18 | Café und Meer
Irgendwann später weckt mich nicht die Sonne, sondern meine Blase. Und dagegen bin ich machtlos und keine Position kann mich davor retten. Egal wie gerne ich noch liegen bleiben wollen würde, es würde nicht gut enden. Ich werde – oder bin – also wirklich alt.
»Mara?«, frage ich leise nach.
Es folgt keine Reaktion. Mist! Sie liegt nach wie vor mit ihrem Kopf auf meiner Brust. Und mein Arm ist unter ihrem Körper.
»Mara?«, versuche ich es noch einmal. Doch es kommt wieder nichts von ihr zurück.
Daher habe ich keine andere Wahl, als Mara so behutsam wie es mir in der Eile möglich ist, von mir herunter zu bugsieren, um dann schleunigst auf die Toilette zu kommen.
Als ich die Tür des Badezimmers gerade polternd hinter mir schließe, höre ich ein Kichern. »Im Ernst?«, belustige ich mich über mich selbst. Sie ist also doch schon wach und hat mich eben nur im Glauben gelassen, dass sie noch schläft? Und ich bin darauf reingefallen ... Idiot!
Um einiges erleichterter – auch, weil ich es noch rechtzeitig geschafft habe – komme ich aus dem Bad heraus und hechte direkt zu ihr, um sie zu necken. »Das war echt gemein«, sage ich noch, bevor ich mir mit meiner einen Hand ihr beiden schnappe, sie festhalte, um sie mit meiner anderen Hand zu kitzeln.
»Joe ... Bitte ...«, fleht sie und ich lasse sie los, weil sie schon vor Lachen keuchen muss.
»Ich war echt kurz davor ... Na ja, du weißt schon.«
»Ich weiß«, amüsiert sie sich und streckt mir die Zunge heraus.
Ich erhasche mir einen Kuss und frage sie dann, ob sie ins Bad muss, weil ich mich sonst gleich frisch machen würde. Da sie verneint, begebe ich mich gleich wieder in die kleine Kabine und wasche mich. Von draußen meine ich vernehmen zu können, wie jemand vor sich hinflucht. Grinsend öffne ich die Badtür und linse hinaus. Mara scheint überfordert mit der Espressokanne oder mit dem Milchaufschäumer zu sein. Oder mit beidem oder auch etwas anderem. Wie hat sie es letztens hinbekommen?! Ich weiß gar nicht, ob ich das wissen will ...
»Wolltest du schon mal Frühstück für uns machen?« Mit einem Handtuch rubbele ich mich gerade trocken.
»Ich kann es auch lassen, der Anblick zumindest gefällt mir. Dafür lasse ich sogar mal einen Milchkaffee aus.« Sie scannt mich von oben bis unten mit ihrem Blick ab.
»Danke für das ... äh Kompliment, falls das eins sein sollte«, erwidere ich lachend. »Nicht, dass ich generell nicht wollte, aber ich habe eigentlich an was anderes gedacht.«
Da sie höchstinteressiert zu mir schaut und einen gewissen Blick dabei aufsetzt, muss ich sie leider enttäuschen und schnell gute Worte finden, was ja nicht unbedingt meine Stärke ist. »Das, was ich meinte, geht eher in eine komplett andere Richtung als Sex ... Äh. Aber wie ich eben schon sagte, nicht, dass ich generell ... äh ...« O Gott, ist das schwer, ihr einen Korb zu geben.
»Joe, komm mal runter. Ich habe es doch direkt kapiert. Ich zieh dich doch nur auf.«
Die Anspannung lässt sofort von mir ab. »Also daran musst du noch arbeiten«, sage ich aber.
»Wie bitte, was?«
»Ich erkenne überhaupt keinen Unterschied – manchmal zumindest – zwischen Ernst und Spaß.«
»Dann muss ich doch nicht daran arbeiten. Das ist doch der Sinn der Sache«, freut sie sich nun.
»Was? Du machst das also mit Absicht?« Ich ziehe sie zu mir heran und buddele meinen Kopf unterhalb ihres Halses ein. »Dann habe ich ja gar keine Chancen mehr«, sage ich mitleidig.
»Armer Joe«, spricht sie theatralisch aus und tätschelt mir meinen Rücken.
»Ganz richtig.« Ich ziehe ein tieftrauriges Gesicht – gespielt natürlich.
Das beeindruckt sie leider gar nicht. »Aber mal wieder zurück. Was wolltest du denn eigentlich sagen? An was hattest du gedacht?«, nimmt sie den Faden wieder auf.
Ich greife zu meiner Kleidung und ziehe ein Teil nach dem nächsten an, dabei erzähle ich ihr von meiner Idee, heute einen Rundum-Spaziergang zu machen und die Gegend zu erkunden. Das Wetter scheint schön zu sein und auch zu bleiben. Unterwegs könnten wir frühstücken. Immerhin bin ich doch nicht ohne Grund mit ihr hierher gefahren. Die Idee gefällt ihr. Während sie sich wäscht und neue Kleidung anzieht, beseitige ich ihre sogenannten Vorbereitungen und mache Klarschiff.
»Ganz normales Frühstück? Dann wüsste ich, wo wir hingehen könnten?«, frage ich sie, als wir uns auf dem Steg Richtung Promenade befinden.
»Ich folge dir, mein Reiseleiter.«
Obwohl diese Gegend zu unserer Stadt gehört, hat es einen ganz eigenen Charme hier. Es fühlt sich an, als wären wir ganz woanders; als wären wir wirklich im Urlaub. Ein freudiges Gefühl steigt dabei in mir auf, als wir die Promenade entlangschlendern und ich sehe, wie Mara sich mit einem breiten Lächeln im Gesicht umschaut.
Vor dem Café bleibe ich stehen und deute auf das Lokal, wobei ich ihre Mimik nicht aus den Augen lasse. »Wir sind da.«
»Café Mara?«
»Mara bedeutet am Meer.« Ein glücklicher Ausdruck legt sich über ihr Gesicht, sicherlich wusste sie um diese Bedeutung Bescheid, ebenso um die vielen weiteren ihres Namens. Ich finde alle passend zu ihr. Sie ist bittersüß, liebenswürdig und aufbrausend sowie beruhigend wie das Meer. »Wollen wir?«
Drinnen setzen wir uns an einen gemütlichen Ecktisch. »Hast du mich extra zu diesem Café geführt oder magst du es wirklich gerne?«, hakt sie neugierig nach.
»Ich bin echt gerne hier, aber natürlich wollte ich es dir auch nicht vorenthalten.«
Ganz in Ruhe genießen wir das Frühstück mit Ausblick auf das Meer in einer angenehmen Atmosphäre. Zwar sind viele der anderen Tische auch belegt, aber dennoch ist es nicht zu laut. Vielleicht liegt es daran, dass dieses Café nicht so frequentiert wird wie viele andere an der Promenade, dabei ist es gerade durch seine etwas Unscheinbarkeit auffallend und definitiv einen Besuch wert. Diese extra Schickimicki-Dinger brauche ich überhaupt nicht. Ich fühle mich wohl, wenn etwas noch nach dem aussieht, was es ist; wenn ich merke, dass etwas mit Liebe gemacht wurde.
»Wieso hat deine Bäckerei eigentlich keinen richtigen Namen?«
Mein Blick schweift über die hölzerne Vertäfelung zurück zu Mara. »Wie kommst du denn darauf?«
Ihr Gesicht verschwindet nun fast komplett in der breiten Tasse, weil sie mit meiner Antwort nicht gerechnet hat und es ihr wohl unangenehm ist.
»Aber was ist denn der offizielle Name?«, überwindet sich zu fragen.
»Der steht doch draußen dran«, gebe ich ihr den Tipp.
»Joes Bäckerei steht da, das ist mir schon klar. Ist das wirklich der offizielle Name?«
»Wieso nicht? Irgendetwas musste ich ja damals bei den Behörden angeben.«
»Und, wie bist du da mal drauf gekommen?«
»Eigentlich dadurch, das einige aus meinem Umfeld bereits vor der Eröffnung immer meinten: ›Dann können wir ja bald in Joes Bäckerei gehen.‹ Also ganz unspektakulär«, lasse ich sie wissen und muss grinsen.
»Ich finde das interessant. Du wusstest also schon vorher, dass du Gäste haben wirst. Ist doch eine tolle Anerkennung. Aber sicher mussten sie noch länger warten. Ich meine, so eine Planung nimmt bestimmt lange Zeit in Anspruch, oder?«
»Interessiert dich das wirklich? Ich will dich nicht langweilen.«
»Quatsch Joe. Du langweilst mich doch nicht. Außerdem habe ich dich gefragt.« Ihr mahnender Blick zeigt mir deutlich auf, dass ich es gut sein lassen soll; dass sie es ernst meint und ich mir nicht so viele Gedanken zu machen brauche.
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