach gefragt hatte, war Lucius bereits seit seiner Schulzeit aufgefallen, dass dieser immer wieder große blaue Flecken zu Beginn des Schuljahres oder kurz nach den Ferien aufwies. Er tippte dabei aber eher auf seinen Muggel-Vater, der wohl etwas zu sehr dem Alkohol zugeneigt gewesen war.
Die Probleme andere Menschen interessieren Lucius von je an nur gering und mit Rückblick auf die Geschehnisse hätte er Severus ein viel besserer Freund sein können. Wenn er sich recht entsinnte, hatte er seinem Vater, Abraxas Malfoy, sogar einmal darum gebeten, dass Severus die Ferien bei ihnen im Anwesen verbringen durfte, doch sein Vater hatte es ihm aufgrund von dem Blutstatus seines Freundes verboten. Damals hatte er es nicht gewagt zu widersprechen, sondern war der Anweisung seines Vaters gefolgt und hatte Severus in den darauffolgenden Jahr gemieden. Als er schließlich seinen Schulabschluss erreicht hatte, waren sie zwar in Kontakt geblieben, doch auch dieser war eher spärlich ausgefallen.
Trotzdem wusste Lucius immer was Severus trieb, denn schließlich war es er selbst gewesen, der dem Dunklen Lord Severus als Spion in Hogwarts vorgeschlagen hatte. Eine Idee, auf die er vor so vielen Jahren mehr als stolz gewesen war, doch ihn im Nachhinein nur daran erinnerte, dass es das Leben seines Freundes vollkommen zerstört hatte.
Vor sich hinstarrend verweile er im Raum, bis er schließlich das hohe Pfeifen eines Teekessels von unten vernehmen konnte. Sich aus seiner Starre lösend, nahm er den Rucksack von seinem Rücken und machte sich dann auf den Weg ins Badezimmer.
Beim Betreten des Raums fiel ihm sofort der saubere Kleiderstapel auf, den Severus offenbar für ihn bereitgelegt hatte. Langsam schritt er darauf zu und betrachtete das weiße Seidenhemd, welches ganz oben auflag. Es war eines seiner Hemden, was nur bedeuten konnte, dass Severus im Manor gewesen sein musste.
Da das Manor nicht mehr im Besitz seiner Familie war, musst er seine Sachen vor langer Zeit geholt haben oder aber Draco hatte sie ihm zugeschickt. Er nahm sich vor ihn später danach zu fragen, denn die Dusche war einfach viel zu verlockend für ihm.
Langsam schälte er sich aus seiner Kleidung und legte diese seitlich vor die Kabine ab. Ein Blick in den großen Spiegel, welcher gegenüber von ihm über dem Waschbecken hing, offenbarte ihm das, was er bereits vermutet hatte.
Sein Oberkörper war ausgemergelt und über und über mit blauen Flecken übersehen. Das Schlafen auf der Straße hatte seine Spuren hinterlassen, ebenso wie die gelegentlichen Raufereien mit den anderen Obdachlosen.
Dort wo sich einst definierte Muskel unter der Haut abgezeichnet hatten, waren jetzt nur noch Haut und Knochen sichtbar. Seine Haare waren ebenfalls nicht mehr wie früher, denn sie waren viel zu lang und nun eher in einem hellen braun, welches ebenfalls dem Staub und Schmutz der Straße zu verdanken war.
Als letztes betrachtete er die Stelle an seinem Körper, vor der er sich am meisten gefürchtet hatte. Sein Gesicht.
Er konnte nicht umhin tief die Luft um sich herum einzusaugen, als er das starre und ausdruckslose Angesicht sah, welches ihm aus dunklen Augenhöhlen im Spiegel entgegensah. Jeglicher Glanz war aus dem stürmischen Grau seiner Augen gewichen und ließen sie stattdessen trostlos leer erscheinen. Seine Wangenknochen standen viel mehr hervor als noch vor wenigen Monaten und ließen sein Gesichtszüge seltsam eingefallen wirken. Ungläubig hob er eine Hand und taste damit vorsichtig seine rechte Gesichtshälfte ab. Die Haut wirkte rau und als sein Blick zu seinen Lippen huschte, bemerkte er wie spröde diese waren.
Mit einem Mal ertrug er es nicht mehr, sich selbst so zu sehen und wandte den Blick mit einem Ruck vom Spiegel ab. Übelkeit breitete sich in ihm aus und Ekel vor sich selbst durchfuhr ihn. Wie hatte er es nur so weit kommen lassen können? Für einige Minuten verweilte er bei dem Versuch das flaue Gefühl in seinem Magen loszuwerden, indem er beide Händen auf dem Waschbecken vor sich abstützte und einfach nur langsam ein und ausatmete. Als er sich schließlich sicher war, dass er nicht erbrechen würde, richtete er sich wieder auf und schritt zur Dusche.
Nachdem er die Duschkabine geschlossen hatte, drehte er den Wasserhahn auf und ließ zunächst eiskaltes Wasser auf sich herabprasseln. Eigentlich hatte er gehofft dadurch das Bild, welches sich von ihm selbst vor seinem inneren Augen manifestiert hatte, zu vertreiben, doch es bleib ihm weiterhin erhalten.
Erst als er seine Gliedmaßen nicht mehr spüren konnte, veränderte er die Wassertemperatur und entspannte sich allmählich unter dem angenehm warmen Wasserstrahl. Braunes Wasser prasselte in die weiße Duschwanne und verschwand nach und nach in dem kleinem runden Abfluss.
Lucius hatte sich so lange gewaschen, bis das Wasser wieder klar auf den Boden tropfte. Als er seine Haare zum dritten Mal ausgespült und sich dadurch vergewissert hatte, dass diese wieder sauber waren, drehte er den Wasserhahn zu und stieg vorsichtig aus der Duschkabine. Kurz sah er sich suchend um, erblickte dann jedoch das schneeweise Handtuch, welches nicht weit von ihm an einem Hacken hing. Das Handtuch war weich und fühlte sich unglaublich gut auf seiner frisch gewaschenen Haut an, die sich jedoch an einigen Stellen noch leicht wund anfühlte.
Schließlich stand er wenige Minuten später vollkommen bekleidet im Bad und betrachtete sich erneut im Spiegel. Zwar war sein Gesicht immer noch erschreckend fremd, doch immerhin war die Dreckschicht auf seiner Haut verschwunden und er trug anständige Kleidung.
Um noch etwas Zeit vor dem Gespräch mit Severus zu gewinnen, ging er nochmal in sein Zimmer und schmiss die dreckigen Klamotten in den kleinen Müllereimer, welcher unter dem dunklen Mahagoni-Schreibtisch stand. Dann glättete er sein Hemd und sah sich nach einer Art Haarband um, mit dem er seine Haare zusammenbinden konnte. Sobald es die Zeit zuließ, würde er seine Haare um einiges kürzen, doch zunächst musste er Severus gegenübertreten, der bereits unten im Salon auf ihn wartete.
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