22
PoV. Hyunjin
Wieder einmal verlassen Jisung und ich das Studio. Ich bin ziemlich gut gelaunt, trotz der Tatsache, dass wir diese Stunde kaum weitergekommen sind. Jisung scheint nicht in guter Stimmung zu sein. Ich habe ihn mehrmals gefragt, ob ihm der Track nicht gefällt, doch er meint, daran liegt es nicht. Ich habe ihn auch gefragt, ob sonst irgendwas passiert ist, doch auf die Frage hat er nur den Kopf geschüttelt und gesagt, wir sollen weitermachen.
Ein Seufzen unterdrückend schüttelte ich den Kopf. Bisher war Jisung immer wie ein offenes Buch für mich, aber jetzt verstehe ich gar nichts mehr. Wenn es ihm nicht gut geht, warum sagt er es dann nicht einfach? Ich dachte, wir hätten inzwischen etwas Vertrauen aufgebaut... nachdem ich ihm sogar mein bestgehütetes Geheimnis anvertraut habe. Vielleicht weiß Jisung einfach selber nicht was mit ihm los ist.
Jisung sieht frustriert aus.
"Hey. Nächstes Mal, kommen wir bestimmt besser voran!", sage ich aufmunternd. Ich sollte es eigentlich auch sein, aber inzwischen genieße ich unsere gemeinsamen Stunden so sehr, dass es mir egal ist, wie viel Fortschritt wir machen.
Jisung ist immerhin der einzige Mensch, mit dem ich über Minho reden kann und unser Song gibt mir auch noch die perfekte Gelegenheit dazu. Es tut gut, es nicht mehr geheimhalten zu müssen.
Ob es Jisung nervt, dass ich so viel rede? Ist er deswegen so still? Eigentlich kann ich es mir nicht vorstellen, er selbst redet doch immer so viel. Nur heute nicht. Heute hat er kaum etwas gesagt.
"Sicher, dass alles in Ordnung ist?", frage ich erneut und halte ihn fest.
Widerwillig sieht Jisung mich an und nickt. "Ja Hyunjin. Ich glaube, ich brauche einfach nur eine Pause."
Es fühlt sich wirklich seltsam an. So viel Zeit habe ich damit verbracht in diese Augen zu sehen und genau zu wissen, wie gereizt, wie verärgert und wie verletzt Jisung in diesem Moment ist. Jetzt ist es, als hätte sich eine Wand zwischen uns geschoben. Oder eher eine dreckige Glasscheibe. Ich kann sehen, dass da etwas ist, aber ich kann es nicht richtig erkennen. Es frustriert mich unglaublich.
"Okay. Willst du vielleicht morgen auch Pause machen?", frage ich ihn besorgt.
Jisung schüttelt den Kopf. "Nein. Alles gut. Ich ruhe mich jetzt einfach aus." Er bringt ein Lächeln zustande. "Tut mir leid, dass ich heute keine Hilfe war. Vielleicht setze ich mich heute Abend noch daran einige Ideen aufzuschreiben."
Entschieden schüttele ich den Kopf. Vor nur wenigen Wochen wäre mir jedes Mittel recht gewesen, um diesen Song in der kürzmöglichsten Zeit fertigzustellen. Aber inzwischen ist Jisung... ich will nicht sagen er ist mir wichtig geworden. Oder doch, vielleicht will ich genau das sagen. Er ist mir wichtig geworden. Nicht so wichtig wie Minho, nein, bei weitem nicht, aber... wichtig.
"Nein. Ruh dich heute Abend am besten richtig aus.", sage ich und lächele leicht.
Jisung nickt. "Na gut. Das werde ich. Danke." Er seufzt und schüttelt den Kopf. "Aber bis dahin habe ich noch ein laaangen Tag vor mir."
Ich grinse ihn ermutigend an. "Aber erstmal Mittagspause. Willst du vielleicht mit in die Cafeteria kommen?" Ich habe schon die ganze Zeit darauf gewartet, diese Frage zu stellen.
Bei meinen Worten blickt Jisung auf. Er sieht... ich will nicht sagen glücklich, aber doch hoffnungsvoller aus, als die ganze Zeit zuvor über.
"Dann kann ich dir auch Minho vorstellen!", schließe ich begeistert. Heute ist eine der wenigen Gelegenheiten, an denen Minho und ich uns außerhalb seiner Wohnung treffen.
Er weiß immer noch nicht, dass Jisung von uns weiß. Beim letzten Treffen war keine Gelegenheit mehr dafür. Deswegen ist das doch die perfekte Chance. Wenn er Jisung gleich kennenlernt, wird er sicher nicht so wütend deswegen sein. Jisungs Miene wird jedoch schlagartig missgelaunt.
"Minho?"
Er flüstert den Namen nur, als wäre es etwas unfassbar Böses, von dem man nicht laut sprechen sollte.
Ich sehe ihn verwirrt an. "Ja. Würdest du ihn nicht gerne kennenlernen? Ich meine immerhin..."
Immerhin sind wir jetzt so etwas wie Freunde oder nicht? Oder denke ich das nur? Da ist sie wieder, die Angst, dass Jisung all das nur tut, um diese Bestrafung hinter sich zu bekommen. Diese Freundlichkeit war einfach zu verdächtig, ich hätte vorsichtiger sein sollen... Wütend wische ich den Gedanken beiseite. Was denke ich nur wieder für einen Schwachsinn? Jisung hat es noch nie geschafft seinen Hass gegen mich zu verbergen, wie sollte er es jetzt auf einmal gelernt haben?
Jisung reibt sich unsicher den Arm. "Ich weiß nicht...", murmelt er.
Ich lache. "Du brauchst keine Angst zu haben. Minho ist wirklich netter, als er aussieht, glaub mir." Ich will ihn ansehen, doch er dreht seinen Kopf, sodass ich sein Gesicht nicht sehen kann.
"Nein. Ich glaube ich gehe heute früher nach Hause. Tut mir leid." Seine Stimme klingt etwas zu schrill. Weint er etwa? Ehe ich ihn aufhalten kann, dreht er sich um und stürmt davon. Etwas ratlos bleibe ich im Gang stehen. Was ist nur los mit ihm? Und warum will er es mir nicht sagen?
Verwirrt setze ich meinen Weg zur Cafeteria alleine fort. Obwohl ich froh bin, mich mit Minho zu treffen, ist jegliche Aufregung verschwunden. Habe ich so sehr gehofft, dass Jisung mit kommt? Oder mache ich mir nur Sorgen um ihn?
Ich schüttelte den Kopf, als ich die Cafeteria betrete. Mit Minho hat man solche Probleme nicht. Er sagt immer, was ihn stört, egal, wie gemein oder verletzend es auch klingen mag. Er ist unkompliziert. Deswegen nehme ich mir seine Worte auch nie so zu Herzen. Die Dinge, die aus seinem Mund kommen, sind nicht die Dinge die er denkt, da bin ich sicher. Sonst wäre er nicht mit mir zusammen.
Etwas ratlos sehe ich mich um. Die Cafeteria ist brechend voll und ich kann Minho nirgendwo entdecken. Er ist bestimmt schon hier. Ich versuche die Gedanken an Jisung aus meinem Kopf zu verbannen und mache mich auf die Suche.
Es ist schwer den Überblick zu behalten und so entdecke ich ihn erst nach einigen Minuten sinnlosen Umherirrens.
"Hey Minho!" Ich setze mich zu ihm und versuche meinen fröhlichen Ton beizubehalten. Von meinen Problemen, will er gerade bestimmt nichts wissen, also werde ich mich einfach selbst darum kümmern.
Minho lacht gehässig. "Hat ja lange gedauert, bis du mich gefunden hast. Ich habe schon überlegt, dir eine Karte zu zeichnen." Er nimmt einen Schluck von seinem Kaffee.
'Ahh, verdammt.' Jisungs seltsames Verhalten hat mich so abgelenkt, dass ich vollkommen vergessen habe, mir selbst etwas zu holen. Kurz überlege ich, es jetzt noch zu tun, aber ich will lieber die Zeit mit Minho nutzen. "Ja, tut mir leid." Ich lächelte verlegen. "Wie war dein Tag?"
Und Minho legt los: Sein Tag war grauenhaft. Am Morgen hat sein Chauffeur eine vollkommen sinnlose Route genommen, weswegen er zu spät zum Tanztraining gekommen ist, sein Trainer hat ihn dafür gerügt und Minho den Rest der Stunde nur kritisiert und das vollkommen sinnlos.
Minhos Manager hat mit ihm geschimpft, weil er angeblich andere Idols zu respektlos behandelt hätte, obwohl diese ihn zuerst angegriffen haben und das Konzept für sein Comeback ist schrecklich.
"Keiner von denen hat irgendeine Ahnung von dem was sie tun! Wofür bezahlt die Company sie eigentlich? Denken sie, ich lasse alles mit mir machen?", endet Minho seinen Vortrag.
Mitfühlend schüttelte ich den Kopf. "Ja, diese Leute können wirklich idiotisch sein. Aber ich bin sicher, du wirst das Comeback so oder so zum besten aller Zeiten machen."
Minho schnaubt verärgert. "Ja, ja. Ich wünschte nur, das sich diese Typen mehr Mühe geben würden." Er seufzt schwer.
Etwas hilflos sehe ich ihn an. "Hey... zeig mir doch das Konzept erstmal. es ist bestimmt nicht so schlimm wie du auf den ersten Blick vielleicht denkst." Ich versuche beruhigend seine Hand zu drücken, doch er zieht sie weg und lehnt sich in seinem Stuhl zurück.
"Ach vergiss es." Er trinkt seinen Kaffee aus.
Es ist wirklich nicht der beste Zeitpunkt, um ihm zu sagen, dass Jisung von uns weiß... Gerade will ich anfangen zu sprechen, als er wieder den Mund öffnet: "Und musst du wirklich so viel Zeit mit dieser bescheuerten Lachnummer von einem Idol verbringen?"
Ich brauche einige Sekunden, ehe ich verstehe, dass er Jisung meint. Unsicher lache ich. "Naja... wir haben einen Song zu produzieren."
Minho rollt die Augen. "Ja, ich weiß. Du hast mich genug damit vollgelabert. Ganz ehrlich, alss ihn das doch einfach alleine machen."
Ich schlucke meine Verletztheit hinunter Immerhin habe ich mir wirklich Mühe gegeben, so wenig wie möglich mit ihm darüber zu reden. Eigentlich habe ich ihm nur gesagt, dass ich das machen muss und ihn daran erinnert, wenn er mich gefragt hat, warum ich keine Zeit habe.
"Aber... das wird JYP doch merken. Außerdem macht es mir sogar Spaß!", erzähle ich.
Minho sieht mich entnervt an. "Willst du mich veraschen? Mit dieser untalentierten Witzfigur zu arbeiten macht dir Spaß?" Er lacht. "Das ist erbärmlich Hyunjin. Um die Scheiße, die er fabriziert hinzukriegen, braucht man keine Ahnung vom Produzieren. Das hört sich an als würde ein Dreijähriger wahllos an Knöpfen drehen."
Ich will ihm widersprechen, doch in letzter Sekunde halte ich mich zurück. Minho mag es nicht wenn man ihm widerspricht.
Unwillkürlich denke ich, dass Jisung vermutlich entsetzt wäre, wenn er sehen würde, wie unsere Gespräche laufen. Er würde es nicht Liebe nennen, ganz sicher nicht. Aber Jisung hat keine Erfahrung damit. Woher will er schon wissen, was Liebe ist und was nicht?
"Ich meine... er selbst ist nicht so schlimm...", sage ich vorsichtig.
Minho sieht mich an. "Willst du mir sagen, du magst diesen Kerl auch noch?"
Etwas eingeschüchtert ziehe ich die Schultern hoch. "Nein..."
'Ja.'
"Aber..."
Minho verschränkt die Arme. "Kein Aber. Er ist ein Versager, vergiss das nicht." Ich senke den Blick und nicke nur. Plötzlich wird mir klar, wie absurd meine Idee war, Jisung Minho vorstellen zu wollen. Minho hätte ihn in Fetzen gerissen.
Der Rest des Gesprächs besteht hauptsächlich daraus, dass Minho sich beschwert und ich ihm zustimme. Meine Laune ist von überglücklich zu deprimiert gesunken und langsam regen sich in mir Zweifel. Minho scheint sich gar nicht für mich zu interessieren. Ich habe Jisung selbst zugestimmt, dass es wichtig für mich ist, jemanden zu haben, mit dem ich über alles reden kann. Und Jisung war auch der Meinung, dass es beiden in einer Beziehung gut gehen sollte...
Als Minho endlich aufsteht bin ich fast erleichtert und das erschreckt mich. Immerhin liebe ich ihn, das tue ich wirklich. Da sollte ich nicht erleichtert sein, ihn loszuwerden oder?
Minho sieht mich an. "Heute Abend, selbe Zeit wie immer. Und zieh etwas an, was man leicht abnehmen kann." Er grinst kurz, dass verlässt er die Cafeteria. Ich bleibe noch zurück. Da ist es wieder. Wenn er mich nicht lieben würde, würde er mich nicht so oft bei sich haben wollen, richtig? Nein, diese Zweifel sind sinnlos. Ich sollte sie schnell vergessen.
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