Kapitel 18 || River
Am liebsten würde ich mich genau jetzt in mein Auto setzten und Rory abholen gehen. Sie endlich aus der Wohnung mit meiner Mom herausholen und sie hierherbringen. Damit sie endlich in Sicherheit ist. Aber natürlich erlaubt sie es mir nicht.
»River«, spricht sie beruhigend in den Telefonhörer, »du kommst jetzt nicht her, hörst du?«
Ich seufze tief und unterdrücke den Drang, einfach los zu schreien. »Ich sollte aber kommen, Rory. Sie hat schon wieder getrunken. Du bist nicht diejenige, die sich um sie kümmern muss, verstehst du? Sie braucht wieder einmal professionelle Hilfe.«
»Ich habe schon mit der Leiterin der Selbsthilfegruppe telefoniert.« Die Stimme meiner Schwester ist leiser als zuvor.
Ich schnaube. »Verdammt, Rory! Das ist nicht deine Aufgabe, ich kümmere mich darum, verstanden?«
Diesmal ist sie diejenige, die schnaubt. »Ich bin kein kleines Kind mehr, River. Ich kann mich auch um so etwas kümmern, okay? Sie braucht meine Hilfe und ich helfe gerne. Aber du ... du machst es nur, weil du mir damit die Arbeit abnimmst und nicht, weil du es für sie tust. Und das ist ja auch toll, aber ich will nicht, dass dir diese Aufgaben zu Last fallen. Für mich sind sie keine Lasten.« Sie verstummt und ich schlucke hart.
»Rory ...«
»Ist schon gut, River. Du musst dich nicht dafür entschuldigen, dass deine Liebe für sie kaum noch da ist. Ich verstehe es irgendwie«, erwidert sie leise und kurz bildet sich Stille zwischen uns.
Ich klemme mir den Hörer zwischen Schulter und Ohr, sodass ich meine Hände frei habe, und hantiere an der Chipspackung herum, die Austin vorhin vom Einkaufen mitgebracht hat. »Aber das stimmt so gar nicht«, sage ich schließlich und schütte die Chips in eine Schüssel. »Ich ... ich liebe sie auf irgendeine Weise. Immerhin ist sie auch meine Mutter, Rory. Aber ... ja, du hast irgendwie recht.« Ich seufze laut und greife mit der Hand in die Schüssel.
»Was machst du da eigentlich?«, will sie wissen.
»Ich esse Chips«, erkläre ich mit vollem Mund.
Sie lacht leise, dann seufzt sie. »Ich hatte ewig keine Chips.«
Erneut brandet Wut in mir auf. »Soll ich dich abholen? Gib zu, dass es bei euch kaum etwas Essbares gibt. Hier gibt es reichlich ... ähm ... nun ja, es gibt reichlich Chips.«
Wieder lacht sie und der Ton lässt mein Herz aufgehen. Meine Schwester lacht viel zu selten und wenn sie es tut, will ich am liebsten, dass sie nie wieder damit aufhört. »Nein, River. Ich bleibe hier. Und außerdem gibt es hier reichlich ... Dosenravioli.«
»Lecker«, kommentiere ich, dann lachen wir beide. »Ich meins ernst, Rory, ich hole dich ab.« Meine Stimme ist wieder ernst.
In diesem Moment klingelt es an der Tür.
»Austin, mach du auf!«, brülle ich in den Flur, aber es bleibt alles stumm und ruhig. Also stehe ich seufzend auf und schlurfe in den Flur.
»Lass es gut sein, River. Kümmere du dich lieber mal um den Besuch«, meldet sich Rory wieder zu Wort.
»Es ist bestimmt nur der Postbote«, beharre ich. Dieser kommt beinahe fast jeden Tag hier vorbei und bringt neue Glitzerkostüme oder Schuhe für Jackie. Seufzend lehne ich mich zur Freisprechanlage. »Hallo?«
»River, ich bin's.«
Ich verschlucke mich an den Chipskrümeln und starre verblüfft und hustend auf die geschlossene Tür. Was macht Madelyn bloß hier?
»Der Postbote, was?«, flötet Rory und ich schüttle langsam den Kopf, bis ich merke, dass sie es gar nicht sehen kann.
»Ach, sei still, kleine Schwester.«
Sie lacht nur.
»River, bist du noch da?«, meldet sich Madelyn wieder von unten.
»Ja, entschuldige.« Ich betätige den Türsummer und frage mich noch immer fieberhaft, was zum Teufel sie hier will.
»Also dann, ich mache Schluss.«
Hektisch drücke ich das Handy fester an mein Ohr. »Nein, Rory, warte, ich komme dich abholen ...« Wütend stelle ich fest, dass sie einfach aufgelegt hat. Frustriet stecke ich das Handy in meine Hosentasche und warte darauf, dass Madelyn hier oben ankommt.
Wenige Augenblicke später steht sie vor mir im offenen Türrahmen und sieht mich lächelnd an. »Hey.«
»Hey?«
Ohne noch ein Wort zu sagen, schiebt sie sich an mir vorbei und geht schnurstracks in die Küche. Dort lässt sie sich auf dem Stuhl nieder, wo ich noch vor wenigen Minuten gesessen habe, und bedient sich wie selbstverständlich an den Chips.
Ich mustere sie verstohlen. Sie trägt eine graue Jogginghose und einen überdimensionalen Pulli. Noch nie habe ich sie in solch einfachen Kleidern gesehen, aber sogar diese schlabbrigen Stoffdinger stehen ihr. Schweigend lasse ich mich auf den Stuhl ihr gegenüber nieder und beobachte sie, wie sie die Chips in sich hinein stopft. »Was tust du hier?«
Augenblicklich hält sie inne und sieht zu mir auf. »Ich wusste nicht, wo ich sonst hingehen sollte«, berichtet sie und zuckt mit den Schultern.
»Warum konntest du nicht zuhause bleiben?« Ich ziehe fragend die Brauen hoch.
Zu meinem Erstaunen lacht sie laut. »Gute Frage.« Sie wischt sich Lachtränen aus den Augenwinkeln und ich werde immer verwirrter.
Was geht hier vor sich?
»Ich hatte ziemlichen Stress mit meinen Eltern, weißt du«, sagt sie, als sie mit dem Lachen fertig ist. Das verwundert mich. »Ich habe ihnen gesagt, was ich von ihnen halte.« Sie zuckt mit den Schultern.
»Was meinst du damit, Mads?«, hake ich nach.
»Ich meine, dass ich mir in Zukunft nichts mehr von ihnen sagen lasse. Ich werde in Zukunft meine eigenen Entscheidungen treffen.« Mit einem Mal schwebt ihr Gesicht direkt vor meinem und sie schaut mich mit ihren wunderschönen Augen an.
Auf meiner Haut bildet sich sofort ein Kribbeln und ich atme stockend ein. »Das ist mutig.«
Sie nickt. »Ich weiß.« Ihr Blick fällt auf meine Lippen. Dann lächelt sie kurz und sieht mir erneut in die Augen. Im nächsten Moment ist ihr Gesicht wieder weiter von mir entfernt.
»Aber warum hast du das getan?«, will ich wissen und lehne mich ein Stück zu ihr.
Gedankenverloren starrt sie in die Chipsschüssel. »Das war schon so lange überfällig, River. Ich ... ich fühle mich endlich frei.« Sie lächelt mich an und dieses Lächeln ist so schön, dass irgendetwas in meinem Bauch herumflattert.
Sagt man nicht, dass einem dann erst Schmetterlinge im Bauch herumfliegen, wenn man verliebt ist? Aber ich bin nicht in sie verliebt. Ja, ich fühle Dinge, wenn ich sie ansehe. Aber ... verliebt? Nein. Verdammt, ich glaube doch nicht mal an die Liebe. Außerdem klappt es gerade ganz gut, mit ihr befreundet zu sein. Es ist einfach. Und ich weiß, dass es ganz und gar nicht einfach wäre, wenn ich ihr meine komischen Gefühle anvertraue. Denn – wie wir beide wissen – haben wir aus den verschiedensten Gründen keine Chance, auf so etwas wie eine Beziehung. Wir würden uns nur alles kaputt machen. Außerdem will ich keine Beziehung. Eigentlich. Aber mit ihr ...
Ich stoppe meine Gedanken flüchtig und versuche sie, in die hinterste Kammer meines Hirns zu verbannen. »Was hast du ihnen gesagt, Mads?«, frage ich vorsichtig nach und hoffe, damit nicht zu weit gegangen zu sein.
Aber sie nimmt die Frage ganz locker auf und zuckt mit den Schultern. »Erst war Gabriella da. Sie hat gesagt, dass ich mich verändert habe. Dass ich früher nie widersprochen habe. Sie meinte«, sie sieht mich mit einem seltsam intensiven Blick an, »dass es an dir liegt.«
Ich ziehe scharf die Luft ein. »Wieso sollte –«
»Naja, irgendwie hat sie ja auch recht. Ich meine, seit ich dich kenne, geht es mir irgendwie besser. Du hast mir in bestimmten Dingen die Augen geöffnet, ohne, dass du es weißt.«
Verwundert lege ich den Kopf schief. »Das musst du mir nun schon genauer erklären.« Unsere Blicke verhaken sich miteinander und ein angenehmes, warmes Gefühl macht sich in meinem Körper breit. Eine Weile herrscht Stille zwischen uns und wir beide verlieren uns in den Augen des anderen.
Dann räuspert sie sich leise und nickt. Sie löst unsere Blickverbindung. »Okay. Also, als Beispiel. Weißt du noch, damals vor dem Club, als wir uns das erste Mal gesehen haben?«
Sofort nicke ich. Wie könnte ich das vergessen? Sofort hat sie all meine Aufmerksamkeit auf sich gerissen, ohne überhaupt etwas zu tun, außer mich anzusehen. Auch damals haben sich unsere Blicke auf diese seltsame, intensive Art und Weise mit einander verhakt. Und obwohl mindesten zwei Dutzend Menschen zwischen uns standen, habe ich mich ihr doch so nah gefühlt, als stände sie genau vor mir.
»Jedenfalls sagten meine Freunde damals komische Dinge. Dinge, denen ich nicht zustimmte. Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich ihnen lauthals widersprochen wollte. Klar, es gab in der Vergangenheit hin und wieder Momente, in denen ich mit ihnen nicht einer Meinung war. Aber das war nie so wichtig, als dass ich es gesagt hätte.« Sie schnaubt. »Generell war nie etwas so wichtig, als dass ich etwas gesagt hätte. Eigentlich war ich immer still.« Sie seufzt tief und aus einem plötzlichen Instinkt heraus greife ich nach ihrer Hand.
Sofort schaut sie mich an, auf den Lippen ein dankbares Lächeln. Ich lächle ebenfalls und streiche sanft mit dem Daumen über ihren Handrücken. Dabei frage ich mich, warum es sich so unglaublich gut und natürlich anfühlt, ihre Hand zu halten. Es ist einfach so, als hätte ich nie etwas anderes gemacht. Als hätte ich mein ganzes Leben lang immer nur ihre Hand gehalten.
»Sie sagten ziemlich fiese Dinge über die Leute vor dem Club, wo du auch dabei warst. Sachen, die ich hier wirklich nicht wiederholen will. Aber im Gesamtbild nahmen sie euch quasi als Dreck wahr und fühlten sich selbst so viel besser.« Wieder seufzt sie und schaut einen Moment lang auf unsere verschränkten Hände hinab. »Das war das erste Mal, dass ich mich mit ihnen in Kreise außerhalb von reichen Leute bewegte, verstehst du? Deswegen gab es zuvor auch nie solche Kommentare von ihnen. Wir besuchten erst ein paar Monate diesen Club und zuvor war der Platz davor immer leer.« Sie hält inne.
»Alles okay?«, frage ich sanft.
Sie nickt hastig und räuspert sich. »In mir sträubte sich alles gegen das, was sie sagten. Ich habe es so schlimm gefunden, dass sie sich selbst wie Götter hinstellten. Als wären sie so viel mehr wert. Aber ich habe es ihnen nicht gesagt. Ein kleiner Teil von mir war irgendwie auch mit ihnen teilweise dieser Meinung. Immerhin bin ich mit genau dieser erzogen worden und ich dachte, man muss so denken. Aber dann...« Sie sieht mich an und lächelt wieder.
Und wieder einmal merke ich, wie sehr ich dieses Lächeln liebe. Immer breitet sich dieses helle Strahlen auf ihrem Gesicht aus und ihre Augen beginnen zu leuchten. Meinetwegen könnte sie mich den ganzen Tag so anlächeln.
»Und dann?« Erwartungsvoll sehe ich sie an.
»Dann habe ich dich kennengelernt, River. Und du hast mich davon überzeugt, dass es nicht stimmt, was sie sagen. Nein, wir sind keinesfalls besser, nur weil wir viel Geld besitzen. Was ist das überhaupt für eine Messung? Wieso geht es immer nur um Macht und Geld? Kommt es nicht mehr darauf an, wie die Person hier drinnen ist?« Sie streckt die Hand aus und legt sie auf meine Brust, genau da, wo sich mein Herz befindet.
Genau dieses rast jetzt in einer schnellen Geschwindigkeit, dank ihrer Berührung. Ich bin sicher, sie merkt das, aber sie kommentiert es nicht. Darüber bin ich ihr irgendwie dankbar.
»Ich bin deiner Meinung«, sage ich leise.
Sie lächelt erneut. »Weißt du noch, der Tag, als wir auf dem Schuldach standen?«
Natürlich weiß ich das auch noch. Ich glaube, ich könnte nichts vergessen, was sie betrifft. Sie stand dort und hat mit der Wintersonne um die Wette gestrahlt. Und ich stand da wie ein Idiot und habe sie beobachtet.
»Damals habe ich das erste Mal wirkliche Freiheit gespürt. Dank dir«, sie grinst mich an und zieht – leider – ihre Hand von meiner Brust zurück, »und durch dich und deine Lebensweise, dadurch, dass ich nun wusste, dass nicht alles stimmt, was meine Freunde sagen und dass sie in so vielem Unrecht haben, war ich entschlossen, ihnen endlich zu widersprechen. Ich wollte endlich ich sein.«
»Bist du das jetzt?«
Sie zuckt schwach mit den Schultern. »Ich schätze, ich bin auf dem Weg dorthin.«
Kurz herrscht wieder Stille zwischen uns.
»Und heute, als Gabriella da war, habe ich ihr widersprochen. Ich habe ihr gesagt, dass ich keine Lust mehr darauf habe, immer nur zu allem ja und amen zu sagen, nur, weil es von mir verlangt wird. Sie hat alles auf dich geschoben, aber natürlich nicht in der guten Weise, wie ich eben. Und ich ... ich habe ihr eine Backpfeife gegeben.« Etwas beschämt lacht sie auf und ich reiße verblüfft die Augen auf.
Doch dann breitet sich ein kleines, triumphierendes Lächeln auf meinen Lippen aus, dass ich krampfhaft versuche, zu verbergen.
»Ich habe es genau gesehen, gib dir ja keine Mühe, es zu verstecken«, lacht sie und ich grinse stumm. »Freu dich nicht darüber, dass ist nicht gut fürs Karma.«
Ich lache leise. »Wenn es ums Karma geht, hätte ich wirklich früher damit anfangen sollen.«
Sie lacht ebenfalls kurz und tritt mich leicht unter dem Tisch. »Du bist fies.«
»Bin ich hier derjenige, der Leute backpfeift, Guapa?«, erwidere ich grinsend und sie verdreht die Augen.
»Jedenfalls bin ich dann zu meinen Eltern gegangen und habe ihnen gesagt, dass ich ab jetzt meine eigenen Entscheidungen treffe. Und das ich kein durchgeplantes Leben will, sondern ein Leben, welches ich auch wirklich leben kann. Die beiden haben ganz schön dumm geguckt, aber es hat sich lange nichts mehr so richtig angefühlt, wie das.«
Irgendwie bin ich ziemlich stolz auf sie. Verdammt stolz sogar. Jeder Blinde hat erkannt, dass sie nie wirklich glücklich war. Naja, jeder Blinde außer ihre Freunde. Und ihre Eltern. Dann sind die wohl einfach doppelt blind oder verblendet von ihrem Geld oder ihrer Macht.
»Und jetzt?«, frage ich lächelnd und stütze meinen Kopf auf meinen Händen ab. »Was passiert jetzt in deinem ganz neuen Leben?«
Sie lacht. »Meine Eltern hassen mich jetzt bestimmt. Und sie wollen mit Sicherheit, dass ich irgendwelche Tabletten nehme, weil sie denken, dass das hier nur eine rebellische Phase ist.« Sie seufzt schwer und zuckt mit den Schultern.
»Eine rebellische Phase?« Ich schnaube. Was sind das eigentlich für Eltern?
»Aber andererseits fälle ich nun meine eigenen Entscheidungen. Das ist es mir wert.« Sie sieht mich lange an und ich bekomme eine prickelnde Gänsehaut.
»Und ... was ist deine erste eigene Entscheidung?« Ich schlucke. Meine Stimme ist plötzlich viel leiser als noch vor wenigen Augenblicken.
Eine Weile sieht sie mich einfach nur stumm an und scheint mit sich zu ringen, ob sie den nächsten Satz wirklich aussprechen will. Doch dann wirkt sie entschlossen. »Meine erste Entscheidung ist, dir zu sagen, dass ich Freundschaft sowas von dämlich finde.«
Mit einem Mal kommt es mir so vor, als wäre aller Sauerstoff aus dem Raum verschwunden und ich sehe sie mit offenem Mund an. »Was?«, bringe ich geradeso über die Lippen.
Sie seufzt. »Komm schon, River, du hast mich genau verstanden.«
Ja. Ja, verdammt, das habe ich. Und ich habe absolut keine Ahnung, was ich darauf erwidern soll. Ich meine, ja, ich finde Freundschaft auch irgendwie dämlich. Aber ... aber ich kann und will keine Beziehung.
Verwirrt und unruhig stehe ich auf und laufe in der Küche auf und ab. Dabei raufe ich mir die Haare und schüttle den Kopf. »Was ist mit deinen Gründen passiert, dass niemals eine Beziehung zwischen uns entstehen könnte? Ich dachte, du willst nicht, dass ich in dein Leben trete? Und deine Eltern? Vor ein paar Tagen war dir ihre Meinung noch sehr wichtig.«
Sie bleibt erstaunlich still. Vielleicht, weil sie sich das alles hier genauestens überlegt hat. »Die Meinung meiner Eltern ist mir mittlerweile egal, wie ich gerade gesagt habe. Ich will dich eigentlich immer noch nicht in mein Leben mit hineinziehen, ja. Aber ich bin zu einem Entschluss gekommen. Und zwar, dass es deine Entscheidung ist, ob du in mein Leben willst oder nicht. Ich kann dich zwar warnen, dass es kompliziert ist, aber die Entscheidung liegt einzig und allein bei dir. Und wenn du dich dazu entscheidest und es zu viel für dich ist, dann ist es eben so. Aber ich will mir selbst nicht mehr verbieten, dich eintreten zu lassen, weil es deine Entscheidung ist, ob du wirklich eintreten willst oder nicht. Vielleicht habe ich dir deswegen auch das alles eben erzählt. Ich will dich teilhaben lassen. Aber nur, wenn du es möchtest. Außerdem muss es nicht gleich eine Beziehung sein, River.« Erwartungsvoll sieht sie mich an.
Ihre Worte ergeben Sinn, so viel Sinn, wie ich mir selbst eingestehen muss. Und trotzdem hindert mich eine unsichtbare Mauer in mir daran, ihr Angebot anzunehmen. Wieder raufe ich mir die Haare. »Okay, dann hast du eben deine Gründe über Bord geworfen. Aber hast du daran an mich gedacht? Du wirfst mich einfach so ins kalte Wasser, ohne daran zu denken, wie ich reagiere.«
Sie verschränkt die Arme vor der Brust. »Das stimmt überhaupt nicht. Ich hatte in keinerlei Weise vor, dich unvorbereitet ins kalte Wasser zu werfen. Ich weiß, dass das jetzt ziemlich viel für dich ist. Und ich erwarte auf gar keinen Fall, dass du sofort eine Antwort für mich hast. Aber ich wollte dir es nun mal sagen. Oder hätte ich es nicht tun sollen?«
Ich halte in der Bewegung inne und schließe kurz die Augen. Als ich sie wieder öffne, steht sich plötzlich ebenfalls und sieht mich stumm an. »Doch, ich bin froh, dass du es gesagt hast«, wispere ich und gehe näher zu ihr. Dann greife ich nach ihren Händen. »Aber ich habe keine Ahnung, ob ich wirklich darauf eingehen kann, Mads.«
»Warum? Weil du nicht an die Liebe glaubst? Okay, damit kann ich leben, solange ich dafür dich bekomme.« Gegen Ende hin gleicht ihre Stimme nur noch einem Flüstern.
Mein Herz macht einen Sprung und ich atme zittrig aus. »Mads ich ...«
»Schon gut«, sagt sie leise. »Es ist okay.« Sie löst eine Hand aus meinem Griff und streckt sie aus. Damit berührt sie nun mein Gesicht und lächelt mich schwach an.
Unbewusst schmiege ich mich an ihre Handinnenfläche und seufze wohlig aus. »Es tut mir leid, Ma – «
»Entschuldige dich nicht für Dinge, die dir in der Vergangenheit passiert sind«, unterbricht sie mich lächelt.
Ich erwidere das Lächeln und einen Moment bleiben wir so stehen, ohne uns zu rühren.
»Kann ich heute Nacht hier bleiben?«, fragt Madelyn schließlich leise.
Ich nicke überschwänglich. »Ja, natürlich.« Vorsichtig schiebe ich ihre Hand von meiner Wange. »Und jetzt lass uns etwas lustiges machen.«
Sie lacht leise. »Gerne.«
Ich schnappe mir die Schüssel mit den Chips und wir setzten uns ins Wohnzimmer, auf das Sofa. Wir entscheiden uns dazu, die Serie Friends zu gucken und ich staune darüber, dass sie beinahe jedes Wort von einem der Charaktere auswendig mitsprechen kann.
Am Ende unseres Serienmarathons liegen wir beiden lachend und mit vollen Mägen auf dem Sofa. Als ich zu ihr herüberblinzle, sehe ich, dass ihre Augen schon beinahe zugefallen sind.
Ich stehe auf und hole die Ersatzdecke aus dem Schrank, beziehe sie schnell und lege sie über sie. Gerade, als ich das Zimmer verlassen will, greift sie nach meinem Arm und schaut mich schläfrig an.
»Bleibst du hier?«
Wieder dieses Flattern in meinem Magen. »Okay.« Schnell hole ich meine Decke aus meinem Zimmer und lege mich zu ihr aufs Sofa. Zum Glück ist dieses breit und ich war so schlau, es schon vorhin auszufahren.
»Weißt du was? Ich laufe einfach weg«, murmelt sie, schon fast im Halbschlaf.
Ich lächle. »Wohin?«
»Keine Ahnung. Willst du mitkommen?«
»Ja«, sage ich, ohne nachzudenken.
Perplex über meine Antwort schauen wir uns beide einen Moment lang, dann lächelt sie.
»Dann wird das so gemacht.«
»Was? Jetzt ehrlich?«
Sie zuckt mit den Schultern. »Warum nicht? Ich habe sowieso nichts mehr zu verlieren.«
»Ich auch nicht«, erwidere ich.
Lächelnd schließt sie die Augen und ist wenige Minuten später eingeschlafen.
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