3 | Entscheidung
»Und du möchtest das wirklich machen?«
»Das fragt mich diejenige, dessen Augen gerade verbunden sind, ernsthaft?«
Ich stoppe und damit auch Mara, denn sie muss sich ganz auf mich verlassen. Meine Hände ruhen leicht auf ihren Schultern, während ich hinter ihr stehe.
»Jetzt ist die letzte Gelegenheit, dich umzuentscheiden«, flüstert sie mir zu, wobei sie sich etwas zu mir dreht. Sie schmiegt sanft ihre Wange an meine Brust. Wie ich diese zarten Berührungen liebe und dennoch halte ich oft zunächst den Atem an, als wäre es etwas Verbotenes.
»Ich habe mich entschieden und möchte diesen Weg mit dir gehen«, antworte ich ihr. Zwar mit brüchiger Stimme, aber dennoch überzeugt, was ich auch wirklich bin. »Warte bitte kurz. Und bleib bloß still stehen.«
»Machst du dir Sorgen?«
»Ja, falls du dich bewegst.«
»Der Luft nach zu urteilen, denke ich, dass wir–«
»Mara!«, rufe ich dazwischen. »Ich habe dich doch gebeten–«
»Stillzubleiben ... Ja, ja. Du kennst mich doch.«
»Na eben, deswegen habe ich es doch dazu gesagt«, sage ich tadelnd. »Aber zum Glück habe ich Puffer mitbedacht.«
Während Mara darüber lachen muss, bereite ich die letzten Kleinigkeiten vor und gehe dann zurück zu ihr; stelle mich erneut hinter Mara.
»So, es kann weitergehen.« Ich übe ein wenig Druck auf ihre Schultern aus, damit sie losgehen kann. Wir schreiten gemeinsam einige Schritte weiter, derweil ich sie lenke. Unter uns knarzt Holz und es klingt, als würden wir über eine klapprige Brücke laufen. Ich frage mich, was sie sich wirklich denkt, wo wir uns befinden. Die Luft lässt definitiv nur eins zu, aber ob sie sich das wirklich vorstellen kann? Ich freue mich auf den folgenden Augenblick, wenn Mara sieht, wohin ich sie einlade.
»Wir sind da«, verkünde ich. Meine Stimme passt sich meinem Inneren an. Brüchig, nervös, aufgeregt.
Mit beiden Händen fahre ich von außen über ihre Schultern, die ich dann hoch über ihren Nacken zu der Augenbinde gleiten lasse. Ihre weiche, warme Haut reagiert auf meine Hände. Ich liebe es, wenn wir uns sinnlich berühren, doch das ist jetzt nicht dran. Ich löse den Knoten und kann dabei hören, wie Mara tief ein- und ausatmet. Auch sie scheint nervös zu sein. Ich warte ab, bis sie das nächste Mal tief einatmet und nehme die Augenbinde beim Ausatmen ab. Dann trete ich einen Schritt zur Seite, um ihre Reaktion wahrnehmen zu können.
»Joe ...« Es hat ihr scheinbar die Sprache verschlagen, was ich von ihr nicht gewohnt bin. So einfühlsam sie auch ist, kann sie auch direkt sein und spricht die Dinge an. Doch genau das schätze ich auch an ihr.
»Ich habe es ja schon nicht glauben wollen, dass du die zwei Wochen Urlaub nun wirklich und doch so schnell nimmst ...« Sie schaut mich an und lässt das weitere unausgesprochen.
»Das glaube ich dir, Mara. Obwohl viele wahrscheinlich nicht sagen würden, dass es schnell ist«, erwidere ich grinsend.
Klar, es ist nur eine Woche später, nach dem ich sowohl mit ihr als auch mit Ronja darüber gesprochen habe, aber es sind mehr als zehn Monate vergangen seit meinem Geburtstag und mittlerweile siebeneinhalb Jahre, seit mein Leben eine drastische Wendung genommen hat. Ich würde eher sagen, es ist langsam Zeit.
»Und du möchtest die Zeit – die vierzehn Tage – mit mir hier verbringen?«, fragt sie nach, als würde sie sich immer noch nicht sicher sein, was ich absolut verstehen kann.
»Nur wenn du das möchtest.«
Sie erwidert nichts mehr, sondern läuft strahlend voran, was mir ein Lachen entlockt. Ist auch eine Art von Antwort. Unerschrocken klettert sie über den Rand auf die Luca – mein Boot. Eine Rampe habe ich nämlich nicht mehr, weswegen ich auch schon mal ins Wasser geflogen bin. Sehr zur Belustigung von Elmar, meinem Bootsfreund, der nun leider zwei Wochen ohne die Luca auskommen muss.
Bisher habe ich Mara noch nie mit auf die Luca genommen, obwohl sie interessiert nachgefragt hat. Ich hoffe, ich kann in den vierzehn Tagen so einiges wiedergutmachen. Und hoffentlich klappt das auch alles so, wie ich es mir denke. Ich laufe ihr hinterher. Auf dem Deck ziehe ich sie in eine Umarmung, in der ich ihr alles mitteilen möchte, was ich gerade empfinde. Zweifel, Ängste, Sorgen, Trauer, aber auch Liebe, Zuneigung, Hoffnung. Sie schmiegt sich an mich heran.
»Ich bin bei dir, Joe«, flüstert sie mir zu. Eine Träne löst sich aus meinem Augenwinkel und läuft an meiner Wange herab.
»Danke.«
Nachdem wir uns aus der Umarmung gelöst haben, nehme ich ihre Hand in meine und drehe mich mit ihr einmal rum. »Die Terrasse sozusagen«, beginne ich die Rundführung und zeige mit meiner freien Hand auf die U-Bank vor uns, woraufhin sie lächeln muss. »Und keine Sorge, das Dach können wir noch mehr öffnen, wenn du willst. Ich dachte nur, wenn es regnet ...« Mara unterbricht mich, in dem sie mir einen Finger auf die Lippen legt.
»Es gefällt mir jetzt schon.«
Ich nicke ihr zu, meine Nervosität beruhigt sich langsam und ziehe sie dann an der Hand weiter. »Die Führung wird nicht lange dauern, denn die Luca ist ein kleines Boot.«
Sobald wir an zwei Sitzen, die sich beim Steuer befinden, vorbeihuschen und durch die Tür dahinter ins Innere schlüpfen, bleibe ich mit ihr stehen. »Direkt hier ist die Toilette mit einem Waschbecken.« Ich öffne die Tür links von uns, um es ihr zeigen – auch die Bedienung.
»Und hier«, ich deute vor uns auf den Rest der Kabine des Bootes und grinse sie an, »ist der Wohn- und Schlafbereich.«
Auch hier befindet sich eine U-Couch. »Den Tisch kann man einklappen, sodass er auf dem Boden aufliegt und unter den Sitzbänken befinden sich Polster, die wir dann in der Nacht dazwischen stecken.« Dabei zeige ich auf die Lücke vom ›U‹.
»Also ist das unser Bett?«, fragt sie freudig, was mir sofort eine Last von den Schultern – nein, was rede ich da? Vom ganzen Körper – nimmt.
»Ja. Bedeutet das, es gefällt dir?«
Sie klatscht in die Hände. »Auf alle Fälle.« Dann wendet sie sich der Arbeitsplatte zu unserer Rechten zu. Sie streicht verträumt darüber. Bis sie bei der eingebauten kleinen Spülwanne und den zwei installierten Kochplatten ankommt. »Kochen geht also auch?«
»Ja schon. Vor allem, wenn wir hier zwei Wochen bleiben. Aber wenn du lieber auswärts oder bei einem von uns essen willst, kann ich das verstehen.«
Sie geht gar nicht weiter auf meine Worte ein, sondern begutachtet die Schränke unter der Holzplatte, öffnet eine Tür nach der anderen, in denen sich Geschirr und alles Mögliche befindet.
»Du hast also schon vorgesorgt«, schwärmt sie, als sie den Kühlschrank öffnet.
»Natürlich.«
Während sie vor sich hin grinst, weil ich alle Zutaten für ihr Lieblingsgericht besorgt habe, holt sie eine Flasche zu trinken heraus. »Ernsthaft?«, fragt sie die Flasche hochhaltend und prustet dann los.
»Ich dachte, falls wir Auflockerung brauchen«, sage ich beschämt, aber auch ehrlich. Auf einmal fühle ich mich so, als hätten wir unser erstes Date. Vielleicht auch ein wenig dahin zurückversetzt. Nicht ohne Grund habe ich genau das zu trinken geholt ...
»Du bist echt süß, Joe.«
Sie erhebt sich. Mit jedem Schritt, den sie an mich herankommt, beschleunigt sich mein Puls. Unfassbar, was sie nur mit mir anstellt. Sie greift meine mittlerweile erneut verschwitzten Hände, was sie offenbar überhaupt nicht zu stören scheint und beugt sich zu mir rüber. Ich überbrücke den letzten Abstand. Als würden die vielen Kohlensäurebläschen aus dem Getränk, was sie eben in der Hand hielt, freigesetzt werden, versetzen wir uns in einen explodierenden berauschenden Zustand, von dem ich immer mehr will.
Schwer atmend löst sie sich viel zu früh von mir. »Danke, Joe«, sagt sie, und ich weiß, was sie damit meint, dann greift sie die Melonen-Limonade hinter sich und schlendert sowohl amüsiert als auch sexy nach draußen. Sie macht mich noch kirre! Aber auf eine gute Weise.
Ich schnappe mir ebenso eine Limo und folge ihr hinaus. Sie hat sich bereits ein Plätzchen auf dem Sofa ausgesucht, was abseits des Stegs ist. Ich bleibe noch kurz in der Tür stehen und betrachte sie. Ja, sie ist es. Sie ist wunderbar, bezaubernd und so viel mehr. Darüber hinaus weiß sie wirklich, wie ich bin. Ohne dass ich es ihr sagen musste. Sie sieht mich.
Mit einem kleinen Abstand setze ich mich zu ihr. »Mara. Ich möchte es. Nicht nur diese zwei Wochen mit dir hier, sondern auch mein Leben mit dir verbringen. Und dazu gehört meine Vergangenheit mit allem. Das weiß ich. Es fällt mir nur so schwer. Nein, warte, lass mich bitte aussprechen. Die Luca bedeutet mir viel, das weißt du. Deswegen habe ich dich hierher eingeladen, um dir zu zeigen, wie wichtig es mir ist; wie ernst ich es meine. Ich weiß, dass du es ernst meinst. Es kann nur so sein, oder? Wärst du nicht sonst schon längst weg?«
Ich muss leicht auflachen, spreche dann aber schnell weiter. »Ich möchte in diesen zwei Wochen diese Reise mit dir begehen. Diese eine, von der du mir erzählt hast. Und bevor du fragst: Ja, ich bin mir sicher. Ich will es und ich will es mit dir. Falls du dich fragst, warum: Du weißt, wie es geht. Ich möchte mich durch dich leiten lassen, weil ich dir traue.« Ich atme noch einmal tief ein, bevor ich weiterspreche. »Ich habe mich entschieden und hoffe, dass du noch immer an Bord bist.« Ich schaue ihr in die Augen und frage dann: »Bleibt es?«
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