Fortschritte
Entgegen all meiner Erwartungen, schwieg Michi. Kein einziges Wort Drang über ihre geschlossenen Lippen. Was ich zugegebenermaßen besorgniserregender fand, als wenn sie mir erneut eine Szene gemacht hätte.
Diese stille ließ den Takt meines Herzens in die Höhe schnellen. Ihr Blick war Starr gegen Boden gerichtet. Nervös zwirbelte ich eine meiner Strähnen und hoffte sie würde ihr schweigen endlich brechen. Doch das tat sie nicht.
Schweigend zog sie ihre Sandalen aus und stand auf. Perplex sah ich ihr entgegen. Sie schien auf mich zu warten. Prüfte sie meine Gedanken? Meine Erinnerungen? Ob ich ihr tatsächlich die Wahrheit gesagt hatte? Auch ich schlüpfte schnell aus meinen Schuhen und stand auf. Das dumpfe kribbeln des Grases unter meinen Füßen, ärgerte mich erneut. Diese Gefühlssache ging mir tierisch auf die Nerven. Es fühlte sich falsch an. Etwas, was ich schleunigst ändern musste.
Ich schloss zu ihr auf und sie setzte sich in Bewegung.
„Du hast entgegen all unserer Empfehlungen gehandelt. Du hast dich mit deinem Rivalen verbunden, dich sogar in ihn verliebt. Und trotzdem habt ihr es als einzige geschafft", flüsterte sie und sah mir zum ersten Mal wieder in die Augen.
Ich wollte protestieren, doch dies hatte keinen Sinn ergeben. Sie kannte meine Gedanken ganz genau. Und nun da sie es ausgesprochen hatte, erkannte ich die Wahrheit dahinter. Ich hatte mich in Taryn verliebt. In den Feind, zumindest wenn man an gut und böse glaubt.
„Ich, ja. Michi hör mal, ich halte nicht's von Unterschieden. Für mich sind alle gleich. Nur weil jemand auf der Seite der Hölle ist, bedeutet dies nicht, dass er oder sie zwangsläufig böse ist. Dieser jemand hat in seinem Leben die falschen Entscheidungen getroffen, so wie Taryn. Einige wurden dazu gezwungen, nicht jeder wächst wohl behütet auf so wie wir. Ich möchte nur, dass du verstehst warum ich mich gegen eure Empfehlungen entschieden habe", sprudelte es aus mir heraus.
Sie sah mich immer noch an, während ich plötzlich Stiche unter meinen Füßen spürte. Schmerz, die Dornen spürte ich sehr intensiv. Der Schmerz war wirklich eine der ersten Empfindungen. Was mich erneut ärgerte.
„Du musst dich mir gegenüber nicht rechtfertigen Inessa. Wie man sieht, hatten wir alle unrecht. Wir sind so geprägt auf gut und böse, dass niemand überhaupt daran gedacht hat, zusammen zu Arbeiten. Auch wenn es gerade nicht so aussieht, ich freue mich über deinen Erfolg. Ehrlich. Doch du musst auf deine Seele achten. Das da zeigt, wie schnell sie sich wandeln kann", sprach sie, nahm meinen Arm und tippte auf das Wort Aufmüpfig.
Natürlich wusste ich das sie recht hatte. Doch ich befürchtete, dass je mehr ich mich auf Taryn und die Zusammenarbeit einlassen würde, meine Seele sich schneller wandelte als mir lieb war.
„Ich weiß was du meinst. Und ja, ich habe auch Angst davor. Aber die Zusammenarbeit scheint der richtige Weg zu sein. Vielleicht solltet ihr alle mal darüber nachdenken", nickte ich ihr zu und sah, wie sie überlegte.
Michi schien wirklich abzuwägen. Was mich irgendwie auch freute. Denn ich wollte sie weiter an meiner Seite wissen.
„Ich frage mich nur, warum euch bei eurer Aufgabe alle wahrgenommen haben. Laut den Aussagen der Unterweiser ist dies nicht möglich. Ich hoffe es stellt sich am Ende nicht als Fehler heraus", flüsterte sie die letzten Worte.
Darüber hatte ich mir den ganzen Tag den Kopf zerbrochen. Allmählich kam mir jedoch der Gedanke, dass sie alle hier oben genau Bescheid wussten. Dass sie uns testeten. Dass es tatsächlich nicht mehr als ein Spiel war. Eine Unterhaltung für die Bosse, denn die Unendlichkeit ist lange, irgendwie musste man sich die Zeit ja vertreiben. Wenn dies wirklich so war, fände ich das uns allen gegenüber einfach nur gemein.
„Das hoffe ich auch. Doch wenn wir es nicht versuchen, finden wir es niemals heraus. Möchtest du für den Rest der Unendlichkeit hier in der Seelenschmiede verweilen? Für immer? Tag für Tag das selbe? Irgendwann sind wir dann alle so abgebrüht und mürrisch wie Steve. So habe ich mir das Leben nach dem Tod nicht vorgestellt", redete ich weiter.
Unter meinen Füßen tat sich etwas. Ich spürte etwas sanftes. Ein kitzeln. Federn. Ich konnte sie richtig fühlen. Mein Herz schlug schneller. Ich blieb stehen und bewegte meine Zehen. Michi sah mich derweil erstaunt an.
„Du fühlst sie?! So richtig?!", quickte sie mit ihrer hellen Stimme und ich nickte ihr lächelnd zu.
Ich genoss diese Empfindung in vollen Zügen. Das erste mal seit ich hier war, war es keine dumpfe Berührung. Kein dumpfes kribbeln. Es war echt.
„Wow, Inessa. Allmählich machst du mir Angst. In Ordnung, ich werde es versuchen. Ob meine Rivalin jedoch am selben Strang zieht, wage ich zu bezweifeln. Gale ist, wie soll ich es ausdrücken, die Teufelin höchstpersönlich", verdrehte Michi ihre Augen und begann zu kichern.
Ich stieg mit ein und war erleichtert, dass sie es versuchen wollte. Denn Michi gab mir halt. Sie war in dieser kurzen Zeit eine Freundin geworden und Freundschaften waren in der Ewigkeit wichtig. Zumindest redete ich mir das ein.
„Wir haben ein Buch gefunden. Taryn und ich", fiel mir ein und mein Herz erhöhte erneut seinen Takt.
„Ein Buch? Welches Buch?", gab Michi erstaunt von sich.
„Die Seelenschmiede. Es ist verschlossen. Man benötigt einen Schlüssel dafür. Ich würde nur Zugern wissen, was dort geschrieben steht", gab ich flüsternd von mir.
Erst jetzt bemerkte ich, dass ich den an Anhänger meines Geschenkes in meiner Hand umschlossen hielt. Erneut raste mein Herz. Als ich meine Hand öffnete, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich blickte auf den Ringförmigen Anhänger, in dessen Mitte die Perlmuttfarbene Perle eingefasst war. Nun erkannte ich auch die wellenförmigen Federn, welche in allen Richtungen sanft davon flossen. Dies war der Schlüssel, da war ich mir nun sicher.
„Du, das, das ist der Schlüssel, richtig? Das Geschenk des Erzengels ist der Schlüssel für dieses Buch", fiepte Michi aufgeregt und sah ihn sich genauer an.
„Ich glaube ja. Wenn dies so ist, wollte er dass wir das Buch finden. Er wollte das wir es lesen. Irgendwas sagt mir, dass wir dort finden, wonach wir suchen", hauchte ich ehrfürchtig und lies den Anhänger unter meinem Gewand verschwinden.
„Dann sollten wir nicht allzu lange damit warten. Ich werde nun über meinen Schatten springen und zu Gale gehen. Rede mit Taryn, lass uns nach dem Essen gemeinsam das Antiquariat aufsuchen", machte sie Kehrt und ging schnellen Schrittes zurück zur Bank. Dort schlüpfte sie in ihre Sandalen.
Ich tat es ihr gleich und nickte aufgeregt.
„In Ordnung. Versuche nett zu sein, auch wenn Gale es nicht ist. Wer weiß vielleicht stellt sich heraus, dass sie gar nicht so böse und gemein ist, wie du dachtest. Wir sehen uns im großen Saal", lächelte ich und ging davon.
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