Chào các bạn! Vì nhiều lý do từ nay Truyen2U chính thức đổi tên là Truyen247.Pro. Mong các bạn tiếp tục ủng hộ truy cập tên miền mới này nhé! Mãi yêu... ♥

8 - Ein Neubeginn

„Der Schatten eines Mannes ist besser als der Schatten einer Wand."

☆☆☆

Zwei Tage nach den Gesprächen fand die Vermählung statt.

Meine Mutter hatte mir zur Feier ihr eigenes Hochzeitskleid geschenkt, welches nun meinen Körper umhüllte. Es war von einem tiefen Schwarz, schön wie die Nacht und wies elegante silberne Stickereien am Saum auf. Der Gurt aus kleinen silbernen Plättchen, der sich um meine Taille spannte, machte fast den Anschein, dass ich aus einer wohlhabenden Familie stammen musste.

Um meinen Kopf wurde mir ein ebenso kunstvoll gesticktes Kopftuch gelegt und mein Gesicht wurde komplett mit einem Schleiertuch verdeckt.

Ich war froh um all die Schichten Stoff, denn damit konnte ich meinen Kummer verbergen.

Wir warteten vor unserem Lager, denn hier sollte ich vermählt werden. Es war Tradition, dass die Braut mit ihrem Bräutigam vor dem Zelt ihrer Eltern verheiratet werden sollte und er sie anschliessend fortbrachte.

Meine Mutter hatte ihren Arm in meinen eingehakt und sorgte dafür, dass ich nicht umkippte. Mir war vor Übelkeit schwindelig geworden und ich wusste wirklich nicht, ob ich bis zum Schluss durchhalten würde.

Wali kam alleine zur Feier, denn Verwandtschaft besass er keine in Jaradin. Seine Kinder lebten seit dem Tod seiner Gattin bei seinem Bruder in der Nähe von Kesh. Das hatte mir mein Vater verraten.

Wali war ein einsamer Mann mit insgesamt fünfundvierzig Ziegen.

Einzig der Gutsherr der Oase schloss sich der Zeremonie an. Er trug ein hellgraues, weites Gewand, das im trägen Wind flatterte. Er musste als offizieller Gast beiwohnen, denn er würde unsere Vermählung mit einem Wachssiegel versehen und im Archiv des Gutshauses registrieren, damit sie offiziell und unwiderruflich wurde.

Mein Bräutigam begrüsste uns mit netten Worten und setzte sich im Schneidersitz in den Sand. Dabei ächzte er, als fiele es ihm schwer, in seinem Alter die Beine noch so zu überkreuzen. Vermutlich machten ihm seine Gelenke zu schaffen.

Ich wurde von meiner Mutter an der Hand um die Feuerstelle gelotst und neben Wali gesetzt.

Ich hatte keinen Bissen vom Frühstück herunterbekommen, das mir meine Mutter bei Anbruch des Tages aus Sorge angeboten hatte, denn ich war so bleich um die Nase gewesen. Jedoch hatte ich kopfschüttelnd ablehnen müssen.

Das Zittern, das meinen Körper zwischenzeitlich erfasste, konnte ich nicht unterbinden. Sowohl meinen Eltern als auch Wali muss es bereits aufgefallen sein, welch schreckliche Angst ich hatte — auch wenn ich eigentlich keinen Grund dazu hatte. Es war, als reagierte mein Körper von alleine auf diese Situation.

Ich wollte eigentlich die Flucht ergreifen, doch ich konnte nicht.

Meine linke Hand lag auf meinem Knie und mir war bewusst, dass ich sie meinem Bräutigam eigentlich öffnen und anbieten müsste, damit die Zeremonie beginnen konnte. Doch alles in mir sträubte sich dagegen. Meine Finger lockerten sich nur widerwillig, als wären sie verkrampft.

Walis Hand legte sich auf meine. Mit leichtem Druck zwang er seine Finger zwischen meine und verkeilte sie ineinander. Ich biss meine Zähne fest zusammen und unterliess es, meinen Arm von ihm wegzureissen, denn das durfte ich nicht.

Ich drohte zu zerbrechen.

Vor Abneigung gerüttelt schloss ich die Augen, fokussierte mich auf mein Inneres — so wie es mir meine Freundin einst geraten hatte.

„Wenn um dich herum alles einzubrechen droht, dann richte dich nach innen. Deine Kraft ist das, was dich zusammenhält."

Ich meinte fast, Amelas Stimme in meinem Kopf zu hören. Die Erinnerung an sie war so lebendig, dass sich meine Atemzüge tatsächlich verlangsamten, während ich meine ganze Aufmerksamkeit auf meinen Herzschlag richtete.

Es schlug fest und fordernd im Käfig meiner Rippen und so versuchte ich, es mit Meditation zu beruhigen. Ich atmete ein und atmete aus. Meine Kraft strömte aus meiner Brust in meinen Bauch, in meine Beine, in meinen Kopf und es besänftigte mich.

Die Gewissheit, dass ich Stärke besass, liess die Furcht in meinem Herzen versickern.

Ich horchte tief in mich hinein, denn ich brauchte mehr.

Ich brauchte mehr von meiner Kraft, um diesen Tag, um dieses Schicksal zu überstehen. Meine Magie drang noch weiter in die Tiefen meiner Selbst und als ich schon glaubte, nichts mehr zu finden, nur diese unendliche Leere, die sich mit jedem Herzschlag weiter auszubreiten schien, da fand ich plötzlich Zuversicht.

Aber es war nicht meine.

Sie gehörte Zahir.

Es war seine Zuversicht, seine Hoffnung und seine Liebe, die ich in mir entdeckte. Jene, die er zu meinem Herzen geschickt hatte, bevor wir von der Zeit getrennt worden waren.

Ein Beben durchfuhr mich.

Ich hatte es vergessen! Ich hatte es komplett vergessen, dass er bis zum Schluss bei mir gewesen war. Seine Kraft hatte mich durch die Zeit begleitet, sich in meinem Herzen zu einer kleinen Kugel zusammengekauert und da war sie nun.

Sanft und beruhigend. So warm wie eine Hand voller Wüstensand.

Ein kleines Stück Heimat.

Zahir war bei mir, ich spürte es. Meine Kraft stupste die Überreste von seiner an und das sorgte dafür, dass sie sich zu regen begann.

Wärme strömte jäh durch meine Brust. Seine Wärme.

Sie gab mir Trost und Sicherheit und das war alles, was ich in dem Moment brauchte. Zu wissen, dass ein Teil von ihm noch immer bei mir war. Ich hüllte meine Kraft um seine und stellte mir vor, dass ich ihn umarmte.

„Najmah?", riss mich die Stimme meines Vaters aus meiner Meditation.

Kaum merklich schüttelte ich den Kopf und räusperte mich, um wieder im Hier und Jetzt anzukommen. „Ja, Baba?"

„Ich habe dich gefragt, ob du bereit bist?"

Ich atmete tief durch die Nase ein und blies die Luft durch meinen Mund aus. Wali drückte meine Hand. Aufmunternd. Seine Finger fühlten sich schwielig, schwer und rau an. Es war die Hand eines alten Mannes, die ich hielt. Die Hand des falschen Mannes. Und obwohl mich der Gedanke eigentlich mit Abscheu füllen sollte, tat es das nicht.

Ich trug meinen Mann in meinem Herzen. Für immer. Und das konnte mir keiner nehmen.

„Ja", hauchte ich schliesslich. „Ich bin bereit."

Mein Vater nickte und wickelte sodann die Schnur der Ehe um unsere verschmolzenen Handgelenke. Damit band er mich symbolisch an meinen Ehemann. Der Knoten wurde angezogen. Wir mussten so verharren, bis das Gelübde ausgesprochen war.

„Dieses neue Band wird heute zwischen euch geknüpft", verkündete mein Vater. „Möge Altair über euer Bündnis wachen und euch mit einem langen, gemeinsamen Leben segnen. Möge Tulhaia ihre Gnade zeigen und euch sicher durch ihre Täler und Dünen leiten. Möge die Liebe zwischen euch wachsen, so langsam und stetig, aber robust und widerstandsfähig wie eine Wüstenrose."

Die Stimme meines Vaters bebte. Er nahm unsere verkeilten Hände in seine und drückte sie noch fester aneinander, sodass keine Luft mehr dazwischen passte.

Er blickte meinem Bräutigam in die Augen.

„Ich gebe dir, Wali Mansour meine einzige Tochter, Najmah Armina Beduni", sagte er und schluckte dabei schwer. Er kämpfte mit den Gefühlen, das sah ich so deutlich. „Hüte sie wie deinen eigenen Augapfel und sie wird dein sein, bis an dein Lebensende."

„Das werde ich. Die Wüste ist meine Zeugin", murmelte Wali den Spruch, der unsere Heirat besiegelte.

Dann richtete mein Vater seinen gläsernen Blick auf mich.

„Und du, mein Kind, mein Blut. Höre auf deinen Mann, denn aus ihm spricht die Weisheit und dir wird kein Unglück geschehen, bis an dein Lebensende."

„Das werde ich. Die Wüste ist meine Zeugin", flüsterte ich mit einem unglaublich grossen Kloss in meinem Hals.

Der warme Kern in meinem Herzen schien bei den Worten anzuwachsen. Es war, als ob mir Zahir sagte, dass es in Ordnung sei. Er würde mir beistehen.

„Dann schreitet von nun an zusammen durchs Leben, selbst wenn diese Schnur von euren Armen fallen wird, so soll dieses Bündnis euch auf ewig binden."

Es war vollbracht.

Ich gehörte fortan Wali Mansour.

Dieser senkte den Kopf und ich tat es ihm gleich. Als wir uns wieder aufsetzten, schenkte mein Vater Tee ein, den er mit meinem Ehemann trinken sollte. Als Zeichen der Freundschaft.

Die Schultern meines Vaters wirkten etwas steif. Meine Mutter, die direkt hinter ihm sass und alles schweigend mitverfolgt hatte, schniefte laut. Während die Männer den Tee schlürften, füllte allein das Bimmeln der Ziegenglöckchen die Stille, die sich wie ein Totentuch über unser Zeltlager gelegt hatte.

Es war, als läuteten sie mein neues Leben ein.

☆☆☆

Der erneute Abschied von meinen Eltern war nüchtern, denn so verlangte es der Brauch.

Wali sollte mich an der Hand, an welcher wir zusammengebunden waren, aus dem Zuhause meiner Eltern führen und mich zu seinem Zelt bringen. Dort würden wir die Schnur von unseren Handgelenken trennen und fortan ein Leben als Eheleute führen.

Meine Mutter drückte mir einen Kuss auf die Stirn und hielt mich etwas zu lange in ihren Armen, dabei flüsterte sie mir liebevolle Worte zu, die ich allerdings nur entfernt wahrnahm. Mein Vater legte seine grosse Hand auf meine Schulter und hielt mich ein letztes Mal fest. Er suchte meine Augen und fand sie hinter dem halb transparenten Schleiertuch.

„Wenn es die Wüste will, werden wir uns wiedersehen, Tochter", sagte er.

Dann verabschiedeten sie sich von meinem nun neuen Ehemann und liessen uns gehen.

Ich blickte nicht mehr zurück, denn es würde ihnen bloss ihre Herzen zerreissen. So oder so hätten sie mich gehen lassen müssen. Ob ich nun in der Wüste beinahe verschwunden war oder nicht — es machte keinen Unterschied mehr, denn nun schritt ich wieder den Weg meiner Bestimmung hinab, quer über das Hirsefeld des Bauern, auf dessen Land meine Eltern schon viel zu lange gesiedelt hatten, die Strasse hinunter, der ich vor dreihundert Sternrotationen mit Zahir entlang geschritten war, als er und sein Bruder mich sicher hierher gebracht hatten.

Mit meinem Hand auf dem Herzen folgte ich meinem neuen Ehemann durch die Oase. Das Gefühl, dass Zahir ganz nahe bei mir war, liess mich nicht los und brachte es sogar zustande, dass sich ein fast unsichtbares Lächeln auf meinen Lippen bildete. An das würde ich mich für immer festhalten.

Den Weg zu Walis Zelt merkte ich mir nicht. Aus den Augenwinkeln vernahm ich ein paar dickstämmige Palmen, unter deren Schatten ein grosses Zelt aufgebaut worden war. Etliche Ziegen zupften und knabberten genüsslich meckernd an den naheliegenden Sträuchern. Auch ihre Glöckchen klingelten mit jeder Bewegung.

„Hier sind wir", verkündete Wali und drehte sich zu mir um.

Er hob die Hand, die mit meiner über unser Seil der Ehe verbunden war in die Höhe und löste den Knoten. Ich liess ihn augenblicklich los, als die Schnur zu Boden fiel und wischte mir die Handfläche an meinem Kleid ab.

Etwas starr verharrte ich an Ort und Stelle und liess meinen Blick über sein Heim gleiten. Das Zelt war etwa gleich gross wie jenes meiner Eltern und glich einem typischen Kasbahrenzelt. Eine kleine Feuerstelle direkt vor dem Eingang war mit Teppichen drapiert worden und bei genauem Hinschauen erkannte ich ein edles Muster. Eine zarte Wüstenrose war in den dunklen Stoff gewoben worden und lenkte meine ganze Aufmerksamkeit auf sich.

Wali streckte seine Hand aus und deutete in sein Zelt. „Bitte", raunte er. „Lass uns im Zelt miteinander sprechen."

Ich formte die Hand auf meiner Brust zu einer Faust und liess sie sinken. Zahirs Wärme starb mit dem fehlenden Kontakt augenblicklich ab und hinterliess abermals dieses merkwürdige Gefühl pochender Leere.

„Natürlich", krächzte ich, duckte mich und trat hinein, als Wali die Zeltplane für mich zur Seite schob.

Das Zelt meines Ehemannes war äusserst schlicht eingerichtet und ich vermutete, dass er sich über die Zeit von Dingen getrennt hatte, die er und seine Frau nicht mehr gebraucht hatten. Wer mit viel Balast reiste, reiste beschwerlich, das war eine einfache Grundregel der Kasbahra. Dennoch gab es einzelne Nomaden, die es sich nicht nehmen konnten, besonders viele Haushaltsgegenstände zu besitzen.

Nicht so bei Wali.

Auf dem Boden lagen zwei Matten ausgebreitet, die in der Nacht als unsere Schlafstätten dienen sollten. In meinem Magen verkrampfte sie alles, als ich den winzigen Abstand zwischen den beiden Betten registrierte. Wir würden direkt nebeneinander schlafen, keine zwei Schritte würden uns voneinander trennen.

Mein Blick huschte zu meinem Mann, der nach mir ins Zelt getreten war.

„Willkommen in meinem bescheidenen Reich", murmelte er und machte eine wischende Handbewegung durch den Innenraum, die den Messingkessel, die silberne Teekanne, die zwei Kissen und die Decken aus Ziegenhaar mit einschloss. „Ich besitze nicht besonders viel, aber dafür habe ich viele Ziegen."

Ich nickte gedankenverloren und trat vorsichtig in die Mitte. Der Part, der jetzt kam, würde mich Überwindung kosten, weil er für die Kasbahren so viel bedeutete: Die Enthüllung der Braut.

Sobald der Mann sie in sein Heim eingeladen hatte, war es ihre Pflicht, ihre Verschleierung abzulegen, damit er endlich sehen konnte, wen er geheiratet hatte. Für viele Männer war das der grosse Augenblick. Obschon mir Wali nicht den Eindruck gegeben hatte, sich um mein Aussehen gross zu kümmern, würde ich erst dann wirklich wissen, welche Sorte Mann er war, wenn ich diesen Schleier ablegte.

„Bitte, fühl dich wie Zuhause", meinte Wali und deutete auf die Matte am Boden.

Er schien entweder komplett vergessen zu haben, dass in dem Moment eigentlich die Enthüllung meines Gesichtes anstand, oder es schien ihn tatsächlich nicht zu interessieren. Dennoch wollte ich ihm diesen Respekt zollen.

Ich hob mein Schleiertuch über den Kopf und enthüllte als erstes meine Augen, wohl bewusst, dass sie vom wenigen Schlaf und vom vielen Weinen geschwollen sein mussten. Gleich darauffolgend schob ich mein Gesichtstuch vom Mund und schenkte ihm somit einen vollständigen Blick auf mein Antlitz.

Meine Lippen liessen sich nicht zu einem Lächeln abringen. Sie blieben fest zu einer schmalen Linie zusammengepresst.

Wali sog hörbar die Luft ein, als er mir direkt in die Augen blickte und die Konturen meines Gesichtes musterte. Seine Augen waren von einem milchigen Grau, wie Nebel, der am frühen Morgen über den Dünen hing.

„Es stimmt, was man sagt", raunte er. Ich runzelte die Stirn, denn ich verstand nicht, was er meinte. „Altairs Licht strahlt aus dir." Er trat näher heran, während seine Augen zwischen meinen hin und her schwenkten. Er begann zu lächeln. „So hell und kräftig, wie der kostbare Edelstein eines Prinzen", staunte er weiter.

Er schüttelte den Kopf wie im Unglaube. Schnell senkte ich die Lider, denn es war mir unangenehm, wie intensiv er mich anstarrte.

„Bitte verzeih mir", hauchte ich demütig. „Ich werde meinen Blick stets gesenkt halten, wenn du befürchtest, dass man—"

„Beim grossen Sultan, untersteh dich!", fiel mir Wali ins Wort.

Erschrocken über die Nachdrücklichkeit in seiner Stimme hob ich fragend den Kopf.

„Ich will eine Frau an meiner Seite, keinen treudoofen Hund", erklärte er. „Du wirst den Leuten, denen wir begegnen, gerade in die Augen blicken, ohne Scham und Furcht und ohne den Kopf zu neigen. Meine Frau hat sich vor Keinem zu fürchten. Hast du mich verstanden? Sie sollen dieses helle Licht sehen."

Ich biss mir auf die Unterlippe. „Man könnte mich bestrafen, wenn ich das tue."

Zehn Peitschenschläge. Ich konnte mich noch gut an die Sanktionen erinnern, denn ich hatte sie mit Sitty während meiner Reifung reichlich gepaukt. Zehn Peitschenschläge blühten, wenn eine verheiratete Frau einem fremden Mann zu lange in die Augen blickte. Fünf, wenn sie es wagte, einem Mann ins Wort zu fallen.

Wali schüttelte den Kopf. „Niemand wird dich bestrafen", sagte er. „Wir werden schon dafür sorgen, dass dir nichts passiert."

Ich blinzelte ihn leicht verunsichert an. Als Mann mochte er sich das zwar einfach vorstellen, dass man trotz strikter Regeln mit erhobenem Haupt durch die Menschenmengen marschieren konnte, denn er hatte nichts zu befürchten. Aber mir konnte ein böses Nachspiel drohen, wenn ich bloss den falschem Menschen über den Weg lief.

Wali schlurfte auf seine Matte zu und ich erwartete, dass er sich darauf niederknien würde, doch zu meiner Überraschung begann er, sie auszuklopfen.

„Es wird höchste Zeit, dass wir die Oase verlassen", meinte er, rollte die Matte zusammen und band sie mit einer Ziegenkordel fest. „Die Welt wartet da draussen auf uns, wir sollten nicht trödeln."

Perplex schaute ich ihm dabei zu, wie er begann, die zweite Matte auch zusammenzurollen. Er schien tatsächlich die Sachen packen zu wollen.

„Ich will heute noch aufbrechen", erklärte er. „Besser ist es, wenn wir hier nicht länger bleiben."

„Und ... und was ist mit dem Tee, den ich dir aufbrühen soll?"

Es gehörte zur Tradition, dass die Ehefrau ihrem Gatten als erste Amtshandlung einen kräftigen Tee kochte. Danach würden sie sich zur Vollziehung der Ehe ins gemeinsame Bett legen und—

Schnell schüttelte ich den Kopf, um diesen grässlichen Gedanken wegzujagen.

„Den Tee kannst du mir machen, wenn wir unseren Rastplatz für die Nacht gefunden haben", meinte Wali und räumte die Teekanne und das wenige Geschirr, das er besass, in einen Korb.

Ich blieb wie erstarrt stehen, denn meine eigenen Gedanken hielten mich gefangen. Wali hatte meinem Vater zwar versprochen, er würde mich nicht anfassen, doch die Möglichkeit bestand dennoch, dass er es sich plötzlich anders überlegt hatte. Er war schliesslich ein Mann und Männer waren instinktgetriebene Wesen — das hatte Sitty immer behauptet.

Wali hielt in der Bewegung inne, den Korb in seinen Händen und musterte mich von der Seite. Er bemerkte, wie ich versteinert dastand.

„Es würde mir niemals einfallen, dich zu nötigen, Najmah", sagte er, als hätte er meine Gedanken gelesen. Er klang beinahe beleidigt. „In meinem Alter habe ich längst die Vernunft entdeckt."

Ich schluckte schwer. „Aber ...", krächzte ich, „als Ehefrau ist es meine Pflicht, deine Zukunft zu sichern, indem ich dir—"

„Du wirst Kinder gebären", fiel mir Wali ins Wort und blickte mich ernst an, „aber nicht meine. Du wirst die Zukunft deiner eigenen Generation sichern und all jener, die danach folgen werden. Ich allerdings werde schon längst tot sein."

„Ich ... ich verstehe nicht."

Sein trüber Blick wurde milde. „Dein Leben wird meins überdauern und du wirst nochmal heiraten können — den Richtigen — und ihm deine Kinder schenken, wenn du es wünschst. Aber ich bin nicht dieser Jemand." Er zuckte mit den Schultern. „Ich bin bloss der alte Mann, der sich um die Rose kümmert. In den Genuss ihrer vollen Blüte wird ein Anderer kommen." Er machte eine kurze Pause. „Du sollst lediglich meine Gefährtin sein, Najmah. Das ist und bleibt alles, was ich von dir verlange."

Meine Hände schlangen sich um meinen Körper, denn ich hatte das arge Bedürfnis, mich selbst festzuhalten. Wollte er wirklich nur eine nette Partnerin, welche ihn bis an sein Lebensende begleitete? War das tatsächlich sein bescheidener Wunsch, für welchen er so viel Geld gezahlt hatte? Ich wollte es nicht glauben.

„Warum tust du das?", flüsterte ich.

Wali huschte ein Lächeln über die Lippen. „Weil es meine Bestimmung ist." Er stellte den Korb mit den Küchenutensilien auf den Boden, richtete sich auf und klatschte den Staub von seinen Händen. „Wir haben vorerst genug geredet. Jetzt hilf mir bitte beim Packen."

Ohne ihn weiter über seine fragwürdigen Beweggründe auszuquetschen, gehorchte ich seiner Bitte. Ich ging in die Knie und hob die Kissen vom Boden, strich den Staub vom Stoff und blickte mich fragend um, denn ich wusste nicht, wohin ich sie räumen sollte. Wali deutete auf einen Jutesack am Boden.

Ich half ihm, alles aufzuräumen und in Taschen und Körbe zu stopfen.

Wirklich viel zu packen gab es nicht und so hatten wir schnell alle seine Sachen verstaut. Fehlte nur noch der Abbau des Zeltes.

„Wohin gehen wir denn?", fragte ich, während ich die Spannhaken aus dem Boden zog und den Baumwollstoff des Zeltdaches in sich zusammensacken liess.

Wali entfernte den Mittelpfahl und so segelte das ganze Zelt zu Boden. Er stapfte vorsichtig darüber und faltete es zusammen.

„Wir reisen nach Kesh", antwortete er, ohne aufzublicken. 

--------------------

Hallo ihr Lieben

Endlich hat Najmah einen Mann. ;-) Ich hoffe, euch hat die kleine Hochzeitszeremonie gefallen.

 Warum hat es Wali bloss so eilig, um von der Oase wegzukommen?  Hmmm...

Und was denkt ihr, erwartet Najmah in der Handelsstadt im Westen?

Ich danke euch von Herzen fürs Lesen und wünsche euch ein schönes Wochenende! 

Ich versuche im Moment zu entscheiden, ob ich mit meiner post-apokalytischen Story am ONC teilnehmen soll... Habe mich noch nicht entschieden, denn um ehrlich zu sein, fällt es mir unheimlich schwer, kurze Geschichten zu schreiben xD (merkt man ja schon wieder an der unerträglichen Länge dieses Kapitels...) Naja, mal sehen.

Wir schreiben uns ❤️

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro