Kapitel 19 || Madelyn
Als ich aufwache fällt mein Blick sofort auf den schlafenden River. Lächelnd strecke ich meine Hand aus und streiche ihm vorsichtig die Haare aus der Stirn. Er sieht wieder so unglaublich friedvoll aus, genau wie am See. Noch nie habe ich diesen Gesichtsausdruck an ihm gesehen, als er wach war. Vielleicht genieße ich es deshalb so, einfach nur dazuliegen und ihn anzusehen.
Meine Gedanken wandern zu unserem gestrigen Gespräch. Daran, dass ich mich ihm zu hundert Prozent geöffnet habe. Ich bereue es keinesfalls, auch wenn ich mir seine Reaktion ein bisschen anders gewünscht habe. Aber ich dachte mir eigentlich schon, dass er erstmal am Verzweifeln ist.
Wenn ich daran denke, dass ich noch vor nicht mal zwei Wochen, bei unserem Ausflug an den See, so geblockt habe und gesagt habe, dass ich überhaupt keine Beziehung mit ihm will, muss ich fast lachen. Erstens aus Glück, weil ich mich jetzt endlich getraut habe zu öffnen und sich das einfach so gut anfühlt. Und zweitens aus purer Belustigung, weil das natürlich eine Lüge war. Ich wollte damals schon irgendwie sowas wie eine Beziehung, aber ich habe es mir selbst ausgeredet. Und jetzt? Ich weiß immer noch nicht, ob das die beste Idee ist, aber sie fühlt sich nun mal am besten an. Und das zählt.
In diesem Moment schlägt River die Augen auf und sofort liegt ein Lächeln auf seinen Lippen. »Guten Morgen, Guapa.« Seine Stimme ist noch rau vom Schlaf, aber ich mag den Klang.
Ich mag auch, dass er mich Guapa nennt. Es fühlt sich toll an, von jemanden ein eigenes Kosewort zu bekommen. »Guten Morgen, Guapo«, witzle ich und er lacht leise.
»Wie hast du geschlafen?«, will er wissen und schiebt die Decke von seinem Körper.
»Besser als in meinem eigenen Bett«, gebe ich ehrlich zu und richte mich auf. Zum Glück hatte ich gestern nur meine Jogginghose und den Pulli an. In diesen Klamotten konnte ich ganz gemütlich schlafen, ohne dass mich diese Mitbewohnerin wieder umziehen musste. Bei dem ironischen Gang meiner Gedanken muss ich grinsen.
»Was gibt's zu grinsen?«, fragt River sofort und steht vom Sofa auf.
Ich zucke mit den Schultern. »Ich musste an das letzte Mal denken, wo ich hier geschlafen habe.«
Er runzelt die Stirn. »Das war so lustig?«
Ich lache leise. »Wie auch immer. Gibt's Frühstück?« Erwartungsvoll springe ich auf und laufe motiviert in die Küche. Sonntagsfrühstücke sind sowieso die besten.
River folgt mir und als ich mich zu ihm umdrehe, sehe ich das Schmunzeln auf seinen Lippen. »Auf was hast du denn Lust?« Er geht auf den Kühlschrank zu und öffnet ihn. »Ich könnte dir ... eine offene Dose Mais, abgelaufenen Apfelmus oder Jackies veganes irgendwas anbieten.«
Der Kühlschrank ist tatsächlich nicht gerade reichlich bestückt, was ich feststelle, als ich an ihm vorbeilinse. Bei uns ist er immer rappelvoll – hauptsächlich mit gesundem Zeugs und Diätshakes.
River läuft zu einem der Hängeschränke. »Ich hätte da auch noch hartes Brot zur Auswahl. Oder ... ich hab etwas gefunden!« Triumphierend hält er mir eine Packung Spaghetti unter die Nase. »Hattest du schon einmal Nudeln zum Frühstück? Wenn nicht hast du etwas verpasst.«
Ich grinse. »Nein, das hatte ich tatsächlich noch nie.«
»Dann weißt du, was wir jetzt essen werden«, erklärt er mich sachlich und befüllt einen Topf mit Wasser, welchen er auf den Herd stellt. Dann findet er doch tatsächlich noch eine Dose Tomatensoße, welche er ebenfalls erhitzt.
Ich decke den Tisch und als unser improvisatorisches Frühstück fertig ist, stürzen wir uns hungrig darauf.
Nudeln zum Frühstück haben tatsächlich einen Reiz, was ich nicht gedacht hätte. Aber es ist so. Vielleicht aber auch nur, weil River sie gemacht hat.
»Meintest du das eigentlich ernst gestern? Dass du einfach von hier weglaufen willst?«, fragt dieser jetzt und sieht mich über den Rand seines Wasserglases hinweg an.
»Meintest du es denn ernst, dass du mitkommen würdet?«, stelle ich die Gegenfrage und bringe ihn so kurz aus dem Kontext.
Doch dann nickt er. »Ja, ich schätze schon.«
»Na dann. Ja, ich meinte das ernst«, sage ich und lasse meine Gabel sinken. »Also? Was sagst du?«
Er lächelt. »Okay. Und wo geht es hin?«
»Ich will ans Meer«, entscheide ich wie aus der Pistole geschossen. »Und dann will ich unter freiem Himmel am Strand schlafen. Über uns der Sternenhimmel. Ja, das will ich.«
Sein Lächeln wird noch breiter. »Das hört sich schön an.«
»Ich weiß.«
Schweigend essen wir weiter. Als wir fertig sind räumen wir unser Geschirr in die Spülmaschine und wischen den Tisch.
In dem Moment betritt Austin die Küche und grinst uns an. »Guten Morgen, meine liebsten Projektpartner«, flötet er und River zeigt ihm den Mittelfinger.
»Was habt ihr die ganze Zeit mit diesem Projektpartner-Gefasel?«, frage ich ihn.
River und Austin lachen beide. »Ich habe ihm das letzte Mal als du hier warst gesagt, dass du nur meine Projektpartnerin bist«, erklärt River.
Ich ziehe eine Braue hoch. »Nur eine Projektpartnerin also. Gut zu wissen.« Ich presse amüsiert die Lippen zusammen.
»Das war bevor ...« River unterbricht und räuspert sich.
Sofort macht mein Herz einen hoffungsvollen Sprung und ich drehe mich zu ihm. »Bevor?«
Er seufzt. »Bevor letzter Nacht«, sagt er leise und mein Herz dreht nun vollständig durch.
»Was war denn letzte Nacht?«, fragt Austin gut gelaunt und geht zum Kühlschrank, knallt ihn aber gleich wieder zu, als er merkt, dass nichts drinnen ist.
River lacht nur. »Nichts.«
Austin zuckt nur mit den Schultern. »Wieso gibt's hier nie etwas essbares?!«
»Weil du diese Woche mit dem Einkaufen dran warst«, entgegnet River trocken und wird von Austin mit einem strengen Blick gestraft.
»Dann nehme ich eben eure restlichen Nudeln mit ins Zimmer«, meint er und packt den Topf.
»Und warum willst du im Zimmer essen?«, melde ich mich wieder zu Wort, auch wenn es mich eigentlich nichts angeht. Aber ich will irgendetwas sagen. »Ich meine, wir können auch aus der Küche, wenn du deine Ruhe willst.«
Austin grinst mich an. »Das wird nicht nötig sein. In meinem Zimmer wartet jemand«, erklärt er fröhlich und geht auf die Tür zu.
Ich reiße perplex die Brauen hoch, aber River nimmt das ganz gelassen auf, als würde er das schon kennen.
»Lass mich raten, es ist Pherb?«, kommentiert er belustigt.
»So ist es«, erwidert Austin, reckt den Daumen in die Höhe und verschwindet.
»Pherb? Wie Finneas und Pherb?«, wiederhole ich verwirrt.
»Pherb ist durchaus ein richtiger Name.« River lacht leise. »Aber ja, wenn du es so sagen willst.«
»Ich wusste gar nicht, dass Austin ...«
»Dass er schwul ist? Du kannst es ruhig sagen, er hat natürlich kein Problem damit. Er ist schon geouted seit er vierzehn ist«, erklärt mir River und ich staune nicht schlecht.
Wie kann man mit vierzehn schon wissen, was man will? Das ist wirklich bewundernswert. Ich habe mit vierzehn noch überhaupt kein Plan gehabt, von nichts.
»Also? Fahren wir heute ans Meer und übernachten unter dem Sternenhimmel?«, holt mich River aus meinen Gedanken.
Mit großen Augen sehe ich ihn an. »Jetzt ... jetzt ehrlich?«
Er nickt.
Freude wallt in mir auf und ich quietsche aufgeregt auf. Grinsend und jubelnd renne ich auf ihn zu und springe ihm in die Arme.
Erst ist er ziemlich verblüfft – genau wie ich, um ehrlich zu sein –, doch dann schlingt er die Arme um meinen Rücken und schmiegt seine Wange in mein Haar. Eine Weile bleiben wir so stehen und ich werde von seinem wunderbaren Duft umnebelt.
Dieser schöne Moment findet ein jähes Ende, als es mehrere Male lange an der Türe klingelt.
Verwundert schaut River in den Flur. »Wieso klingelt jemand um elf Uhr morgens an einem Sonntag?« Stutzig lässt er mich los und geht auf die Türe zu. Ich folge ihm. »Hallo?«, meldet er sich.
»River! Wir sind's!«, ruft eine weibliche Stimme.
Er runzelt die Stirn und schaut erschrocken zu mir. »Was wollt ihr denn hier?«
»Weißt du es nicht mehr? Heute ist Seriensonntag«, ruft eine männliche Stimme von unten.
Verwirrt schaue ich zu River, der ebenfalls keine Ahnung hat, was er genau machen soll.
»Ja ... ähm, das geht heute nicht«, sagt er schließlich und kurz herrscht Stille.
»Jetzt mach schon auf und rede nicht so einen Mist«, meint eine dritte, weibliche Stimme.
Resigniert betätigt River den Türsummer und dreht sich zu mir. »Es tut mir leid. Das sind meine Freunde. Ich habe es total vergessen. Aber keine Sorge, wir fahren heute trotzdem los.« Er lächelt mich versprechend an und ich nicke.
Ehrlich gesagt finde ich es ziemlich spannend, seine Freunde kennenzulernen.
River öffnet die Wohnungstür – keine Minute zu spät, denn es kommen gerade drei Menschen die Treppe hochgelaufen. Ganz vorne ist ein großgewachsener, etwas schlaksiger Junge mit schwarzen, kurzen Haaren, großen, braunen Augen, dunkler Haut und einem frechen Grinsen auf dem Gesicht. Hinter ihm kommt ein kleines, kurviges Mädchen mit schulterlangen, blonden Haaren zum Vorschein. Sie hat helle, beinahe weiße Haut, große, blaue Augen und rosige, volle Lippen. Als letztes erscheint ein großes, schlankes Mädchen mit braunen, gewellten Haare, olivfarbener Haut, braunen Augen und zusammengepresstem Mund. Sie scheint eher griesgrämig zu sein, während die andern beiden gegenseitig um die Wette strahlen.
»River, Kumpel!«, ruft der Typ und betritt die Wohnung. Als er mich erblickt, reißt er verwundert die Augen auf, dann grinst er breit. »Na, wen haben wir denn da?«
»Ähm ...«, stottere ich etwas hilflos und schiele zu River, der die Situation sofort unter seine Kontrolle bringt.
»Das ist Madelyn. Madelyn, das ist Louis«, stellt er uns gegenseitig vor und Louis wackelt vielsagend mit den Brauen.
»Freut mich.« Er grinst breit.
»Gleichfalls«, murmle ich etwas eingeschüchtert.
»Ist das die Tussi von der Privatschule?«, meldet sich das brünette Mädchen mit dem griesgrämigen Blick und mustert mich abschätzig.
Empört sauge ich die Luft ein. »Also, hör mal, dass –«
»Was?«, unterbricht sie mich, »Stimmt es oder stimmt es nicht?« Sie stellt sich genau gegenüber von mir hin und verschränkt die Arme vor der Brust.
»Ja, ich bin von der Privatschule und nein, ich bin keine Tussi«, entgegne ich und verschränke ebenfalls die Arme vor der Brust.
»Das sagen alle Tussis«, zischt sie.
»Ach, ja? Hört sich so an, als wärst du mit dem ganzen Tussi-Kram vertraut. Vielleicht weil du selbst eine bist?«, feuere ich zurück. Ich kenne dieses Mädchen keine fünf Minuten und schon bringt sie mich auf die Palme.
Wir duellieren uns für einen Moment mit unseren Blicken, dann geht River dazwischen. »Okay, das reicht jetzt.« Er packt das Mädchen sanft am Arm, sodass sie ihn ansieht. Ihr Blick ist beinahe hasserfüllt.
Ich runzle die Stirn. Und das sind Freunde?
River räuspert sich unbehaglich. »Das ist Kenzie.«
Kenzie verdreht schnaubend die Augen und verschwindet in der Küche.
»Was hat sie?«, frage ich und blicke ihr hinterher.
»Eigentlich ist sie lieb«, schaltet sich nun das zweite Mädchen ein. Ich drehe den Kopf zu ihr und sie lächelt mich breit an. »Hey, ich bin Mia.«
Mia ist mir eindeutig sympathischer als Kenzie und ich erwidere ihr Lächeln erfreut.
»Aber River hat irgendetwas super fieses angestellt«, fährt Mia fort und streift River mit einem halbstrengen Blick.
Er zuckt hilflos mit den Schultern und macht abwehrenden Handbewegungen. »Da ist nichts passiert, es –«
»Sie hat gesagt, ihr habt euch geküsst«, unterbricht ihn Louis und sofort gefriert mir das Blut in den Adern.
Mir wird seltsam schlecht und ich habe das Gefühl, dass sich mein Magen im nächsten Moment umdreht. Dann steigt eine seltsame Kälte in mir auf, die sich im nächsten Moment in Wut für Kenzie und River umwandelt. Eifersucht. Ich empfinde rasende Eifersucht.
Rivers Blick wandert augenblicklich zu mir und auf seinem Gesicht liegt ein seltsamer Ausdruck. Teils reuevoll, teils entschuldigend. Ich schaue weg.
»Louis, dein Ernst?« Mia schaut empört zu ihm und deutet vielsagend mit dem Kopf auf mich. Doch Louis zuckt nur mit den Schultern.
»Schon gut, Mia«, sage ich und lächle sie an. Ich habe wirklich keine Lust, dass sie mich jetzt versucht zu verschonen und mit Samthandschuhen anfasst.
»Ich ...«, River verstummt und deutet unbeholfen hinter sich. »Ich guck nach ihr.«
»Ja, dass solltest du ganz dringend.« Mia wedelt mit der Hand.
Rivers Blick sucht meinen, aber ich lasse es nicht zu. Also verschwindet er wortlos in der Küche.
Eine Weile stehen wir drei etwas verloren nebeneinander, bis Louis »jemand Lust auf Serien?« in die Stille sagt und wir uns in Rivers Zimmer verdrücken.
Statt eine Serie anzufangen laufen wir alle aber nur wie aufgescheuchte Hühner im Zimmer auf und ab und versuchen, Gesprächsfetzen aus der Küche aufzufangen. Doch leider ist diese am anderen Ende des Flures und so verstehen wir so gut wie gar nichts.
Frustriert lässt sich Mia auf Rivers Bett fallen. »Was brauchen die denn so lange?«
»Vielleicht hat er sie voll verletzt«, wirft Louis ein.
»Vielleicht auch sie ihn?«, stelle ich mich sofort auf Rivers Seite und bereue meine Worte augenblicklich.
»Ist da jemand eifersüchtig?«, entgegnet er sofort und ich werfe aus einem Impuls heraus ein Kissen nach ihm.
»Ach, halt die Klappe.«
Er lacht bloß. Irgendwie mag ich ihn.
»Ich bin so sauer auf die beiden.« Mia stöhnt genervt auf und sofort liegt meine Aufmerksamkeit auf ihr. »Sie zerstören seit Wochen unsere Gruppendynamik, indem sie sich nur anschweigen. Und anfangs wollte niemand sagen, was los ist. Mein Gott bin ich froh, dass sie endlich aus dem Knick gekommen sind und miteinander reden.«
»Was ist denn genau zwischen den beiden gelaufen?«, frage ich und setzte mich zu Mia aufs Bett.
Sie zuckt mit den Schultern. »Wie ich River kenne eigentlich nicht so viel, er steht nicht so auf den ganzen Liebeskram.«
»Ich weiß«, entgegne ich verbittert.
Mia sieht mich mitleidig an. »Er hat viele Probleme, verstehst du? Er kann sich nicht leicht öffnen und – ach, was soll's, ich glaube, das weißt du alles selbst.«
Ich nicke etwas betrübt. Ja, das weiß ich definitiv.
»Jetzt erzähl mal«, Louis kommt ebenfalls zu uns aufs Bett geklettert, »wie habt ihr euch kennen gelernt?«
Unbewusst muss ich lächeln und sofort grinsen mich beide breit und blöd an, als sie das bemerken. Ich verdrehe die Augen. »Es war das Wochenende vor seinem Schulwechsel. Wir haben uns vor dem Club gesehen und dann –«
»Wart mal kurz«, unterbricht mich Louis ungläubig. »Du warst dieses Mädchen, das er die ganze Zeit angestarrt hat? Und ich habe auch noch zu ihm gesagt, dass du in einer ganz anderen Liga spielst. Aber da habe ich mich wohl getäuscht.«
Ich lache etwas beschämt auf. »Jedenfalls war er dann am Montag darauf plötzlich auf meiner Schule.«
»Zufall? Oder Schicksal?« Mia wackelt mit den Braunen und ich rolle die Augen.
»Und ihr? Wie habt ihr euch alle kennengelernt?«, will ich interessiert wissen.
»Wir kennen uns seit wir Kinder sind. Waren zusammen in der Grundschule und haben uns dort als Gruppe richtig befreundet. Seitdem hat sich eigentlich nichts geändert«, beantwortet Mia.
»Naja, außer, dass die beiden Idioten in der Küche das vielleicht zerstört haben«, wirft Louis trocken ein uns kurz senkt sich bedrückende Stille über uns.
»Sei nicht immer so ein Pessimist«, meint Mia dann und Louis zuckt nur mit den Schultern.
Weitere zehn Minuten vergehen, in denen wir einfach nur untätig auf dem Bett herumlungern. Kurzzeitig bekomme ich Angst, dass sie über einander hergefallen sind und es deshalb so lange geht. Aber diesen Gedanken verdränge ich genauso schnell, wie er kommt. Wahrscheinlich haben sie einfach nur ein langes, intensives Gespräch. Einfach nur ein Gespräch, einfach nur ein Gespräch, ein Gespräch ...
Ich erhebe mich ruckartig vom Bett und laufe unruhig im Zimmer hin und her, während ich mir an den Nägeln kaue. Louis und Mia beginnen, leise miteinander zu tuscheln, aber ich kann sie nicht verstehen. Vielleicht beratschlagen sie gerade, ob sie einfach wie wild in die Küche stürmen sollen. Zumindest beratschlage ich das gerade mit mir selbst.
Aber anscheinend sind sie zu dem Ergebnis gekommen, hier zu bleiben, denn kurze Zeit später ist es wieder still im Zimmer. Nur meine Schritte und unser Atem sind zu hören.
»Du machst mich ganz verrückt«, sagt Mia irgendwann zu mir und ich seufze laut.
»Es tut mir leid, aber –«
»Sie reden nur, Madelyn. Okay? Ich kenne River. Und ich weiß, dass er dich mag. Dass er dich sogar sehr mag. Und wenn er einmal Leute ins Herz geschlossen hat, dann tut er alles dafür, sie nicht zu verletzten. Wahrscheinlich redet er deshalb so lange mit Kenzie. Um es wieder gerade zu bügeln.«
Ich seufze laut uns ausgiebig und ignoriere, dass mir kurz warm wird, als sie erwähnt, dass er mich sogar sehr mag. Kopfschüttelnd gehe ich auf das Bett zu und werfe mich wieder darauf. »Eigentlich hatten wir heute echt spannendere Dinge vor.«
»Es gibt also schon ein wir?«, lacht Louis und grinst mich an.
Zum x-ten Mal, seit die beiden um mich herum sind, verdrehe ich die Augen, aber grinse ebenfalls.
Irgendwie genieße ich diesen lockeren, amüsierten Umgang. Es ist ganz anders, als wenn ich mit meinen Freunden rede, die ich mittlerweile eigentlich alle abgeschrieben habe. Obwohl wir uns kaum kennen, fühlt sich das viel unkomplizierter und einfacher an, als all die Jahre, die ich mit den falschen Leuten verschwendet habe. Und dieser Fakt lässt mich staunen. Ich glaube, dass ist die Art, wie Freunde miteinander umgehen. Locker, entspannt, mit einem Lächeln auf den Lippen. Nicht so verkrampft und einsilbig wie es bei mir sonst immer der Fall war.
Ich möchte unbedingt mehr davon.
Ich brauche mehr davon.
So eine Freundschaft will ich führen und ich hoffe einfach, dass mir das irgendwann gelingt.
»Was hattet ihr denn vor?«, fragt Mia nun.
»Wir wollten ans Meer fahren und –«
In diesem Moment wird die Tür aufgerissen und River gefolgt von Kenzie betreten den Raum. Ihre Gesichter sehen müde und fertig aus, auf Kenzies Wangen schimmern Tränen.
»Tut mir leid, dass ihr so lange warten musstet«, sagt River leise, aber schaut dabei nur mich an. In seinem Blick liegt ein flehender Ausdruck. Ich erwidere ihn und lächle leicht, was River gleich weniger besorgt aussehen lässt.
»Ist schon okay. Wir konnten Madelyn besser kennenlernen. Sie ist echt in Ordnung«, erwidert Louis und grinst mich frech an.
»Nur in Ordnung?«, hake ich gespielt empört nach, was ihn zum Lachen bringt.
»Es ist ja echt super, dass ihr euch so wunderbar versteht. Aber können wir jetzt gehen? Offensichtlich wird das nichts mehr mit unserem Serienmarathon heute.« Kenzie ist gereizt und wenn Blicke töten könnten, dann wäre ich jetzt sowas von mausetot.
»Komm runter, Ken.« Louis geht zu ihr und berührt sanft ihren Arm. Aber das scheint sie nur noch rasender zu machen.
»Nein, ich komme nicht runter! Im Gegenteil, ich bin so richtig oben, okay? Weißt du warum? Weil River ein Mistkerl ist und dieses fremde Mädchen ist alles andere als in Ordnung!«, ruft sie zornig und schüttelt Louis Arm ab.
»Kenzie, wir haben das doch eben alles geklärt, ich –«
»Nur, weil wir es geklärt haben, heißt das nicht, dass du plötzlich kein Mistkerl mehr bist«, unterbricht sie River wütend.
Er zuckt merkbar etwas zusammen und zieht den Kopf ein. Ihre Worte müssen ihn mehr treffen, als er zugibt.
»Wir gehen jetzt, Kenzie.« Bestimmt packt Mia sie und Louis am Arm und schleift sie auf den Flur hinaus, bis zur Haustür. »Also dann!«, ruft sie uns zu, dann wirft sie die Türe hinter ihnen ins Schloss. Natürlich nicht ohne, dass Kenzie mir noch einmal einen erbosten Todesblick zuwirft.
Und dann sind River und ich wieder alleine.
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