Chào các bạn! Vì nhiều lý do từ nay Truyen2U chính thức đổi tên là Truyen247.Pro. Mong các bạn tiếp tục ủng hộ truy cập tên miền mới này nhé! Mãi yêu... ♥

4 ❄️ miracle

★☆★☆★☆★☆★
C H A P T E R 4
miracle
★☆★☆★☆★☆★

Als ich die Augen aufschlage, bin ich im ersten Moment erschrocken darüber, wie fremd mir alles ist. Im zweiten Moment bin ich überwältigt davon, wie bekannt mir alles vorkommt.

Die helle Wandfarbe, die mich immer an den Himmel an einen hellen Sommertag erinnert, ist ein wenig ausgeblichener, doch sie erinnert mich immer noch an den Baumarktbesuch mit Harry vor all den Jahren. Es ist einer der wenigen Tage gewesen, in denen wir uns keine Gedanken machen mussten, nicht über mein Studium, nicht über seinen Job, nicht über die ungewisse Zukunft. Stattdessen stürzten wir uns einfach in vierundzwanzig Stunden voller Glück. Wir richteten dieses Haus ein in unseren Gedanken, als hätten wir eine Ewigkeit. Wir verschlossen die Augen vor der bitteren Wahrheit, die uns schließlich erdrückte.

Auch das Bett im Gästezimmer ist immer noch dasselbe, weiße Gitterstäbe, die mich an meine Kindheit in Frankreich erinnern. Ich weiß noch, dass Harry damals meinte, dass das hier mein Reich sei und ich mich austoben sollte.

Die Stoffvorhänge sind dieselben, die Duftkerzen auf den Nachtischen, die längst keinen Geruch mehr verströmen, sind ebenfalls nie ausgetauscht worden.

Das hier ist mein Zimmer und gleichzeitig doch wieder nicht. Denn auch wenn ich es eingerichtet habe, ist es immer bloß für Gäste bestimmt gewesen.

Mein Reich hat sich einmal auf der anderen Seite des Flures befunden, mit gigantischem Blick hinaus in den Garten und über die Dächer Londons hinweg. Wenn man ein wenig die Augen zusammenkneift, dann kann man von dort sogar das London Eye in weiter Ferne erahnen, das der Dunkelheit der Nacht stetig trotzt. Sicher und für alle Ewigkeit.

Doch dieses Zimmer gehörte mir nicht mehr, sondern bloß nur noch dem Jungen, der mir einmal alles bedeutete.

Es war meine begrenzte Zeit und der Umzug nach Frankreich, die uns letztendlich auf schmerzhafteste Weise über den Abgrund warfen. Hätte ich Harry nicht geliebt, wäre es einfacher gewesen, aber das tat ich mehr als alles andere. Wahrscheinlich tue ich es immer noch irgendwie.

Mein Herz krampft sich zusammen, während meine Finger sich in die Bettlaken bohren, als hätten sie Angst, dass sie viel zu schnell bereits wieder loslassen müssen.

Das Bett fühlt sich plötzlich unendlich groß an, während ich jämmerlich in den Laken versinke. Wenn ich die Augen schließe, mich auf den Geruch des Shirts konzentriere, das Harry mir gestern Abend überlassen hat, kann ich mir einen Augenblick lang vorstellen, dass er sich direkt neben mir befindet. Es schockiert mich, denn das habe ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr getan. In den ersten Wochen nach unserer Trennung andauernd, bis sein Geruch vom Leben fortgeweht wurde. Danach habe ich all seine Shirts in den hintersten Teil meines Kleiderschrankes verbannt, wo sie heute noch ihr tristes Dasein fristen.

Doch anscheinend braucht es nur einen einzigen Tag voller Weihnachten und Harry, um mich wieder in alte Gewohnheiten zurückzuwerfen. Es macht mir Angst, denn das Klopfen meines Herzes rennt viel zu schnell.

Langsam schwinge ich meine Beine über den Bettrand, bis sie auf den federweichen Teppich treffen, der sich wie eine Schicht Wolken unter meinen Füßen anfühlt. Barfuß tapse ich zu dem Kleiderschrank herüber, der in der Zimmerecke zur rechten der Tür sein Zuhause gefunden hat und suche nach den Kuschelsocken, die ich vor langer Zeit einmal hier vergessen habe. Ich brauche nur eine einzelne Schublade zu öffnen, denn ich weiß, wo sie sein sollten und zu meiner Erleichterung befinden sie sich immer noch dort.

Unsicheren Schrittes überquere ich die paar Meter Flur, die Harry und mich heute Nacht getrennt haben. Doch als ich schließlich vor dem Hauptschlafzimmer stehe, das einmal meins gewesen ist und nun nur noch eine dunkle, bittersüße Erinnerung, da traue ich mich nicht anzuklopfen. Ich bin nicht bereit dazu, all die zerstörten Träume hinter diesen Türen zu sehen. Bevor ich entscheiden kann, was ich stattdessen tue, höre ich ein Geräusch aus der unteren Etage, das mir verdeutlicht, dass Harry sich bereits in der Küche befindet.

Das leise Rattern der Kaffeemaschine klingt so vertraut, dass ich mir einen Augenblick die Ohren zuhalten will. Doch davonlaufen ist nicht möglich und es ist auch nicht das, was ich je tun werde. Ich bin das Mädchen, das sich immer schon direkt ins Risiko stürzt. Und wenn dieses Risiko nun Harry ist, dann werde ich das auch überstehen, selbst wenn am anderen Ende ein nicht endender Fall warten sollte.

Nachdem ich meine Haare behelfsmäßig mit den Fingern gekämmt habe, mache ich mich auf den Weg nach unten, wo bereits ein paar Weihnachtslieder gesummt werden.

Die dicken Kuschelsocken dämpfen meine Schritte, doch ich weiß, dass ich selbst stampfend in die Küche hätte rennen können, ohne Harrys Aufmerksamkeit auch nur auf mich zu lenken. Wenn er morgens mit den Pfannen zaubert, ist er so in seiner Arbeit versunken, dass ganze Kriege ohne Erkenntnis über ihn hereinbrechen könnten.

Ich nutze den Augenblick, um ihn ungeniert mustern zu können.

Seine Haare stehen immer noch wild in alle Richtungen ab, sind nur ein wenig eingedrückt auf seiner rechten Seite und es schmerzt, dass ich augenblicklich weiß, dass es daher kommt, weil er grundsätzlich mit angewinkelten Beinen und Kissen in seinen Armen zur Seite gelehnt schläft, wenn sich niemand anderes in seinem Bett befindet.

Kein Zeichen von Anspannung ist zu sehen und ich kann die einzelnen Muskelstränge auf seinem Rücken erkennen, denn trotz des Winters wird ihn niemand jemals dazubekommen, nachts mehr als bloß eine Boxershorts zu tragen. Wahrscheinlich sollte ich dankbar sein, dass er diese überhaupt trägt.

Als Harry sich schließlich in meine Richtung umdreht, kann ich eine Sekunde lang Überraschung auf seinen Gesichtszügen erkennen, bevor sich ein Lächeln auf seine Lippen legt. Seine Augen strahlen und er wirkt wahnsinnig glücklich.

„Du bist noch hier", murmelt er, während er einen Schritt in meine Richtung macht.

„Wo sollte ich sonst sein?", schnaube ich. „Auf dem Nordpol?"

Er lacht leicht. „Ich war mir nicht sicher, ob du wirklich bleiben und dich nicht mitten in der Nacht aus dem Haus stehlen würdest."

Mit geübten Handgriffen lässt er einen Pfannkuchen nach dem anderen wunderbare Gerüche ausströmen.

„Vic? Du siehst..."

„Aus, als wäre ich in einen Ventilator geraten?", ergänze ich grinsend, nachdem mir bewusst wird, dass er seinen Satz nicht beenden wird.

„Das meinte ich nicht." Harry schüttelt lächelnd den Kopf und räuspert sich dann. „Willst du Pfannkuchen?"

Bevor ich überhaupt antworten kann, hat er bereits drei der Teigwaren auf einen Teller gehäuft, den er mir nun entgegenhält. Es ist meine Lieblingssorte, mit Schokoladenstückchen und ordentlich Puderzucker, die wunderbar riechen.

Stumm nehme ich den Teller entgegen, wobei sich unsere Finger kurz streifen. Einen Augenblick lang kommt es mir so vor, als würde niemand von uns beiden loslassen wollen, doch dann drehe ich mich um und lasse mich an den kleinen Küchentisch fallen, der eindeutig schon einmal bessere Zeiten gesehen hat. Er ist das einzige in diesem Haus, das nicht von Qualität und Luxus zeugt, aber er wirkt wahnsinnig einladend, weswegen wir ihn damals aus meiner Studentenwohnung mitgenommen haben.

In dem Esszimmer befindet sich der wirkliche Esstisch, groß und markant, aber wir haben damals immer viel lieber an diesem kleinen gegessen, beengt in der Küche.

„Du hast den Tisch immer noch", meine ich schließlich, als keiner von uns beiden weiß, was er sagen soll.

Harry nickt stumm, während er sich selbst ordentlich Sirup über seine Pfannkuchen gießt und dann fragend zu mir herübersieht. „Willst du auch etwas?"

Automatisch halte ich ihm meinen Teller hin, damit er mein Essen ebenfalls unter Soße ertränkt.

Alles fühlt sich an wie früher, sodass ich tief schlucken muss.

„Ich habe vorhin mit Mum telefoniert", meint Harry. „Liebe Grüße von ihr. Sie wünscht uns frohe Weihnachten und lässt ausrichten, dass wir nicht wieder fast die Küche abfackeln sollen, weil wir die Plätzchen im Ofen vergessen."

Ich lächele. „Liebe Grüße zurück."

„Wie wäre es, wenn du ihr die Grüße selbst überbringst? Sie kommt übermorgen vorbei und vielleicht..." Seine Finger fahren langsam die Macke im Holz des Tisches nach, die ich vor Jahren beim Kochen dort hineingebohrt habe. „Vielleicht willst du ja auch kommen?"

„Ich weiß nicht. Vielleicht bin ich da bereits in Frankreich", murmele ich.

„Das hatte ich vergessen."

„Es ist nicht so, dass ich nicht kommen will", versichere ich ihm eilig, als ich die Niederlage in seinen Augen sehen kann. „Wirklich nicht. Wenn ich kann, dann komme ich wirklich gerne, denn ich liebe deine Mum."

Seine Mundwinkel heben sich leicht in die Höhe. „Sie liebt dich auch. Das weißt du."

Der Gedanke an Anne bringt mich unweigerlich dazu, heute Morgen das erste Mal an meine eigene Familie zu denken. Ich vermisse sie, doch gleichzeitig fühle ich mich auch schuldig, weil ich gerade am liebsten nirgendwo anders sein würde, als mit Harry an diesem kleinen Esstisch, auf dem er vorhin noch eine Weihnachtskerze angezündet hat. Für das Weihnachtsmädchen, hatte er gemurmelt, und dann wieder erneut eisern geschwiegen, während er die letzten Pfannkuchen gebraten hat.

„Es ist merkwürdig, oder?" Nachdenklich schneide ich mir ein weiteres Stück Pfannkuchen ab. „Weihnachten so ganz ohne unsere Familien. Nur wir beiden."

Harry nickt zustimmend. „Es ist merkwürdig, aber auf eine gute Art. Ich hatte mich auf Weihnachten ganz alleine eingestellt und jetzt ist es doch schön geworden. Mich mit dir um ein Stück Braten zu streiten, hat sich also total gelohnt."

Ich erwidere sein Grinsen. „Wer hätte überhaupt gedacht, dass wir uns je wiedersehen würden?"

„Du nicht?" Harry runzelt nachdenklich die Stirn. „Wer weiß, vielleicht hätten wir irgendwann einen Film zusammen gedreht?"

„Niemals."

„So schlecht bin ich jetzt auch nicht als Schauspieler." Er sieht mich gespielt beleidigt an, was mich zum Lachen bringt.

„Ich aber", scherze ich. „Es reicht anscheinend gerade mal für Tamponwerbung."

„Werden sie lieber rot vor Liebe, nicht von Blut in ihrer Hose", zieht Harry mich mit dem furchtbaren Slogan auf. Wahrscheinlich sollte ich mich schämen, aber er kennt mich ohnehin in jedem Zustand und deshalb lache ich bloß herzhaft.

„Man kann zumindest nicht sagen, dass der Spruch nicht allen in Erinnerung bleibt", meine ich, als wir uns wieder beruhigt haben. „Ich wollte zwar auf andere Weise bekannt werden, aber sollte wahrscheinlich nehmen, was man kriegen kann."

Plötzlich wird Harry wieder ernst und sieht mich mit einem intensiven Blick an, dem ich am liebsten ausweichen würde. Doch ich kann nicht, zu faszinierend sind seine funkelnden Augen. „Du hast viel Besseres verdient als Werbespots. Du bist eine wirklich wahnsinnig gute Schauspielerin, Vic."

Ich stoße meine Gabel fester als nötig in den verbliebenden Pfannkuchen. „Du bist der einzige, der das so sieht."

„Dann sind alle anderen einfach viel zu blind", meint er voll Überzeugung und schenkt mir ein Lächeln. „Solange du an dich selbst glaubst, kriegst du das schon hin. Weißt du noch, das hast du mir damals immer gesagt. Ich schätze, jetzt ist es mein Part, dir das regelmäßig in Erinnerung zu rufen."

Ich muss an all die Nächte zurückdenken, in denen er weinend in meinen Armen lag, weil er Angst hatte, dem Druck der Welt nicht gerecht zu werden. Damals habe ich mich immer so hilflos gefühlt, während mein Herz gemeinsam mit seinem blutete. Das einzige, was half, waren geflüsterte Worte, die immer wieder über meine Lippen flogen, bis er sich beruhigte.

„Ja, ich schätze, jetzt bist du dran", murmele ich schließlich.

„Vor meinem ersten Solokonzert wäre ich am liebsten gar nicht auf die Bühne gegangen", erzählt Harry mir, während er unsere leeren Teller hochhebt und ins Spülbecken stellt. „Aber dann musste ich an deine Worte denken und dann habe ich es irgendwie doch geschafft."

Er dreht den Wasserhahn auf, lässt das Spülmittel Blasen werfen, wenngleich er eigentlich seine Spülmaschine nutzen könnte. Aber er hat immer schon geschworen, dass Abwaschen ihm dabei hilft, sich zu entspannen.

„Und der Mut hat sich wirklich gelohnt", lächele ich und reiche ihm unser Besteck, damit er es ebenfalls spülen kann. Dann setze ich mich auf die Arbeitsplatte, die Füße zentimeterweit über dem Boden baumelnd. Ein so kurzer und doch unendlich weiter Fall nach unten.

„Ja, es hat sich gelohnt." Harrys Blick schweift kurz zu mir, bevor er sich wieder auf die Teller stürzt. „Ich weiß nicht, ob du die Lieder je gehört hast, aber –"

„Habe ich", unterbreche ich ihn. Denn wie hätte ich seinen Zeilen auch nicht lauschen können, hat seine Stimme mich doch seit jeher verzaubert und mir die Gelegenheit gegeben, einen Augenblick lang alle Sorgen zu vergessen.

„Die meisten handeln von dir", murmelt er leise.

Ich schlucke, während ich mich nach hinten lehne, bis mein Kopf auf den Oberschrank trifft. Ich brauche den Halt, um nicht zu stürzen, nicht zu fliegen, nicht in seinen Worten zu ertrinken.

„Weiß ich", flüstere ich.

Als er mich dieses Mal ansieht, hebt sich sein rechter Mundwinkel leicht in die Höhe. „Du bist schon immer in der Lage gewesen, mich zu durchschauen."

„Bin ich das?" Ich schüttele langsam den Kopf, während ich meinen Blick über ihn wandern lasse. „Ich glaube nicht, denn gerade habe ich überhaupt gar keine Ahnung, woran du denkst."

„Du wirst es noch herausfinden", murmelt er. „Heute irgendwann."

Ein wenig Schaum wirbelt durch die Küche, schwebt durch die Luft, bevor er auf dem Boden aufplatzt und die Realität in eine Rutschpartie verwandelt.

Ich bleibe stumm, weil ich nicht weiß, was ich sagen sollte und weil ich genau weiß, was ich sagen sollte und weil ich weiß, dass meine Worte alles andere als vernünftig wären. Sie wären das Risiko selbst und die Wahrheit und das schmerzhafte Ziehen meines Herzens, das sich nach etwas sehnt, das es nie wirklich vergessen konnte. Denn wenn man einmal die große Liebe spüren durfte, dann sucht man sie in all den Schatten der anderen.

„Willst du auch einen Tee?", fragt Harry, während er das Wasser aufsetzt.

Ich nicke. „Was nimmst du? English Breakfast?"

„Hast du mich je etwas anderes trinken sehen?"

Die Frage ist rhetorisch, aber ich schüttele dennoch den Kopf. „Nein, zumindest nicht, soweit ich mich erinnern kann. Dann nehme ich auch einen davon."

„Musst du nicht. Wenn du Glück hast, müsste ich auch irgendwo noch deinen Weihnachtstee haben", entgegnet er und öffnet die Schranktür zu seiner Rechten, aus der daraufhin direkt exotische Gerüche strömen. Er muss sich auf Zehenspitzen stellen, damit er die vorderen Packungen beiseiteschieben kann und selbst als ich schließlich glaube, dass er sich geirrt hat und mein Tee gar nicht mehr dort ist, sucht er dennoch weiter. Mit gerunzelter Stirn, leicht geöffneten Lippen und dem Blick, den er immer dann aufsetzt, wenn er noch nicht bereit ist, aufzugeben. Seine Finger tasten im Schrank herum, seine Füße wippen leicht, damit er sich weiter nach oben strecken kann und irgendwann finden sie tatsächlich ihr Ziel.

Triumphierend wedelt er mit dem Teebeutel in meine Richtung. „Dein ganz persönlicher Lieblingstee."

„Wahrscheinlich sollte es mich nicht wundern, dass der überlebt hat. Du hasst diese Sorte", grinse ich.

„Ich werde auch mein Leben lang nicht verstehen, wie dir dieses Gemisch schmecken kann, Vic."

„Du musst dich darauf einlassen. Der Weihnachtstee ist bittersüß. Ein wenig wie das Leben."

Meine Beine baumeln leicht, während ich ihm dabei zusehe, wie er zwei Tassen aus dem Schrank nimmt und das heiße Wasser eingießt, bevor er die Teebeutel darin versenkt. Sie fallen immer weiter, kommen jedoch schließlich auf dem Boden auf und explodieren.

„Ist es schlimm, wenn ich einfach süß haben will?", murmelt Harry. Wir reden schon längst nicht mehr über den Tee, sondern über das Leben selbst. Doch es überrascht mich nicht, denn er ist immer schon derjenige gewesen, mit dem ich am liebsten philosophiert habe. Das ist das Schöne daran, wenn man einen Menschen findet, den man besser versteht als sich selbst. Man kann über jegliche Dinge reden.

„Nein, bloß unrealistisch."    

Es dauert, bis er schließlich antwortet. Doch als die Worte schließlich in die Freiheit fliegen, ist die unterdrückte Hoffnung, die schmerzliche Sehnsucht nicht überhörbar. „Ein bisschen an Wunder zu glauben, schadet nie."

Harry reicht mir meine Tasse und ich nippe langsam daran, aus Angst, mich zu verbrennen. Natürlich tue ich es dennoch und irgendwie ist es nicht einmal schlimm. Denn manchmal muss man den Schmerz ertragen, um zu gewinnen.

Schweigend trinken wir eine Weile, ich immer noch auf der Arbeitsplatte und Harry gegen einen der Küchenschränke gelehnt, eine seiner Hände auf der Arbeitsplatte abgestützt, während er mit seiner anderen die Teetasse festhält. Immer wieder klopft sein kleiner Finger gegen das Porzellan, fast unhörbar, wie der Schnee, der immer noch vom Himmel fällt. Doch der einstig so grausame Schneesturm hat sich in meinem Kopf direkt zu einem Schicksalschlag verwandelt, den ich mit offenen Armen begrüße. Ohne das Unwetter wäre ich jetzt nicht hier, nicht in dieser Küche voller Erinnerungen und einer Gegenwart, die schmeckt wie mein Tee. Bittersüß.

„Komm mit", meint Harry schließlich, nachdem wir längst ausgetrunken haben und die Tassen ebenfalls von ihm gespült wurden.

Er streckt mir die Hand entgegen, um mir von der Arbeitsplatte herunterzuhelfen und als ich schließlich wieder auf sicheren Füßen stehe, macht er dennoch keine Anstalten, mich loszulassen.

„Wo gehen wir hin?", frage ich ihn.

Er sieht mich grinsend an. „Könntest du bitte nicht ständig alles hinterfragen?"

„Nein, denn das ist meine Qualität", entgegne ich trocken. „Direkt hinter Nudeln verbrennen und Kirschkernweitspucken."

„Du hast Weihnachtsfanatismus auf deiner tollen Liste vergessen", zieht Harry mich lachend auf.

Auch ich lache, während er mich Richtung Wohnzimmer herüberzieht, meine Hand immer noch fest in seiner.

„Warte hier", meint er dann, als wir in dem Türrahmen stehen. „Ich bin gleich wieder da."

Stirnrunzelnd sehe ich ihm hinterher, balanciere mein Gewicht von einem Fußballen auf den anderen, bis er wiederkommt. Ich brauche einen Augenblick, bis ich das Geschenk in seinen Händen sehe, das mühevoll in silberglitzerndem Geschenkpapier eingeschlagen wurde. Einpacken ist noch nie Harrys Spezialität gewesen, aber er macht es immer unheimlich gerne.

„Das ist für dich, Vic."

Ich sehe ihn bloß an, ohne Anstalten zu machen, ihm das Präsent abzunehmen. Viel zu abgelenkt bin ich von der schwarzen Schrift, die sorgfältig auf dem Geschenkpapier aufgetragen wurde. ‚Für mein Weihnachtsmädchen. Frohe Weihnachten.'

„Ich habe nichts für dich, Harry."

Er sieht mich lächelnd an. „Brauchst du auch nicht. Ich wollte dir einfach dieses hier geben."

„Wann hast du Zeit gehabt, das zu kaufen? Alle Läden sind doch geschlossen."

„Ich habe es schon seit Ewigkeiten. Es war für das Weihnachten vor Jahren gedacht, aber dann haben wir uns – du weißt schon."  Er räuspert sich und streckt mir das Geschenk entgegen. „Ich habe es danach nicht wegschmeißen können. Das kam mir irgendwie falsch vor."

Mit zittrigen Fingern nehme ich ihm es ihm ab, bevor ich vorsichtig das Geschenkpapier löse. Ich brauche Ewigkeiten, bis ich das Klebeband abgefummelt habe und ich weiß, dass es ihn fast wahnsinnig machen muss, denn Geduld ist wirklich nicht eine seiner stärksten Eigenschaften, aber ich kann nicht anders. Geschenke müssen genossen werden und Weihnachtsgeschenke sind ohnehin immer etwas Besonderes, weswegen ich den Moment bis aufs Äußerste auskosten will.

Als ich das Schmuckkästchen schließlich öffne, sehe ich mich einer goldenen Kette entgegen, an der ein Anhänger in Schneeflockenform baumelt. Es ist wahnsinnig kitschig und genau das Schmuckstück, das ich mir selbst direkt gekauft hätte.

„Danke, Harry", lächele ich und strecke ihm die Kette dann unsicher entgegen. „Könntest du – Ohne Spiegel ist das nicht so einfach, also könntest du sie mir bitte umlegen?"

„Sicher."

Seine Hände streifen meinen Nacken und senden eine Gänsehaut über meinen Körper, während er vorsichtig den Anhänger schließt. Dann lässt er meine Haare wieder herunterfallen, die er mir sanft aus dem Gesicht gehalten hat, um mir die Kette besser umlegen zu können.

„Halt." Harry hält mich sanft am Arm fest, als ich zum Sofa herübergehen will und nickt deutet dann nach oben. „Das ist ein Mistelzweig."

Das Grünzeug ist eindeutig mitgenommen, aber es bringt nichts, dagegen zu argumentieren, denn ich weiß genau, was es ist. Mein Herz macht einen Sprung. „Wen hast du einladen wollen, dass du den hier aufgehängt hast?"

Harry schenkt mir ein halbes Lächeln. „ Barack Obama?"

„Schlechter Witz", kommentiere ich. „Wahrscheinlich solltest du bei Spritzlippe am Flughafen vorbeischauen. Die hatte auch ein ganzes Arsenal an Obama Witzen."

„Spritzlippe?" Die Verwirrung steht ihm ins Gesicht getreten und bringt mich trotz meines schnellklopfenden Herzens zum Grinsen.

„Die Frau am Check-In-Schalter, die mich an der Ausreise von eurer verfluchten Insel aufgehalten hat", kläre ich ihn auf. „Sie sah ein wenig so aus, als hätte sie immer ihr eigenes Rettungsboot um ihre Lippen geschnallt. Aber vielleicht sind die wirklich gut zu küssen, wer weiß das schon."

„Keine Ahnung. Ich habe nicht vor, das auszuprobieren."

„Das erleichtert mich", grinse ich. „Wahrscheinlich holst du dir ansonsten noch Herpes oder so."

Er atmet einmal tief ein, während er mir ein zittriges Lächeln schenkt.

„Aber dich werde ich jetzt küssen." Harry legt mir unsicher eine Hand an die Wange. „Wenn das okay ist?"

„Frag nicht, sondern mach es einfach", murmele ich und bevor er überhaupt die Gelegenheit hat, meine Worte zu verarbeiten, habe ich meinen Mund bereits sanft auf seinen gelegt. Er keucht überrascht auf, bevor ihm ein glücklicher Seufzer entwischt.

Meine Hände fahren vorsichtig durch Harrys Haare, so wunderbar weich, während er mich an sich zieht, als hätte er vor, mich nie wieder loszulassen. Immer wieder bewegen sich unsere Lippen, tanzen miteinander und jedes Mal, wenn ich ihn küsse, steht die Ewigkeit eine Sekunde lang still.

In unserer Ewigkeit existieren nur wir beide, getrennt von der restlichen Welt durch eine Seifenblase, die niemals explodieren wird.

Wir müssen beide lachen, als sich seine Finger in meiner neuen Kette verfangen und doch hören wir nicht auf, unsere Lippen immer wieder aufeinanderzulegen. Wir lachen und wir lieben und es gibt nichts Schöneres auf dieser Welt.

Vorsichtig fahren seine Finger über die Schneeflocke an meinem Hals, bevor sie federleicht über mein Schlüsselbein streifen.

Harry zu küssen ist das Risiko und das Feuer, der Abgrund und der höchste Flug. Aber vor allem ist es einfach ein Stück Heimat, das ich nie vergessen werde.

„Frohe Weihnachten", flüstert er schließlich außer Atem.

Lächelnd verschränke ich unsere Finger miteinander. „Frohe Weihnachten."

Er beißt sich auf die Unterlippe, die mittlerweile ganz angeschwollen ist und klaut sich einen weiteren Kuss von meinen Lippen. Einen weiteren Augenblick Ewigkeit.

„Wie lange bist du bereits wieder in England?", fragt er mich schließlich, als wir beide Atem holen müssen.

„Anderthalb Jahre."

„Und bis wann?" Plötzlich ist er sehr beschäftigt damit, auf meine Kette herunterzustarren. „Gehst du wieder nach Frankreich zurück?"

Seufzend lehne ich mich in seine Umarmung, klammere mich an ihn, und lasse zu, dass er mich noch enger an sich presst. Wenn ich mich konzentriere, dann kann ich seinen schnellen Herzschlag hören, der sich anfühlt wie Vogelflügel, die sanft gegen meine Haut streifen. Wenn ich die Augen schließe, dann hat er vielleicht Recht und wir werden gemeinsam abheben können, in unser gemeinsames Abenteuer.

„Ich weiß es nicht", murmele ich schließlich. „Das kommt auf mehrere Dinge an."

Er streicht mir eine Haarsträhne aus den Augen. „Auf was denn?"

„Darauf, ob du mich mit deinen Weihnachtsplätzchen vergiftest", scherze ich.

Es ist ein schlechter Witz, denn ich bin viel zu abgelenkt von seinen Lippen, die so verführerisch glänzen und seinen Augen, dessen Funkeln den Lichterketten Konkurrenz macht. Er ist so wunderschön und verlockend.

Harry lacht dennoch und beginnt, sanfte Muster auf meinen Rücken zu malen. Ich brauche einen Moment, bis ich merke, dass es schiefe Weihnachtsbäume sind. Sein Zeichen für sein Weihnachtsmädchen. Eine Weile stehen wir einfach bloß schweigend da, halten uns umschlungen, mein Kopf leicht gegen seine Schulter gelehnt, sein Kinn auf meinen Haaren.

„Könntest du dir vorstellen, in England zu bleiben?", murmelt er schließlich leise. „Dieses Mal für immer?"

Ich sehe zu ihm hoch, nur um festzustellen, dass er mich bereits aus strahlendgrünen Augen mustert. Die Wahrheit ist so leicht, dass sie mein Herz zum Fliegen bringt.

Das ist der Augenblick, in dem ich den wirklichen Zauber dieses Weihnachtsfests endlich verstehe.

Vielleicht müssen Weihnachtswunder sich manchmal erst einmal verfliegen, damit wir viel größeres Glück finden können. Vielleicht, ganz vielleicht, existieren Weihnachtswunder wirklich noch. Vielleicht muss man nur nah genug hinsehen, um sie zu entdecken. Vielleicht sind Weihnachtwunder einfach nur furchtbar selten, aber dafür umso schöner, wenn sie denn dann passieren.

Vielleicht war Harry Styles mein ganz persönliches Weihnachtswunder, vielleicht auch nicht.

Es ist jedoch auch gar nicht wichtig, ist unsere Liebe zueinander doch das Wunder selbst.

„Peut-être", flüstere ich lächelnd gegen Harrys Lippen.


★☆★☆★☆★☆★

Ihr Lieben,

Hiermit hat diese kleine Weihnachtsgeschichte tatsächlich auch schon wieder ihr Ende gefunden, auch wenn ich es selbst noch gar nicht richtig glauben kann.

Ich hoffe, dass euch die kleine Reise der beiden gefallen hat, auch wenn es natürlich an Kitsch nicht mangelt. Aber das ist beabsichtigt gewesen, denn in all dem Stress und Ernst des Lebens wollte ich zumindestens für Weihnachten ein wenig Zucker verteilen.

Ob noch weitere Weihnachten für Vic und Harry hinzukommen werden? Da bleibt mir nur eins zu sagen: Peut-être.

An manchen Tagen wird es so sein, an anderen vielleicht nicht. Wichtig ist das aber auch gar nicht, denn Hauptsache, sie haben ihre gemeinsame Zukunft gefunden und Harry wird sein Weihnachtsmädchen sicherlich nicht noch einmal gehen lassen, während Vic ihn sicherlich von Jahr zu Jahr mit ihrem Weihnachtstick verrückt machen wird. Und wisst ihr was? Er liebt nichts mehr, weil er sein Weihnachtsmädchen liebt.

Vic und Harry haben ihr wunderschönes Weihnachten bereits zusammen erleben können und ich hoffe, dass ihr das in den kommenden Tagen auch bekommt.

Ich wünsche euch allen ganz schöne Feiertage (falls ihr denn feiert) und ansonsten tolle freie Tage mit viel Liebe und Freude. Stopft euch ordentlich mit Keksen voll, denn man lebt schließlich nur einmal!

Merry Christmas von mir (und Vic, die mich gerade anschreit, dass ihr gefälligst alle an Weihnachtswunder glauben sollt 😉)!

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro