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Ich stellte mir vor, wie das Eis schmolz und schmolz...
Und meine Vorstellung wurde zur Realität.
Lica schrie. Es war ein hohes, angewidertes Schreien. "Du... IHR seid Monster! Was... was habt ihr getan?!" Ich zitterte am ganzen Körper, obwohl die Luft wegen der Hitze sogar leicht nebelig war. Heißer Nebel.
Toni, oder eher William, sah selbstzufrieden aus. "Na, wer ist hier jetzt der größte?"
Doch ich achtete nicht auf ihn. Ich achtete auf Jay, der ungefähr einen Meter hinter ihm stand. Er schüttelte den Kopf, denn er wusste ganz genau, was ich vor hatte. Oder, was ich NORMALERWEISE tun würde.
Denn nur wegen ihm entschied ich mich gegen eine Schlägerei mit William. Er hatte mir klar gemacht, dass Gewalt manchmal zumindest keine Lösung war und deshalb hörte ich auf ihn und stieg so aus dem Wasser. Ich benutzte meine neu entdeckte Kraft, um mich abzutrocknen und als ich wieder normal war, lief ich zu Tony, bis ich direkt vor ihm stand. Ich konnte seinen schlechten Atem riechen.
"Du wirst nie der größte sein. Auch ich werde es nie sein. Weil der größte immer noch der Gründer ist und er es auch immer bleiben wird."
"Wer glaubt schon an die alte Legende, Geschichtsstreber."
"Wir hatten nie Schule, Tony. Oder eher du nicht." Ich grinste ihn an. Jeder wusste, dass Tony dumm war. Ich war es nicht. Auch ohne den Unterricht bei meinen älteren Freunden und meinen Eltern wäre ich nicht dumm gewesen. Und das hat nichts mit meiner Persönlichkeit zu tun.
Ich bin vielleicht egoistisch. Und auch vielleicht ein klitzekleines bisschen selbstverliebt. Das könnte man als das einzig schlechte an mir bezeichnen. Aber ich weiß genau, wo die Grenze ist und das weiß William nicht.
"Das ist keine Legende. Weiß doch jeder. Aber ehrlich gesagt, ich hab auch keinen Bock, mich weiter mit dir abzugeben, Tony. Du bist es einer Schlägerei nicht wert. Und außerdem: Hat hier irgendjemand gesagt, dass der Marathon unterbrochen ist? Warum stehen hier alle so blöd rum?"
Gerade wollte ich meinen Sieg feiern, wo Jay mir so zu lächelte, aber dann meldete sich Lica zu Wort. "Hiermit erkläre ich den Marathon für beendet. Gewonnen hat Jay, weil er über Jahre das Feuer in meinem Bruder zurückgehalten und dafür gesorgt hat, dass er nicht auf Tony William los geht. Jetzt dürft ihr noch zurückjoggen. Liam, du kannst miteinsteigen, ich möchte etwas mit dir besprechen!"
Na toll. Jetzt hatte die doch glatt meinen wundervollen Abgang kaputt gemacht. Wie sehr ich sie doch hasste.
Ich stieg auf und ließ mich gegenüber meiner Schwester fallen. "Was gibt's?" blaffte ich sie an. Sie seufzte.
"Das Tony Kräfte hat, hätte ich mir schon fast gedacht. Aber du? Mein kleiner, süßer Bruder? Der sich immer zum Spaß mit mir duelliert? Mein großer Liam?" sagte sie verzweifelt.
"Was denn jetzt? Groß oder klein?" nuschelte ich zu Boden blickend, doch sie ging nicht darauf ein.
"Du weißt nicht, was diese Kräfte bewirken, was sie sind, wer sie hat. Du wusstest noch nicht mal, dass du welche hast und das war auch besser so.
Im Moment kann ich ja noch auf dich aufpassen, aber in sieben Jahren werde ich im Wald sein. Wer wird dann auf dich aufpassen? Mom und Dad können wir es auf keinen Fall sagen."
"Warum?"
Ich hatte ganz vergessen, dass Allia ja auch noch da war.
Lica antwortete ihr: "Mom würde heulen, weil sie den nächsten Führer der Gang verlieren und Dad würde ihn höchstpersönlich verbrennen."
Sie sah sie mit großen Augen an. "Aber er ist doch ihr Sohn."
Lica seufzte. "Ja schon. Aber sie werden unberechenbar, wenn sie mitkriegen, dass ausgerechnet ihr Sohn Kräfte hat. Sie werden sich fragen, wie das passieren konnte.
"Also ist Kräfte zu haben etwas schlimmes?"
"Mehr als schlimm." Ich zuckte zusammen. "Aber alle haben es gesehen..."
"Es tut mir leid, Liam, dass Toni dich in eine solche Situation gebracht hat. Wir wissen nicht, ob sie es weiter erzählen werden. Im Moment kannst du nur auf Jay zählen. Du solltest dich mit ihm versöhnen. Und das möglichst bevor Lucys Tag gekommen ist. Dann... haben wir nämlich etwas zu tun. Oder besser gesagt ihr." Sie sah mich wissend an.
"Ich werde Lucy garantiert nicht retten. Das weißt du. Das mit Jay kriege ich ja vielleicht noch hin, aber Lucy hat die Todesstrafe verdient."
"Sie ist 15, hast du kein Herz? Ich dachte, du wolltest die Todesstrafe abschaffen!"
"Das..."
"Wäre wirklich wahnsinnig cool von dir." Ich schaute entgeistert zu Allia. Diese grinste.
"Was ist dein Plan?" wandte sie sich Lica zu.
"Fiz weiß bestimmt von Liams Kräften. Gemeinsam mit Jay werden wir ihn dazu befragen. Es kann nämlich eigentlich nicht sein, dass Quin Yilvies Sohn solche Kräfte hat."
Mom sollte nicht meine richtige Mutter sein? Wie konnte sie so etwas denken?
"Lica, das kann gar nicht sein. Ich bin ganz sicher der offizielle Sohn von Quin Yilvie."
"Genau da liegt ja das Problem. Du kannst kein Kind des Feindes sein."
"Du meinst doch nicht wirklich die, an die ich denke, oder?" Angst machte sich in mir breit.
"Doch genau die meine ich."
"Entschuldigung, könnte mir mal wer erklären, wer 'die' ist?" meldete sich Allia sauer zu Wort.
"Sorry. Wir meinen Gina Petson. Sie ist die schlimmste Feindin der Gang, genau wie ihr Mann Iupi Petson. Sie kommen sozusagen vom untersten Untergrund."
"Iupi?"
"Das soll eine Abkürzung für Jupiter sein, zu lateinisch Iuppiter."
Allia schüttelte nur den Kopf. "Für mich bleibst du immer der gleiche. Aber ich finde, dass du deiner Schwester richtig ähnlich siehst, deshalb können wir doch eigentlich ausschließen, dass Gina deine Mutter ist, oder?"
Ich nickte. "Ja. Mein Dad sah früher auch fast genauso aus wie ich."
Und so fuhren wir zurück zum Klotz. Ich wusste nicht, wie Licas Plan aussehen würde, aber zunächst würde ich mich wohl um Jay kümmern müssen.
◇◆◇
Ich klopfte laut.
Ich hämmerte gegen die Tür.
Ich schrie, er solle aufmachen.
Tat er es? Nein.
Schließlich öffnete ich einfach die Tür. Was mich im Zimmer erwartete, ließ mich entgeistert drein blicken. Mehrere Pillen lagen auf dem Boden und ein bewusstloser Jay. Er atmete nicht mehr. Sein Mund war zu einem Lächeln verzogen, aber gleichzeitig sah er auch traurig aus. Es sah aus, als hätte er es gewollt, aber gleichzeitig es mit aller Kraft verhindern wollen.
Neben ihm lag ein zerknitterter Zettel. Ich hob ihn auf und las.
An meine Freunde, meine Familie, Liam und Lucy:
Ich habe es getan, weil ich es tun musste. Es hatte keinen Sinn mehr.
Es begann mit Pillen und es endet nun mit Pillen. Meine Beziehung zu Lucy. Okay, Beziehung kann man es nicht nennen. Meine Zuneigung zu ihr.
Mom, Dad, es tut mir leid. Es tut mir leid, dass ich alles vor euch verschwiegen habe. Ihr seid trotzdem wichtige Menschen für mich. Noch immer. Ihr wart die, die mir früh gezeigt haben, worauf es im Leben ankommt. Und jetzt helft ihr mir, zu bleiben, wer ich bin und weiter zu gehen, obwohl es gerade jetzt sehr schwer ist.
Ihr könnt das ganze gerade bestimmt gar nicht fassen, aber ich bin noch nicht weg. Der Erste wird wissen, was er zu tun hat.
Liam. Wir haben uns in letzter Zeit auseinander gelebt, doch beim Marathon, als du auf mich gehört hast, ohne das ich was gesagt habe, ist mir mal wieder klar geworden, dass ich ohne dich nicht kann. Du bist und bleibst der Mensch, der mich immer antreibt, der mich aus schwierigen Situation rettet und der mich wie sein Bruder sieht. Der sich nie beschwert hat, wenn ich mich an ihn gekuschelt habe.
Ich bin vielleicht ein 'Softie'. Aber das mit Stolz. Ich habe Gefühle und ein Herz. Und ich weiß, dass auch du es hast, Liam. Du hältst es nur zurück. Lass dein wahres Ich aus dir raus. Manche Menschen werden vielleicht enttäuscht sein, aber das ist egal, solange DU glücklich bist!
Was glaubst du, wie schwer diese Entscheidung war? Ich lasse meine Familie, dich und Lucy und alles andere zurück. Warum? Weil ich ohne sie nicht kann. Ich könnte es nicht ertragen, sie sterben zu sehen. Zumal ich auch noch hätte mithelfen müssen. Hier hast du wieder einen Beweis, wie grausam Fiz manchmal sein kann. Ich hoffe, diese Worte konnten dir helfen, Kumpel. Und vielleicht sehen wir uns auch wieder.
Du bist nicht der böse, nur weil du anders bist. Auch in unseren Kreisen gibt es sie.
An Lucy:
(Liam, ich weiß, dass du diesen Teil liest. :P )
Ich liebe dich. Ich konnte dir das nie so richtig sagen, denn es war eine verbotene Liebe. Die hiermit endet. Es war so verdammt schwer, nicht alles hinzuschmeißen, als Fiz mir sagte, ich solle am Prozess beteiligt sein. Ich hätte fast an deiner Tür geklopft und wäre mit dir durchgebrannt. Aber das wäre nicht gegangen, weil du viel zu lieb dafür bist. Eine der Eigenschaften, die ich so sehr an dir liebe.
Lucy, du hast vielleicht einen Fehler begangen, aber du bist auch nur ein Mensch. Stehe auf und kämpfe! Du bist zwar noch ein kleines Mädchen (mein kleines Mädchen) , aber trotzdem kannst du es schaffen, dich gegen alle anderen zu stellen.
Ich hab euch alle ganz doll lieb und hoffe, ihr versteht mich.
Jay
Ich war der erste. Und ich musste wissen, was zu tun war.
"Hilfe!" rief ich laut und ließ mich zitternd zu Jay auf den Boden nieder. Mir war egal, wie hilflos ich rüber kommen würde. Ich wollte endlich ich selbst sein.
•●•
Schreibt mal, wie ihr den Brief von Jay fandet. Gefühlvoll? Heuchlerisch?
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