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"Du wirst es nicht wieder tun, ja?", fragte ich. Tom, mein Kater - Gott, wie das klang!- stellte die leere Kaffeetasse ab und musterte mich.
"Du erstaunst mich, Maya", sagte er, nachdem sein Blick jetzt schon länger auf mir ruhte.
Sein Blick hatte etwas Entwaffnendes. Man fühlte sich angreifbar und verwundbar.
"Warum?", sagte ich und beiäugte seinen Stab neugierig, der auf der Arbeitsplatte lag.
"Du hast mich noch nicht rausgeworfen, oder die Polizei gerufen", meinte er kühl.
Dieser Typ hatte doch im Ernst ein Jahr bei mir gelebt.
Gott, dieser Typ hatte mich in Unterwäsche gesehen?!
Ich zog meinen Cardigan etwas enger an meinen Körper.
"Eine Frage, Tom. Wenn ich mich immer umgezogen habe, hast du da hingesehen?", wollte ich, etwas paranoid klingend, von ihm wissen.
Aber meine Sorge war berechtigt, oder?
Tom verschränkte die Arme vor der Brust. Sein ernster Blick wurde weicher.
"Ich habe weggesehen", entgegnete er mir, als sei dies glasklar. Mir schoss die Schamesröte ins Gesicht. Und gleichzeitig war ich erleichtert. Er klang ehrlich.
Ich räusperte mich.
"Was war das eben? Wieso lag ich am Boden?"
"Das war ein Fesselungszauber. Ich musste etwas sehen"
Ich fuhr mir mit der linken Hand an die Stelle am Hinterkopf, die noch leicht pochte. "Du musstest etwas sehen?", entgegnete ich und trat einen Schritt auf ihn zu.
"Maya, ich musste sehen, ob meine Zauberkräfte noch so da sind, wie früher", erklärte er mir leise.
Ich trat einen Schritt zurück.
"Zauberkräfte, Dementoren, das
kann doch alles nicht wahr sein!", stieß ich hervor und ließ mich auf einen der zwei Stühle sinken, die um einen kleinen runden Tisch standen.
Tom, mein Kater, zog ebenfalls den einen Stuhl hervor und setzte sich neben mich.
Er reichte mir eine Phiole mit einer klar-blauen Flüssigkeit. Ich löste den Korken und sah Tom misstrauisch an.
Ich schnupperte daran. Es roch nach Lavendel. "Was ist das?", fragte ich ihn neugierig.
"Das ist zum Beruhigen" Ich hob eine Augenbraue. Als ob ich etwas zum Beruhigen brauchte! Doch mein wild schlagendes Herz sagte mir etwas anderes.
Wollte ich von diesem fremden, jungen Mann tatsächlich etwas annehmen? Da könnte doch sonst was drin sein.
Er riss mir die Phiole aus der Hand und setzte selbst zum Trinken an. Er nahm jedoch nur einen kleinen Schluck.
Dann reichte er es mir zurück. Ich starrte auf die Phiole und die Tinktur. Er hatte daraus getrunken. Das wäre ja schon fast wie ein zweiter Kuss.
Aber mein Herz, das in meiner Brust Saltos schlug, nahm mir die Entscheidung ab.
Er hatte ja auch davon getrunken, und ihm war nichts passiert.
Ich setzte die Glasöffnung an meine Lippen und stürzte dessen Inhalt herunter.
Ich schmeckte Lavendel, Hopfen und Honig.
Gleich darauf bemerkte ich, wie der Druck von meiner Brust abfiel. Das Atmen fiel mir leichter und das Zittern verschwand aus meinem Körper. Eine leichte Leere, die angenehm war, herrschte in mir vor.
"Besser?", wollte er von mir wissen. Ich nickte.
"Du bist real", stellte ich fest. Tom stimmte mir stumm zu.
"Und du kannst dich in eine Katze verwandeln" Wieder nickte er. "Und du hast ein ganzes Jahr lang so gelebt", fuhr ich tonlos fort.
Tom leckte sich über die Lippen. "Das habe ich"
Ich schluckte. "Und du wirst gesucht, für etwas, das du nicht getan hast"
"Ganz genau"
Ich kniff die Augen zusammen, als ich in seine sah. Doch darin war nichts Finsteres zu erblicken. Stattdessen war Aufrichtigkeit darin zu sehen.
Ich legte die Phiole auf dem Tisch ab. "Was würde passieren, wenn ich dich rausrücken würde?"
Toms Mundwinkel zuckten. "Dann wäre ich vermutlich schneller tot, als ich die Freiheit ausloten könnte oder in Askaban"
Schuldgefühle kamen in mir auf. Für diesen fremden, aber mir doch irgendwie vertrauten Mann.
Dessen Blick mich jetzt durchbohrte.
"Wie lange wirst du denn schon gesucht?" Ich setzte mich etwas aufrechter hin.
Toms Schmunzeln wurde bitter. "Seit zwei Jahren. Ich befand mich ein Jahr lang nur auf der Straße, bis du mich weggezerrt hast"
"Weggezerrt? Ich habe dich gerettet! Du wärst vor die Hunde gegangen. Das hat übrigens auch die Tierärztin gesagt", schnitt ich ihm beinahe das Wort ab.
Tom hob die Brauen an. "Ich wäre auch sehr gut alleine zurecht gekommen"
Ich schnaubte. Na klar!
Mein Handy vibrierte erneut. Scott, stand da, ruft an. Ich warf Tom, oder Lucky, oder wie auch immer, einen kurzen Blick zu und ging ran.
"Hey, Scott", Ich setzte ein falsches Lächeln auf.
"Maya, ist alles okay bei dir?", fragte er mich. Er klang besorgt.
"Jup, alles gut. Du hör mal, das mit vorhin, vergiss es einfach, okay?"
Scott fuhr sich jetzt vermutlich mit der Hand über das Gesicht, so wie ich ihn kannte.
"Maya, du hast mir vor nicht einmal einer halben Stunde gesagt, dass deine Katze ein Mensch sei" Jegliche Belustigung, die sonst in seiner Stimme war, war verschwunden. Er klang ernst.
"Ich weiß, aber Scott, ich weiß auch nicht genau, ich habe die letzte Nacht schlecht geschlafen und heute Morgen war ich einfach nur groggy. Ich habe es mir nur eingebildet", sagte ich, während meine Einbildung dasaß und mich mit einem Schmunzeln bedachte.
"Ich hätte es trotzdem gerne, wenn du dich durchchecken lassen würdest", meinte er, nachdem er gut eine Minute geschwiegen hatte.
"Und wo soll ich da hin?"
Scott nannte mir die Nummer unter der ich anrufen sollte.
"Wenn du meinst", seufzte ich und starrte auf meine Schrift.
"Ja, das meine ich, May'. Du hast zurzeit so einen Stress, da ist es kein Wunder! Einsätze, Uni, Arbeiten im Café, mich..."
Ich schnitt eine Grimasse. "Okay. Du hast gewonnen" Mein Blick glitt zu Tom.
"Also gut, dann auf auf. Wir sehen uns übermorgen Abend. Schreibe mir doch bitte, wenn du dort warst. Du musst keine Angst vor der Psychiatrie haben, oder vor den Ärzten. Das wird schon, okay", sagte er vermutlich, um mich zu beruhigen.
Ich hatte jedoch keine Angst vor der Psychiatrie. Ich hatte mehr Angst davor, dass ich vielleicht doch halluzinierte.
"Bist du noch dran, Maya?" Ich brachte das Handy wieder an mein rechtes Ohr.
"Ja, ich bin noch dran. Entschuldige, Scott, aber soll ich da wirklich aufschlagen? Ich meine, ich war doch nur müde und k.o. und mir geht's wirklich wieder gut. Ich war einfach überarbeitet", versuchte ich meinen Freund zu überreden.
"Maya, in meinem Studium hatte ich auch einen Psychiatrie Teil. Ich bitte dich. Ansonsten komme ich jetzt vorbei und zerre dich wenn nötig, dahin"
Ich riss die Augen auf. "Scott, bist du des Wahnsinns? Du verlierst noch wegen mir deinen Platz. Ist ja gut, ich gehe dahin...", gab ich mich geschlagen und fuhr mir durch mein schokoladenfarbenes Haar.
Tom hatte sich an die Lehne angelehnt und beobachtete mich sichtlich amüsiert.
"Gut, dass wir uns verstehen. So, May' ich muss jetzt weiter arbeiten, das heißt, wenn Dr. Cox mir nicht den Kopf abreißt, weil ich meine Pause überzogen habe"
Ich musste mir ein Grinsen verkneifen. Dr. Cox war der erbarmungslos, strenge Oberarzt in dem Krankenhaus, Scaret Heart, in dem Scott als Assistenzarzt angestellt war.
"Ich liebe dich"
Scott schwieg kurz. "Ich...liebe dich auch"
Ich musste wieder an
Toms Aussage von vorhin denken. "Dein Freund betrügt dich"
"Bye", sagte ich daher kühl.
"Bye, Maya"
Er hatte aufgelegt, bevor ich die Chance hatte.
"Was wirst du tun?"
Ich riss den Kopf zur Seite. Er war ja noch immer da.
"Hm?" Ich linste zu ihm rüber. Seine Schönheit haute mich bei jedem Blick wieder vom Hocker.
Anschauen war ja nicht verboten.
"Ich gehe dorthin", meinte ich schließlich entschlossen. Und stand auf.
"Ich dachte, du hattest akzeptiert, dass ich real bin", erklang seine dunkle Stimme.
Ich schüttelte den Kopf und griff nach meiner Tasche, in der sich noch meine letzten Zigaretten befanden.
Tom folgte mir zum Balkon. Ich lehnte mich gegen den gelben Sandstein, nahm eine Zigarette raus und zündete sie an.
Den Rauch inhalierte ich, sodass er bis in die kleinste Alveole eindrang. Ich spürte wie ich noch ruhiger wurde. Das Nikotin begann zu wirken. Zwar nicht so gut, wie diese eingebildete Tinktur von Tom, aber immerhin.
"Das ist nur ein schnellerer Weg in den Tod, das weißt du aber, nicht?"
Ich klopfte die Zigarette am metallenen Geländer des Balkons ab.
"Ich weiß, dass es nicht besonders gesund ist, aber arbeite du mal reguläre Schichten, hab Uni und arbeite im Café"
Tom schnaubte. "Ich bin auf der Flucht und nicht einmal ich fasse so etwas an!"
"Und du solltest dieses Laster auch loswerden", fügte er hinzu.
Ich verdrehte die Augen. Kurz hatte ich ein kleines Deja-vu. Lucky war mir auch immer auf den Balkon gefolgt.
Lucky, aka Tom...Wie war sein Nachname nochmal?
"Wie ist dein Nachname doch gleich wieder?" Ich musterte ihn. Seine Klamotten mussten dringend mal gewaschen werden. Oder er brauchte etwas anderes, als diesen grauen Pullover.
"Tom Riddle"
Ich starrte auf meine Zigarette, statt auf ihn, weil ich befürchtete, sonst den Blick nicht mehr abwenden zu können.
"Aha", sagte ich also nur wenig intelligent.
Halluzinierte ich, oder war er real?
Wir hatten schließlich im Unterricht auch darüber gesprochen, wie real eine Halluzination für den Halluzinierenden sein konnte.
Abwesend drückte ich die Zigarette auf dem Geländer aus und warf sie anschließend in die Blechdose, die auf dem Fensterbrett stand.
Ich drückte mich an ihm vorbei in die Wohnung zurück und eilte in mein Zimmer. Ich begann wahllos ein paar Sachen einzupacken, für den Fall, dass sie mich doch dabehalten wollten.
Tom räusperte sich.
"Du weißt, sie werden dich dann nicht mehr gehen lassen"
Er klang vorwurfsvoll.
"Ich weiß", entgegnete ich ihm und verschloss meinen Mini-Trolli.
Ich hob meinen Trolli hoch und stellte ihn auf dem Boden ab.
Ich griff nach meiner Mütze und meiner Regenjacke. Es goss wie aus Eimern.
Dann fiel mir etwas ein. Ich hatte meinen Kaffee noch nicht leergetrunken. Ich stürzte das lauwarme Getränk eilig herunter.
"Hast du nicht etwas vergessen?" Ich hob eine Augenbraue. Tom deutete auf mich. Ich blickte an mir herunter, ehe es mir auffiel.
Ich trug noch meinen Hunkemöller- Flauscheschlafanzug.
Ich lächelte perplex. "Das...wusste ich", log ich. Toms Mundwinkel zuckten.
Ich ging, nachdem ich die Tasse in der Spülmaschine platziert hatte, so wie die von Tom, in mein Zimmer und schloss die Tür ab. Mein
Kopf tat weh.
Ich wusste nicht mehr, was ich denken sollte. Was war noch real und was nicht?
Ich wollte ein leeres, neues Gehirn, denn das hier hängte sich anscheinend ständig auf.
Ich zog irgendeinen Pullover und eine bequeme Jogginghose an.
Klinik Couture.
Ich hoffte nur, falls ich auf eine Station kommen würde, es eine sein würde, auf der ich nicht gearbeitet hatte.
Ich hatte ja nur bisher auf der A gearbeitet, der Station für affektive Störungen.
Ich ging aus dem Zimmer raus und wäre fast in ihn hinein gelaufen. Ich hob den Kopf und musterte ihn.
Dann piekste ich ihm mit dem Zeigefinger auf die Brust.
"Du gehst mit mir raus und wartest auch, okay?" Toms Blick wanderte über meinen Körper. Ihn schien das alles ganz und gar zu amüsieren.
"Das ist nicht witzig. Ich bilde mir dich nur ein", rief ich und wollte weggehen, aber das ging ja nicht.
Toms linke Hand umschloss mein Handgelenk.
"Ich bin real, Maya und ich kann es dir gerne noch ein zweites oder drittes Mal beweisen", beim Klang seiner Stimme bekam ich eine Gänsehaut.
Redete er jetzt vom Küssen oder vom Beweisen?
Der Kuss, den hatte ich ja beinahe vergessen! Entsetzen packte mich bei dem Gedanken, Scott vielleicht gegenüber treten zu müssen.
Wie sollte ich denn reagieren?
"Maya?"Er schnippste mit den Fingern vor meinem Ohr.
"Du hast mich geküsst", meinte ich tonlos. Tom drehte mich zu ihm um. "Das habe ich"
Ich wand mich aus seinem Griff. "Ich weiß nicht, was ich tun soll, wenn Scott mir begegnet", seufzte ich.
"Ganz einfach. Ich bin nicht real, folglich ist der Kuss auch nicht real gewesen", folgerte der Dunkelhaarige und grinste mich an.
"Du bist nicht real? Aber du warst es doch, der mich unbedingt küssen musste!"
Er verdrehte die Augen bei meinen Worten.
"Unbedingt? Ich habe nur das getan, was du am allerwenigsten erwarten würdest und womit ich dir am Besten beweisen könnte, dass ich real bin"
Er hatte den Kopf zu mir heruntergebeugt.
"Von allen Möglichkeiten ist dir nur das Küssen eingefallen?", stieß ich entrüstet hervor.
"Ich meine, vor allem müsstest du wissen, dass ich einen Freund habe!"
Tom verschränkte die Arme vor der Brust. "Du hast nicht wirklich protestiert", murmelte er.
Ich riss die Augen auf. "Ich habe es, aber du hast mich überrascht"
Toms dunkelbraune, so hatte ich jetzt beschlossen, Augen taxierten meine Haselnussfarbenen.
Ich verlor mich in seinem Blick.
Ich brach den Blickkontakt ab und ging an ihm vorbei und schlüpfte in meine schwarzen Stiefeletten.
"Du willst es also wirklich tun?", hakte er nach.
Ich nickte. "Ja, ich muss mich vergewissern, dass ich sie noch alle habe", meinte ich leise und griff nach meinem Rucksack.
Geldbeutel mit der Versichertenkarte, löslicher Kaffee, Schlüssel, Kopfhörer. Ladekabel. Das war alles.
"Begleitest du mich?", fragte ich den nachdenklichen jungen Mann. Er blickte erst nach zwei Sekunden auf.
"Maya, ich kann nicht raus" Ich schnitt eine Grimasse. "Warst du in dem Jahr, das ich dich hatte nie draußen?"
Ich erschrak, als er den Kopf schüttelte.
"Na, dann komm. Es wird Zeit!"
AN:
Ahhh, kennt ihr das auch, dass ihr einfach kein schönes Ende für das Kapitel findet?
Was würdet ihr mit in die Psychiatrische Klink nehmen?
Bei mir ist es löslicher Kaffee, Schokolade, meine Igelbälle aus Metall, die Harry Potter Bücher (Ja, alle sieben) meine schalldämpfenden Kopfhörer, Zigaretten (zum Runterkommen und Sozialisieren) und mein Kissen, das mir mal eine gute Freundin geschenkt hat. Und meinen Kaffeebecher selbstverständlich. Oh, und einen Block, sowie Handy und Ladekabel.
Toms so normales Verhalten wird auch noch aufgeklärt!
Ich hoffe, ihr mögt das Kapitel (:
Einen schönen Sonntag euch noch (:
LG, H.
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