
Kapitel 1: Mathew
Zwei Jahre zuvor
Ich irre durch die Straßen Londons, vorbei an kleinen, runtergekommenen Häusern, an Supermärkten, kleinen Läden und Cafés vorbei immer weiter in Richtung Themse.
Ich heiße Mathew und bin ein einfacher junger Mann, der in eher ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen ist. Meine Eltern waren kaum Zuhause und arbeiteten hart, um Geld für das Nötigste einzutreiben. Für Dinge wie Urlaub, Spielzeug oder anderes, fehlten meist die finanziellen Mittel, wobei ich weiß, dass meine Eltern immer ihr Bestes getan haben.
Wie jeden Tag, trage ich eine Hose aus Cordstoff, die mir schon seit Jahren nicht mehr über die Knöchel reicht. Außerdem ein verschmutztes weißes Baumwoll-T-Shirt und meine Lieblings Schiebermütze.
Ich habe mich schon früh für Literatur und Sprache interessiert. Sherlock Holmes war mein erstes Buch, dass ich mir damals in der Bibliothek ausgeliehen habe. Es ist bis heute eines meiner Lieblingsbücher. Ich liebe die spannenden Fälle, und die Genialität, mit welcher der Meisterdetektiv diese löst. Aber auch an den Romanen von Shakespeare, Jane Austen und anderen Klassikern, habe ich mit der Zeit Gefallen gefunden.
Mein größter Traum ist es selbst einmal Schriftsteller oder erfolgreicher Autor zu werden. Ich will, dass die ganze Welt mich kennt, meine Romane liest, und sich darüber austauscht. Davon bin jedoch noch mehr als weit entfernt.
Eigentlich währe ich im Studentenalter, doch vom studieren halte ich trotz meines relativ guten Schulabschlusses nicht viel. Ich bin der Meinung, dass künstlerischer Freiraum und Kreativität nicht in ein Haus voller Regeln und Bewertungen gezwängt werden sollten, vorbei ich die Universität als ein solches betrachte.
„Hey Math" tönt eine tiefe Stimme, als ich die Tür zu einer kleinen Bar öffne, in welcher ich mir manchmal ein bisschen Geld dazuverdiene. „Hi Blake, wie gehts?" antwortete ich der tiefen Stimme, die unverkennbar meinem alten Freund und zeitweisen Boss Blackie gehört. Währenddessen kämpfen meine Augen damit sich an die Dunkelheit des Pubs zu gewöhnen. „Gut. Mensch Alter, was machst du denn hier? Dich habe ich ja seit Wochen nicht gesehen, oder sind es Monate?" fragt Blake verwirrt, bricht aber in ein kleines Lachen aus, welches den ganzen Raum zum beben bringt.
Ich kenne Blake seit ich das erste Mal in seine Bar gestolpert war. Damals bin ich noch zur Schule gegangen und es hat geregnet wie aus Eimern. Zu diesem Zeitpunkt erschien er mir noch etwas mürrisch, ja es gab sogar Momente, in denen ich mich vor ihm fürchtete, wenn er mit seinem über zwei Meter hohem und nicht gerade schmalen Körper auf mich herabsah und mich aus dem Pub schmeißen wollte, weil ich ihm seinen ganzen Laden nass tropfte, aber tief in seinem Inneren ist Blake ein herzensguter Mensch, der über die Jahre zu einem echt guten Freund geworden ist.
„Ja, ist schon ein bisschen her, seit ich das letzte Mal hier war. Hatte viel zu tun." „Mit deiner Schriftstellerei was? Wie läufts denn so?" Blake ist der einzige Mensch, dem ich jemals von meinem großen Traum, Schriftsteller zu werden erzählt habe. Ich habe damals ein paar Gläser zu viel getrunken und ihm im Rausch von dieser Idee erzählt. Erst hielt er es für reine Spinnerei, aber als er erfuhr, dass ich schon einige kleine Geschichten geschrieben habe, wurde sein Interesse geweckt und von dort an wollte er jedes meiner Schriftstücke lesen. Mittlerweile glaube ich, dass er sich fast noch mehr wünscht als ich, dass es mit dem großen Erfolg endlich klappt.
„Ja, ich arbeite an einem neuen Buch, aber irgendwie gehen mir so langsam die Ideen aus. Ich weiß einfach nicht mehr worüber ich schreiben soll, damit die Verleger sich mein Manuskript wenigstens mal bis zum Ende durchlesen." Ich hatte schon unzählige Schriftstücke eingereicht, jedes Mal mit der Hoffnung auf Erfolg, aber in den meisten Fällen habe ich noch nicht mal eine Absage bekommen. „Hast wohl sowas wie ne Schreibblockade wie? Hab davon mal im Fernsehen gehört, scheint ganz schön übel zu sein.", hallt Blackies Stimme. „Wahrscheinlich bin ich einfach zu jung. Ich hab einfach zu wenig Lebenserfahrung um über diese ganzen tiefgründigen Sachen zu berichten, die ich selber noch nicht mal erlebt habe.", antworte ich resigniert und mache Blake mit einer Handbewegung klar, dass er mir doch bitte ein Bier einschenken möchte. Es ist zwar erst Mittag, aber ein bisschen Alkohol kann ich gerade ganz gut gebrauchen.
Blake stellt den Krug Weizenbier vor mir ab und blickt mir tief in die Augen. „Jetzt hör mir mal zu Math, du bist ein verdammt guter Schriftsteller, du erlebst bloß nichts. Zieh doch einfach mal los, mach dich auf den Weg in die Welt und erleb was, worüber du schreiben kannst."
Jetzt, wo mein bester Freund mir so nah ist, nehme ich den Geruch von Alkohol war, der schon zu dieser Tageszeit seinen Körper umgibt. Ich schätze Blackies Rat immer sehr, aber sein Alkoholproblem sollte er dringend in den Griff bekommen. Ich habe ihm schon mehrmals gesagt, dass er sich mal darum kümmern und eine Therapie machen soll, aber er erklärt mir jedesmal was für ein schlechter Wirt er wäre, wenn er nichts trinkt, und dass es sich nicht gehören würde, wenn er nicht mit seinen Gästen anstößt.
„Aber woher soll ich denn das Geld haben, um diese Reisen zu finanzieren. Du weißt, dass weder meine Eltern noch ich uns so etwas leisten können", komme ich wieder auf unsere Konversation zurück. Er nickt in Richtung seines Hinterzimmers, welches er als Pausenraum für Angestellte umfunktioniert hat. Und ehe ich mich versehe, trage ich eine Kellnerschürze auf der in neongrüner Schrift das Wort „Blackie's" eingestickt ist.
Als ich das erste Mal seit langem wieder die Küche betrete, treffe ich zu meiner Freude nicht den grimmigen James, sondern einen offensichtlich neuen, jungen Kollegen an, der sich über die Töpfe beugt und eine Art Suppe ab zu schmecken scheint. Ich gehe auf ihn zu und Begrüße ihn freundlich: „Hey, ich bin Mathew und kellnere ab jetzt hier ein bisschen. Bist du neu hier?" Der Mann erwidert mein freundliches Lächeln und schlägt in meine Hand, als würden wir uns schon seit Jahren kennen. „Hi, ich bin Jason. Ich bin zwar erst seit ein paar Wochen hier, aber es fühlt sich schon an wie in meiner heimischen Küche." Offensichtlich hatte Blake eine Neigung dazu, dass seine Köche mit „J" anfangen, aber das soll mir egal sein und dieser Jonas scheint gar nicht so übel zu sein. Also nicken wir uns noch einmal lächelnd zu, bevor jeder von uns wieder an seine Arbeit geht.
Zu dieser Urzeit sind schon erstaunlich viele Gäste im Pub, sodass ich viel zu tun habe. Seit ich das letzte Mal hier war scheint sich einiges verändert zu haben. Mittlerweile ist es Mittag und viele Gäste scheinen fast ausschließlich wegen des offensichtlich guten Essens zu kommen. Das Tagesgericht ist heute eine Tomatensuppe mit Krabben am Spieß. Vermutlich ist es die, an der Jonas vorhin gearbeitet hat, als ich ihn das erste Mal sah. Ich hatte jedoch keine Ahnung, dass wir solche Delikatessen im Angebot haben und warf Blake einen fragenden und zugleich hilfesuchenden Blick zu als eine in elegante Altagsklamotte gekleidete Dame als erste an diesem Tag eine solche Suppe orderte. Blackie nickte mir mit einem amüsierten Lächeln zu, sodass ich die Bestellung zumindest erst einmal aufnahm, bevor ich mich zu ihm an den Tresen gesellte. Während er einen seiner herzhaft lauten Lacher von sich gibt, sieht er mich an und sagt: „Na Math, sowas hättst du nich von mir erwartet was?" Wieder bricht er in Gelächter aus, welches den ganzen Raum erfüllt, bevor er weiter spricht. „Aber mach dir nix draus. Hätt ja selbst nich gedacht, dass sogar Business Leute zu mir kommen, nur um hier zu essen. Hab halt Glück gehabt mit Jason. Ist echt nen Goldjunge mit nem Händchen fürs Kochen." Das muss wohl der Wahrheit entsprechen, denn so voll hatte ich das Blackie's noch nie gesehen. Ich sehe mit einem etwas schiefen Lächeln zu Blake auf, bevor ich wieder in die Küche verschwinde um die Bestellungen an Jonas weiterzugeben.
„Na wie läufts so?", fragt er mich, als ich die Tür zur Küche nicht allzu sanft fallen lasse. „Super. Der Laden brummt. Muss echt gut sein dieses Tomatenpüree mit dem Fischzeugs". Ich kenne mich alles andere als gut mit den verschiedensten Gerichten aus und ich muss gestehen, dass es mich auch nicht sonderlich interessiert. „Ja, das ist es", antwortet Jason lachend. „Es ist ein Traditionsrezept, dass der Küchenchef mir am Ende meiner Ausbildung gelehrt hat."
Ohne weiter auf diese Bemerkung einzugehen, frage ich ihn: „Kochst du hier jeden Tag?" Jason sieht mich an als wäre ich ein Alien und antwortet dann mit einem Unterton der darauf schließen lässt, dass er sich nicht sicher ist, ob ich das wirklich ernst meine „Ähhhhh, ja klar. Es gibt jeden Tag mehrere Gerichte, die zur Auswahl stehen, wobei das Tagesgericht meist am Besten geht." „Achso", antworte ich zufriedengestellt und mache mich mit zwei Schüsseln Suppe in den Händen auf den Weg zurück in den ,Hauptraum' des Pubs.
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