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"The worst mistakes of your past can be the best lights of your future."
ƸӜƷ
~ Lucius Malfoy ~
Fassungslos starrte Lucius Malfoy der jungen Frau mit den braunen lockigen Haaren hinterher. Das konnte unmöglich Hermine Granger gewesen sein, die ihm da eben zwanzig Pfund zugesteckt hatte, oder?
Obwohl er versuchte, diese mehr als unrealistische Vorstellung aus seinem Kopf zu verbannen, war er sich ziemlich sicher, dass er eben der ehemaligen Gryffindor-Schülerin begegnet war, die ihm obendrein noch ein Obdachlosenheim empfohlen hatte. Vorsichtig streckte er seine schmerzenden Glieder, die leicht bei dieser Bewegung knackten. Er war definitiv zu alt, um auf diesem dreckigen steinernen Boden zu schlafen, doch das war etwas, was er in seiner jetzigen Situation schlecht ändern konnte.
Die Zeit war so schnell vergangen, dass er keine Ahnung hatte, wie lange er eigentlich schon auf den Straßen Londons lebte. Seit der Schlacht von Hogwarts hatte sich vieles verändert und Lucius hatte eher weniger Glück bei diesen Veränderungen gehabt. Der Zaubergamot hatte ihn zwar aufgrund ungenügender Beweislage nur zu einer fünfjährigen Haft in Askaban verurteilt, doch auch diese hatten ausgereicht, um die verbliebene Energie aus seinem bereits geschwächten Körper zu rauben. Askaban war auch ohne die Anwesenheit der Dementoren ein grauenvoll trostloser Ort gewesen und er konnte nicht wirklich behaupten, sich während dieser Zeit in guter Gesellschaft befunden zu haben.
Seine Familie hatte ihm nach seiner Inhaftierung den Rücken gekehrt und Lucius völlig seinem eigenen Schicksal überlassen. Draco war in den ersten zwei Jahren nicht einmal gekommen, um ihn zu besuchen, doch nach und nach hatte sich sein Sohn ein Herz gefasst, und hatte hin und wieder den Boden dieses grauenvollen Ortes betreten, um seinen Vater zu besuchen.
Er konnte es ihm nicht verübeln, denn Draco hatte sich sein eigenes Leben mit Astoria - seiner jetzigen Frau - aufgebaut. Nachdem er aufgrund einer beruflichen Versetzung in die USA gezogen war, hatte Lucius lediglich Briefe von ihm erhalten.
Narzissa war in jener Nacht vor fünf Jahren geflohen und seitdem hatte sie Lucius nie wieder gesehen oder auch nur ein Wort von ihr gehört. Am Anfang hatte ihn das Gefühl von Verrat zu einem unglaublichen Hass seiner Frau gegenüber ermutigt, aber eigentlich konnte er ihre Entscheidung ihn zu verlassen nachvollziehen. Er hatte ihre Ehe zerstört und gleichzeitig auch noch ihr Leben in Gefahr gebracht, weil er nahe zu besessen von der Vorstellung des reinen Blutes gewesen war. Wenn er ehrlich zu ihr und zu sich selbst gewesen wäre, hätte er bereits nach Dracos zweitem Schuljahr das Weite gesucht, doch wer weiß, ob er dann heute überhaupt noch leben würde. Der Dunkle Lord hätte nicht eher geruht, bevor er Lucius gefunden und getötet hätte, davon war er überzeugt.
Niemand wusste etwas von seiner Entlassung aus Askaban und das war auch gut so. Für Draco wollte er keine Last darstellen und Narzissa hatte ihren Wunsch ihn nie wieder zu sehen mehr als deutlich ausgedrückt, indem sie ihn verlassen und danach die Papiere der Auflösung ihrer Ehe zu ihm nach Askaban gesandt hatte.
Auf sein einstiges Vermögen hatte Lucius keinen Zugriff mehr, denn dieses war zusammen mit Narzissa verschwunden und sein Haus war von seinem Sohn verkauft worden, der diesen Ort als die Hölle auf Erden ansah. So hatte er es als einzige Lösung angesehen, sein Leben selbst auf die Reihe zu bekommen und das Beste daraus zu machen, wobei er - nicht das es angesichts der Tatsachen erwähnenswert wäre - gänzlich gescheitert war.
Nur zwei Tage nach seiner Entlassung war er also auf den Straßen Londons gelandet und hatte in den letzten zwei Monaten von dem gelebt, was ihm irgendwelche Passanten zum Überleben gegeben hatten. Zunächst hatte sich alles in ihm dagegen gewehrt, ein solch elendiges Dasein zu führen, doch je länger er darüber nachgedacht hatte, umso mehr war er zu dem Entschluss gekommen, dass er all das mehr als verdiente.
Seit seiner frühsten Kindheit hatte er Menschen nach ihrer Herkunft verurteilt, denn so hatte es ihm sein Vater, Abraxas Malfoy, gelehrt. Als junger Erwachsener hatte sich Lucius schließlich dem Dunklen Lord angeschlossen und für ihn im Ministerium spioniert, Schlammblüter und Muggel gefoltert und die meisten von ihnen danach ermordet.
Sein Magen rebellierte bei dem Gedanken daran, was er unschuldigen Menschen angetan hatte und nur mit Mühe und Not konnte er dem Drang sich in dieser Gasse zu übergeben, unterdrücken. Dieses elendige Gefühl in ihm, was ihn täglich mehr und mehr in seiner Selbstverachtung zerfraß, war seine gerechte Strafe für all seine Taten und er würde sie auch ertragen, so viel stand fest!
Sein Blick fiel abermals auf den Geldschein, welchen ihm Hermine Granger geben hatte und automatisch wanderten seine Gedanken an den Moment zurück, an dem er die junge Hexe zum ersten Mal gesehen hatte.
Flourish und Blotts war an jenem Tag vor so vielen Jahren mehr als voll gewesen und dennoch wusste Lucius auf den ersten Blick, dass es sich um Hermine Granger handelte, als er das braunhaarige Mädchen neben Harry Potter und Ronald Weasley erblickt hatte. Draco hatte ihm von ihr erzählt und Lucius konnte an der immer noch ungläubigen Faszination in ihren Augen erkennen, dass sie noch nicht all zu lange in der Zauberwelt beheimatet war. Damals hatte er nicht verstanden, warum Muggelgeborene in ihre Reihen aufgenommen werden sollten, wenn die Muggel selbst Zauberei so verachteten oder gar Angst davor hatten. Er wollte niemanden in seiner Welt haben, der ihn auch nicht in seiner haben wollte und noch dazu das Blut von Generationen an reinem magischem Blut verunreinigte, welche seine Vorfahren so mühsam aufgebaut hatten.
Erst über die Jahre und die mit sich bringenden Geschehnisse hatte er erkannt, wie fehlgeleitet seine Ansichten gewesen waren. Jetzt war es aber zu spät dafür. Irgendwo verschaffte es ihm einen Hauch von Ruhe, zu wissen, dass Hermine Granger ihr Leben im Griff zu haben schien. Das letzte Mal als er sie gesehen hatte, war keinesfalls angenehm gewesen, denn ihm war es danach vorgekommen, als ob ihre Schreie immer noch im Manor nachhallten. Vielleicht war dies der Grund gewesen, warum Draco das Anwesen schlussendlich verkauft hatte. Zu viele negative Erinnerungen hafteten an diesen kalten starren Mauern als dass man in diesem Haus je wieder Glück empfinden konnte.
Seine Gedanken wurden von dem Grummeln seines Magen übertönt und seufzend gestand er sich ein, dass es nun an der Zeit war etwas zu essen zu finden. Wie gern hätte er einfach seinen Zauberstab genommen, um sich etwas zu essen heraufzubeschwören, doch aus einem ihm nicht verständlichen Grund, war es, als ob seine Magie zusammen mit all seiner Lebensenergie in Askaban verloren gegangen war. Egal welchen Zauber er seit seiner Entlassung auch versucht hatte, es war ihm nicht gelungen. Mit der Zeit - und einige Wutanfälle später - war er schließlich zu dem Entschluss gekommen, dass dies ebenfalls ein Teil seiner Strafe war und hatte sich damit arrangiert als Muggel zu leben. In gewisser Weise war es mehr als ironisch für ihn, dass er jetzt genau das Leben der Menschen lebte, welche er einst so verachtet hatte.
Mit einem Ächzen richtete er sich auf und stieg dann aus seinem Schlafsack. Es musste immer noch ein Sommermonat sein, denn die Sonne kletterte gerade über die Gebäude Londons und tauchte diese in Helligkeit. Der Tag würde bestimmt warm werden, was bedeutete, dass er sich ein schattiges Plätzchen suchen musste, denn dieser Teil der Stadt war nach Süden ausgerichtet und würde spätestens zur Mittagszeit mit unerträglicher Hitze erfüllt sein.
Lucius rollte seinen Schlafsack ein und verstaute ihn unter seinem Arm, bevor er sich auf den Weg zu einem kleinen Geschäft die Straße hinunter machte. Die Verkäuferin, Marie, ging bereits auf die siebzig zu und war immer sehr freundlich zu ihm. Ihre warmen blauen Augen, welchen ihn jedes Mal freundlich musterten, wenn ihr Geschäft betrat, erinnerten ihn an seine eigene Mutter, welche bereits vor vielen Jahren verstorben war. Wenn es Maries Einnahmen zuließen, schenkte sie ihm sogar hin und wieder etwas zu essen oder stattete ihn mit neuer Kleidung aus.
Die Glocke läutete als er das Geschäft betrat und es dauerte nicht lange, bis Marie am Tresen erschien. „Guten Morgen, mein Lieber. Wie geht es dir heute?", fragte sie herzlich, musterte seine hagere Erscheinung jedoch leicht kritisch. „Sehr gut, danke Marie", erwiderte Lucius höflich und machte sich dann auf den Weg zu den Regalen. Während er diese auf der Suche nach dem billigsten Essen durchforstete, hatte sich die Verkäuferin schon bereits einer anderen Kundin gewidmet, die kurz nach ihm den Laden betreten hatte. Da Lucius nicht allzu viel für einen Tag brauchte und sowieso morgen wieder kommen würde, um wenigstens etwas menschliche Gesellschaft zu erhaschen, nahm er sich lediglich zwei Brötchen aus dem Regalfach und eine Dose Linsensuppe. Wasser hatte er noch in seinem Rucksack, welchen er sogar im Schlaf auf seinem Rücken trug. Denn wie er eines nachts hart lernen musste, schreckte Londons Unterschicht vor nichts zurück.
Nachdem er alles hatte, was er brauchte, trat er vor bis zur Kasse und legte seine Lebensmittel auf dem Tresen ab. Hastig zog er den zwanzig Pfund Schein aus seiner Jacke und legte ihn ebenfalls mit auf den Tresen, sodass ihr klar war, dass er seine Einkäufe heute selbstständig bezahlen würde. Marie musterte den Geldschein überrascht, lächelte jedoch breit.
„Dir war wohl jemand wohl gesonnen, wie ich sehe", kam es fröhlich von ihr und Lucius erwischte sich dabei, wie ein leichtes Lächeln über seine Züge huschte.
„Ich hatte Glück", erwiderte er bemüht neutral, ließ seine Mundwinkel jedoch zucken, damit Marie es nicht falsch aufnahm.
„Du hast etwas mehr Glück in deinem Leben verdient, mein Lieber", sagte sie und nahm sich gleichzeitig die Brötchen in die Hand, um sie über den Scanner zu ziehen.
„Jeder wie er es verdient, heißt es doch, wenn ich mich nicht irre? Wenn es danach geht, bin ich genau da wo ich hingehöre und selbst das ist zu viel."
Verdutzt sah ihn Marie bei diesen Worten an, doch Lucius fixierte bereits seine Hände und ließ sie schweigend abkassieren.
***
Der restliche Tag verging schleppend langsam und als es allmählich zu dämmern begann, machte sich Lucius auf den Weg zu seinem ursprünglichen Schlafplatz. Diesen hatte er erst gestern für sich entdeckt und da er sehr gut gelegen war, und obendrein nur wenige Passanten sich in diese Gegend begaben, wollte er ihn auf keinen Fall wieder aufgeben. Seine Bemühung nicht in einem Stadtteil zu sein, wo zu viele von seinesgleichen sein könnten, war wichtig für ihn, denn trotz seiner Einsicht gegenüber seiner Fehler, war er nicht sonderlich erpicht darauf, womöglich noch jemanden zu begegnen den er aus seinem früheren Leben kannte. Das Treffen mit Hermine Granger war bereits aufreibend genug für ihn gewesen und auf ein weiteres konnte er sehr gut verzichten!
Was Lucius bei all dem jedoch nicht bedacht hatte, war das die Chance auf ein erneutes Treffen mit Hermine Granger hoch war, da diese heute morgen bereits diesen Weg genommen hatte. Und so kam es wie es kommen musste. Gerade als er ein Stück seines Brötchens in die Dose seiner kalte Linsensuppe eintauchte, stoppte jemand vor ihm. Lucius, der dies nicht selten erlebte, ignorierte die Person und schob sich das Stück Brötchen in den Mund. Den Blick der Person auf sich spürend, kaute er und fixierte dabei den Boden. Wie sehr hasste er es von Passanten angestarrt zu werden!
„Wenn Sie mir nichts hinterlassen wollen, würde ich Ihnen raten zu gehen!", fauchte er, sah jedoch immer noch nicht nach oben. Der Ekel oder das Entsetzen, welches sich jedes Mal in den Gesichtern der vorbeigehenden manifestierte, wenn diese ihn ansahen, verpasste ihm jedes Mal einen Schlag in die Magengrube, auf den gut verzichten konnte.
Noch immer rührte sich die Person nicht und Lucius hob den Blick etwas, um die Schuhe zu mustern. Allem Anschein nach musste es eine Frau sein, denn er konnte Pumps und eine seidenschwarze Strumpfhose erkennen, welche in der Mitte ihrer Unterschenkel von einem weißen Rock verdeckt wurde.
„Bitte, Madam, gehen Sie", fügte er bemüht freundlich hinzu, darauf wartend, dass sich die Frau endlich von ihm entfernen würde. Doch noch immer bewegten sich die Beine nicht fort, im Gegenteil, die Füße knickten in der Mitte zusammen und die Knie der Frau berührten trotz ihres schneeweißen Kleidungsstücks den Boden vor ihm. Verdutzt sah Lucius auf und bereute diese Entscheidung augenblicklich.
Er sah geradewegs in die rehbraunen Augen von Hermine Granger.
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