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Die Tür war kaum ins Schloss gefallen, als meine beschissene Anspannung endlich abfiel. Shit, ich hatte Seth viel zu viel über mich und meine Vergangenheit erzählt.
Niemand in diesem Haus wusste über die Vergewaltigung Bescheid. Niemand! Nicht einmal Curtis und das, obwohl ich ihm mein Leben anvertraute.
Fuck, er hatte bis gestern nicht einmal gewusst, dass ich auf Männer stand. Früher oder später musste ich mit ihm sprechen.
Der heutige Tag hatte allerdings bereits beschissen genug angefangen. Sam - Heute war sein Geburtstag und ich konnte dieses beschissene Haus nicht verlassen. Er hatte mich schon vor Wochen zu seiner Geburtstagsparty eingeladen und obwohl ich gewusst hatte, dass ich nicht den besten Eindruck unter lauter Kindern machen würde, hatte ich zugestimmt.
Er war mein kleiner Bruder und ich würde alles für ihn tun. Damals hatte ich auch noch nicht gewusst, was alles auf mich zukommen würde.
Seine Enttäuschung war deutlich aus unserem vorherigen Gespräch herauszuhören gewesen, aber da er meine Situation weder verstehen noch ich sie ihm erklären konnte, hatte ich es bei einer simplen Ausrede belassen.
Leise Schritte ertönten auf der Treppe und ich musste mich nicht umsehen, um zu wissen, dass es Curtis war, der nun hinter mir stand.
„Seth also?", fragte er schließlich.
Ich drehte mich zu ihm um. Sein Gesichtsausdruck verriet wie immer nichts von seinen Gedanken.
„Ja", war alles, was ich erwiderte.
Curtis sah mich noch einige Sekunden lang an, nickte und sagte schließlich: „Kann ich verstehen. Er hat etwas an sich, was faszinierend ist."
Sofort stieg das Gefühl von Eifersucht in mir hoch. Mit fest zusammengepressten Kiefern warf ich Curtis einen warnenden Blick zu. Dieser lachte jedoch nur und hob abwehrend die Hände.
„Keine Sorge, ich bin bestens bedient."
„Das will ich verfickt nochmal auch für dich hoffen", knurrte ich, entspannte mich aber schnell wieder. Natürlich wusste ich, dass mein Bruder es niemals wagen würde Seth anzufassen, aber eine Warnung zu viel konnte nicht schaden.
„Was wird aus Jamal?"
Diese Frage beschäftigte mich bereits die ganze Nacht. Ich war angepisst, keine Frage, aber er war immer noch mein Bruder und ein Mitglied der Dark Bloods. Niemand verließ die Gang einfach so. Wir sind eine Familie und man kehrt seiner Familie nicht einfach den Rücken zu.
Trotzdem war mir natürlich klar, dass einiges richtig beschissen gelaufen war.
„Darüber wollte ich mit dir sprechen. Sein Verhalten kotzt mich an und ich glaube nicht, dass er hier bleiben will. Er ist mit meiner Art zu Führen unzufrieden und wird meine Autorität bei jeder Möglichkeit untergraben. Wenn er so weiter macht, werde ich ihn früher oder später aus den Weg schaffen müssen."
„Lass mich mit ihm sprechen. Vielleicht kann ich etwas Vernunft in ihn hineinbringen. Falls nicht, werde ich – wie immer – hinter deiner Entscheidung stehen. Du bist unser Anführer, Alec. Jamal hat vergessen, wo sein Platz ist und wenn er nicht bereit ist, wieder in die Reihe zu gehen, wird er mit den Konsequenzen leben müssen."
Kurz zögerte ich. Für gewöhnlich schaffte ich jede Art von Problemen sofort aus den Weg. Allerdings war es eine lange Zeit her, dass jemand in unseren eigenen Reihen das Problem darstellte.
„Fuck! Geh und prügle ihm Vernunft ein oder mir bleibt keine andere Wahl. Ich muss meinen Kopf freikriegen. Wir sprechen später."
Curtis verließ das Wohnzimmer und ließ mich wieder mit meinen Gedanken allein. Ich brauchte eine Beschäftigung, während ich nachdachte. Die Stille würde mich noch um den Verstand bringen.
Entschlossen etwas Sinnvolles zu tun, ging ich zu dem Safe, der nahezu unscheinbar in der Wand verankert war und holte alle Knarren raus, die wir dort aufbewahrten.
Gott weiß wann die Läufe zum letzten Mal gespannt, geschweige denn sauber gemacht wurden. Es würde mir etwas zu tun geben, während ich darüber entschied, was ich mit Jamal machen sollte.
Es war einfacher über meinen Bruder nachzudenken, anstatt über die Tatsache, dass ich Seth an mich herangelassen hatte.
Keine Ahnung wieviel Zeit vergangen war, doch schließlich öffnete sich die Haustür und Dan kam herein. Sein jungenhaftes Gesicht hatte immer noch etwas Verschlafenes an sich.
„Ich brauch jetzt erstmal einen Kaffee", kam es im Vorbeigehen von ihm, bevor er in der Küche verschwand.
Als er einige Minuten später mit einer dampfenden Tasse zurückkam, setzte er sich gegenüber auf die Couch und musterte mich.
„Alec, was tust du da?"
„Ich säubere die Waffen", antwortete ich, ohne von meiner Arbeit aufzusehen.
„Das sehe ich ... Aber warum machst du diese Drecksarbeit?"
Ich hob meinen Blick und sah Dan direkt in die Augen.
„Ich denke."
Für einen Augenblick sah Dan mich nur verwirrt an, doch dann schien er zu verstehen. Es schien ihm aus irgendeinem Grund unangenehm zu sein, dass ich meinen Blick nicht abwandte, also wechselte er das Thema.
„Du und Seth also?"
„Ja, verdammt!", beantwortete ich die Frage zum zweiten Mal an diesem Tag. „Seth und ich. Wenn es dir nicht passt, kannst du dich hinten anstellen."
„Hey, ganz ruhig", kam es sofort beschwichtigend von Dan. „Du weißt das ich damit kein Problem hab, Alec."
Genervt schloss ich die Augen. Shit, das alles zerrte viel zu sehr an meinen Nerven. Mein Privatleben sollte nie Thema sein und schon gar nicht wenn es darum ging, wen ich vögelte.
„Ich will kein beschissenes Wort mehr darüber hören, verstanden? Ich habe verfickt nochmal anderes zu tun als über meine Beziehung zu sprechen!"
Dans Augenbrauen wanderten in die Höhe und erst jetzt fiel mir auf, dass ich eben zugebenen hatte, in einer Beziehung mit Seth zu sein.
Waren wir das? Shit, ich hatte keine Ahnung...
***
„Alec?"
Curtis war bereits seit einiger Zeit wieder im Wohnzimmer, doch er hatte mich meine Arbeit machen lassen und hatte gewartet, bis ich soweit war.
Im Gegensatz zu Dan heute morgen stellte er mir nicht die Frage, warum ich es tat, sondern nahm es einfach hin.
„Und?", war alles, was ich fragte, nachdem ich den Safe wieder verschlossen hatte.
„Jamal ist wütend ... Sehr wütend, Alec. Ich denke nicht, dass wir ihm in dieser Sache vertrauen können."
Seine Worte bestätigten lediglich meine Gedanken und doch war es eine beschissene Situation für mich. Bei allem, was momentan vor sich ging, brauchte ich jeden meiner Brüder an meiner Seite.
„Wir haben keine andere Wahl", sagte ich schließlich monoton. „Lass es uns hinter uns bringen. Ich habe alles durchdacht und das ist der einzige Weg Seth zu beschützen. Dan ist vor zehn Minuten losgefahren, um ihn wieder abzuholen."
„Willst du das alles wirklich riskieren?"
„Wenn ich es nicht tue, werde ich immer Zweifel haben und ich habe keine Zeit für Zweifel, Curtis!"
„Verstanden."
Curtis verschwand ohne eine weiteres Wort wieder nach oben und ich nutzte die Gelegenheit, tief durchzuatmen. Seth würde ausflippen, wenn er herausfand, was ich eben in Auftrag gegeben hatte.
Scheiß drauf! Meine Leute, meine Entscheidung!
Es dauerte nicht lange bis ich ein Poltern von oben hörte. Ich bewegte mich keinen Millimeter, sondern bereitete mich stattdessen innerlich auf das kommende vor. Shit, wieso hatte es Jamal bis aufs letzte ausreizen müssen?
Ein wütendes Grollen hallte durch das Haus, gefolgt von mehreren Stimmen, die durcheinander riefen. Was zum Teufel war jetzt schon wieder?
„Tu was man dir sagt, verdammt!", hörte ich Curtis dunkle Stimme, die wie immer viel zu kontrolliert kam.
„Was hast du ihm erzählt? Du mieses Arschloch!"
Nur kurze Zeit später betraten Curtis, Jamal und Dan das Wohnzimmer. Jamals sah schlimm aus. Seine Lippe war blutig und sein rechtes Auge war leicht geschwollen. Zwar versuchte er aufrecht zu gehen, doch es erinnerte mich eher an den Gang eines alten Mannes, der an Schmerzen leidet. Alles in allem sah er wie jemand aus, der von einem Bus überrollt worden war.
„Das ist also dein letztes Wort, Devil?", kam es abwertend von ihm.
„Du lässt mir keine andere Wahl, Jamal. Ich habe dich oft genug verwarnt und gewarnt. Deine Loyalität mir gegenüber ist nicht mehr genug und ich kann dir nicht mehr vertrauen."
„Ist das dein beschissener Ernst? Meine Loyalität? Ich bin verdammt nochmal derjenige, der dir den Arsch gerettet hat! Du solltest mir die Füße küssen, für das was ich für dich getan habe!"
„Ach ist das so?", fragte ich kühl.
Jamals Gesichtsausdruck wandelte sich zu purem Hass, bevor er mir vor die Füße spukte.
„Fick dich, Alec!"
„Du kleiner Bastard! Nach allem, was ich für dich getan habe, hast du die Eier so mit mir zu sprechen?", knurrte ich dunkel.
Meine Hände waren bereits zu Fäusten geballt und es kostete mich jegliche Mühe, nicht sofort auf ihn einzuschlagen.
Wie war es nur so weit gekommen, dass sich mein eigenen Bruder gegen mich wandte.
„Scheiße Mann, kein Wunder, dass man versucht dich aus dem Weg zu räumen! Du bist nicht mehr bei Sinnen, du mieses Arschloch!"
Mit einer schnellen Handbewegung griff ich nach meiner Knarre und richtete sie auf Jamal. Ich hatte ein für alle Mal genug von dieser Scheiße.
„Gib mir einen guten Grund und ich schwöre, ich jage dir eine Kugel in den Kopf."
Vollkommene Stille erfüllte für einige Sekunden den Raum. Meine Hand war ruhig, ebenso wie mein Atem. In meinem Kopf jedoch wirbelte ein Sturm an Gedanken.
„Tu es!", kam es provozierend von Jamal, doch ich ging nicht darauf ein.
„Steckst du hinter dieser ganzen Scheiße? Hast du versucht mir das mit Ricky anzuhängen?"
„Das würde dir so passen, nicht wahr?"
„Warst du es oder nicht? Beantworte die verfickte Frage!"
Jamal schwieg, was mich nur noch wütender machte. Ich wollte und brauchte diese Antwort.
Etwas schien jedoch gegen mich zu arbeiten, denn im selben Moment öffnete sich die Haustür und ein gut gelaunter Seth betrat den Raum. Sein Blick richtete sich zuerst auf mich, wanderte jedoch schnell auf die Waffe in meiner Hand.
„Alec, was ist hier los?"
Abgelenkt von dieser unerwarteten Erscheinung, widmete ich Jamal für einen Augenblick keine Aufmerksamkeit. Dieser nutzte die Gelegenheit und schlug mit der Faust nach hinten, wo die direkt in Curtis' Schritt landete.
Dieser ächzte unter dem Schmerz zusammen und Jamals nutzte diese Zeitpunkt und war mit wenigen Schritten bei Seth angekommen.
Das bekannte Geräusch des Öffnens eines Klappmessers ertönte und ich hätte nicht hinsehen müssen, um zu wissen, was es zu bedeuten hatte.
Jamal stand nun schwer atmend hinter Seth. Die Klinge seines Messers war gegen Seths Kehle gedrückt und zitterte ebenso wie seine Hand.
„Jamal, was auch immer hier vor sich geht, wir können darüber sprechen", kam es gefasst von Seth, der anscheinend einiges ruhiger war als ich.
„Lass das Messer fallen Jamal oder ich schwöre bei Gott, ich bringe dich um!", entwich es mir gepresst.
Meine Stimme klang bei weitem nicht so, wie ich es gerne gehabt hätte, aber die Tatsache, dass Seth involviert war, änderte nun alles.
„Ach wirklich? Hast du keine Angst, dass ich deinem Lover die Kehle aufschlitze?", erwiderte Jamals provozierend und ein dreckiges Lächeln erschien dabei auf seinen Zügen.
„Jamal, ich weiß nicht was hier los ist, aber -"
„Halt dein verfluchtes Maul oder ich sorge dafür, dass du nie wieder ein Wort sprechen wirst!", unterbrach ihn Jamal, der das Messer noch fester an Seths Kehle drückte.
Ein paar Blutstropfen bahnten sich ihren Weg an Seths Hals entlang und verschwanden unter dem Kragen seines weißen Hemdes, welches sich rot färbte.
„Seth hat nichts hiermit zu tun, Jamal. Leg das Messer weg!", sagte ich bestimmt.
Curtis, der wieder auf den Beinen war, ersuchte stumm meine Erlaubnis, die ich ihm mit dem leichten Schütteln meines Kopfes verweigerte. Ich kannte Jamal nur zu gut. Er würde es tun, dessen war ich mir sicher und dieses Risiko würde ich nicht eingehen.
„Fuck, was willst du von mir? Du hast mich verraten, Jamal. Du bist mein Bruder, jemand der immer an meiner Seite gestanden hat! Was habe ich dir getan, dass du mich so hasst?"
Die Worte hinterließen einen bitteren Geschmack in meinem Mund. Sie waren ebenso wahr wie schmerzhaft für mich.
„Wo ist deine beschissene Kampflust geblieben, Devil? Was hast du getan, seitdem Ricky tot ist, mhm? Einen Scheiß! Einer deiner Brüder wurde auf offener Straße erschossen und du hast nichts dagegen getan! Verfickt nochmal nichts!"
Jamals Stimme wurde immer lauter und ich hätte schwören können, einen Hauch von Schmerz in all seiner Wut herauszuhören. Meinem Mal verstand ich, was das Problem war. Er gab mir die Schuld, dass Ricky getötet worden war.
„Jamal, das, was mit Ricky passiert ist, war nicht meine Schuld", erwiderte ich ruhig. Eine leise Stimme in meinem Kopf widersprach meiner Aussage zwar, doch ich durfte mich jetzt nicht ablenken lassen. Die Situation war verdammt nochmal zu ernst, als dass ich mich jetzt von meinen eigenen Schuldgefühlen leiten ließ.
„Nicht deine Schuld, ha? Wer hat ihn allein zu diesem Deal gehen lassen? Niemand von uns ist jemals allein unterwegs und schon gar nicht, wenn er mit diesen dreckigen Bastarde des El-Rebelde-Kartell zu tun hatte! Du hast ihn ans Messer geliefert! Deinen eignen Bruder!", schrie Jamal.
Ich wagte es nicht Seth in die Augen zu sehen. Jamal hatte recht und alle im Raum wussten es.
„Ricky wusste, was er tat und -", begann ich, doch Jamals hysterisches Lachen unterbrach mich.
„Bullshit! Hätte Ricky gewusst, dass Carlos seine Männer auf ihn angesetzt hat, wäre er niemals allein zu diesem Deal gegangen. Er hat es einzig und allein getan, weil er dir vertraut hat! Nicht einmal ich wäre auf die kranke Idee gekommen, dass du jemanden von uns wegen eines 150kg Kokain Deals den Haien zum Fraß vorwirfst!"
Die Worte waren kaum ausgesprochen, da wusste ich, dass sich die Lage schlagartig geändert hatte.
„Was – was für ein Drogendeal? Du – du hast gesagt, du wüsstest nicht, wieso Ricky in dieser Nacht dort gewesen wäre", kam es von Seth, dessen Stimme kaum hörbar war.
Jamals Griff um Seths Kehle löste sich und er trat einen Schritt zurück. Mit einem lauten Knall schmiss er das Messer zwischen uns auf den Boden.
Curtis zögerte keine Sekunden und schnellte nach vorne, um es aufzuheben.
„Los, tu was du tun musst, Alec. Tu dir keinen Zwang an...", warf Jamal dazwischen.
„Seth, sag mal hast du mein Handy gesehen? Ich glaube ich hab es in deinem Camaro -"
Dan hatte soeben mit einem verschmitzten Grinsen das Haus betreten, welches sich allerdings beim Anblick der Umstehen in Luft auflöste.
„Alec, was ist hier los?", fügte er ernst hinzu, doch ich ignorierte ihn.
Mein Blick galt einzig und allein Seth, der immer noch auf derselben Stelle stand und mich ansah. Ich konnte die Wut und die Enttäuschung förmlich in seinen Augen leuchten sehen.
Sein Gehirn schien diese Information zu verarbeiten wollen, doch so wie er auf mich wirkte, verstand er im Moment rein gar nichts.
„Alle raus! Sofort!", sagte ich laut und nicht nur Seth zuckte unter meiner Stimme zusammen.
„Alec, was soll ich mit diesem miesen Stück Scheiße hier machen?", kam es prompt von Curtis, der Jamal im Nacken gepackt hatte.
„Bring ihn auf sein Zimmer, ich kümmere mich später um ihn."
„Kann es kaum erwarten", murmelte Jamal, der im selben Moment von Curtis in Richtung der Treppen bugsiert wurde.
„Dan, geh dein Handy suchen oder mach sonst was, nur verschwinde für die nächste Stunde von hier."
Dan nickte knapp, warf dann einen letzten Blick zu Seth und schloss die Tür hinter sich.
Die Stille, die nach Dans verschwinden im Raum zurückblieb, schien nahezu erdrückend. Ebenso wie die Last auf meiner Brust, die ich bei Seths Blick empfand.
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