>>Morgen ist schöner<<
Der Regen tropft, tropft immer weiter gegen die Fensterscheibe. Lorcan sieht nach draußen. Während es dort stürmt und sich dunkle Wolken gegeneinanderdrücken, steht die Zeit hier drinnen still. Lorcan sieht nach draußen. Die Laubbäume färben sich Gold, ihre Blätter fliegen im Wind durch die Gegend und finden ihren Platz auf dem nassen Bürgersteig. Lorcan sieht nach draußen und er beobachtet mehr als er aufnehmen kann. Er sieht die Menschen, die sich immer schneller bewegen und die Kinder, die ihre Köpfe dem Regen entgegenstrecken. Lorcan sieht, aber irgendwie auch nicht. Er sieht nicht wie Cas sich hinter ihm aufrichtet und ihn dabei beobachtet, wie er aus dem Fenster blickt. Zwischen ihnen liegen eine Menge Polster und Decken, die dem kalten Raum eine gewisse Wärme spenden und wenn der Schwede nicht so unruhig wäre, wäre er längst zwischen ihnen eingeschlafen. Er hätte sich zwischen ihnen verstecken können. Aber selbst zwischen den warmen Polstern konnte er sich nicht vor seinen Gedanken verstecken. Stattdessen steht er in den Gesprächen seines Kopfes versunken auf, lässt den Raum und Cas hinter sich. Er weiß nicht mehr, wohin er will, aber die Küche scheint sein erstes Ziel zu sein.
Eigentlich möchte er raus. Raus aus allem, raus aus sich selbst. Lorcan hört den Regen gegen seine Fensterscheibe prasseln.
Irgendwo lacht eine Frau. Ob sie glücklich ist? Vermutlich. Ob der Regen ihr Spaß macht? Oder war es vielleicht doch nicht das Wetter, sondern ein Zufall, der sie zum Lachen bringt? Wieso verwirrt es ihn, so dass sie Spaß hatte? Ihn, der doch früher auch lachend durch Gassen gerannt war, wenn es zu regnen begonnen hatte und Stunden mit den grauen Wolken verbracht hatte. Seine Gedanken schweifen ab, die Tasse Tee, welche den Weg in seine Hand gefunden hat, wird immer kälter. Dieses glasklare, einfach fröhliche Lachen hängt in seinen Gedanken, lässt ihn nicht los und tritt nur weitere Erinnerungen los. Wie ein starker Fuß drückt sie das bröcklige Gestein seines Kopfes ab.
Lorcan wünscht er wisse den Grund für ihr Lachen, doch als er aus dem Fenster sieht, ist dort nur noch eine leere Straße. Er erkennt sie nicht mehr so gut wie vorhin, das Geräusch wird lauter und Lorcán ist froh. Es übertönt seine Gedanken,nimmt ihm den Schmerz dieser für einen Augenblick und er schließt seine müden Lider. Der Regen wird immer lauter.
Er müsste in der Arbeit sein. Er müsste in der Arbeit sein, um anderen Menschen etwas zu lernen. Er müsste, er müsste, er müsste. Aber er kann nicht. Er weiß doch selbst nicht was mit ihm falsch ist, wie soll er denn da anderen etwas beibringen? Lorcan muss, und er machte, aber jetzt geht es nicht mehr. Er kann kaum aufstehen, kaum etwas essen und sich kaum auf etwas...Gutes konzentrieren. Seine Gedanken halten ihm von so vielem ab.
Es geht ihm nicht mehr gut. Er ist nicht mehr Lorcan, er ist nicht mehr wie der junge Mann der früher lachend durch regnerische Gassen gelaufen ist. Der jetzt glücklich mit seinem Freund durch den Regen tanzen würde, und ihm manchmal einen Kuss stehlen würde. Er ist nicht mehr Lorcan. Seit diesem einen Augenblick, diesem einen Tag ist er nicht mehr Lorcan, sondern nur noch eine Hülle seiner selbst. Seit diese...Person fehlt, ist er nur noch ein Schatten. Er fragt sich oft, wieso und warum? Warum ausgerechnet er? Warum war er gefahren und warum war Lorcan das Gewitter nicht früher aufgefallen? Warum waren sie gerutscht, warum, warum?? Warum war er nicht am Steuer gesessen? Warum war das alles nur passiert. Etwas fehlt. Wieso litt er heute noch so unter diesem Unfall? Lorcan wusste keine Antworten zu diesen Fragen. Vielleicht sollte er sie schon längst wissen. Vielleicht auch nicht.
An Tagen wie diesen sitzt Lorcan einfach nur herum. Er tut nichts, er weint nicht, schreit nicht und schlägt nicht um sich. Er sitzt einfach da und starrt an die Decke. Versinkt in Gedanken, die ihn fesseln und nicht loszulassen scheinen. Manchmal geht das Tage lang, manchmal braucht er länger um sich aus dieser Festung zu kämpfen. Mittlerweile sollte es ihm besser gehen, und Lorcán würde sich nichts mehr als das wünschen.
Und dann ist da noch Cas. Cas der ihn fallen und wieder aufstehen gesehen hat, und der nun nur zusehen kann, wie sein Freund erneut auf den Boden kracht. Sie kennen sich schon länger, länger als ihm manchmal lieb ist aber seine Anwesenheit beruhigte den jungen Mann sehr. Lorcan sieht ihn an. Er sieht ihn, und sieht ihn auch wieder nicht, kann nicht hinter dieses so wunderschöne Gesicht blicken. Seit wann sind sie so still? Seit wann...seit wann was? Seit wann kann er sich seiner Person nicht mehr öffnen? Seine Gedanken kann Lorcan nicht mehr formulieren und es macht ihm Angst, mehr Angst als er sich erwartet hätte. Cas sagt etwas und Lorcan, der schon lange nicht mehr Lorcan ist, hält sich an diesen Wörtern fest. Wie ein dünner Ast im Jännerwind hält er sich fest.
»Morgen ist schöner.«
Wie ein sicherer Hafen empfangen ihn die Arme seines Freundes und eine Last fällt von seinen Schultern, von denen der junge Mann nicht einmal wusste, dass er sie mit sich trägt. Sein Schluchzen unterbricht die Stille in ihren vier Wänden und Lorcan hält sich an diesen Worten fest. Er sieht, und dieses Mal sieht er wirklich. Cas fängt ihn auf, ein weiteres Mal schlingen sich seine Arme um den doch so zerbrechlichen Körper. Er weiß genau welcher Tag heute war. Er weiß, warum Lorcan heute so am Boden ist. Es sticht ihm im Herz, aber Cas wusste, dass er kaum etwas machen kann. Er hält ihn einfach in seinen Armen, flüstert ihm die Worte erneut zu.
»Morgen wird schöner.«
Daran würden sie beide glauben müssen.
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Lorcán by @me
Cas by ReevesRR
danke an Lac_na fürs drüberlesen <33
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