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Ein erleichterter Seufzer entfährt mir, als ich den Konferenzraum verlasse. Mein Manager hatte mal wieder unglaublich viel wegen meinem Comeback zu besprechen.
Unglaublich viel, das einfach unnötig ist. Erschöpft hole ich mein Handy heraus, um zu sehen, was als nächstes auf dem Plan steht.
Mit Jisung an dem Song arbeiten. Stimmt, hatte ich fast vergessen. Zu meiner eigenen Überraschung, erscheint bei dem Gedanken ein Lächeln auf meinen Lippen. Inzwischen machen mir die Treffen mit Jisung fast schon Spaß. Es ist eine erfrischende Abwechslung zu meinem sonstigen Alltag, auch mal selbst an einem Song zu arbeiten und nicht immer nur die Notn zu singen, die man vorgesetzt bekommt.
Inzwischen nervt es mich nicht einmal mehr, dass ich das Ganze mit Jisung zusammen machen muss. Ich habe das Gefühl, wir kommen voran mit dem Song. Vielleicht wird da ja doch noch etwas draus.
Es läuft fast zu gut. Ich bin mir sicher, dass Jisung mich immer noch nicht leiden kann und auch ich selbst habe nicht das geringste Bedürfnis, mich mit ihm anzufreunden. Wenn das vorbei ist, können wir gerne wieder getrennte Wege gehen. Aber solange er sich benimmt, ist es nicht mehr wie eine Bestrafung.
Mir bleibt nur zu hoffen, dass Jisung so gut gelaunt bleibt.
Ein Teil von mir weigert sich immer noch, zu glauben, dass Jisung es einfach gut mit mir meint. Der größte Teil, um genau zu sein. Deswegen habe ich ja das Thema Liebe ausgewählt. Zu einem solchen Thema kann man eine Menge Sachen sagen ohne zu persönlich zu werden.
Selbst Jisung kann da nicht über meine Vorschläge meckern und so sind wir schon fast soweit mit den Lyrics anfangen zu können. Außerdem hat Jisung versprochen für heute schonmal einige Beats zusammenzustellen, aus denen ich auswählen kann.
Da wären wir schon beim nächsten Problem. Etwas besorgt rolle ich die Augen. Gut, vielleicht habe ich damit übertrieben, dass Jisungs Musik kompletter Müll ist, dennoch... ich kann mir nicht vorstellen, dass er etwas zusammenstellen kann, mit dem ich auch nur halbwegs zufrieden bin. Aber wenn ich ihm das sage, fängt er wahrscheinlich gleich wieder an zu heulen und rennt zu Chan.
Soll ich jetzt zulassen, dass er etwas nimmt, dass meinem Geschmack komplett widerspricht? Nein. Jisung muss es aushalten. Wenn er möchte, dass wir diesen Song schreiben, na gut, ich habe versprochen, mitzumachen, aber dann soll er lieber etwas machen, was mir auch gefällt!
Bevor ich mich zum Studio begebe, gehe ich noch kurz in die Cafeteria, um mir etwas zu trinken zu holen. Während ich auf meinen Kaffee warte, überlege ich, was für einen Track ich am geeignetsten finden würde.
Eigentlich habe ich noch gar keine Vorstellung davon, wie der Song am Ende sein soll. 'Immerhin dafür ist Jisung nützlich.', denke ich und schüttelte direkt darauf den Kopf.
Was rede ich da nur? Ohne Jisung müsste ich diesen Song doch gar nicht machen!
Mein Kaffee ist fertig und ich nehme mir den Becher, dann zögere ich. Vielleicht sollte ich für Jisung auch einen mitnehmen. 'Ehe er wieder rumheult.', setze ich in Gedanken noch hinzu und stelle einen weiteren Becher unter die Kaffeemaschine. Was tut man nicht alles, für ein ruhiges Leben!
Mit einem Becher in jeder Hand, mache ich mich schließlich auf den Weg ins Studio. Wie gewohnt, ist Jisung vor mir da. Als er den Kaffee sieht, hellt sich sein Gesicht auf. "Du hast mir Kaffee mitgebracht!", ruft er begeistert.
Ich setze mich und sehe ihn kalt an. "Wer hat gesagt, dass der Kaffee für dich ist?", frage ich genervt.
Jisung stutzt etwas und sucht nach Worten. Ich muss ich stark zusammenreißen, um das amüsierte Lächeln zurückzuhalten, das sich auf meine Lippen schleichen will.
Kopfschüttelnd schiebe ich ihm die Tasse hin. "Egal. Trink einfach."
"Danke." Während er an seinem Kaffee nippt, sehe ich mir noch einmal die Notizen der letzten beiden Treffen an. Wir haben eine Menge Ideen gesammelt, Jisung hat sogar schon einige Liedverse aufgeschrieben, die wir benutzen könnten.
Wie Jisung daraus einen Song machen möchte, ist mir immer noch ein Rätsel.
"Also... ich habe die Tracks vorbereitet.", sagt Jisung schließlich und wendet sich an mich. Ich kann das Knistern der Spannung die auf einmal im Raum herrscht fast spüren. Jisung weiß, dass mir seine Musik nicht gefällt, wir beide wissen das.
Mir kommen Zweifel: 'Wie soll das bloß funktionieren?' Das Treffen wird bestenfalls in einer Katastrophe und erneutem Streit enden.
Nervös auf seiner Lippe kauend, klickt Jisung auf seinem Computer herum. "Ich weiß, du magst meinen Stil nicht, deswegen... habe ich versucht, mich an andere Künstler anzupassen.", erklärt er angespannt.
Ich nicke nur. Das ist immerhin etwas, aber trotzdem hege ich wenig Hoffnung, für dieses Treffen.
Jisungs Finger zögern über dem Abspiel-Knopf und er sieht zu mir. "Es sind drei Stück. Soll ich?", fragt er unsicher.
Ich nicke. Bringen wir es hinter uns. Schlimmer, als unsere ersten Stunden kann es nicht werden. Er drückt auf Play und wir hören uns den ersten Track an. Es ist ein guter Track, mit eingänglicher Melodie und einem Beat der schnell genug ist, dass man nicht einschläft und langsam genug, um einen emotionalen Liebessong zu schreiben.
Tatsächlich klingt der Track gar nicht so, wie die anderen Sachen, die Jisung schreibt, dennoch wirkt er... platt. Langweilig. Allein bei dem Gedanken daran, Lyrics dazu schreiben zu müssen, scheinen sämtliche Ideen aus meinem Kopf zu verschwinden.
Nein, auf gar keinen Fall.
Ich halte es zu Ende des Tracks aus und spüre schon die Wut in mir aufsteigen. Hat Jisung sich gar keine Mühe gegeben? Das ist ja wohl das Letzte! Am liebsten hätte ich ihm das direkt ins Gesicht gesagt, aber ich weiß jetzt schon, dass er mich nicht ernst nehmen würde. Erstens, weil ich noch weniger Ahnung vom Songs produzieren habe, und zweitens, weil ich nicht einmal sagen kann, was mich an dem Track stört.
Er ist nicht schlecht. Er hat eigentlich alles, was ein guter Track haben sollte, soweit ich das beurteilen kann. Die verschiedenen Komponenten harmonieren perfekt miteinander, aber irgendwie...
Jisung sieht mich erwartungsvoll an, aber ich will wirklich nichts zu diesem Track sagen. "Spiel einmal alle vor.", bitte ich ihn.
Er zuckt die Schultern und tut es. Der nächste Track ist noch schlimmer. Der letzte Track ist fast unerträglich. Und ich verstehe nicht warum, denn diese Tracks sind wirklich gut. Was fehlt ihnen? Ich kann Jisung nicht einmal vorwerfen, schlechte Arbeit geleistet zu haben: Diese Tracks sind nicht sein Stil, wie ich es mir gewünscht habe und eigentlich sie perfekt. Meine gute Laune verfliegt vollends.
"Also. Welchen soll ich nehmen?", fragt Jisung mich. Seine Stimme ist etwas harscher als sonst. Ist er genauso unzufrieden mit diesen Tracks?
'Dumme Frage, natürlich ist er das. Er musste das immerhin entgegen seines eigenen Stils machen!' Eine grimmige Befriedigung breitet sich in mir aus und fast schäme ich mich dafür, sie zu spüren. Immerhin sind wir jetzt beide unzufrieden mit dem Song.
"Hyunjin?" Ungeduldig wedelt Jisung mit der Hand vor meinem Gesicht herum.
Ich bringe etwas Abstand zwischen uns. "Den ersten. Der war..." Ich zögere, denn es tut mir fast weh, es auszusprechen."-... gut."
Jisung nickt nur ungerührt. "Okay sehr gut. Dann können wir uns schon einmal eine Melodie dazu überlegen-" Er fängt an den Track noch einmal zu spielen.
Ich stöhne innerlich. Das machen wir heute? Diesen Track anhören und versuchen uns eine Melodie dazu auszudenken? Wie soll das überhaupt funktionieren?
Mein Handy ist meine Rettung. Als wir den Track zum dritten Mal (erst zum dritten Mal??) hören, klingelt es laut. Verwundert öffne ich es. Wer schreibt mir denn jetzt?
Ein Lächeln bildet sich auf meinen Lippen, als ich sehe, wer mir geschrieben hat und unwillkürlich klopft auch mein Herz schneller. Entschuldigend sehe ich Jisung an. "Tut mir leid, ich muss los. Lass uns nächstes Mal weiter machen ja?", sage ich und stehe auf.
Jisung sieht mich geschockt an. "Aber wir haben noch nicht einmal richtig angefangen! Was ist mit der Melodie? Oder willst du erstmal einige Lyrics schreiben? Zum Thema Liebe haben wir genug..." Verwirrt deutet er auf die Blätter, doch ich schüttelte den Kopf.
"Tut mir leid. Das ist wichtig.", sage ich knapp.
Aufgebracht verschränkt Jisung die Arme. "Wer war das denn?", fragt er. Ich schenke ihm nur ein schmales Lächeln.
'Das war die Liebe Jisung. Meine Liebe.'
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